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44.

Vergeltung.

Am Abend dieses Tages trat bald überall Ruhe ein. Die Diener schlichen schlaftrunken umher; die Neger suchten die ihnen angewiesenen Schlafplätze auf, bis ein neues Hüttendorf hergestellt ward, und so zogen sich auch die Gäste Ellens gleich nach dem Abendessen in ihre Gemächer zurück.

Jeder einzelne besaß ein Schlafzimmer für sich, und, wie es in den südlichen Gegenden überall in besseren Kreisen üblich ist, war jedem ein Diener, respektive eine Dienerin zugewiesen worden, welche auf ein Klingelzeichen erschienen und nach den Wünschen des Gastes fragten.

Todmüde betrat Miß Thomson ihr Gemach, nachdem sie auf dem Korridor ihrem Bräutigam noch eine herzliche Gutenacht gesagt hatte. Sie fand eine junge, schwarze Dienerin damit beschäftigt, das Bett zu machen. Kissen, Decken, Matratzen lagen bunt durcheinander auf dem Teppich und auf Stühlen umher.

Betty war unangenehm überrascht. Sie hatte erwartet, sich sofort entkleiden und hinlegen zu können, nun mußte sie sich gedulden, bis das Bett gemacht war. Gern hätte sie dabei geholfen, doch sie fühlte sich so zerschlagen, daß sie sich auf ein Sofa sinken ließ.

Die Negerin war ein junges, hübsches Mädchen. Sie bemerkte das Mißbehagen der Dame und beeilte sich mit ihrer Arbeit; da sie aber dabei zu hastig war, so ging diese nur noch langsamer vonstatten. Die Kissen wollten nicht in die Ueberzüge hinein, statt Schleifen entstanden in den Bändern Knoten, welche die hastigen Finger wieder zu lösen suchten, und nie kamen die Decken glatt zu liegen.

Der Negerin Augen streiften manchmal scheu die auf dem Sofa sitzende Dame, von welcher sie beobachtet wurde. Betty hielt es für das Beste, dem Mädchen freundlich zuzureden, um es zur Ruhe zu bringen.

»Nimm dir Zeit,« sagte sie lächelnd. »Je mehr du dich beeilst, desto länger scheint es zu dauern. Ich würde dir gern helfen, aber ich bin von dem langen Ritt zu erschöpft.«

»Will Missis nicht böse sein, daß das Zimmer noch nicht in Ordnung ist?« entgegnete das Mädchen niedergeschlagen. »Es wird gleich fertig sein.«

»Ich bin durchaus nicht böse darüber.«

»Aber auch nicht der Herrin sagen, sonst bekommt Polly Schelte.«

»Heißt du Polly?«

»Ja.«

»Ich werde nichts sagen,« lächelte Betty.

»Ich war heute krank, o, so sehr krank.«

»Was fehlte dir denn?«

»Mein Kopf schmerzte mich so sehr.«

»Die Anstrengungen der letzten Zeit haben uns alle mehr oder weniger angegriffen. Warst du während der Ueberschwemmung mit in diesem Hause?«

»Ja.«

»Ihr habt wohl große Angst ausgestanden?«

»Ja.«

So versuchte Betty weiterzuplaudern, doch die Negerin gab nur einsilbige Antworten. Sie schien sehr niedergeschlagen, sogar traurig zu sein. Betty schob es dem Kopfschmerz zu, denn Neger werden überhaupt von Krankheiten stets stark mitgenommen.

Endlich war das Bett fertig. Betty erhob sich, und die junge Negerin war ihr beim Entkleiden behilflich. Betty fühlte, als ihr die Taille aufgeknöpft wurde, wie die Finger des Mädchens zitterten.

»Was fehlt dir nur? Du bist so unruhig.«

»Mir ist nicht wohl.«

»So gehe jetzt, ich kann mich allein auskleiden.«

»Nein, nein, Missis würde schimpfen, wenn sie es erfährt.«

»Sie soll es nicht erfahren.«

»Aber die Lampe.«

»Ich lösche sie aus, ehe ich schlafen gehe.«

Doch Polly ging nicht.

»Ach, Missis, ich hätte eine große Bitte an Sie,« begann sie dann zögernd.

»Sprich sie aus, Kind! Kann ich sie erfüllen, so werde ich es tun.«

»Es ist nur eine Frage.«

»Dann stelle sie, fragen kostet nichts.«

»Missis, kennen Sie die Herren alle?«

»Welche Herren?«

»Die als Gäste hier sind.«

»O ja, die kenne ich alle sehr gut.«

»Also auch den mit dem Schnurrbarte?«

»Schnurrbärte haben viele. Kannst du ihn nicht ausführlicher beschreiben?«

»Er ist etwa so groß wie Sie, blond und recht hübsch.«

Betty überlegte, sie wußte wirklich erst nicht, wen das Mädchen meinte, die Beschreibung war zu allgemein.

»Ah, du meinst Sir Williams,« rief sie plötzlich. »Ich weiß nicht, wie er heißt.«

»Warte, ich will ihn dir zeigen.«

»Nicht zeigen, Missis, ich mag ihn nicht sehen,« rief Polly und streckte abwehrend beide Hände aus.

»Ich will ihn auch nicht hierherein führen,« lachte Betty, »nur sein Bild sollst du sehen.«

Sie entnahm einer Innentasche ihrer Taille ein Lederetui, öffnete es und hielt das Bild Williams' dem Mädchen hin.

»Das ist er!« rief Polly.

Da Betty selbst die Photographie ihres Bräutigams teilnehmend betrachtete, so bemerkte sie nicht die Aenderung, welche im Gesicht der Negerin vor sich ging.

Ein wilder Ausdruck war plötzlich darin zu lesen.

»Den meinst du?«

»Ja, das ist er.«

»Gefällt er dir?«

»Sehr, sehr gut. Wie heißt er?«

»Charles Williams.«

»Ist das ein guter Mann?«

»Ein sehr guter.«

»Ich glaube das nicht.«

»Warum nicht?«

»Weil – weil alle Männer böse sind.«

»Wie, Kind, hast du schon trübe Erfahrungen gemacht?« lächelte Betty.

»O nein, ich dachte nur so.«

»Sir Williams ist wirklich ein sehr guter Mann.«

»Warum sagen Sie Sir und nicht Mister, wie hier jeder Gentleman heißt?«

»Williams ist ein englischer Edelmann, ein Baronet, und diese werden nicht einfach mit Mister, sondern mit Sir angeredet,« erklärte Betty nicht ohne Stolz.

»So ist er also ein mächtiger Mann!«

»Nicht gerade mächtig, aber doch sehr angesehen in seiner Heimat. Sein Vater ist Minister der Königin von England.«

»Was ist ein Minister.«

»Ein Berater.«

»Und dieser ist auch Minister der Königin?«

»Er kann es vielleicht noch werden.«

Polly blickte noch immer starr auf das Bild des schönen jungen Mannes.

»Sir Williams ist wohl viel, viel mehr wert als ein armer Nigger?« meinte sie dann nachdenkend.

»Wie meinst du das?« fragte Betty betroffen.

»Nun, ein Nigger ist wohl gar nichts gegen ihn?«

»Ein Nigger ist ebensoviel wert wie ein Weißer. Es kommt nicht auf die Hautfarbe, sondern auf das Herz und die Leistungen eines Menschen an, wonach man ihn schätzt. Ein Schwarzer mit einem guten Herzen ist zehnmal mehr wert, als ein Weißer mit einem schlechten Herzen. Gott sieht nur das Herz an, nicht die äußere Person, nicht Titel, nicht Rang, er verdammt sogar oft die Leistungen, welche wir für gut finden.«

»Ein Schwarzer mit einem guten Herzen,« wiederholte die Negerin träumerisch.

»Bist du Christin?« fragte Betty so nebenbei.

»Ich war es.«

»Wie, nicht mehr?«

»Nein. Erst glaubte ich den Worten des Methodistenpredigers, welcher manchmal unser Negerdorf besucht, dann aber sah ich ein, daß in dem großen Buche, aus dem er immer vorliest, nur Lügen stehen.«

Betty fühlte sich nicht dazu berufen, Bekehrungsversuche zu machen, sie schwieg. Warum interessierte sich diese Negerin nur so für Williams, sollte sie etwa –

»Gefällt er dir?« fragte sie nochmals.

Diesmal schüttelte Polly den Kopf.

»Ich mag ihn nicht leiden.«

»Warum nicht?«

»Ich mag keinen Mann mehr leiden.«

»Nicht mehr?«

»Ach, ich hatte – das ist schon lange her,« brach sie kurz ab, und Betty fragte nicht weiter, um Pollys Herz, welches sicher einen geheimen Kummer hatte, nicht schwer zu machen.

Sie steckte das Bild in die Tasche zurück und fuhr fort, sich zu entkleiden.

»Haben Sie alle Herren in Bildern bei sich?«

»Nein, nur diesen einen.«

»Warum gerade den?«

»Weil – nun, Polly, ich will es dir sagen – weil ich seine Braut bin.«

»Braut?«

»Ja, das heißt, wir werden uns heiraten.«

»Ah, Sie lieben ihn?«

»Ja, sehr, und er liebt mich.«

Betty sah in diesem Augenblicke anderswohin, und so bemerkte sie nicht, wie der Negerin Augen plötzlich ausleuchteten, ein haßerfüllter Blick traf das weiße Mädchen. Hätte Betty es gemerkt, sie wäre erschrocken gewesen.

Polly half ihr weiter, die Sachen abzulegen.

»Sir Williams liebt Sie sehr?« fragte sie dann wieder.

»Ich glaube sicher,« lächelte Betty.

»Sie glauben mir?«

»Nein doch, ich weiß es bestimmt. Warum fragst du so?«

»Ich dachte nur, ob ein Schwarzer wohl auch so lieben kann wie ein Weißer.«

»Natürlich, ebenso.«

»Gerade so heiß?«

»Aber warum denn nur nicht.«

»Auch eine Weiße einen Neger?«

Betty mußte lachen.

»So höre doch: die Hautfarbe macht keinen Unterschied, die Schwarzen sind ebensolche Menschen, wie wir Weißen.«

»Ich habe einmal gesehen, wie eine Weiße an der Leiche ihres Mannes stand. Sie weinte furchtbar, raufte sich die Haare und warf sich immer über den Toten.«

»Es war der Ausdruck ihrer Trauer.«

»Wir Schwarzen können nicht so trauern. Wir gehen still umher und wünschen uns ebenfalls den Tod.«

»Ihr habt eben andere Naturen, euer Schmerz drückt sich anders aus, aber ihr habt ebenso zu leiden wie wir.«

»Auch der weiße Mann trauert, wenn seine Geliebte stirbt?«

»Gewiß.«

»Würde Sir Williams traurig sein, wenn Sie stürben?«

»Er wurde trostlos sein, namenlos trostlos. Doch sprich nicht mehr solches Zeug, wir wollen Gott danken, daß wir noch leben.«

Polly wäre jetzt eigentlich fertig gewesen, sie hatte das Zimmer verlassen können, doch machte sie sich noch allerlei zu schaffen. Betty lag schon im Bett, als sie noch immer etwas zu tun fand, und sie bot ihre Dienste in einer Weise an, daß das gutmütige Mädchen ihre Gefälligkeiten nicht abschlagen konnte, obgleich sie wünschte, nun allein zu bleiben und zu schlafen.

»Darf ich Ihnen noch die Wäsche zurechtlege«?« fragte Polly und war schon bei dem Koffer, welcher Bettys Leibwäsche enthielt.

Betty gab ihr Anweisungen, welche Leibwäsche sie morgen anzuziehen wünschte. Die Negerin ordnete alles auf Stühlen und wollte auch noch ein seines Spitzentuch hinzufügen.

»Nicht dies,« rief Betty, »es wäre schade, ein solch feines Gewebe hier zu brauchen. Gehe hinter in den anderen Koffer, dort liegen welche aus haltbareren Stoffen.«

Die Negerin fand die gewünschten Taschentücher nicht gleich, sie wühlte lange in dem Koffer umher schließlich aber brachte sie eins zum Vorschein, auseinandergefaltet.

»Liegen sie so unordentlich durcheinander?«

»Ja, Missis, dies lag so drin.«

Sie faltete das Tuch wieder zusammen und legte es zu der anderen Wäsche.

Betty war herzlich froh, als die Negerin endlich ging. Zu viel Freundlichkeit kann schließlich lästig werden. Kaum war die Tür hinter der Negerin ins Schloß gefallen, als Bettys Augen sich schon zum festen Schlafe schlossen.

Der nächste Morgen brachte zwei neue Gäste: einen Arzt, welchen seine Reise an Miß Petersens Plantage vorbeiführte, und den Baumwollenagenten, welcher Lamentationen wegen seiner fortgeschwemmten Baumwolle erhob. Ellen hieß den Arzt als ihren Gast willkommen, dem Agenten gegenüber verhielt sie sich kalt, solange er versuchte, den Schaden Ellen aufzuladen oder gar sein Geld zurückzuerlangen, als er aber anders wurde, seiner Verzweiflung über den kolossalen Verlust offen Ausdruck gab, da ließ Ellen erkennen, daß sie nicht abgeneigt sei, einen Teil des Verlustes auch auf ihre Schultern zu nehmen.

Heute sollte auch die Beerdigung Flexans und Snatchers auf dem eine Meile entfernten Friedhof der Hazienda stattfinden. Ellen zeigte keine Lust, mitzugehen, die Verhandlungen mit dem Agenten hielten sie davon ab, und so folgten die wenigsten der Herren und Damen dem Zuge, welcher sich nach dem Begräbnisplatz bewegte. Hoffmann und Johanna hatten sich ihm angeschlossen, sie wollten wenigstens dem armen Snatcher die letzte Ehre erweisen. Auch Doktor Starwed, der angekommene Arzt, beteiligte sich an dem Ritt nach dem Beerdigungsplatz, er schien für Hoffmann sehr eingenommen zu sein und suchte stets dessen Gesellschaft.

Die Zurückgebliebenen saßen in beschaulicher Ruhe auf der Veranda. Es war Sonntag und ein sehr heißer Morgen, dem ein noch heißerer Tag zu folgen versprach. Die Unterhaltung war matt, weniger, weil eine Leichenbestattung jetzt vor sich ging, als vielmehr, weil man noch immer von den Anstrengungen der letzten Tage erschöpft war. Die Herren rauchten, die Damen genossen von den umhergereichten Erfrischungen. Dann kam Ellen, welche den befriedigten Agenten verabschiedet hatte, hinzu und brachte mehr Fluß in die Unterhaltung, doch wurde der Tod Flexans nicht mehr berührt. Flexan sollte völlig vergessen werden, das schien Ellen das beste zu sein.

Miß Thomson lag langausgestreckt auf einem Rohrgeflecht und fächelte sich mit dem Taschentuch Kühlung zu. Sie bemerkte unter den aufwartenden Dienerinnen auch Polly, ihre Kammerzofe. Die Negerin war hübsch gekleidet, wenn auch sehr bunt. Die Schwarzen lieben nun einmal grelle Farben, das Bunte gibt nach ihrer Meinung erst die Eleganz. Die rote, vorn ausgeschnittene Taille saß ihr wie angegossen und zeigte ihre vollen Formen.

Betty glaubte zu bemerken, daß die großen, dunklen Augen der Negerin öfters auf sie gerichtet waren; sogar Williams machte sie darauf aufmerksam, und als sie das Mädchen noch einmal bei solch einem Blicke ertappte, rief sie dasselbe zu sich.

»Polly, willst du etwas von mir?« fragte sie leise.

»Nein, Missis! Limonade gefällig?«

Sie hielt ihr ein Präsentierbrett mit Zitronenlimonade hin.

Betty dankte, sie hatte sich getäuscht, als sie glaubte, das Mädchen hätte einen Wunsch.

Die Sonne stieg, die Hitze nahm zu; Fächer und Taschentücher mußten immer häufiger benutzt werden, um sich Kühlung zuzufächeln, aber man vermochte nicht, damit den ausbrechenden Schweiß fernzuhalten.

Das zweite Frühstück war vorüber, es war auf der Veranda präsentiert, aber kaum angerührt worden, bei dieser Hitze zeigte niemand Appetit.

Ellen unterhielt sich mit dem Beamten, welcher von jetzt ab die Hazienda verwalten sollte, über die vorzunehmenden Arbeiten, um die durch die Ueberschwemmung angerichteten Verwüstungen in kürzester Zeit zu verwischen; Lord Harrlington wurde dabei herangezogen, verhielt sich aber, in der Landwirtschaft ganz unerfahren, passiv. Die übrigen sprachen übers Wasser, klagten über die Hitze, und höchstens hie und da fiel ein Wort über die baldige Abreise und die nächsten Unternehmungen.

Da kam Doktor Starwed durch den Garten galoppiert, welcher jetzt allerdings eher einer öden Sandgrube, besetzt mit Bäumen, glich. Der Reiter hatte auf dem Rücken eine Doppelflinte und zur Seite eine geschossene Trappe hängen.

»Wie, Doktor?« rief Ellen dem auf die Veranda Tretenden, welcher Pferd, Büchse und Wildbret einem Diener übergeben, entgegen. »Sie haben den Sonntagsfrieden durch Schießen gestört?«

»Mein Gott, Miß,« entgegnete der Doktor achselzuckend, »wir Stadtmenschen haben nicht jeden Tag Gelegenheit, uns an Jagd zu ergötzen. Kommen wir einmal ins Freie, dann haben wir sicher die Büchse bei uns, und sehen wir ein Wild, so fragen wir nicht erst den Kalender, ob es ein Sonntag oder ein Alltag ist. Zürnen Sie mir deshalb?«

»Ganz und gar nicht,« lachte Ellen. »Wenn Sie die Störung der Sonntagsruhe vor Ihrem Gewissen verantworten können, ich für meinen Teil gehe nicht mit Ihnen ins Gericht. Aber wir denken alle, Sie sind bei der Beerdigung zugegen, und statt dessen jagen Sie.«

»Ich war auch bei der Beerdigung, hielt es jedoch nicht länger aus, als ich von der Jagdlust ergriffen wurde. Eben sagte der Prediger Amen, da rauschte mit schmetterndem Flügelschlag ein Zug Trappen an uns vorüber, ich saß mit einem Satz auf meinem Pferd, ohne das Amen nachgesprochen zu haben, und fort ging's, hinter den Vögeln her. Eine heiße Jagd war's zwar, bekam sie aber doch zum Schuß. Haben Sie meine Beute gesehen? Ein stattlicher Hahn, nicht?«

»Er soll Ihnen heute zum Abendbrot vorgesetzt werden,« entgegnete Ellen. »Was sagten Sie da aber vorhin von einem Prediger?«

»Ja, er sprach famos.«

»Ein frommer Neger?«

»Neger? Nein, Mister Hoffmann sprach.«

»Ach so.«

»Hatte nicht geglaubt, daß dieser Gentleman eine solche Rednergabe besäße. Er sprach so innig, daß sich die Neger immer die Augen gewischt haben, und die Weiber zum Steinzerbrechen schluchzten.«

»Er sprach am Grabe Mister Flexans?«

»Solange ich da war, nur am Grabe des anderen.«

Alle hatten dem Sprecher zugehört, jetzt richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit auf Miß Thomson. Das Mädchen hatte schon seit einiger Zeit wiederholt die Farbe gewechselt; jetzt war es aschfahl im Gesicht, dicke Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, welche es vergebens mit dem Taschentuch wegzuwischen suchte. Die Hände zitterten dabei heftig.

Williams war der erste, welcher diese Erscheinung bemerkte.

»Was ist dir, Betty?« fragte er ängstlich.

»Nichts, nichts, ich fühle mich nur etwas unwohl,« kam es leise von den bebenden Lippen.

»Schnell ein Glas Wasser!«

Das Wasser tat seine Wirkung nicht, das Mädchen wurde immer bleicher, ihr Auge sonderbar starr.

»Gehen Sie etwas auf und ab,« riet der Arzt, welcher nur auf ein plötzliches Unwohlsein, erzeugt von Hitze und zuviel genossener Limonade, schloß.

Betty antwortete nicht, sie schloß die Augen.

»Wird es bester?« fragte Williams.

»Ja, nein – ich habe keine Schmerzen mehr,« lispelte Betty.

»Wie, du hattest Schmerzen?«

»Schon lange.«

»Und sagtest es uns nicht?«

»Ich glaubte, sie würden vorübergehen.«

Ihre Stimme wurde immer undeutlicher, die Lippen färbten sich bläulich, und das Gesicht war das einer Toten. Entsetzt drängte sich die Gesellschaft um das in Zuckungen liegende Mädchen.

»Wo haben Sie Schmerzen?« mischte sich der Arzt ein.

»Ueberall,« klang es nur noch lallend.

»Im Magen?«

»Nein.«

»In den Gliedern?«

»Ja.«

Gespannt hingen die Augen aller an den Lippen des Arztes, dieser schien verlegen, er fühlte den Puls des Mädchens.

»Es scheint Starrkrampf zu sein.«

»Was tun, was tun?« schrie Williams außer sich.

»Bringen Sie Kognak!«

Dem Mädchen wurde Kognak eingeflößt; teilnahmlos schluckte es. Er hatte gar keinen Erfolg.

»Umschläge mit kaltem Wasser, reiben und kneten!«

Auch das half nichts.

»Mein Gott, sie stirbt!« schrie Williams und sank auf die Knie.

»Es wird vorübergehen,« meinte Doktor Starwed, welcher sich die Erscheinung nicht erklären konnte, die Umstehenden und zugleich sich aber beruhigen wollte.

»Glauben Sie?« fragte Williams.

»Es wird vorübergehen. Ein Hitzschlag, weiter nichts. Nur immer kalte Umschläge und recht viel ...«

Eine gellende Lache unterbrach den Sprecher.

Hinter den Umstehenden stand Polly, die funkelnden Augen auf Williams geheftet.

»Immer macht nur kalte Umschläge,« lachte sie, »reibt und knetet sie! Hahaha, mein Gift ist wirksam.«

»Weib, du hast sie vergiftet!« schrie Williams, stürzte auf die Negerin zu und packte sie am Arm.

»Ich habe sie vergiftet,« war die ruhige Antwort. »Hast du den getötet, den ich liebte, so töte ich die, welche du liebst. Ich vergelte nur Gleiches mit Gleichem. Du hast ihn erschossen, als er sich eines Pferdes bemächtigen wollte, um mich zu retten. Ja, du, du warst es,« herrschte sie Williams an.

Doch gleich hatte dieser sie wieder gepackt.

»Was gabst du ihr ein? Sprich, Weib!«

»Gift.«

»Ich habe schon Brechmittel geholt,« rief der Arzt, welcher nach seinem Zimmer geeilt und wieder zurückgekehrt war.

Der Sterbenden wurde ein Brechmittel eingeflößt, doch es hatte schon keine Wirkung mehr.

»Gegen mein Gift hilft kein Brechmittel mehr,« höhnte die Negerin.

»Was für ein Gift war es?«

»Eins, gegen welches nur ich das Mittel weiß.«

»Gib das Gegenmittel an, oder ich erwürge dich!« schrie Williams verzweifelnd.

»Ich gebe es nicht.«

Betty schien zu sterben. Sie hatte heftige Schmerzen auszustehen, ihre Zuckungen waren fürchterlich.

»Das Gegenmittel, das Gegenmittel!«

Aus der Negerin war jedoch nichts herauszubringen, Bettys Zuckungen ließen nach, sie streckte die Glieder und lag bewegungslos da. Nur das schwache Hämmern der Pulse verriet noch Leben in ihr.

»Helfen Sie, retten Sie!« rief die weinende Ellen und stürzte dem Manne entgegen, welcher eben die Verandastufen betrat. »Sie sind Arzt, Mister Hoffmann, Miß Thomson ist vergiftet, sie stirbt!«

Hoffmann stand vor der Sterbenden, er sah die verzweifelten Gesichter, daß Williams die Negerin gepackt hielt, und wußte, wer der Urheber der Vergiftung war.

Er fragte nicht weiter nach Erklärung.

»Sie stirbt,« sagte er traurig, nach dem Pulse des Mädchens greifend. »Schlug das Brechmittel an?«

»Nein.«

»Lag sie immer so da?«

»Vorhin krümmte sie sich vor Schmerzen.«

»Weib, nenne das Gegenmittel, und ich gebe dir alles, was ich habe,« schrie Williams wieder.

»Ich nenne es nicht, sie muß sterben.«

»Sie stirbt nicht!«

»Sie stirbt so sicher, wie jenes Taschentuch nicht im heißesten Feuer verbrennt.«

Der Sinn dieser Worte blieb allen unverständlich bis auf einen, Hoffmann.

»Tschain,« rief dieser plötzlich.

Er sah neben der Sterbenden ein Taschentuch liegen.

»Gehört dieses Miß Thomson?«

Die Frage wurde bejaht, man verstand den Ausruf Hoffmanns, Tschain, ebensowenig wie die Worte der Negerin, und betrachtete mit gespannter Aufmerksamkeit das Gebaren des ersteren.

Er riß ein Streichholz an und hielt das Tuch in die Flamme, doch das zarte Gewebe blieb unverletzt.

»Tschain,« wiederholte Hoffmann, fast jubelnd.

Da bemerkte man erst, wie die Negerin erschrocken war.

»Ja, es ist Tschain,« sagte sie jetzt. »Wer du auch seiest, du kennst kein Gegenmittel für das Gift der Damaras.«

»Tschain – Damara,« murmelte Harrlington. »Wie ist mir denn, sprach Hannibal nicht einmal von einem furchtbaren Gift, welches von den Damaras unter dem Namen Tschain gebraucht wird? Er sagte, es gäbe kein Gegenmittel dafür.«

»Es gibt auch keins, die Lady muß sterben. Ja, ihr Taschentuch ist von mir mit Tschain getränkt worden,« triumphierte die Negerin schadenfroh.

Plötzlich schoß Hoffmann aus der Tür und kehrte nach einer halben Minute mit einem Fläschchen zurück, welches eine goldgelbe Flüssigkeit enthielt.

»Werden Sie sie retten?« tönte es ihm von allen Seiten entgegen.

»Mit Gottes Hilfe, ja. Mister Starwed, wie ist der Pulsschlag?«

»Kaum noch merklich.«

»Also, sie lebt noch!«

»Ist aber, bewußtlos.«

»Nun denn, in Gottes Namen!«

Hoffmann flößte der Vergifteten einen Löffel von der Flüssigkeit ein und zwang sie zum Schlucken. Dann händigte er das Fläschchen dem Doktor ein und schlitzte den Blusenärmel der Bewußtlosen von oben bis unten auf.

»Doktor, helfen Sie mir, ich lasse sie zur Ader.«

Der Arzt hatte an dem Fläschchen gerochen.

»Das riecht nach Schierling, das ist Gift.«

»Ein Gegengift des Tschain.«

»Was ist Tschain?«

»Jetzt ist keine Zeit zur Erklärung; es ist ein afrikanisches Pflanzengift. Helfen Sie mir!«

Der Arzt trat einen Schritt zurück.

»Ich tue nichts, was ich nicht verantworten kann.«

»Ich kann es verantworten.«

»Aber ich nicht.«

»Ich bitte einen anderen Herrn um Unterstützung.«

Lord Harrlington legte einen Verband an, so daß der Arm bei starkem Blutverlust sofort unterbunden werden konnte.

Hoffmanns feines, haarscharfes Messerchen machte einen tiefen Schnitt in das Fleisch, es kam kein Blut.

»Zu spät,« flüsterte es im Kreise.

»Wir müssen warten, noch kann sich die Wirkung nicht äußern,« sagte Hoffmann leise.

Er flößte der Ohnmächtigen einen Löffel voll Medizin ein.

Da kam ein Blutstropfen zum Vorschein.

»Gerettet,« jubelte Hoffmann auf, »das Gift hat seine schädliche Kraft verloren.«

Die Umstehenden stimmten in den Jubelruf ein Hoffmann sprach mit zu großer Ueberzeugung, als daß man an seiner Behauptung hätte zweifeln können.

»Hörst du?« donnerte Williams die Negerin an. »Dein verruchter Plan ist vereitelt worden! Komm, sieh deine Freveltat zuschanden werden.«

Er schleppte die Negerin in den Mittelpunkt des Kreises, hielt sie aber mit eiserner Kraft fest.

Es war nicht bei dem einen Blutstropfen geblieben, einer nach dem anderen kam hervor, bis ein dünner Blutbach über den blendend weißen Arm floß.

»Sie ist gerettet,« sagte Hoffmann, »Lord Harrlington, unterbinden Sie.«

Der Blutstrom stand, und gleichzeitig öffnete Miß Thomson die Augen. Sie waren nicht mehr starr, wie vorhin, sondern hell, wie sonst; sie schaute verwundert um sich.

Williams stürzte neben ihre auf die Knie und bedeckte ihre Hand mit Küssen.

»Betty, hörst du mich? Wie ist dir? Hast du Schmerzen?«

»Was ist mit mir geschehen?« flüsterte sie.

»Keine solchen Szenen jetzt,« sagte Hoffmann, »sie ist zwar außer Gefahr, bedarf aber der Ruhe, jede Aufregung ist zu vermeiden, soll nicht ein anhaltendes Nervenübel zurückbleiben.«

Miß Thomson wurde hinausgetragen und in einem Zimmer gebettet. Die Damen wollten die Pflege übernehmen, niemand sonst sollte das Zimmer betreten, auch Williams nicht. In ein bis zwei Tagen sei jede nachträgliche Gefahr vorüber, erklärte Hoffmann, wenn die Behandlung nach seiner Vorschrift geschähe. Er würde ihr Arzt sein.

Als Williams die Negerin losgelassen, weil sein Herz ihn in die Nähe der Geliebten trieb, wollte Polly diese Gelegenheit benutzen, zu entschlüpfen, doch schnell hatte wieder Hastings sie gepackt.

»Halt, wir sprechen noch ein Wort zusammen!«

Jetzt, nachdem Miß Thomson entfernt und ihre Pflege übernommen worden war, wandte sich der allgemeine Unwille gegen die Negerin.

Polly war die Geliebte des Negers gewesen, welcher bei der Flucht vor dem Wasser durch Williams erschossen worden war. Man brauchte sie nicht zu fragen, sie hatte schon gestanden, daß sie das Taschentuch Bettys mit Gift getränkt hatte.

Mit finsterem Antlitz trat Hoffmann vor das Mädchen, er begegnete einem unerschrockenen Blick.

»Woher hast du das Gift?«

Keine Antwort.

»Hast du noch mehr davon?«

Wieder keine Antwort.

»Sprich, sonst lasse ich dich in meiner Gegenwart entkleiden und untersuche dich selbst.«

Wortlos griff Polly in den Busenausschnitt und zog ein Fläschchen mit einer dunkelgrünen Flüssigkeit heraus.

»Es ist Tschain,« nickte Hoffmann, nachdem er daran gerochen, und steckte es in die Brusttasche.

Aus der Negerin war keine Antwort zu bringen, mit fest zusammengepreßten Lippen stand sie da, die Augen, glühend, wie die eines Raubtieres, unverwandt auf Williams geheftet.

Dieser war erschüttert.

»Eine Ahnung sagte mir, daß meine Tat furchtbare Folgen haben würde, und doch fühlte und fühle ich mich noch jetzt unschuldig wegen der Tötung jenes Negers.«

»Sie sind es auch,« entgegnete Hoffmann, »Sie konnten nicht anders handeln. Doch bitte ich Sie, Miß Petersen, milde mit dieser Negerin zu verfahren. Sie hat heißes Blut in ihren Adern fließen, wir müssen bei Beurteilung ihrer Handlung den richtigen Maßstab anlegen.«

»Ich werde sie dem Gericht ausliefern.«

»Tun Sie das nicht,« bat Williams. »Daraus entspringen noch andere Unannehmlichkeiten, und das Weib wird wegen Giftmischerei hart bestraft.«

Ellen zögerte.

»Wie lange soll ich sie denn noch halten?« murrte da Lord Hastings.

Ellen wollte die Negerin in ein Gewahrsam bringen lassen, als das Mädchen, welches bei Betty wachte, kam und sagte, die Kranke wünsche dringlich, Polly zu sprechen.

»Miß Thomson hat erfahren, woher ihre Krankheit stammte?« fragte Hoffmann.

»Ich habe ihr alles erzählt.«

»Das hätten Sie nicht tun sollen, sie wird dadurch zu sehr aufgeregt.«

»Miß Thomson ist durchaus bei klarer Vernunft und stellte Fragen, welche ich beantworten mußte. Sie selbst glaubte schon, Polly habe ihr Gift verabreicht, sie ahnte den ganzen Zusammenhang, und ich habe sie dann völlig aufgeklärt.«

»Und jetzt wünscht sie, Polly zu sprechen?«

»Ja.«

»Das möchte ich nicht erlauben.«

»Sie wird darauf bestehen.«

»Nun gut,« sagte Hoffmann nach einigem Zögern, »so mag Polly in das Schlafzimmer gehen. Doch es ist ihr nicht ganz zu trauen, darum, liebe Johanna, gehst du wohl mit und,« fügte er leise hinzu, »behältst die Negerin scharf im Auge.«

Die beiden Damen verließen das Zimmer und begaben sich in die Krankenstube, die Negerin führend. Mit gesenktem Kopfe schritt Polly einher.

Williams trat mit ausgestreckter Hand auf Hoffmann zu.

»Mister Hoffmann, Sie haben mir meine Braut abermals, ich weiß nicht zum wievielten Male gerettet; wie soll ich Ihnen dafür danken –.«

»Keinen Dank,« unterbrach ihn Hoffmann, seine Hand ergreifend, »ich oder vielmehr das Schicksal hat Gleiches mit Gleichem vergolten, und ich war nur sein Werkzeug. Ihre Braut kam in Gefahr des Lebens, weil Sie mir die meinige gerettet hatten, danken Sie Gott, nicht mir, daß er mich noch zur rechten Zeit hierherführte.«

»Nun bitte ich Sie, Mister Hoffmann, mir zu offenbaren,« nahm jetzt der Doktor das Wort, »was für eine Bewandtnis es mit dem geheimnisvollen Gift hat.«

»Es ist kein geheimnisvolles, sondern ein unter den Damaras, einem Negerstamm, allgemein bekanntes Gift, welches aus dem Saft einer Pflanze gewonnen wird. In den Magen gebracht, wirkt es weniger schädlich, als wenn es feucht mit der Hand in Berührung kommt. Starrkrampf, Schmerzen in den Gliedern und bald eintretender Tod sind die Folgen der Vergiftung. Das Tschain ist eine leicht flüchtige Substanz, das Tuch, das damit benetzt wird, trocknet sofort wieder, und in diesem Zustande ist das Gift wirkungslos. Kommt es aber mit der feuchten Haut, etwa mit schweißbedeckter Stirn, oder mit nassen Lippen in Berührung, so beginnt seine furchtbare Wirkung, es tötet.«

»Wie erkannten Sie das Gift?«

»Durch den Ausruf der Negerin: so wenig wie das Tuch dort verbrennt. Das Tschain besitzt die Eigenschaft, daß das Gewebe, welches mit ihm imprägniert ist, unverbrennbar wird. Ein Versuch überzeugte mich sofort davon. Ich war lange Zeit in Afrika und habe ein Gegengift unter meinen Medikamenten.«

»Ich habe gesehen, wie Miß Thomson sich öfters mit dem Tuch die feuchte Stirn gewischt hat,« meinte eine Dame.

»Schon die feuchte Hand genügte, um das Gift wirksam zu machen.«

»Wo ist denn das entsetzliche Tuch jetzt?«

»Ich habe es vorläufig in meine Brusttasche gesteckt und werde es dann vernichten.«

»Wer weiß, ob die Dame noch gerettet werden konnte, wenn die Negerin das Gift nicht selbst verraten hätte,« fügte der Arzt hinzu.

»Daran zweifle auch ich,« gestand Hoffmann.

Die vorige Dame trat wieder ins Zimmer.

»Miß Thomson wünscht, Sir Williams und Mister Hoffmann zu sprechen.«

»Darf ich der Kranken nicht auch einmal einen Besuch abstatten?« fragte Ellen lächelnd.

»Einen Augenblick. Ich glaube, es handelt sich um eine private Unterredung.«

Die beiden Herren fanden Miß Thomson den Verhältnissen angemessen sehr wohl, einige Abspannung abgerechnet. Sie empfing die Freunde mit heiterem Lächeln, bedankte sich bei Hoffmann für seine Hilfe und begrüßte dann ihren Geliebten.

Beide wunderten sich nicht wenig, die Negerin, in Tränen schwimmend, neben Johanna stehen zu sehen. Sie hatte das Gesicht verhüllt und schluchzte heftig.

Betty ergriff ihre Hand und zog sie zu sich.

»Ich weiß jetzt, was sie dazu getrieben hat, so zu handeln. Charles, verzeihe ihr!«

Erst blickte Williams finster auf das weinende Mädchen, dann hellte sich sein Antlitz wieder auf.

»Es sei denn, ich trage ihr nichts nach.«

»Du wirst sie nicht strafen?«

»Wenn du es nicht willst, nein!«

»Du hast ihr verziehen?«

»Völlig.«

»So tue noch ein übriges.«

»Was?«

»Du hast ihr die einzige Seele geraubt, an der sie mit Liebe hing, von der sie geliebt wurde ...«

»Und?« fragte Charles gespannt.

»So ersetze ihr den Geliebten.«

Williams war über diese Zumutung verblüfft, doch Hoffmann lächelte verständnisvoll.

»Wie meinst du das?« brachte er endlich heraus. »Ich meine, wir beide wollen uns dieses Mädchens annehmen, welches durch uns den einzigen verloren hat, an dem es hing. Ja, Charles, wir wollen Polly lieben, und sie wird uns wieder lieben – wir nehmen sie mit.«

Williams trat erschrocken einen Schritt zurück.

»Nimmermehr!«

»Erfülle mir diese Bitte! Ich habe mit ihr gesprochen, sie bereut ihre Tat und verspricht, mir die treueste Dienerin zu werden.«

»Betty, bedenke, was du tust! Sie hat dich zu töten gesucht, weil sie mich haßt.«

»Ich habe alles bedacht und bin sicher, daß wir ein gutes Werk tun. Wir retten ein Geschöpf Gottes vor Schmach, Elend und Verzweiflung. Mister Hoffmann, unterstützen Sie meine Bitte, Sie kennen die Menschen!«

Fragend schaute Charles auf Hoffmann.

»Auch Sie wären der Meinung, daß ich dieses Weib zu mir nehmen darf, ohne in steter Sorge leben zu müssen?«

»Sie dürfen es,« entgegnete Hoffmann, »ich rate Ihnen sogar, es zu tun.«

»Aber der Mordanschlag, der Haß!«

»O, Sir Williams! Sehen Sie denn nicht, sie weint, sie vergießt Tränen der Reue, und diese sind das erste und sicherste Zeichen der Besserung. Willst du, Polly, dieser Dame und diesem Herrn fortan eine treue Dienerin sein?«

Da schlug die Negerin das große, mit Tränen gefüllte Auge voll zu dem weißen Mädchen auf, fiel vor Betty nieder und ergriff deren Hand, sie mit Küssen bedeckend.

»Ich will, ich will, nur vergeben Sie mir, und mein Leben soll von jetzt ab Ihnen gehören!« erklang es schluchzend.

Die Negerin fiel vor dem Bett nieder und rief unter Tranen: »Mein Leben soll von jetzt ab Ihnen gehören.«


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