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Wir haben gesehen, wie die Revolution schon in den ersten Monaten des Jahres 1789 mit Volkserhebungen begonnen hatte. Es war indessen für die Revolution nicht genug, daß es mehr oder weniger siegreiche Volkserhebungen gab. Es war nötig, daß nach diesen Erhebungen in den Institutionen etwas Neues zurückblieb, das den neuen Formen des Lebens gestattete, sich auszugestalten und zu befestigen.
Das französische Volk schien diese Notwendigkeit wunderbar begriffen zu haben, und was es gleich in den ersten Erhebungen in das Leben Frankreichs einführte, war die Kommune des Volks. Der Regierungszentralismus kam später; aber die Revolution begann damit, die Kommune zu schaffen, und diese Institution gab ihr, wie wir sehen werden, eine außerordentliche Kraft.
In der Tat war es in den Dörfern die Kommune der Bauern, die die Abschaffung der Feudallasten forderte und die Verweigerung der Zahlung dieser Lasten zum gesetzlichen Zustand machte; sie nahm den Grundherrn die ehemaligen Gemeindeländereien wieder ab, sie widersetzte sich den Adligen, kämpfte gegen die Priester, schützte die Patrioten und späterhin die Sansculotten; sie nahm die zurückkehrenden Emigranten oder auch den geflohenen König fest.
In den Städten war es die städtische Kommune, die die ganze Gestaltung des Lebens neu ordnete; sie nahm das Recht in Anspruch, die Richter zu ernennen, änderte aus eigner Initiative die Steuerveranlagung und wurde später, je nachdem die Revolution ihren Gang weiterging, die Waffe der Sansculotten im Kampf gegen das Königtum, die royalistische Verschwörung und die deutsche Invasion. Noch später, im Jahre II, waren es die Kommunen, die sich an die Ausgleichung der Vermögen machten.
In Paris endlich war es, wie man weiß, die Kommune, die den König stürzte; und nach dem 10. August war sie der wahre Herd und die wahre Stärke der Revolution, die ihre Kraft nur so lange bewahrte, als die Kommune lebte.
Die Kommunen waren also die Seele der großen Revolution, und ohne diese Herde, die über das ganze Gebiet verbreitet waren, hätte die Revolution niemals die Kraft gehabt, das alte Regime umzustürzen, die deutsche Invasion zurückzutreiben und Frankreich zu neuer Gesundung zu führen.
Es wäre indessen falsch, wenn man sich die Kommunen von damals als moderne Verwaltungskörper vorstellen wollte, denen die Bürger, nachdem sie sich ein paar Tage während der Wahlen erhitzt haben, naiv genug die Lenkung all ihrer Angelegenheiten überlassen, ohne sich weiter darum zu kümmern. Das verrückte Vertrauen in die Repräsentativregierung, das für unsere Epoche charakteristisch ist, gab es während der großen Revolution nicht. Die Kommune, die aus den Volksbewegungen hervorgegangen war, trennte sich nicht vom Volk. Vermittelst ihrer Distrikte, ihrer Sektionen, ihrer ›Tribus‹, die als ebenso viele Organe der Verwaltung des Volks eingesetzt waren, blieb sie Volk, und das machte die revolutionäre Macht dieser Organismen aus.
Weil man die Organisation und das Leben der Distrikte und Sektionen für Paris am besten kennt, wollen wir von diesen Organen der Stadt Paris sprechen, um so mehr, als wir, wenn wir das Leben einer Sektion von Paris erforschen, annähernd das Leben von tausend Kommunen in der Provinz kennenlernen.
Sowie die Revolution angefangen hatte, und insbesondere, seitdem die Ereignisse kurz vor dem 14. Juli die Initiative von Paris hervorgerufen hatten, organisierte sich das Volk mit seinem wunderbaren Sinn für revolutionäre Organisation, in fester Weise für den Kampf, den es durchführen mußte und dessen Tragweite es sofort erfaßte.
Für die Wahlen war die Stadt Paris in sechzig Distrikte eingeteilt gewesen, die die Wahlmänner zu wählen hatten. Nachdem diese erst ernannt waren, sollten die Distrikte verschwinden. Aber sie blieben bestehen und organisierten sich aus eigener Initiative als dauernde Organe der Stadtverwaltung; sie eigneten sich gewisse Aufgaben und Funktionen an, die früher das Amt der Polizei oder der Justiz oder auch verschiedener Ministerien des alten Regimes gewesen waren.
Sie ließen sich also nicht verdrängen, und im Augenblick, wo vor dem 14. Juli ganz Paris im Aufruhr war, fingen sie an, das Volk zu bewaffnen und als unabhängige Behörden vorzugehen, und hatten damit solchen Erfolg, daß der Permanente Ausschuß, den das einflußreiche Bürgertum im Rathaus eingesetzt hatte (siehe das zwölfte Kapitel), die Distrikte berufen mußte, um sich mit ihnen zu verständigen. Die Distrikte entfalteten die lebhafteste Tätigkeit, das Volk zu bewaffnen, die Nationalgarde einzurichten und hauptsächlich Paris gegen einen bewaffneten Angriff von Versailles in Verteidigungszustand zu setzen.
Nach der Eroberung der Bastille gehen die Distrikte schon als anerkannte Organe der Stadtverwaltung vor. Jeder Distrikt ernennt seinen Bürgerausschuß von 16 bis 24 Mitgliedern zur Führung seiner Geschäfte. Im übrigen organisiert sich, wie Sigismond Lacroix in seiner Einleitung zum ersten Band der Actes de la Commune de Paris pendant la Révolution – Akten der Pariser Kommune während der Revolution – (Band I, Paris 1894, S. VII) sehr gut gesagt hat, jeder Distrikt von sich aus, ›so gut er es versteht‹. Ein Distrikt, ›der die Absichten der Nationalversammlung hinsichtlich der Gerichtsverfassung vorwegnimmt, ernennt seine Friedens- und Sühnerichter‹. Aber um sich miteinander zu verständigen, ›richten sie ein Zentralverkehrsbureau ein, wo besondere Delegierte zusammenkommen und sich gegenseitig Mitteilungen machen‹. Es entsteht so, von unten nach oben, durch die Verbindung der Distriktorganisationen, die in revolutionärer Weise aus der Volksinitiative hervorgegangen war, ein erster Versuch zur Kommune. Die revolutionäre Kommune vom 10. August entwickelt sich also schon in dieser Epoche und insbesondere seit Dezember 1789, wo die Delegierten der Distrikte versuchen, im erzbischöflichen Palais ein Zentralkomitee zu bilden.
Vermittelst dieser Distrikte gelang es dann Danton, Marat und so vielen anderen, den Sturm der Empörung in die Massen zu tragen, und diese Massen gewöhnten sich durch sie daran, sich über die Repräsentativkörperschaften hinwegzusetzen und die direkte Regierung zu handhaben.
Unmittelbar nach der Eroberung der Bastille hatten die Distrikte ihre Abgeordneten beauftragt, im Einvernehmen mit Bailly, dem Bürgermeister von Paris, ein Projekt der Selbstverwaltung auszuarbeiten, das dann den Distrikten selbst vorgelegt werden sollte. Bis dahin aber verfahren die Distrikte so, wie sie es für notwendig hielten, und erweiterten von sich aus den Kreis ihrer Befugnisse.
Als die Nationalversammlung daranging, das Gesetz über die Selbstverwaltung zu debattieren, ging sie, wie es von einer so widersprechend zusammengesetzten Körperschaft zu erwarten war, mit peinlicher Langsamkeit vor. ›Nach Verlauf von zwei Monaten‹, sagt Lacroix, ›war der erste Artikel des neuen Verwaltungsprojekts noch nicht geschrieben‹ (Actes, Bd. II, S. XIV). Man versteht, daß ›diese Verzögerung den Distrikten verdächtig vorkam‹, und seitdem kommt gegen die Versammlung der Vertreter der Kommune eine mehr und mehr ausgesprochene Feindseligkeit von seiten eines Teils ihrer Auftraggeber zum Durchbruch. ›Aber hauptsächlich ist hervorzuheben, daß die Distrikte in ihrem Bemühen, der Munizipalverwaltung eine gesetzliche Form zu geben, ihre Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten suchen. Sie suchen die Einheit des Vorgehens nicht in der Unterwerfung der Distrikte unter ein Zentralkomitee, sondern in ihrem föderativen Zusammenschluß.‹
›Die Geistesrichtung der Distrikte setzt sich zusammen aus einem sehr starken Gefühl für die Einheit der Kommune und einer nicht weniger starken Tendenz zur direkten Regierung‹, sagt Lacroix (Teil II, S. XIV und XV). ›Paris will nicht eine Föderation von sechzig Republiken sein, in die sein Gebiet aufs Geratewohl zerteilt ist; die Kommune ist ein einheitliches Ganzes, das von der Gesamtheit aller Distrikte gebildet wird . . . Nirgends findet man ein Beispiel von einem Distrikt, der abseits von den anderen leben will . . . Aber neben diesem unbestrittenen Prinzip macht sich ein anderes geltend: die Kommune will sich nämlich selbst Gesetze geben und sich selbst soviel als möglich direkt verwalten; die Repräsentativregierung soll auf ein Minimum eingeschränkt werden; alles, was die Kommune direkt tun kann, soll von ihr ohne Zwischeninstanz, ohne Delegation oder durch Delegierte entschieden werden, die nur die Rolle besonderer Mandatare haben, die unter der unausgesetzten Kontrolle ihrer Auftraggeber stehen . . . Den Distrikten schließlich, den Bürgern, die sich in den allgemeinen Versammlungen der Distrikte versammeln, kommt das Recht zu, für die Kommune Gesetze zu geben und sie zu verwalten.‹
Man sieht so, die anarchistischen Prinzipien, die ein paar Jahre später Godwin in England aussprach, entstanden schon im Jahre 1789, und sie entsprangen nicht theoretischen Spekulationen, sondern den Tatsachen der großen Revolution.
Noch mehr: es gibt eine schlagende Tatsache, die Lacroix mitteilt und die zeigt, bis zu welchem Grad die Distrikte den Unterschied zwischen sich und der Verwaltungsbehörde hervorzuheben und sie zu verhindern verstehen, in ihre Rechte einzugreifen. Als am 30. November 1789 Brissot den Plan faßte, Paris eine Munizipalverfassung zu geben, die zwischen der Nationalversammlung und einem von der Repräsentantenversammlung (dem Permanenten Ausschuß vom 12. Juli) gewählten Komitee vereinbart war, opponierten die Distrikte sofort. Es durfte nichts ohne die unmittelbare Zustimmung der Distrikte selbst unternommen werden (Actes, Teil III, S. IV), und Brissots Projekt mußte aufgegeben werden. Und als später, im April 1790, die Versammlung die Debatte über die Munizipalgesetze begann, hatte sie zwischen zwei Projekten zu wählen: dem der (freien und ungesetzlichen) Versammlung im erzbischöflichen Palais, das die Mehrheit der Sektionen angenommen und Bailly unterzeichnet hatte, und dem der Repräsentanten der Kommune, das nur ein paar Distrikte unterstützten. Sie stimmten für das erstere.
Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß die Distrikte sich keineswegs auf die Munizipalangelegenheiten beschränkten. Sie nahmen an allen großen politischen Fragen Anteil, die Frankreich erregten. Das Veto des Königs, das imperative Mandat, die Armenfürsorge, die Judenfrage, die Frage der ›Silbermark‹ (siehe einundzwanzigstes Kapitel) – all das wurde in den Distrikten beraten. Als es sich um die Silbermark handelte, ergriffen sie selbst die Initiative, beriefen sich einander und setzten Ausschüsse ein. ›Sie fassen ihre Beschlüsse‹ sagt Lacroix, ›ignorieren die offiziellen Vertreter der Kommune und richten am 8. Februar (1790) die erste ›Adresse der Kommune von Paris in ihren Sektionen‹ an die Nationalversammlung. Das ist eine persönliche Kundgebung der Distrikte, die von aller offiziellen Vertretung absieht und dazu bestimmt ist, das Auftreten Robespierres gegen die Silbermark in der Nationalversammlung zu unterstützen.‹ (Dritter Teil, S. XII und XIII.)
Noch interessanter ist, daß von da an die Provinzstädte sich mit der Kommune von Paris in allen möglichen Angelegenheiten in Beziehung setzen. Es wird so das Bestreben sichtbar, das später so deutlich hervortreten wird, eine direkte Verbindung zwischen den Städten und Dörfern Frankreichs unabhängig vom Nationalparlament herzustellen, und man versteht, welche Stärke dieses direkte, spontane Vorgehen der Revolution geben muß.
Insbesondere in einer Sache von entscheidender Wichtigkeit – der Liquidation der geistlichen Güter – brachten die Distrikte ihren Einfluß und ihr Organisationstalent zur Geltung. Wohl hatte das Gesetz auf dem Papiere die Konfiskation der geistlichen Güter und ihren Verkauf zugunsten der Nation angeordnet; aber es hatte keinen praktischen Weg zur Durchführung gezeigt. Bei der Gelegenheit erboten sich die Distrikte von Paris, beim Ankauf dieser Güter die Vermittler zu machen, und luden alle Gemeindeverwaltungen Frankreichs ein, das nämliche zu tun, was eine praktische Lösung zur Durchführung des Gesetzes war.
Die Art, wie die Distrikte vorgingen, um die Versammlung dazu zu bestimmen, ihnen diese wichtige Aufgabe anzuvertrauen, ist vom Herausgeber der Akten der Kommune erzählt worden. ›Wer‹, fragt Lacroix, ›hat im Namen dieser umfassenden Person, der Kommune von Paris, gesprochen und gehandelt?‹ Und er antwortet: ›Das Stadtbureau zuerst, das den Gedanken angeregt hat; dann die Distrikte, die sich ihm anschlossen und danach für die Ausführung die Stelle des Stadtrats eingenommen haben, indem sie direkt mit dem Staat, das heißt mit der Nationalversammlung verhandelten, und endlich den projektierten Ankauf verwirklichten, und das alles im Gegensatz zu einem formellen Dekret, aber mit der Zustimmung der souveränen Versammlung.‹
Noch interessanter ist, daß die Distrikte, nachdem sie einmal die Sache an sich genommen hatten, sowohl die alte Versammlung der Repräsentanten der Kommune, die für eine ernsthafte Aktion schon zu altersschwach geworden war, wie den Stadtrat, der sich einmengen wollte, daraus fortbrachten. ›Die Distrikte‹, sagt Lacroix, ›ziehen es vor, für diesen besonderen Zweck eine besondere beratende Versammlung, die aus sechzig Delegierten – einen für jeden Distrikt – zusammengesetzt war, und einen kleinen Exekutivausschuß einzusetzen, der aus zwölf Mitgliedern bestand, die von den erstgenannten sechzig gewählt waren.‹ (S. XIX)
Durch ein solches Vorgehen – und eine solche spontane direkte Initiative ist für alle Zeiten von größter Bedeutung – legten die Distrikte von Paris die Grundlagen einer neuen, einer freiheitlichen Organisation der Gesellschaft.›Wie wäre es möglich, daß die von der Kommune selbst durch den Dienst seiner ad hoc für diesen besonderen Zweck ernannten Kommissare vollzogene Erwerbung weniger legal wäre, als wenn sie von ein für allemal gewählten Vertretern vorgenommen würde? . . . Gilt nicht das Prinzip, daß die Befugnisse des Mandatars aufhören, wenn der Auftraggeber anwesend ist?‹
Als im Jahre 1790 die Reaktion mehr und mehr an Boden gewann, erlangten die Distrikte von Paris im Gegenteil immer mehr Einfluß auf den Gang der Revolution. Während die Nationalversammlung allmählich die Macht des Königs untergräbt, erweitern die Distrikte und dann die Sektionen allmählich den Kreis ihrer Befugnisse im Volke; sie stellen die Verbindung zwischen Paris und den Provinzen her und bereiten den Boden für die revolutionäre Kommune vom 10. August.
›Die Munizipalgeschichte‹, sagt Lacroix, ›spielt sich außerhalb der offiziellen Versammlungen ab. Die wichtigsten Akte des kommunalen, politischen und administrativen Lebens werden von den Distrikten vollzogen: die Erwerbung der Nationalgüter geschieht, wie es die Distrikte gewollt haben, durch Vermittlung von Spezialkommissaren; die Föderation der Nation wird von einer Vereinigung von Delegierten vorbereitet, denen die Distrikte ein Spezialmandat gegeben haben . . . Die Föderation vom 14. Juli ist ebenso das ausschließliche und direkte Werk der Distrikte.‹ Ihr Organ in dem letztgenannten Fall war die Versammlung der Abgeordneten der Sektionen für den Bundespakt. (Teil I, S. II, IV und 729, Anmerkung.)
In Wahrheit sagt man immer gern, die Nationalversammlung habe die nationale Einheit vertreten. Als es sich indessen um das Bundesfest handelte, hatten es die Politiker, wie schon Michelet bemerkt hat, als sie von allen Seiten Frankreichs die Menschen zu diesem Fest nach Paris strömen sahen, mit der Angst zu tun bekommen, und die Kommune von Paris mußte gewaltsam in die Nationalversammlung eindringen, um ihre Zustimmung zu dem Feste zu erlangen. ›Sie mußte gute Miene machen und ihre Einwilligung geben.‹
Wichtiger aber ist, daß diese Bewegung, die zuerst, wie Buchez und Roux sehr gut gesagt haben, aus dem Bedürfnis, die Verpflegung zu sichern und sich gegen die Befürchtungen einer Invasion des Auslands zu schützen, das heißt zum Teil aus einer Frage der Lokalverwaltung entstanden war, in den Sektionen den Charakter einer allgemeinen Eidgenossenschaft annahm, in der alle Kantone der französischen Departements und alle Regimenter der Armee vertreten sein sollten! Das Instrument, das um der Selbständigkeit der einzelnen Stadtbezirke von Paris willen geschaffen worden war, wurde so zum Werkzeug der föderativen Vereinigung der ganzen Nation.