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Mitten im Felde steht ein alter Weißdornbusch, der sein blühendes Gezweig weit von sich streckt und schweren Duft um sich streut. Von der alten hohen Feldeiche, unter deren Schutze der Busch aufwuchs, ließ der Blitz nichts übrig als den breiten Stumpf. Der ist mein Sitz.
Es ist erst halber Tag. Im Gemeindeforste heult der Kauz, in den Rotteteichen quarren die Frösche und läuten die Unken, im Roggen spinnt noch der Grillenfänger, am Steinanger schwatzt der Steinschmätzer, aber aus allen Feldern quillt Lerchengesang hervor, und der Forst da unten säumt sich rosenrot.
Es hellt sich auf in der Runde. Das graue Feld grünt auf, die weiße Wiese wird bunt, der fahle Weg nimmt ein weiches Rot an. Die schwarzen Schatten in der Quellsinke werden erst grau, dann braun und schließlich rot; langsam äst sich das Schmalreh dem Holze zu und der Bock zieht hinterdrein. Es ist der geringe Sechser, und dem Hauptbock galt mein Frühgang. Der aber steht schon längst in der Dickung und schimpft über die Steinbrucharbeiter, deren Schuhnägel allzuhart auf dem Steinwege knirschen.
Ein heller Ruf, kurz und scharf, erklingt vor mir. Ein leises Rauschen und Knistern geht durch den Roggen. Und wieder klingt der helle Ruf, klingt im spöttischen Frageton: » Dic cur hic?« Ich muß lächeln. Er hat recht, der kleine Spötter. Warum bin ich hier in Tau und Nebel? Des Bockes wegen? Ach, ja! Aber der ist doch nur der äußere Anlaß, warum ich um die zweite Stunde das bunte Bett zurücktrat und aus der knarrenden Lade sprang.
Einige Roggenähren schwanken. Da steht er vor mir, der schneidige, kleine Kerl, hochaufgerichtet, bolzengerade und stocksteif. In kurzen, hastigen Bewegungen wendet sich das gestreifte Köpfchen, die blanken Augen spähen rundumher, laut klingt der herrische Ruf, der stolze Rufer wird zum geduckten Knirps, noch einmal klingt es: »Bück den Rück!« Drei Roggenähren schwanken und fort ist der Wicht.
Ich dämmere vor mich hin und stecke die Pfeife an. Jetzt schlägt der Wachtelhahn unten im Felde. Soll ich ihn ein bißchen foppen? Die Natur gab mir gelehrige Lippen und eine willige Zunge. »Alle solche Allotria, darin bist du groß, mein Lieber,« sagte der alte Professor, »aber die unregelmäßigen griechischen Verba, damit hapert es bedenklich.«
Ja, mit tithemi locke ich keinen Hund hinter dem Ofen hervor, keinen Bock aus der Dickung und keinen Fuchs aus dem Geklüft. Aber mit der geblähten Lippe und der geballten Hand bringe ich den Bock auf die Decke und den Fuchs in den Rucksack, und mit dem Dreiklangspfiff den Wachtelhahn aus der Erbsenbreite heraus. Exempla docent.
Einmal flötete ich es knapp und kurz heraus: »Pfuitt-pfüt-pfuitt.« Er antwortete schon. Noch einmal, weil es so schön ging. Er antwortete näher. Und noch einmal. Da ruft er dicht vor mir. Und nun kommt mein dickster Trumpf. Erst ein tiefer hohler Gaumenlaut: »Chraou« und dann ein zärtliches Gurren: »Chrüchrürr!« Das macht mir keiner nach. Von der Maulwurfsgrille lernte ich es, und man braucht Kehlkopf, Backen, Lippen, Zähne und Zunge zu gleicher Zeit dazu.
Das ist dem kleinen Kerl zu dumm. Sollte etwa seine liebe Frau aus der Reihe tanzen wollen? Da soll doch gleich ein dreifaches Donnerwetter hineinschlagen! Der freche Kerl muß gebeutelt werden und sie bekommt auch ihren Wischer, denn für die Wachtelfrau geziemt sich strenge Ehetreue. Die Herren Hähne haben allerdings eine etwas dehnbare Moral.
Warte, denke ich, dafür sollst du deine Strafe haben! Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Also noch einmal: »Chrüchrürr« und jetzt, recht wie ein frecher Wachtellebemann, der für dreieckige Verhältnisse schwärmt, möglichst schneidig: »Pfuitt-pfütt-pfuitt«, und abermals so und zum dritten Male.
Nun schwanken die Ähren nicht mehr leise, sie zucken, bald hier, bald da zappeln sie, jetzt steht der Hahn mitten im blühenden Ehrenpreise am Grabenbord, fort ist er, schlägt in der Wasserfurche, taucht bei den Glockenblumen auf, rennt an dem Graben entlang, und nun wahrhaftig, streicht er schnurrend dicht über den nassen Klee und schlägt in den Kartoffeln weiter voller Wut und Grimm, sein ganzes erbeigenes Gebiet nach dem Störer seines Ehefriedens absuchend.
Ich stecke meine Pfeife wieder an und lache vor mich hin. Wie oft habe ich mir diesen Ulk schon gemacht. Vom vierzehnten Jahre an, als ich noch mit dem zur Stockflinte zurechtgewürgten eisernen Gasrohre irgendeinen Vogel wegwilderte, einen Rohrsänger, einen Pieper, einen Uferläufer, den ich nach Farbe und Stimme nicht ansprechen konnte. Und da der Schießprügel nur auf zwanzig Schritte tötete, so lernte ich das Anlocken und kann es heute noch, und brauche nicht Quäke noch Blatte, weder Habichtsruf noch Hühnerreize. Mund und Hand reichen für alles aus.
So kam ich hinter die Geheimnisse aller, auch der verborgensten Tiere, zumal ich ausharren und stilliegen kann; und so lernte ich auch die Wachtel näher kennen. Ich sah die Henne zum Nest heranschleichen, sah, wie sie ihr buntes Gelege ordnete, sah sie mit zwölf gelblichen Wollklümpchen zwischen den roten Rispen des Zwergampfers auf der Brache herumschlüpfen und den Kleinen weisen, was bekömmlich sei und was nicht, und ihnen am Beispiel zeigen, wie bekömmlich ein Sandbad unter dem Ackerkamillenbusche sei, denn davor halten die unangenehmen Federläuse nicht stand.
Einmal im Mai, als ich am Spätnachmittage im Kalenbergischen in einem Feldbusche saß, hörte ich zwei Hähne schlagen. Immer schneller und öfter schlugen sie, immer näher kamen sie von rechts und links heran. Und dann schnurrte es aus dem Weizen heraus und in die Erbsen vor mir, ein giftiges Schrillen erklang, zwei graugelbe Dinger huschten hin und her, sprangen gegeneinander an, eines schnurrte fort, das andere schlug stolz und freudig und rannte dem Weizen zu, in dem die Henne, der der Zweikampf gegolten hatte, zärtlich girrte.
In der Stunde lockte ich den eifersüchtigen Hahn ein dutzendmal vor mich hin. Schließlich wurde er so wild, daß er hochaufgerichtet von dem Grenzsteine um sich äugte und fortwährend schlug. Es war ein alter Kohlhahn mit schwarzer Kehle und Backen; er platzte fast vor Wut, überschrie sich, gab einen Laut zu und rief ganz dumpf und böse: »Kutt-kut-kuttkutt«. Drei Tage später rief der Junghahn dort. Von dem alten fand ich die Reste. Der Sperber hatte ihn geschlagen.
Der junge Hahn hatte aber auch keine rechten Familienfreuden. Noch lagen erst drei Eier im Neste, da ersoff das Gelege im Gewitterregen. Das Notgelege im Klee wurde ausgemäht, und als das Weibchen auf dem zweiten Gelege saß, griff es die Katze. Der Hahn kam im nächsten Mai nicht wieder. Ob ihn auf der Herbstreise die Provencalen oder die Griechen oder die Araber mit dem Tiraß oder dem Strecknetz fingen, ob ihm die Flügel lahm wurden und ihn im Mittelmeer ein Raubfisch verschluckte, ob ihn im Kabylenlande ein Falke schlug oder eine Manguste beschlich, wer kann es sagen! Fünf Jahre ist es seitdem her, und noch schlägt keine Wachtel wieder bei jenem Dorfe im Kalenbergischen.
So ist es fast überall geworden. Sparsam wurden die Wachteln in Deutschland. Der Jäger ist nicht schuld an ihrem Rückgange. Die Zeiten, da man die Wachtel bei uns in Garnen fing, sind lange vorbei, und lediglich auf die Wachteljagd ging wohl nur hier und da einmal ein Mann. Der Massenfang im Süden ist der Hauptgrund für ihre Abnahme, denn einmal bekommt jeder Topf einen Sprung, und der Hundert- und Tausendfang um das Mittelmeer zieht nicht in einen hohlen Baum. Aber auch die gewaltige Entwickelung des Leitungsnetzes und die Leuchtfeuer an den Küsten reißen große Lücken in die Reihen der schlechten Flieger, und schließlich sagt ihr auch der Rübenbau nicht zu, denn sie will das Getreidefeld, vorzüglich den Weizen, gerade wie der Hamster.
Sie ist ein Steppenvogel wie das Feldhuhn, die Steppengebiete der alten Welt sind ihre Heimat, und von da drang sie überall hin, wo ihr der Ackerbau die Steppe schuf. Jetzt, wo er ihr sie auf weite Flächen wieder nimmt durch den Rübenbau, weicht sie wieder zurück, und wenn es auch noch bei uns manche Gegend gibt, in der die Wachtel nicht selten ist, wo man ihren frohen Schlag aus den Feldern klingen hört, durchschnittlich ist sie recht sparsam geworden, und fast so selten wie des Wiedehopfes dumpfen Ruf hört man ihr helles Locken.
Ist einmal ein recht heißer, dürrer Sommer gewesen und hatte sie gute Hin- und Herfahrt, dann tritt sie auch wieder häufiger auf, ganz wie der Wachtelkönig, dessen Gelege auch sehr viel ausgemäht werden und der in Mengen den Mittelmeerstürmen zum Opfer fällt. Auch darauf kommt sehr viel an, ob es viel oder wenig Mäuse und Hamster gibt, denn sind diese gut gediehen, so hält sich das Raubzeug mehr daran und läßt das Federwild in Frieden.
In solchen Jahren lohnt es wohl die Mühe, mit einem kurz suchenden Hunde der Wachtel einen Tag zu widmen, aber es gehört Geduld dazu und ausdauerndes Gangwerk. Denn in stärkeren Völkern, wie das Huhn, lebt die Wachtel selten. Lose ist der Zusammenhang zwischen den Stücken. Man trifft wohl eine Wachtel an, Wachteln suchen aber ist meist eine Jagd auf blauen Dunst. Die gefehlte Wachtel ist meist verloren. Sie drückt sich, läuft und macht den Hund verwirrt. So kümmert sich der deutsche Jäger nicht viel um sie.
Erbeutet er einmal eine, so freut er sich über das seltene Wild, aber da es nur eine gute Handvoll ist, so sucht er nicht nach mehr, denn er weiß, die zweite findet er vielleicht, ob aber die dritte, die zu einer Mahlzeit gehört, das ist noch sehr die Frage. Und auch der Vogelsteller geht bei uns nicht mehr auf den Wachtelfang. Man liebt die Wachtel als Käfigvogel nicht mehr; im Felde klingt ihr forscher Ruf allerliebst, ihn im Zimmer auszuhalten, das lehnen die Nerven des Menschen von heute und sein ästhetisches Gefühl ab, denn allzu hart klingt im engen Zimmer der metallische Ruf, der in die weite, freie Ebene gehört.