Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Je mehr man die Französische Revolution erforscht, um so mehr überzeugt man sich davon, wie unvollständig die Geschichte dieser heroischen Jahre noch ist, wie viele Lücken und dunkle Punkte noch geblieben sind.
Die Große Revolution, die im Verlaufe weniger Jahre alles aufgewühlt, alles umgestürzt und angefangen hat, alles neu aufzubauen, war eben eine ganze Welt des Handelns. Und wenn man beim Studium der Werke der früheren Historiker dieser Zeit, hauptsächlich bei Michelet, die großartige Arbeit bewundern muß, die diese Männer zu gutem Ende geführt haben, die Arbeit, die tausenderlei Reihen von Tatsachen und Bewegungen, die nebeneinander hergehen und die zusammen die Revolution ausmachen, zu entwirren, so drängt sich einem zugleich noch auf, wie ungeheuer groß die Arbeit ist, die noch geleistet werden muß. Die Forschungen, die im Laufe der letzten dreißig Jahre von der Historikerschule angestellt worden sind, als deren Hauptvertreter Aulard und die Société de la Révolution française zu nennen sind, haben ohne Frage wertvolles Material geliefert, das auf die gesetzgeberischen und revolutionären Akte dieser Jahre, auf ihre politische Geschichte und den Kampf der Parteien, die sich die Macht streitig machten, viel Licht wirft. Jedoch bleiben die wirtschaftlichen Seiten der Revolution und ihrer Kämpfe noch zu erforschen; und Aulard hat sehr recht mit seiner Bemerkung, daß ein ganzes Leben zur Erfüllung dieser Aufgabe, ohne die, das muß zugegeben werden, die politische Geschichte unvollständig und oft sogar unverständlich bleibt, nicht ausreicht. Aber dem Historiker eröffnet sich, sowie er an den Revolutionssturm von dieser Seite herantritt, eine ganze Reihe neuer, umfassender und verwickelter Probleme.
Um den Versuch zu machen, einige dieser Probleme zu lösen, machte ich mich schon im Jahre 1886 an Einzelforschungen über die Anfänge der Revolution im Volke, über die Bauernerhebungen im Jahre 1789, über die Kämpfe für und gegen die Abschaffung der Feudalrechte, über die wahren Ursachen der Bewegung vom 31. Mai usw. Leider mußte ich mich bei diesen Studien auf die – übrigens sehr reichhaltigen – Sammlungen von Drucken im British Museum beschränken und konnte keine Forschungen im französischen Nationalarchiv anstellen.
Da sich jedoch der Leser in Studien dieser Art nicht zurechtfinden könnte, wenn er nicht einen allgemeinen Überblick der ganzen Entwicklung der Revolution in der Hand hätte, bin ich dazu gekommen, einen mehr oder weniger zusammenhängenden Bericht der Ereignisse zu geben. Es war nicht meine Absicht, die dramatische Seite der grandiosen Episoden, die so oft erzählt worden sind, zu wiederholen; ich wollte hauptsächlich die Studien der neueren Zeit benutzen, um den inneren Zusammenhang und die Triebfedern der verschiedenen Ereignisse zu beleuchten, deren Ganzes das große Epos ausmacht, das das achtzehnte Jahrhundert krönt.
Die Methode, bei der Darstellung der Revolution die einzelnen Teile ihres Werkes getrennt zu behandeln, bringt gewiß manche Unzuträglichkeiten mit sich: sie macht Wiederholungen manchmal unvermeidlich. Jedoch wollte ich diesen Vorwurf gerne auf mich nehmen; denn ich hoffte, dadurch die mächtigen Strömungen des Denkens und Handelns, die in der Französischen Revolution zusammenstießen und die mit dem Wesen der Menschennatur so innig zusammenhängen, daß sie in den geschichtlichen Ereignissen der Zukunft notwendigerweise wieder anzutreffen sein werden, dem Geiste des Lesers besser einprägen zu können.
Jeder, der die Geschichte der Revolution kennt, weiß, wie schwer es ist, tatsächliche Irrtümer in den Einzelheiten der leidenschaftlichen Kämpfe, deren Entwicklung man zeichnen will, zu vermeiden. Ich werde also jedem, der mich auf Irrtümer, die mir unterlaufen sind, aufmerksam macht, sehr dankbar sein. Zunächst habe ich meinen Freunden James Guillaume und Ernest Nys, die so liebenswürdig gewesen sind, mein Manuskript und die Korrekturen zu lesen und mich bei dieser Arbeit mit ihren umfassenden Kenntnissen und ihrem kritischen Geist zu unterstützen, herzlichen Dank auszusprechen.
14. März 1909.