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Die neue Nationalversammlung, die nur von den Aktivbürgern gewählt war und die sich den Namen Gesetzgebende Versammlung beilegte, trat am 1. Oktober 1791 zusammen, und vom ersten Augenblick an nahm der König, der durch die Kundgebungen des Bürgertums, das sich um ihn drängte, kühn geworden war, gegen die neue Versammlung eine anmaßende Haltung an. Wie in den ersten Anfängen der Generalstaaten folgten einander eine ganze Reihe von boshaften kleinen Schikanen von seiten des Hofes und schwache Widerstandsversuche von seiten der Abgeordneten. Und trotzdem begrüßte die Versammlung den König, sowie er hinkam, mit würdelosen Kundgebungen der Verehrung und mit der größten Begeisterung. Ludwig XVI. sprach von einer dauernden Harmonie und von unabänderlichem Vertrauen zwischen der Gesetzgebenden Körperschaft und dem König. ›Möge die Vaterlandsliebe uns verbünden und das öffentliche Interesse uns unzertrennlich machen‹, und im selben Augenblick bereitete er die Invasion des Auslands vor, um die Konstitutionellen zu zähmen und die Vertretung in drei Ständen, die alten Parlamentshöfe und die Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit wiederherzustellen.
Ganz allgemein hat sich seit Oktober 1791 – im Grunde seit der Flucht des Königs und seiner Verhaftung in Varennes im Juni – die Furcht vor der Invasion des Auslands schon der Geister bemächtigt und wird zum Hauptgegenstand der Besorgnisse.
Wohl hat die Gesetzgebende Versammlung ihren rechten Flügel in Gestalt der Feuillants oder konstitutionellen Monarchisten und ihre Linke in der Partei der Girondisten, die einen Übergang bildet zwischen der konstitutionellen und der republikanischen Hälfte des Bürgertums. Aber weder die einen noch die anderen interessieren sich für die großen Aufgaben, die die Konstituierende Versammlung ihnen hinterlassen hat. Weder die Einführung der Republik noch die Abschaffung der feudalen Vorrechte beschäftigen die Gesetzgebende Versammlung. Selbst die Jakobiner und sogar die Cordeliers scheinen darüber einig zu sein, nicht mehr von der Republik zu sprechen, und die Leidenschaften der Revolutionäre und der Gegenrevolutionäre stoßen über Fragen von untergeordneter Bedeutung zusammen, wie zum Beispiel, wer Bürgermeister von Paris werden soll.
Die große Aufgabe des Augenblicks dreht sich um die Priester und die Emigranten. Diese beiden Fragen sind wichtiger als alle andern wegen der gegenrevolutionären Aufstände, die die Priester und die Emigranten organisieren, und weil diese Fragen in inniger Verbindung mit dem Krieg stehen, dessen Herannahen niemandem mehr zweifelhaft ist.
Man erinnert sich, daß der jüngste Bruder des Königs, der Graf von Artois, schon am 15. Juli 1789 ausgewandert war. Der andere, der Graf von Provence, war zugleich mit Ludwig XVI. geflüchtet und hatte Brüssel glücklich erreicht. Alle beide hatten gegen die Annahme der Verfassung von Seiten des Königs protestiert. Dieser, sagten sie, war nicht in der Lage, die Rechte der alten Monarchie zu veräußern; folglich war der Schritt, den er getan hatte, ungültig. Ihrem Protest wurde von den royalistischen Agenten in ganz Frankreich Verbreitung gegeben, und er übte eine große Wirkung aus.
Die Adligen verließen ihre Regimenter oder ihre Schlösser und wanderten in Massen aus, und die Royalisten drohten denen, die nicht dasselbe taten, sie würden ins Bürgertum gestoßen werden, so wie der Adel siegreich zurückkehrte. Die Emigranten, die in Koblenz, in Worms, in Brüssel ihr Hauptquartier hatten, bereiteten ganz offen die Gegenrevolution vor, die durch die Invasion des Auslands unterstützt werden sollte. Es wurde mehr und mehr klar, daß der König ein doppeltes Spiel trieb, denn es war unmöglich, nicht zu merken, daß alles, was von seiten der Emigranten geschah, seine Zustimmung hatte.
Am 30. Oktober 1791 entschloß sich die Gesetzgebende Versammlung endlich, gegen den zweiten Bruder des Königs, Louis Stanislas Xavier, Graf von Provence, vorzugehen, der von Ludwig XVI. im Augenblick seiner Flucht ein Dekret in Empfang genommen hatte, das ihm für den Fall, daß der König verhaftet werden sollte, den Titel ›Regent‹ übertrug. Nunmehr forderte die Versammlung den Grafen von Provence auf, binnen zwei Monaten nach Frankreich zurückzukehren; im Weigerungsfall sollte er seiner Rechte auf die Regierung verlustig gehen. Einige Tage später (am 9. November) erließ die Versammlung den Befehl an die Emigranten, vor Schluß des Jahres zurückzukehren; im Weigerungsfall sollten sie als Verschwörer behandelt, in contumaciam verurteilt und ihre Einkünfte sollten zugunsten der Nation konfisziert werden, ›ohne Präjudiz indessen für die Rechte ihrer Frauen, ihrer Kinder und ihrer legitimen Gläubiger‹.
Der König sanktionierte das Dekret, das seinen Bruder betraf, legte aber gegen das zweite Dekret, in betreff der Emigranten, sein Veto ein.
Ebenso verfuhr er mit einem Dekret, das den Priestern befahl, den Eid auf die Verfassung zu leisten, und ihnen im Weigerungsfall androhte, sie würden im Fall religiöser Unruhe in den Gemeinden, deren Pfarrer sie waren, als verdächtig verhaftet werden. Der König setzte auch diesem Dekret sein Veto entgegen.
Der wichtigste Akt der Gesetzgebenden Versammlung war die Kriegserklärung an Österreich. Dieses rüstete offen zum Kriege, um Ludwig XVI. in seine Rechte aus der Zeit vor 1789 wieder einzusetzen. Der König und Marie-Antoinette drängten den Kaiser, und ihre Bitten wurden nach dem gescheiterten Fluchtversuch immer dringender. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß sich diese Rüstungen in die Länge gezogen hätten, vielleicht bis zum nächsten Frühjahr, wenn die Girondisten nicht zum Krieg gedrängt hätten. Die Unverträglichkeit der Elemente, aus denen das Ministerium zusammengesetzt war – ein Mitglied des Ministeriums, Bertrand de Molleville, war ein offener Gegner des Konstitutionalismus, während dagegen Narbonne die Stütze des Throns daraus machen wollte –, führte zu seinem Sturz, und im März 1792 berief Ludwig XVI. ein girondistisches Ministerium.
Dumouriez bekam das Ministerium des Äußern, Roland, das heißt Madame Roland, das Innere, de Grave, der bald durch Servan ersetzt wurde, das Kriegsministerium, Clavière die Finanzen, Duranthon die Justiz und Lacoste das Marineministerium.
Unnütz zu sagen, daß (wie Robespierre es bald hervorhob) die Eroberung der Ministergewalt durch die Girondisten die Revolution keineswegs stärkte, sondern im Gegenteil eine Stütze für die Reaktion war. Von diesem Augenblick an war alles für die Mäßigung, sowie der König akzeptiert hatte, was der Hof das ›Ministerium der Sansculotten‹ nannte. Lediglich zum Krieg trieb dieses Ministerium ohne Mäßigung, gegen den Rat Marats und Robespierres, und am 20. April 1792 triumphierten die Girondisten. Der Krieg war Österreich, oder, wie man damals sagte, ›dem König von Böhmen und Ungarn‹ erklärt.
War der Krieg notwendig? Jaurès (Histoire Socialiste, La Législative, S. 815 ff.) hat diese Frage aufgeworfen und hat, um sie zu lösen, dem Leser viele Dokumente aus der Zeit vorgelegt. Und die Schlußfolgerung, die aus diesen Dokumenten hervorgeht und die der Verfasser selbst zieht, ist dieselbe, zu der Marat und Robespierre gelangt waren. Der Krieg war nicht notwendig. Die fremden Fürsten fürchteten offenbar die Entwicklung der republikanischen Ideen in Frankreich; aber von da bis zur Hilfeleistung zu Ludwigs XVI. Befreiung war noch ein weiter Weg: sie zauderten, sich in einen Krieg dieser Art einzulassen. Die Girondisten waren es, die den Krieg gewollt haben und dazu drängten, weil sie in ihm das Mittel sahen, die königliche Gewalt zu bekämpfen. Die Wahrheit hierüber hatte Marat übrigens ohne Umschweife gesagt. Ihr wollt den Krieg, sagte er, weil ihr den Appell ans Volk, durch den dem Königtum der entscheidende Streich versetzt werden könnte, nicht wollt. Die Girondisten und eine Masse Jakobiner zogen diesem Appell ans Volk die Invasion des Auslands vor, die den Patriotismus erwecken und die Verrätereien des Königs und der Royalisten aufdecken und so den Sturz des Königtums ohne eine Volkserhebung herbeiführen würde. ›Wir brauchen große Verrätereien‹, sagte Brissot, dieser Mann, der das Volk, seine undisziplinierten Aufstände und seine Angriffe gegen das Eigentum haßte.
So war der Hof auf der einen Seite und die Girondisten auf der andern darüber einig, den Einfall des Feindes in Frankreich zu wollen, und ins Werk zu setzen. Unter diesen Umständen wurde der Krieg unvermeidlich; er wütete dreiundzwanzig Jahre lang mit all seinen unheilvollen Folgen für die Revolution und den Fortschritt Europas. – Ihr wollt nicht den Appell ans Volk, ihr wollt nicht die Revolution des Volkes, wohlan, ihr werdet den Krieg und vielleicht den Zusammenbruch haben! Wie oft ist diese Wahrheit seitdem bestätigt worden!
Das Gespenst des bewaffneten und aufständischen Volkes, das von dem Bürgertum seinen Anteil am Nationalvermögen forderte, ängstigte fortwährend die Männer des dritten Standes, die zur Macht gelangt waren oder durch die Klubs und die Zeitungen einen Einfluß auf den Gang der Ereignisse erlangt hatten. Es muß noch hinzugefügt werden, daß allmählich die revolutionäre Erziehung des Volkes von der Revolution selbst besorgt wurde und daß das Volk kühn genug geworden war, Forderungen aufzustellen, in denen ein kommunistischer Geist lebte, Maßregeln zu verlangen, die dazu hätten beitragen können, mehr oder weniger die wirtschaftlichen Ungleichheiten zu beseitigen.
Man sprach im Volk von der ›Ausgleichung der Vermögen‹. Die Bauern, die nur elende Fetzen Landes besaßen, und die städtischen Arbeiter, die zur Arbeitslosigkeit verdammt waren, rafften sich auf, ihr Recht auf den Boden auszusprechen. Man verlangte auf dem Lande, niemand dürfte ein Gut von mehr als 120 Morgen besitzen, und in den Städten sagte man, jeder, der den Wunsch hätte, das Land zu bestellen, müßte ein Recht auf soundso viel Morgen haben.
Der festgesetzte Lebensmittelpreis, um die Verteuerung der notwendigsten Bedürfnisse durch die Spekulation zu verhindern, Gesetze gegen die Wucherer, der Verkauf der Lebensmittel durch die Gemeinde zum Einkaufspreis an alle Einwohner, die progressive Steuer auf den Reichtum, die Zwangsanleihe und schließlich eine hohe Erbschaftssteuer, – all das wurde im Volk diskutiert, und diese Ideen drangen auch in die Presse. Die Einstimmigkeit, mit der diese Ideen jedesmal, wenn das Volk, gleichviel ob in Paris oder den Provinzen, einen Sieg errang, hervortraten, zeigt, daß sie in den Reihen der Enterbten lebhaft besprochen wurden, obwohl die Schriftsteller der Revolution es nicht wagten, sie allzusehr in den Vordergrund zu rücken. ›Merkt ihr denn nicht‹, sagte Robert im Mai 1791 in den Révolutions de Paris, ›daß die französische Revolution, für die ihr, wie ihr sagt, als Bürger kämpft, in Wahrheit das Ackergesetz ist, das das Volk zur Durchführung bringt? Es hat seine Rechte wiedererlangt. Noch einen Schritt, und es wird seinen Besitz wiedererlangen . . .‹ (Zitiert von Aulard, S. 91.)
Man kann sich den Haß denken, den diese Ideen im Bürgertum hervorbringen mußten, die jetzt ihr errungenes Vermögen und desgleichen die neue privilegierte Rolle, die sie jetzt im Staate spielten, in Ruhe genießen wollten. Ein Beispiel dieses Hasses kann die Wut sein, die sich im März 1792 erhob, als man in Paris erfuhr, der Maire von Etampes, Simoneau, sei von den Bauern getötet worden. Wie so viele andere bürgerliche Gemeindevorsteher hatte er ohne Gerichtsverfahren die aufständischen Bauern erschießen lassen, und niemand hatte ein Wort gesagt. Aber als die ausgehungerten Bauern, die verlangt hatten, daß man den Brotpreis festsetzte, diesen Maire endlich mit ihren Spießen töteten, ließ sich der Chor der Entrüstung vernehmen, die infolge dieses Vorfalls im Bürgertum von Paris losbrach. ›Der Tag ist gekommen, wo die Besitzenden aller Klassen endlich merken müssen, daß sie in Gefahr sind, unter der Sense der Anarchie zu fallen‹, jammerte Mallet du Pan in seinem Mercure de France; und er verlangte den ›Zusammenschluß der Besitzenden‹ gegen das Volk, gegen die Räuber, die Prediger des Ackergesetzes. Alle fingen jetzt an, gegen das Volk zu wettern, Robespierre nicht minder als die andern. Es war eine Ausnahme, daß ein Priester, Dolivier, die Stimme zugunsten der Massen zu erheben und zu sagen wagte, ›die Nation‹ sei ›in Wirklichkeit die Besitzerin ihres Bodens‹. ›Es gibt kein Gesetz‹, sagte er, ›das gerechterweise den Bauern zwingen kann, sich nicht satt zu essen, während die Bedienten und selbst die Haustiere der Reichen haben, was sie brauchen.‹
Robespierre seinerseits zögerte nicht, zu erklären, das Ackergesetz sei nur ein ›alberner Popanz, den verrückte Menschen für Dummköpfe aufgestellt‹ hätten. Und er verwarf von vornherein jeden Versuch, den man zur ›Gleichmachung der Vermögen‹ unternehmen könnte. Wie er immer darauf bedacht war, nie von der Meinung derer abzuweichen, die in einem bestimmten Augenblick die herrschende Macht vorstellten, hütete er sich wohl, sich auf die Seite derer zu schlagen, die mit dem Volke gingen und begriffen hatten, daß lediglich die gleichheitlichen und kommunistischen Ideen der Revolution die Kraft geben könnten, die zur Zertrümmerung des Feudalwesens erforderlich war.
Diese Furcht vor dem Volksaufstand und seinen wirtschaftlichen Folgen brachte das Bürgertum auch dazu, sich mehr und mehr um das Königtum zu scharen und die Verfassung schlecht und recht, wie sie aus den Händen der Konstituierenden Versammlung hervorgegangen war, mit all ihren Fehlern und Nachgiebigkeiten gegen den König zu akzeptieren. Anstatt auf der Bahn der republikanischen Ideen fortzuschreiten, entwickelten sich das Bürgertum und die ›Intellektuellen‹ im umgekehrten Sinne. Wenn man im Jahre 1789 in allen Handlungen des dritten Standes einen entschieden republikanischen und demokratischen Geist wahrnimmt, so wurden jetzt, je mehr das Volk seine kommunistischen und gleichheitlichen Bestrebungen an den Tag legte, diese selben Leute zu Verteidigern des Königtums, während die offenen Republikaner, wie Thomas Paine und Condorcet, eine winzige Minderheit im gebildeten Bürgertum vorstellten. Je mehr das Volk republikanisch wurde, um so mehr zogen sich die ›Intellektuellen‹ auf die konstitutionelle Monarchie zurück.
Am 13. Juni 1792, kaum acht Tage vor dem Massenbesuch des Volkes in den Tuilerien, donnerte Robespierre noch gegen die Republik. ›Vergebens‹, rief er an diesem Tage, ›will man die hitzigen und weniger erleuchteten Köpfe mit dem Köder einer freieren Regierung und dem Namen der Republik verführen: der Umsturz der Verfassung kann in diesem Augenblick nur den Bürgerkrieg entzünden, der zur Anarchie und zum Despotismus führen muß.‹
Fürchtete er die Errichtung einer aristokratischen Republik, wie Louis Blanc meint! Möglich wäre es; aber es scheint uns wahrscheinlicher, daß er, der bis dahin der entschiedene Verteidiger des Eigentums geblieben war, in dem Augenblick, wie fast alle Jakobiner, die Wut des Volkes und seine Versuche zur ›Ausgleichung der Vermögen‹ (wir würden es heute ›Expropriation‹ nennen) fürchtete. Ihm war bange, die Revolution könnte in kommunistischen Versuchen scheitern. Jedenfalls steht fest, daß Robespierre unmittelbar vor dem 10. August, in einem Augenblick, wo die ganze unvollendete, in ihrem Aufschwung gehemmte und durch tausend Verschwörungen bedrohte Revolution in Frage gestellt war und nichts sie retten konnte als der Sturz des Königtums durch eine Volkserhebung, daß da Robespierre wie alle Jakobiner lieber den König und seinen Hof stützte, als einen neuen Appell an die revolutionäre Wut des Volkes zu wagen. Ganz wie die italienischen und spanischen Republikaner unserer Tage, die lieber die Monarchie zurückkehren sehen, als daß sie die Revolution des Volkes riskieren, weil diese notwendigerweise kommunistische Tendenzen auslösen würde.
Immer wiederholt sich die Geschichte – und wie oft wird sie sich noch wiederholen, bis die Tendenzen der Revolution überall durchgedrungen sind!
Was am meisten in der Geistesverfassung der Politiker jener Zeit auffällt, ist die Tatsache, daß genau in diesem Augenblick, im Juli 1792, die Revolution von einem furchtbaren royalistischen Staatsstreich bedroht war, der von langer Hand vorbereitet war und der durch umfangreiche Aufstände im Süden und Westen zusammen mit der deutschen, englischen, sardinischen und spanischen Invasion unterstützt werden sollte.
So schrieb also im Juni 1792, sowie der König die drei girondistischen Minister (Roland, Clavière und Servan) entlassen hatte, Lafayette, der Führer der Feuillants und im Grunde ein Royalist, schleunigst seinen berühmten Brief an die Gesetzgebende Versammlung (unter dem Datum des 18. Juni), in dem er ihr einen Staatsstreich gegen die Revolutionäre anbot. Er verlangte offen, daß Frankreich von den Revolutionären gesäubert würde, und fügte hinzu, in der Armee seien ›die Prinzipien der Freiheit und Gleichheit geliebt, die Gesetze geachtet und das Eigentum heilig‹, nicht wie zum Beispiel in Paris, in der Kommune und bei den Cordeliers, wo man sich erlaubt hatte, es anzugreifen.
Er verlangte – und daraus ersieht man, wie weit es mit der Reaktion gekommen war –, daß die Gewalt des Königs unangetastet und unabhängig bliebe. Er wollte ›einen geehrten König‹, – und das nach der Flucht von Varennes! Das in dem Augenblick, wo die Tuilerien eine ausgedehnte royalistische Verschwörung vorbereiteten, wo der König einen lebhaften Briefwechsel mit Österreich und Preußen führte, von denen er seine ›Befreiung‹ erwartete, und die Nationalversammlung je nach den Nachrichten, die er über die Fortschritte der deutschen Invasion erhielt, mit mehr oder weniger Verachtung behandelte.
Und die Nationalversammlung war wahrhaftig im Begriff, diesen Brief Lafayettes an die 83 Departements zu versenden, und nur die Schlauheit der Girondisten verhinderte es – Guadet behauptete nämlich, der Brief sei eine Fälschung, er könne nicht von Lafayette stammen! All das kaum zwei Monate vor dem 10. August.
Paris wimmelte in dieser Zeit von royalistischen Verschwörern. Die Emigranten gingen offen zwischen Koblenz und den Tuilerien, wo sie zärtlich behandelt wurden und Geld in Empfang nahmen, hin und her. ›Tausend Spelunken standen den Verschwörern zur Verfügung‹, sagt Chaumette, der damals Prokurator der Kommune von Paris war. Die Departementsverwaltung von Paris, in deren Mitte Talleyrand und La Rochefoucauld saßen, war ganz in den Händen des Hofs. Die Munizipalverwaltung, ein großer Teil der Friedensrichter, ›die Mehrheit der Nationalgarde, ihr ganzer Generalstab waren in den Händen des Hofs, dienten ihm bei den zahlreichen Ausfahrten, die er damals machte‹ (war denn also des 21. Juni schon vergessen?) ›und bei den verschiedenen öffentlichen Festen als Trabanten und Bejubler‹, sagt Chaumette.
›Der militärische Hofstaat des Königs, der sich zu sehr großem Teil aus früheren Gardedukorps, aus zurückgekehrten Emigranten und aus den Helden vom 28. Februar 1791, die unter dem Namen Chevaliers du Poignard (Ritter vom Dolch) bekannt sind, zusammensetzte, brachte das Volk durch sein anmaßendes Wesen auf, beschimpfte die Volksvertretung und sprach ganz offen von Maßnahmen zur Unterdrückung der Freiheit.‹
Die Mönche, die Nonnen und die ungeheure Mehrheit der Priester stellten sich auf die Seite der Gegenrevolution.
Und die Nationalversammlung wird von Chaumette folgendermaßen charakterisiert: ›Eine Nationalversammlung ohne Kraft, ohne Ansehen, die in sich selbst zerspalten ist, die sich vor den Augen Europas durch kleinliche und gehässige Debatten erniedrigt, die sich vor einem unverschämten Hof duckt und seine verächtliche Behandlung nur mit verdoppelter Unterwürfigkeit beantwortet, eine Versammlung ohne Macht und ohne festen Willen.‹ In der Tat konnte diese Versammlung, die viele Stunden mit Debatten darüber verbrachte, aus wieviel Mitgliedern die Deputationen, die man zum König entsandte, bestehen sollten, und ob ihnen die beiden Flügel der Türe oder nur einer geöffnet werden sollte, und die, wie Chaumette sehr gut gesagt hat, ihre Zeit damit vergeudete, ›deklamatorische Berichte anzuhören, deren Ende immer – eine Adresse an den König war‹, diese Versammlung konnte vom Hof selbst nur Verachtung ernten.
Inzwischen war der ganze Westen und der Südosten bis unmittelbar vor die Tore der revolutionären Städte – wie zum Beispiel Marseille – von royalistischen Geheimkomitees bearbeitet worden, die in den Schlössern Waffen ansammelten, Offiziere und Soldaten warben und sich rüsteten, gegen Ende Juli eine starke Armee auf Paris marschieren zu lassen, die von Führern, die aus Koblenz gekommen waren, befehligt werden sollte.
Die Bewegungen im Süden sind so bemerkenswert, daß man wenigstens ein allgemeines Bild davon geben muß.