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Unter dem Schornsteinkleid

Der Nordwest trieb den Schnee in ganzen Wolken über das Ammerland, deckte die Wintersaat zu, versteckte die alten, bemoosten Strohdächer und strich die Wallhecken aus der Landschaft fort.

Als der Wind einmal etwas verschnaufte, wagte sich die Sonne heraus. Die dicke diesige Schneeluft machte es ihr schwer, aber schließlich gelang es ihr doch, und eine Viertelstunde lang strahlte das ganze Land in goldrotem Lichte, bis der Sturm von neuem Schneemassen vor sich hertrieb und die Sonne zu Bett brachte.

Ich war rund um das Zwischenahner Meer gegangen und fühlte, daß ich hungrig und müde war. So war ich froh, als ein Wirtshausschild unter einem spitzen Giebel zur Einkehr einlud. Der Sturm riß mir die Türe aus der Hand und warf sie so hinter mir zu, daß das ganze Haus donnerte, aber zuvor gab er mir noch eine Ladung Schnee mit auf den Weg, die bis in das Herdfeuer hineinflog.

Ich bot die Tageszeit, klopfte mir den Schnee ab und ging an den Herd, um den die Bauern, die da saßen und sich die Füße an der Torfglut wärmten, ihre Binsenstühle zusammenrückten, um mir Platz zu machen. »Binnen is't beeter as buten,« sagte ich. Sie nickten alle. Der nächste Gast, ein baumlanger Schlachter, sagte dasselbe, und der folgende, ein Fischhändler, auch, und der alte Bauer mit dem verhutzelten Gesicht, der darauf eintrat, nicht minder. Jeder ließ sich zuerst einen Klaren geben, kippte ihn hinab und goß die Neige in das Feuer, das sich mit einer langen, himmelblauen Stichflamme dafür bedankte.

Ich hatte mir Heet und Söt bestellt. Die Haustochter langte einen Zinnkrug von der Wand, zapfte ihn voll Dünnbier und stellte ihn an die glimmenden Törfe zu meinen Füßen. Nach einer Weile, als das Bier fast heiß war, warf sie eine Handvoll Stückzucker in ein Glas, goß aus meinem Kruge heißes Bier darüber und wieder zurück, und tat das so lange, bis der Zucker aufgelöst war. Dann kredenzte sie mir mit einem freundlichen Worte das Glas und stellte den Krug wieder neben das Feuer.

Ich sah den roten Funken zu, die alle zuerst um den schwarzen Kesselhaken herumsprangen, bis sie unter dem roten Schornsteinkleide verschwanden, unter dem einige Dutzend angeräucherte Heringe in Reih und Glied hingen. Ich riß zwei davon, die sich schon trocken genug anfühlten, ab, langte mir die Heringspfanne von der Feuerwand, legte die Fische darauf und hielt sie so dicht über den brennenden Torf, daß die Flammen um sie herumschlugen. Sie knisterten erst, dann prasselten sie, und fortwährend tropfte ihr Fett in das Feuer, das dann jedesmal mit roten Zungen an dem Kesselhaken entlang leckte. Als die Bäuche der Heringe auseinanderklafften, sagte ich: »Es wird ihnen zu heiß; sie knöpfen all den Rock auf.« Die Bauern lachten und sahen zu, wie ich nach der Väter Weise die Heringe aus der Hand aß und die fettigen Finger an den Schneestrümpfen abwischte.

Nach acht Tagen kam ich wieder, und nach einer Woche noch einmal, und von da ab einen um den andern Tag. Mir fehlte etwas, wenn ich nicht dreimal in der Woche unter dem Schornsteinkleide saß, mein Warmbier trank und meine Heringe aß. Aber nicht das Bier und die Fische waren es, die mich dahin zogen, das Feuer war es und die Menschen, deren Gesichter es beschien. Sie waren nicht sehr mitteilsam, weder die Wirtsleute noch die Bauern, und was da gesprochen wurde, das war immer dasselbe: die Schweinepreise, Nachbars kranke Kuh, der hohe Grundwasserstand, der durchgebrannte Müller, der Verlauf des letzten Danzefestes, die Konfirmation, und oft saß man eine geschlagene Stunde da und keiner tat den Mund auf. Aber das hat man auch nicht nötig, sitzt man am offenen Feuer. Eines Spätnachmittags, als ich als einziger Gast so dasaß, die Schmierstiefel auf den eisernen Herdreifen stützte und den bleichen Flammen und den roten Funken zusah, während mir gegenüber, von der Abendsonne beschienen, die Haustochter saß und strickte, sagte ich: »Wenn man hier so sitzt, Annie, kommt man sich vor, als wenn man weiter nichts zu tun braucht.« Das junge Mädchen nickte, sah in die Glut und erwiderte: »Ja, Feuer ist Gesellschaft.«

Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen; Feuer ist Gesellschaft, wie rinnendes Wasser und wogendes Korn. Die drei wissen so viel, können so viel erzählen, aber das meiste weiß doch das offene Feuer, trotzdem daß es die leiseste Sprache redet. Uralte Geschichten weiß es, die die Menschen längst vergaßen, Geschichten aus den Zeiten, da Wode noch geehrt wurde und Frigga, da noch der Grauhund im Moore das Elchkalb riß und der Adler in der Seebucht die Wildgans schlug. Die meisten Leute überhörten das leise Flüstern des Feuers, aber dann und wann war doch ein Mädchen da, eine von den stillen mit den verträumten Augen, die dem Flüstern des Feuers zuhörte; sie verstand nicht alles, was es erzählte, und manches deutete sie falsch, und das meiste vergaß sie hinterher, als sie Frau und Mutter wurde, über der unablässigen Arbeit, aber späterhin, als sie graue Haare hatte und Enkelkinder auf dem Schoße schaukelte, da fiel ihr ein Teil von dem ein, was ihr das Torffeuer einst zugeflüstert hatte, und sie erzählte den Kindeskindern, die ihre Knie umstanden, von dem Hellwegreiter und seinem Grauschimmel, von der weißen Frau und der goldenen Wiege, von dem Manne mit der roten Feuerhand, dem ewigen Fuhrmann, der auf der Heide geht, und der toten Spinnerin, die im Bruche die Hütejungen erschreckt.

Eines Abends ging es lustig vor der Feuerwand her. Es war am Samstag; die Schlachtergesellen von der Wurstfabrik hatten dicke Taschen und gaben eine Runde Grog nach der andern aus, und wenn Tjade Henke Grog trank, dann mußte er singen. Er war schon dicht an die Siebzig heran und man sah es seiner schlottrigen Gestalt und seinem aus lauter großen und kleinen Falten zusammengesetzten Gesichte nicht an, daß er in seinen jungen Jahren ein Dollhund und Tausenddeuwel gewesen war: auf allen Meeren der Erde hatte ihm der Wind um die Ohren gepfiffen, und es war kein Erdteil, den er nicht kannte. Nun war er alt und grau, hatte einen krummen Rücken und Finger, die die Gicht verbogen hatte, aber in seinen abgebleichten Augen war noch viel Jugend, sein Herz war ebenso frisch wie zu der Zeit, da er noch den Südwester auf dem blonden Haare trug, und seine Stimme nahm es mit denen aller Jungkerle auf. Erst zierte er sich, als es hieß: »To, Tjade, sing eins!« Aber als er auftaute, ging es los, und klar schallte seine helle Stimme durch das Fleet. Er sang: »Zu Charlottenburg im Schlosse, in dem düstern Fichtenhain«, und alle sangen den Endreim des Liedes mit. Und dann kam das Brummelbeerlied, und »Lippe-Detmold, eine wunderschöne Stadt, worinnen ein Soldat«, der verliebte Jägersmann und die Räuberbraut, »Köln am Rhein, du schönes Städtchen«, »Die Reise nach Jütland«, »An der Weichsel gegen Osten«, die lustigen Braunschweiger und des Königs deutsche Legion.

Es war stockfinster, als ich nach Hause ging. Der Wind schlug mir den Jagdmantel um die Beine, der Regen stob mir nur so in das Gesicht, und wo ich hintrat, trat ich weich und naß. Aber trotz alledem war ich frohgemut; ich hatte einen schönen Abend verlebt bei Warmbier und Bratheringen, einen schöneren, als hätte es französischen Schaumwein und sieben Gänge gegeben und als hätte statt Henkes Tjade irgendeine Sängerin für die Unterhaltung nach Tische gesorgt. Ich dachte an so manchen ähnlichen Abend, den ich auf solche Art verlebt hatte, wenn ich Büchse und Rucksack an die Wand gehängt hatte und mir am offenen Feuer die Füße wärmte. An die alte Wirtschaft am sandigen Ufer der Ems dachte ich, wo die beiden Töchter, rosenrot und weiß im Gesicht und mit Haaren, so gelb wie Haferstroh, mit ihren hellen Stimmen so wunderschöne alte Lieder sangen, und wie das saure Altbier gezischt hatte, wenn ich den glühenden Schürhaken hineinstieß, um es anzuwärmen, während aus der Ecke neben der hohen Kastenuhr das rauhe Schnarchen des Altvaters kam, der im Backenstuhle eingenickt war. Dann wieder fiel mir das Fleet in dem Einzelhofe in der Lüneburger Heide ein, in dem ich so oft am offenen Feuer gesessen und die unheimlichen Schatten betrachtet hatte, die die gewaltigen Pferdeköpfe des Herdrahmens gegen die Wand warfen, während die goldenen Funken gegen den silbern glänzenden Rußbelag des Rauchfanges sprangen. Dann klang draußen ein helles Lachen, der Schnee brauste, die Halbetür ging auf, und ein Mädchen, das Tuch fest um Kopf und Brust gewickelt, das Spinnrad in den verfrorenen Händen, kam herein, hinter ihr, etwas verlegen lächelnd, ihr Schatz, und wieder ein Paar und noch eins, bis das Fleet voll war.

Der Mond riß ein Loch in die schwarzen Wolken und machte aus der aufgeweichten Landstraße einen silbern schimmernden Märchenweg, zu dessen beiden Seiten die Kiefern standen, unwillig die Köpfe schüttelten, weil der Wind ihnen ihre schwarzen Locken etwas zu grob kämmte, und ab und zu »Au!« und »Uih!« schrien, machte er es gar zu arg. An der Straße starrte gespenstig der hohe Giebel eines Bauernhauses aus seinem Hausbusche. Die große Türe stand offen; rot funkelte das Feuer, in dessen Mitte gespenstig der Kesselhaken mit dem Kessel hing, während vor ihm eine dunkle Frauengestalt sich hin und her bewegte, die bei ihrer Arbeit ein Lied sang, das der Wind stückweise zu mir hertrug. Wie ein leibhaftiges Märchen war das, das alte Haus, das breite Tor, das rote Feuer, die dunkle Gestalt und das helle Lied. Ich ging weiter und dachte, wie arm wir wohl wären an Liedern und Märchen, hätten wir das offene Feuer nicht gehabt, sondern von jeher Öfen, geschlossene Feuerstätten, die das Herz nicht erwärmen und die Seele frieren lassen, die keinen warmen Schein auf stille Gesichter werfen, nicht mit roten Funken die Augen himmelan führen, neben denen kein Spinnrad schnurrt und vor denen keine schwarze Katze mit grünen Augen liegt und in die Glut blinzelt. Und weil wir kein offenes Herdfeuer mehr haben, dessen lebendige Glut eine bessere Wärme gibt, denn die eingesperrten Flammen der eisernen Öfen, darum verlernten wir es, Lieder herauszuhören aus dem Flüstern der Flammen und den Funken die Märchen abzuhorchen.

Am nächsten Tage hatte das Wetter sich gewendet. Die Sonne schien hell und warm, der Wind ging sachte, und der erste Fink schlug. Als die Sonne schon tiefer stand, stemmte ich wieder die Stiefelsohlen gegen den Herdreifen. Der rote Schein der Abendsonne fiel rechts von mir durch das Fenster, von links kam das kalte Licht des Tages, und von der Diele her die graue Dämmerung. So saß ich zwischen dreierlei Licht und freute mich, was sie aus dem Fleet machten, aus den blauweißen, mit gelben Messingknöpfen gezierten Fliesen der Feuerwand, aus den Zinnkannen und Kupferkessel in dem Wandbörd, aus den Gläsern und Flaschen auf der Tonbank, und ich fand, daß draußen das Land, die grüne Saat mit den letzten Schneestreifen, überschnitten von den Baumkronen des Grasgartens, von hier aus viel feiner aussah und mehr zum Herzen sprach, als von der Landstraße aus. Als dann die Amsel ihr Abendlied sang, als der hohe Machangelbusch vor dem Fenster im Scheidelicht der Sonne aufglühte und die Kätzchen des Haselstrauches zu reinem Golde wurden, da wußte ich mit einem Male, warum die Lieder, die Henkes Tjade gesungen hatte, so süße Weisen hatten, weshalb darin so viel Licht und so viel Schatten war: bei dreierlei Licht waren sie entstanden, und um die Ulenflucht, wenn Sonnenlicht und Herdglut sich darum streiten, wer das meiste zu sagen hat.

Krähen flogen laut quarrend über das Haus fort, ihrem Schlafwald zustrebend. Die Schneestreifen draußen verloren ihren Rosenschimmer, die junge Saat büßte ihren warmen Ton ein, schwarzes Gewölk schob sich am Himmel entlang. Das Käuzchen rief vom Stallgiebel, eine Katze quarrte sehnsüchtig. Der Torfhaufen fiel zusammen; weiße Ascheflocken stoben umher. Annie holte frischen Torf, scharrte mit der Feuerzange die glimmenden Brocken beiseite, baute Torf um Torf zum Ringe, tat die Glut darauf und fegte den Herd blank. Die drei Bauern, die mit mir um das Feuer saßen, sahen ihr so genau zu, als hätten sie noch nie gesehen, wie Feuer angelegt wird, und ich auch. Es gibt Verrichtungen, die wir jeden Tag sehen können, ohne daß sie uns gleichgültig werden. Der Mann, der da gräbt oder sät oder pflügt oder mäht oder den Baum fällt, das Mädchen, das das Vieh füttert, die Kuh melkt, spinnt oder webt, der Schmied an seiner Esse, der Zimmermann mit der Axt und der Maurer mit der Kelle, und haben wir es tausendmal gesehen, wir sehen es zum tausendundeinten Male, und es fesselt uns im Grunde mehr als die ausgeklügeltste Schauspielkunst und der gerissenste Kniff des Jongleurs im Varietätentheater. Denn das Notwendige, das Nützliche, das Alltägliche, das ist und bleibt doch immer dasjenige, was am meisten zu uns redet, und das, was am meisten zu uns spricht, das rührt auch am stärksten unser Herz, bis es singt und klingt. Deshalb wissen unsere schönsten Volkslieder auch nichts Außergewöhnliches zu berichten; von Dingen, die sich jeden Tag begeben, singen sie, von Jedermannslust und Alltagsleid, und gerade darum finden sie so zarte Worte und so weiche Weisen.

Eine ganze Weile hatte das Feuer verstohlen geglommen; mit einem Ruck schlugen die Flammen durch, und jäh wirbelte der graue Rauch empor. Ob ich wollte oder nicht, ich mußte hinter ihm hersehen, wie er sich zwischen den silbern glänzenden Heringen durchdrängte und an den schwarzen Schornsteinwänden sich entlang kräuselnd verschwand und dahin stieg, wo auf dunkelblauem Grunde die goldenen Sterne standen. Nur wenige waren es, die ich von meinem Platze aus sah, aber viel mehr wirkten sie als die unzähligen Gestirne, die ich zu sehen bekam, als ich die Landstraße entlang ging. Aber da war auch kein rotes Herdfeuer, dessen grauer Rauch meine Blicke zu ihnen führte; da unten auf der Straße war ich, und da oben, in unausdenkbarer Ferne, blinzelten die Sterne, und nichts verband mich mit ihnen als ein kärgliches Stück dürren Wissens, aus kalten Zahlen mühsam hergestellt. Und da ging mir alles Glaubens Urgrund auf. Nicht im dunkelen Walde oder auf der weiten Heide, nicht auf der lauten See und in der stummen Steppe blühte er auf, er keimte an der roten Glut des Herdfeuers, wo goldene Funken und bleicher Rauch die Augen aufwärts leiteten und ihnen ein kleines, begrenztes Stückchen Himmel wiesen, der den Menschen nicht blendete und schreckte, sondern ihm als sein Eigentum dünkte, erreichbar durch den Glauben an einen Gott, der jenseits der Wolken thront. Gespensterglauben und Dämonenfurcht lehrten Urwald und Steppe den Jäger und Wanderhirten; Gottesglauben aber entstand in dem Menschen erst, als er als Bauer vor dem Herdfeuer saß.

Ein glühender Funken stahl sich zwischen den schwarzen Torfstücken hervor, fuhr empor, besann sich, bog seitwärts ab, und ehe er in der Esse verschwand, kreuzte seine Bahn ein anderer. Ihnen machten es immer mehr nach, seltsame rote Runen durch die Dunkelheit ziehend. Kreuze bildeten sie in ihrem hastigen Fluge, goldene Kreuze, deren Enden zu Haken gebogen waren, jene Zeichen, die der Bauer einst so gern, kunstvoll verziert und auf mannigfache Art geformt, rechts und links von dem Hausspruche in den Balken über der Missentür einmeißelte. So wies ihm nicht nur das Herdfeuer den Weg zum Jenseits, es half ihm auch dazu, sein Leben zu verschönern, indem er den Geräten, die um ihn waren, einen Schmuck gab, der eine verborgene Bedeutung hatte und einen geheimen Sinn. Die überklugen Leute, die mit dem Gehirn denken und nicht mit der Seele fühlen gelernt haben, ergehen sich in gelehrten Tüfteleien über die Zierformen des bäuerlichen Urväterhausrates; klappten sie ihre Bücher zu und setzten sich an das Herdfeuer, um aus Funkenflug und Rauchringeln zu lernen, sie täten besser. Aber sie wohnen in den großen Städten, und wenn sie auf das Land gehen, vergessen sie die Brillen abzusetzen.

Auch ich bin jetzt wieder in der großen Stadt zwischen steinernen Mauern, Geleisen und Drähten. Sie schreit mir die Ohren voll von früh bis spät, hält mir auf Schritt und Tritt Tand über Tand vor die Augen, aber sie sagt mir nichts und schenkt mir erst recht nichts. Schöne Gesichter sehe ich, bedeutenden Menschen begegne ich; aber sobald sie vorüber sind, vergesse ich sie. Die Anlagen prangen mit Blumen, aber ihre Pracht läßt mein Herz kalt. Ich sehe lustige und ernste Dinge, aber ich achte nicht darauf. Wenn ich aber der Stunden gedenke, die ich unter dem Schornsteinkleide des Dorfkruges im Ammerlande verbrachte, und die vergangen sind wie die Funken, die aus der Glut sprangen, und zerflogen, wie der Rauch, der in die Esse stieg, dann wundere ich mich, wie lebendig alles das, was ich dort erlebte, in mir geblieben ist. Da sitzt der alte Fischhändler, hält die gichtigen Hände über die Glut und lacht hell auf, wie die Katze einen Funken am Balge fühlt und schleunigst Reißaus nimmt. Da steht ein Blondzöpfchen mit blau gefrorenen Fingern vor der Tonbank, läßt sich von Annie die Tüte mit Reis in den Korb legen und lacht glücklich über das Zuckerwerk, das es als Zugabe bekommt. Ich höre, wie die Magd, die draußen das Butterfaß scheuert, singt: »Wenn grün die Eichen stehn auf ihren Fluren, wenn alles sich der schönen Schöpfung freut«, klingt es her zu mir.

Alles sehe ich; den Kugelfußtisch hinter mir, die Schinken und Speckseiten und Würste über mir, die Netze mit Zwiebeln daneben und die Beutel aus buntem Kattun, mit Bohnen und Erbsen gefüllt, neben ihnen hängend, sogar die Zigarrenkisten über dem Schornsteinkleide und die Schwänze der Heringe, die darunter sichtbar werden, den Machangelbusch vor der Tür und daneben den Haselstrauch, über und über mit Gold behangen, und zwischen seinen Zweigen wechseln sich hinter dem alten Lattenzaun die grüne Saat mit dem braunen Acker ab, durch schmale Schneestreifen geschieden.

Und ich höre den Torf knistern und sehe die Funken springen und die Asche stieben, und mir ist zumute, als säße ich da, vornübergebückt, und sähe zwischen den Spitzen meiner Stiefel durch auf das alte, ewig neue Spiel, das die Flammen mit den Törfen treiben, und lauschte ihrem leisen Geflüster und horche auf die heimliche Kunde, die ich zwischen Winter und Frühling vernahm an den Abenden, die ich verbrachte unter dem Schornsteinkleid.


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