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XX.
Shakespeare

Zu seiner dreihundertjährigen Geburtsfeier

 

1

Zwei Felsen stehn und werden stehn und ragen,
Der Zeit zum Trotz, und neben der Geschlechter
Und ihres Wegs Umwandlung in gerechter
Verehrung aller Welt, umblüht von Sagen.

An Chios' rebumrankten Sarkophagen,
Dem Fels Homers, der Mythen grauem Wächter,
Tönt mit des Meers unendlichem Gelächter
Sein Lied, gleich unerschöpft, von Tag zu Tagen.

Ein andrer, nicht so sonnig, ragt im Norden,
Und wie der düstrer scheint hinabzuschauen
Zum Grund der See, aus dem er einst geworden:

So blickt auch Shakspeare's Geist durch Nacht und Grauen
Zum Grund des Seins; der Vorzeit Schatten gleiten
Um ihn im Morgenlicht der neuen Zeiten.

 

2

Wie Wille, Schuld und Sühne sind verbunden,
Lag vor dem Blick des allgewalt'gen Dichters,
Der mit dem Scharfblick eines Seelenrichters
Der Menschheit Herz gekannt und mitempfunden.

Wer hat, wie er, geschaut die tiefsten Wunden,
Den Wahn und Dünkel des Alltagsgelichters
Zerschmettert mit dem Spotte des Vernichters,
Fürs Höchste, wie fürs Zartste Wort gefunden?

Zum Dasein rief voll schöpfungsreicher Fülle
Sein Genius die mächtigsten Gestalten,
Und, selbst ein Ariel im Sturmgebrülle,

Gebot er Höllennacht und Lichtgewalten.
Es schien, der Weltgeist ließ in dieser Hülle
Das Rätsel seines Schaffens sich entfalten.

 

3

Altenglands frohe Zeit nach blut'gen Schlachten
Taucht lachend vor mir auf, die feine Sitte
Bringt bunte Wortspiel' auf, und wie Granite
Gedanken aus den tiefsten Geistesschachten.

Noch schmettert, während Maskenzüge lachten,
Trompetenschall, noch gilt es kühne Ritte,
Und kühne Meerfahrt lockt; mit ernstem Schritte
Reckt sich die Vorzeit in das neue Trachten.

Um einen Dichter schwebt vom Meeresstrande
Der Elfenschwarm und zaubert seinen Träumen
Die Schönheit vor vom alten Griechenlande.

Und jene Göttin will es nicht versäumen,
Sie schlingt ihm einen Zweig um seine Bande
Aus dunkelsten von ihren Lorbeerbäumen.


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