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Ich berichtete Faisal, daß Nasir noch einen weiteren Monat die Bahnstrecke lahm legen könnte, und nachdem die Türken ihn losgeworden seien, würde noch ein dritter Monat vergehen, ehe sie uns in Aba el Lissan angreifen könnten. Bis dahin würden unsere neuen Kamele für eine eigene Offensive verwendungsfähig sein. Ich regte ferner an, seinen Vater, König Hussein, zu bitten, die regulären Truppen, die gegenwärtig Ali und Abdulla unterstanden, nach Akaba zu schicken. Mit ihrer Verstärkung würde unsere reguläre Armee auf zehntausend Mann gebracht werden.
Wir würden sie in drei Teile teilen. Die Unberittenen sollten eine Reserve bilden, um Maan in Schach zu halten. Tausend Mann auf unseren neuen Kamelen sollten den Abschnitt Dera – Damaskus angreifen. Die übrigen sollten ein zweites Expeditionskorps von zwei- oder dreitausend Mann Infanterie bilden, in das Land der Beni Sakhr eindringen und sich in Jericho mit Allenby vereinigen. Die berittene Stoßtruppe, die auf große Entfernung operierte, würde durch die Einnahme von Dera oder Damaskus die Türken zwingen, eine oder sogar zwei Divisionen von Palästina abzuziehen, um ihre Verbindungslinien wiederherzustellen. Durch eine solche Schwächung des Feindes würden wir Allenby die Möglichkeit geben, seine Front jedenfalls bis Nablus vorzuschieben. Der Fall von Nabulus würde die Seitenverbindungen abschneiden, auf denen die Stärke der Türken in Moab beruhte; sie würden gezwungen sein, auf Amman zurückzugehen und uns den Besitz des Jordantales kampflos zu lassen. Ferner schlug ich vor, die Hauranaraber heranzuziehen, um uns das Vordringen nach Jericho, auf halbem Wege zu unserem Endziele Damaskus, zu ermöglichen. Faisal war mit den Vorschlägen einverstanden und gab mir entsprechende Schreiben an seinen Vater mit. Unglücklicherweise war der alte Mann jetzt wenig geneigt, dem Rat seines Sohnes zu folgen; denn er war von gallebitterem Haß gegen ihn erfüllt, weil er ihm zu viel Erfolge hatte und er unverhältnismäßig viel Hilfe von den Engländern bekam. Für die Verhandlung mit dem König rechnete ich auf die Mithilfe Wingates und Allenbys, seiner Geldgeber. Ich entschloß mich, selber nach Ägypten zu gehen und darauf hinzuwirken, daß sie ihm Briefe mit dem erforderlichen Nachdruck schrieben. In Kairo stimmte Dawnay mir bei, sowohl was die Entsendung der regulären Truppen aus dem Süden betraf als auch in dem Plan einer eigenen Offensive. Wir gingen zu Wingate, legten ihm unsere Ansicht dar und überzeugten ihn, daß unsere Vorschläge gut waren. Er schrieb Briefe an König Hussein und riet ihm dringend, Faisal die Verstärkungen zukommen zu lassen. Ich suchte ihn zu bestimmen, dem König klarzumachen, daß die Gewährung weiterer Hilfsgelder davon abhängig gemacht würde, ob er unserem Rat Folge leistete. Aber Wingate lehnte es ab, zu so scharfen Mitteln zu greifen, und kleidete die Briefe in Höflichkeitsfloskeln, die bei dem harten und mißtrauischen alten Mann in Mekka doch verschwendet sein würden.
Aber unser Vorhaben erschien uns so vielversprechend, daß wir zu Allenby gingen, um seine Hilfe beim König zu erbitten.
Im Hauptquartier spürten wir sofort eine merklich veränderte Atmosphäre. Tatkraft und Zuversicht durchpulsten wie immer den Ort, jetzt aber regiert von einem zielbewußten Zusammenarbeiten ganz ungewöhnlichen Grades. Allenby bewies bei der Wahl seiner Leute seltsamen Urteilsmangel; was wohl auf seine wirkliche Größe zurückzuführen war, die ihn gute Eigenschaften bei seinen Untergebenen überflüssig erscheinen ließ. Aber Chetwode war nicht zufrieden, hatte nochmals eingegriffen und Bartholomew, seinen eigenen Stabschef, als dritten im Range in das Hauptquartier geholt. Bartholomew war nicht so reich begabt und vielseitig wie Dawnay, aber dafür war er ausgeglichener als Soldat, noch sorgfältiger und noch gewissenhafter und schien ein freundlich gesinnter Vorgesetzter zu sein.
Wir setzten ihm unseren Plan auseinander, im Herbst den Ball ins Rollen zu bringen, da wir hofften, unsere Vorstöße würden es ihm ermöglichen, später einzugreifen und uns nachdrücklich zu unterstützen. Er hörte uns lächelnd an und sagte uns dann, daß wir drei Tage zu spät kämen. Eine neue britische Armee wäre gerade im Eintreffen aus Mesopotamien und Indien, und mit der Ausbildung und Organisation der Truppen ginge es rasch vorwärts. In einer internen Besprechung am 15. Juni war man zu der wohlbegründeten Überzeugung gekommen, daß die Armee im September zu einer allgemeinen und weittragenden Offensive bereit sein werde.
In der Tat, der Himmel hatte sich sichtlich geklärt. Wir gingen zu Allenby, und er eröffnete uns, daß er gegen Ende September seinen Großangriff nach dem alten Plane von Smuts beginnen werde mit dem Ziel Damaskus und Aleppo. Die Mitwirkung der arabischen Armee würde die gleiche sein, wie im Frühjahr bestimmt worden war: Vorstoß auf Dera mittels der zweitausend neu zugewiesenen Reitkamele. Die Einzelheiten der Ausführung würden im Laufe der kommenden Wochen, sobald die Berechnungen Bartholomews feste Gestalt annahmen, bekanntgegeben werden.
Unsere Hoffnung auf Sieg war zu oft enttäuscht worden, als daß ich ihn diesmal für unbedingt sicher hielt. So holte ich, als zweites Eisen im Feuer, Allenbys gern gegebene Zustimmung für die Verlegung von Alis und Abdullas regulären Truppen und ging mit frischem Mut nach Dschidda. Mein Erfolg war nicht größer als ich erwartet hatte. Der König hatte von meiner Absicht Wind bekommen und flüchtete sich unter dem Vorwand des Ramadhan nach Mekka, seiner für mich unzugänglichen Hauptstadt. Wir unterhielten uns telephonisch, und sobald das Thema anfing, bedenklich zu werden, verschanzte sich der König hinter der Unfähigkeit der Telephonbeamten in Mekka. Ich hatte den Kopf voll und keine Lust, dies Theater mitzumachen. So hängte ich ab, legte Faisals, Wingates und Allenbys Briefe ungeöffnet in meinen Koffer und fuhr mit dem nächsten Schiff nach Kairo zurück.