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19.

Im Lager der Rebellen.

Wie schon erwähnt, hatte das Erscheinen Deadly Dashs große Bestürzung hervorgerufen, besonders unter den Gefangenen. Der Waldläufer, den sie während ihrer Gefangenschaft in ihrer Nähe gewußt hatten, mußte doch ein Feind der Rebellen sein, und er wagte sich trotzdem ohne Besorgnis in die Höhle des Löwen. Den Weg hierher hatte er sich mit Gewalt gebahnt. Hinter ihm drängten sich Soldaten und ein Offizier herein, Juarez, und die im Gemach anwesenden Soldaten fällten die Gewehre, die Offiziere, mit Ausnahme Estrellas, zogen die Degen.

In der nächsten Sekunde mußte Deadly Dash entweder tot oder gefangen sein.

Doch das Staunen der Anwesenden wurde durch das Verhalten Johannas noch gesteigert.

Diese war mit ausgebreiteten Armen auf den Waldläufer zugeeilt, wie zweifelnd stehen geblieben und dann wieder auf ihn zugestürzt, hatte ihn umarmt und wieder und wieder geküßt.

»Felix, bist du es denn wirklich?«

»Ich bin's, Johanna,« entgegnete der Waldläufer und zog das Mädchen an seine breite Brust.

Da hallte das donnernde Kommando Estrellas durch den Raum, augenblickliche Stille unter den Soldaten hervorzaubernd.

»Gewehre in Ruh!«

Doch Juarez hatte den Befehl nicht gehört, mit entblößtem Degen stürzte er herein und hob die Waffe, den wehrlosen Fremden zu durchbohren.

Estrellas scharfes Auge erkannte die Situation.

Juarez Handgelenk wurde mit solch eiserner Kraft gepackt, daß die Klinge seiner Hand entfiel.

»Haben Sie mich verstanden, Leutnant?« sagte der Kommandant drohend. »Gewehr in Ruh! Bei Gottes Tod, gehorchen Sie!«

»Er ist ein Spion,« stammelte Juarez.

»So werde ich ihn verhören.«

»Er hat Soldaten getötet.«

»So? Warum haben Sie ihn denn nicht gefangen?«

Das war eine verfängliche Frage.

»Ich habe mein Möglichstes getan.«

»Gut! Wenn Sie darauf bestehen, so werde ich eine Untersuchung einleiten und die Soldaten oder Offiziere, welche sich schlapp betragen haben, geziemend bestrafen lassen. Jetzt stecken Sie den Degen ein und stellen sich dorthin.«

Juarez knirschte leise mit den Zähnen, als er den Degen aufhob. Die Situation gefiel ihm nicht. Schließlich konnte er dieses Kerls wegen, der mit seiner Büchse wie ein Wilder um sich schlug, auch noch mit einer entehrenden Strafe belegt werden.

Als er sich aufrichtete, erschrak er heftig, ein solch furchtbarer Blick traf ihn aus den Adleraugen Estrellas.

Juarez wußte, der Kommandant hatte seine Zähne knirschen gehört, sagte aber nichts. Schweigend gesellte er sich den übrigen Offizieren zu.

Es dauerte lange, ehe sich unsere Freunde und Freundinnen von ihrem namenlosen Staunen erholt hatten. War es denn nur möglich? Dieser Waldläufer, mit dem sie lange Zeit intim verkehrt hatten, war Felix Hoffmann, der Bräutigam Johannas? Und sie hatten ihn nicht erkannt!

Doch ja, Felix Hoffmann hatte früher einen langen Bart getragen, und nichts verändert einen Menschen so sehr, als wenn er plötzlich ohne Bart erscheint. Jetzt, da ihn wieder ein kurzer Vollbart schmückte, hatte er schon mehr Aehnlichkeit mit dem alten Freund. Das heißt, weil sie nun wußten, wer er war. Sonst hätten sie ihn noch nicht erkannt.

Doch der Blick der Liebe ist scharf. Johanna hatte ihn sofort erkannt, sie hätte ihn auch unter Tausenden herausgefunden, wenn er noch unkenntlicher gewesen wäre.

Die beiden flüsterten leise und zärtlich miteinander, Johanna erzählte, wie sie hierher kam.

»Felix, ich habe ein großes Unrecht begangen.«

»Dich trifft keine Schuld, ich mache dir nicht den geringsten Vorwurf wegen deines Verhaltens. Im Gegenteil, ich hätte dich über meinen Verbleib beruhigen sollen, doch es war keine Gelegenheit dazu.«

»Wenn ich nicht gefangen worden, wärest du jetzt hier?«

»Schwerlich. Ich kam, weil ich dich hier wußte.«

»So bist du also durch meine Schuld gefangen worden? Felix, vergib mir meine Unbedachtsamkeit! Nie wieder will ich einen Schritt ohne deine Erlaubnis tun.«

»Aber, Schatz, ich bin ja frei.«

»Doch nicht, wenn du auch nicht gefesselt bist.«

»Nein, ich versichere dir, ich kann sofort wieder gehen, wenn ich will, wahrscheinlich sogar mit dir.«

Johanna hob erstaunt den Kopf.

»Ist das wahr?«

»Wirklich, wie du nachher gleich sehen wirst. Doch nun laß mich erst unsere Freunde begrüßen.«

»Ich brauche mich Ihnen nicht erst vorzustellen,« sagte er zu den Herren und Damen, ohne seine Braut aus den Armen zu lassen, »ich habe lange Zeit unter Ihnen verweilt, ohne daß Sie mich kannten, und ohne daß ich mich Ihnen zu erkennen gab. Verzeihen Sie mir mein doppeltes Spiel. Ich mußte als Deadly Dash auftreten, weil ich als solcher hier Freunde und Einfluß unter Weißen und Rothäuten besitze, als Felix Hoffmann dagegen kennt mich hier niemand.«

»Mister Felix Hoffmann,« sagte hinter ihm leise eine Stimme.

Hoffmann wendete sich um, ließ, als er den Sprecher, Estrella, erblickte, Johanna los und trat einen Schritt vor.

»Fernando de Estrella, sind Sie es wirklich?« rief er erstaunt.

»Ich bin es wirklich.«

Hoffmanns Stimme klang erschüttert, als er sagte:

»Wie, als einen Anführer von Freibeutern treffe ich Sie wieder? Das hätte ich nicht erwartet! Als wir uns vor drei Jahren zum letzten Male sahen, glaubte ich bestimmt, dem Capitano Estrella als General wiederzubegegnen. Sie, Fernando, ein mutiger, scharfsinniger, hochbegabter Mann, zum Offizier wie geboren, Anführer einer Schaar von Freibeutern, um noch einen gemäßigten Ausdruck zu wählen! Ich kann es kaum fassen.«

»Es ist wirklich so. Ich zürne Ihnen sogar nicht, wenn Sie mich einen Räuberhauptmann nennen.«

»Was hat Sie zu dieser Stelle gebracht?«

»Das Schicksal.«

Hoffmann hob die Schultern.

»Das ist die Entschuldigung eines jeden, der sich ohne Gegenwehr zu Boden werfen läßt, weil sein Charakter zu schwach ist, dem Unglück standzuhalten.«

Bis jetzt hatte der sonst so selbstbewußte, fast immer spöttisch lächelnde Capitano sich benommen, wie ein Schuljunge, der vom Lehrer auf verbotener Tat ertappt worden ist. Doch nun richtete er sich wieder auf.

»Mister Hoffmann, Sie sagten vorhin, Sie wären kein Gefangener.«

»Ich glaube kaum, daß Sie es wagen werden, mich als Gefangenen zu betrachten,« erklang es sicher.

Wieder schauten die Damen und Herren verwundert auf. Das klang ja fast, als wäre Hoffmann hier unumschränkter Befehlshaber. Sie wußten nicht, was er in Wirklichkeit war, sie hielten ihn für einen Ingenieur, wohlhabend genug, so daß er sein eigenes Schiff halten konnte. Nur Johanna kannte seine wahren Verhältnisse, da er aber darüber schwieg, sprach auch sie nicht davon.

Das Erstaunen der Anwesenden steigerte sich, je länger Hoffmann und der Spanier, welcher viel von seinem früheren Selbstbewußtsein verloren hatte, sprachen.

»Warum nicht?« fragte Estrella.

Hoffmann lächelte.

»Weil dann Ihre Sache, und hätte sie noch so gute Aussichten, hoffnungslos verloren wäre.«

»Ich sehe das ein,« entgegnete Estrella zögernd, »ich werde mich auch hüten, Sie als Gefangenen hier zu halten, sonst –«

»Sonst würde sich Mexiko wohl schwerlich noch für Ihre Sachen interessieren,« fiel Hoffmann ein.

»Aber,« fuhr der Spanier fort, »ich wünsche, daß Sie mich unterstützen.«

»Nimmermehr,« rief Hoffmann, »ich habe Ihnen oft genug erklärt, und Sie wissen recht gut, daß ich mich nie in politische Verhältnisse mischen werde.«

»Allerdings bin ich davon überzeugt, aber ich glaube doch, Sie werden gezwungen sein, mir zu helfen.«

»Wieso?«

»Sie sind zwar nicht selbst mein Gefangener, wohl aber Miß Lind.«

»Ah, ich beginne zu verstehen.«

»Würden Sie versuchen, auch diese Dame durch Gewalt zu befreien, ebenso, wie Sie sich der Gefangennahme durch jenen Offizier dort entzogen haben?« lächelte der Spanier und stützte sich auf das Gefäß seines langen Degens.

Hoffmann war überrascht.

»In der Tat, nein. Ihr Leben gilt mir mehr als das meinige. Sie möchte ich nicht der Gefahr aussetzen, sich durch die Feinde zu schlagen.«

»Sehen Sie, Miß Lind bleibt also meine Gefangene.«

»Also auf diese Weise wollen Sie meine Unterstützung erzwingen,« lachte Hoffmann, durchaus nicht befangen. »Estrella, Sie sind ein Schlauberger, ich mache Ihnen mein Kompliment. Wieviel fordern Sie Lösegeld?«

»Ich hoffe, Sie bleiben in der Nähe der Ruine. Häuser stehen Ihnen genug zur Verfügung, und auf Wunsch werde ich sie Ihnen auch einrichten lassen, damit Sie und die englischen Lords sich dort häuslich fühlen. Für die nächsten Tage steht keine kriegerische Aktion zu befürchten, morgen werde ich Sie und diese Herren die Höhe des Lösegeldes wissen lassen.«

Jetzt wußten sie mit einem Male alle, was Estrella beabsichtigte. Er wollte weniger Geiseln, als vielmehr Geld haben, ohne welches ein Krieg unmöglich ist.

»Wohlan,« rief Hoffmann und zog Johanna wieder an sich, »beruhige dich, Geliebte, in wenigen Tagen schon wirst du wieder bei mir sein. Der Charakter Estrellas garantiert mir, daß du hier sicher aufgehoben bist, man wird dir mit gebührender Achtung begegnen.«

»Auf mein Ehrenwort,« warf Estrella ein, »die Damen sind nicht meine Gefangenen, sondern meine Gäste.«

Jetzt nahm Lord Harrlington das Wort.

»Capitano,« sagte er, »wir sehen, daß es Ihnen nur darauf ankommt, für diese Damen ein Lösegeld zu erhalten. Wir sind der Meinung, daß dasselbe nicht gering sein wird. Doch dies macht nichts aus, wir sind glücklicherweise so gestellt, es bezahlen zu können, und für diese Damen geben wir gern alles hin. Sie selbst sagten aber vorhin, nur für die nächsten Tage seien keine kriegerischen Aktionen zu befürchten. Nun sind jene Summen, welche Sie verlangen werden, nicht sofort zu beschaffen, wir sind weit entfernt von der Heimat, es vergeht einige Zeit, ehe wir in den Besitz von Geldern gelangen.«

»O, das macht nichts,« lachte Estrella. »Wenden Sie sich an Senor Hoffmann, er kreditiert Ihnen jede Summe, welche Sie nur von ihm wünschen. Nicht wahr, Senor Hoffmann?«

Verwundert schauten alle auf den Ingenieur, der einfach nickte. Sollte dieser Mann wirklich so reich sein, daß ihm Estrella solches Vertrauen schenkte? Sie waren hier in Texas, hier konnte man auf einer Bank nicht durch bloße Ausfüllung eines Wechsels jede beliebige Summe erheben.

»Ich erkläre mich gern bereit,« sagte Hoffmann, »den Herren innerhalb kurzer Frist jede Summe zu verschaffen, welche zur Auslösung der Damen notwendig ist.«

»Natürlich in bar,« schalt Estrella ein, »Papiergeld kann im Kriege wenig nützen.«

»In bar.«

»Auch Silber nehme ich an,« fügte der Spanier lächelnd hinzu.

Die Vestalinnen traten zusammen und flüsterten miteinander. Man glaubte, sie sprächen über Hoffmann, in Wirklichkeit aber unterhielten sie sich über ein anderes Thema.

Nur Hope nahm an der Besprechung nicht teil, sie stand abseits von den Freundinnen und weinte. Auch Hannes hielt sich mit geballten Fäusten von den Herren entfernt und murmelte vor sich hin. Sein Gesicht drückte fast Verzweiflung aus, die man sonst nie bei ihm zu finden gewohnt war. Er wagte nicht, einen Blick nach seiner jungen Frau zu werfen, kein Wort des Trostes, der Hoffnung kam über seine Lippen.

Unter den Anwesenden befanden sich natürlich auch Hannibal und Kasegorus. Ersterer hielt sich in der Nähe seines Herrn und war sich vollkommen bewußt, daß, wenn Harrlington frei war, man auch ihn nicht gefangen halten durfte. Letzterer drückte sich in eine Ecke und machte ein ängstliches Gesicht. Unter diesen vielen Soldaten fühlte er sich nicht wohl.

Jetzt schlich er sich zu Williams, zupfte ihn am Rock und flüsterte ihm etwas zu.

»Gewiß, mein Junge,« sagte dieser lächelnd. »Du kommst mit mir. Dein schwarzes Fell ist doch nichts wert.«

Schon machte der Kleine wieder ein fröhliches Gesicht, als Estrella, dessen Auge diese kleine Szene beobachtet hatte, es abermals in ein erschrockenes verwandelte.

»Sir Williams,« rief er, »ist dieser Ihr Diener?«

»Ja, Senor.«

»Er bleibt als Gefangener hier.«

»Wollen Sie Sklavenhandel treiben?« fragte Williams unwillig, während der Schwarze zu weinen begann.

»Der Neger kann stolz darauf sein, daß für ihn ein hohes Lösegeld gefordert wird, daran, ob es bezahlt wird oder nicht, kann er gleich prüfen, wieviel er von seinem Herrn zu halten hat. Wem gehört jener grauköpfige Neger dort?«

»Er ist mein Diener, Senor,« entgegnete Lord Harrlington.

»So gilt von ihm dasselbe.«

Wie? Hannibal sollte als Geisel hier bleiben? Das war zu viel für das Ehrgefühl des Schwarzen.

Mit der Geste eines Schauspielers, die eine Hand weit vorgestreckt, die andere aus dem Herzen, trat er einen Schritt auf Estrella zu.

»Senor,« rief er in fließendem Spanisch mit tremolierender Stimme, »bedenken Sie, was Sie tun. Wagen Sie nicht, mich von Lord Harrlington zu trennen! Sie würden die furchtbarsten Folgen über Ihr Haupt heraufbeschwören.«

»Auch Sie werde ich nicht wie einen Gefangenen, sondern wie einen Gast behandeln,« unterbrach ihn Estrella lächelnd.

»Trotz alledem! Würden Sie wagen, nur ein Haar auf meinem Haupte zu krümmen –«

»Sie sind ja schon krumm!«

»Man würde Sie zur peinlichsten Rechenschaft ziehen,« fuhr der kraushaarige Hannibal unbeirrt fort. »Ich bin ein Mann, auf den ganz England mit Stolz schaut, die ältesten Gelehrten lauschen meinen Worten mit Ehrfurcht –«

»So werde auch ich mir bei Ihnen etwas Belehrung holen. Genug jetzt, Sie bleiben als Geisel hier! Bitten Sie Ihren Herrn, daß er Sie bald auslöst.«

Hannibal mußte sich erfolglos zurückziehen. Estrella kam es darauf an, Geld zu machen.

Hoffmann sah jetzt zum ersten Male Miß Morgan, welche sich bis jetzt in einer dunklen Ecke gehalten hatte, nun aber sich dem Anführer näherte, um leise mit ihm zu sprechen.

»Trauen Sie diesem Weibe nicht,« rief der Ingenieur beim Anblick der Verräterin zornig. »Alles, was sie spricht, ist Lug und Trug, sie ist das verworfenste Geschöpf unter der Sonne. Selbst meinem Feinde wünsche ich sie nicht als Beraterin.«

Sara warf ihm einen gehässigen Blick zu.

»Ich brauche sie aber,« entgegnete Estrella und besprach sich mit Miß Morgan.

»Ah so,« sagte er dann. »Mister Hoffmann, wo ist Ihr Gefährte, mit welchem Sie sich längere Zeit in der Ruine versteckt gehalten haben?«

»Ich möchte ebenfalls wissen, wo er ist, damit er uns beistehen kann. Doch er wird schon noch zu uns stoßen.«

»Miß Lind, wissen Sie, wo Nicolas Sharp, Ihr Bruder, sich jetzt befindet?«

Johanna lachte laut auf.

»In der Tat, Sie verlangen viel von mir. Aber wenn ich es auch wüßte, ich sagte es Ihnen nicht!«

Estrella sah die Berechtigung dieser Antwort ein, er verschmähte, weiter nach dem verschwundenen Detektiven zu forschen. Uebrigens hielt er ihn nicht für gefährlich. Sharp gab wohl einen guten Spion ab, doch Estrella war es gleichgültig, ob man seine Pläne ausspionieren wollte oder nicht. Er legte sie ja selbst offen dar.

»Dann wäre die Sache erledigt,« meinte er jetzt, sich an die Herren wendend, »Sie können das Lager sofort verlassen, und ich versichere Ihnen nochmals, daß die Damen bis zum Eintreffen des Lösegeldes so behandelt werden, wie sie es von Kavalieren erwarten dürfen.«

»Noch eins,« unterbrach ihn Hoffmann. »Die in Ihren Diensten stehenden Indianer haben drei Gefangene, darunter ein Mädchen, welches sie martern wollen. Können Sie diese mir überlassen? Ich zahle auch für sie Lösegeld.«

Estrella zuckte bedauernd die Schultern.

»Ich darf mich nicht in solche Angelegenheiten mischen. Ich kenne die drei Gefangenen, sie haben angesehene Krieger getötet, und die Indianer dürsten nach Rache. Nicht um alle Schätze der Welt kann ich sie befreien.«

»Ist dies Ihr letztes Wort?«

»Mein letztes.«

»Dann verlassen wir Sie, Ich darf Ihnen kein Glück wünschen, Estrella, ich würde Sie lieber an der Spitze Ihres mexikanischen Bataillons gegen die Yankees ins Feld rücken sehen als so!«

»Das Schicksal will es, und ich bin's zufrieden.«

Hoffmann umarmte seine Braut, die Engländer die Mädchen, denen sie ihre Liebe schon lange gestanden hatten. Wenige gab es unter ihnen, die sich nur mit einem Händedruck begnügen mußten, in welchem aber auch mehr lag, als nur ein einfacher Abschied.

Hannes und Hope sagten nichts. Weinend lag sie an seiner Brust und umklammerte ihn, als wolle sie ihn nicht von sich lassen. Fast mit Gewalt befreite er sich von ihr, denn schon begannen die Männer das Zimmer zu verlassen.

Die Trapper gingen voran.

»Auf Wiedersehen, Capitano!« riefen sie, und der Klang der Stimme verriet, daß sie keine freundliche Begegnung wünschten. So verstand es auch Estrella.

»Auf Wiedersehen auf dem Schlachtfeld, meine Herren! Estrella wird Ihnen zeigen, daß auch er die Kampfesweise der Indianer kennt.«

»Auf Wiedersehen!« rief auch Lord Harrlington, das Gemach verlassend.

»Ich würde mich freuen, Ihnen niemals wieder zu begegnen,« sagte Hoffmann. »Wehe Ihnen aber, sollte es doch der Fall sein! Sie werden keinen Mann vor sich haben, dessen Frau Sie zur Geliebten begehren.«

Estrella, wegen seiner zahllosen Duelle, aus Liebeshändeln entsprungen, bekannt, antwortete nichts. Stumm blickte er der hohen Gestalt des Deutschen nach.

Der letzte, welcher sich dem langen Zuge anschloß, war Hannes. Mit gesenktem Kopfe tat er es.

Das Zimmer war noch gefüllt mit den Damen, Soldaten und Offizieren.

»Hannes, Hannes, verlaß mich nicht – du siehst mich niemals wieder!« gellte es da mit schmerzerfüllter Stimme dem Zuge nach.

Hope lehnte, an allen Gliedern zitternd, an der Wand, Sie wäre zu Boden gestürzt, hätten nicht zwei Mädchen sie schnell gehalten.

Hannes blieb stehen, schaute sich um und trat dicht vor den Kapitän hin, die Fäuste geballt.

»Herr,« sagte er mit zitternder Stimme, »ich bin nicht gewöhnt, zu bitten, diesmal erniedrige ich mich dazu: geben Sie jene Dame dort frei!«

Estrella schüttelte den Kopf.

»Sie sind vermögend, zahlen Sie Lösegeld! Sie ist hier einstweilen gut aufgehoben.«

»Ich liefere Ihnen das Lösegeld später, ich gebe Ihnen alles, was ich besitze.«

»Ein Versprechen allein hat keine Sicherheit für mich. Auch darf ich keine Ausnahmen machen.«

»Auf mein Ehrenwort, Sie erhalten die Summe nachträglich.«

»Ich mache keine Ausnahme.«

Hannes' Stimme bebte noch mehr, als er sagte:

»Sie ist meine Frau.«

»Im Kriege gibt es keine zarten Rücksichten«

»Wir sind wenige Monate verheiratet.«

Das Zwiegespräch war von Hopes leisem Weinen begleitet worden. Auf des jungen Mannes letzte Worte richtete Estrella den Blick nach der gebrochenen Gestalt und verweilte lange auf ihr.

»Senor Estrella, ich möchte Sie allein, ohne Gegenwart dieser Männer sprechen,« bat Hannes leise.

»Was ich höre, dürfen auch meine Leute hören,« entgegnete der Spanier, ohne seinen Blick von Hope zu wenden.

Zwei junge Offiziere raunten sich gegenseitig etwas zu. Ein spöttisches Lächeln kräuselte ihre Lippen, doch ein drohender Blick Estrellas ließ es verschwinden.

Sonderbar! Was mochte im Inneren dieses Mannes vorgehen?

Immer starrer wurde sein Blick, Zoll für Zoll sank die hohe, schlanke Gestalt zusammen, bis sie gebückt vor Hannes stand.

»Sie heißt Hope,« murmelte er dumpf, »das bedeutet die Hoffnung. Auch ich hatte einst ein junges Weib, schön und liebevoll. Sie starb, als sie in der Hoffnung war, mir ein Kind zu schenken. Wäre sie einige Monate später gestorben, hätte sie mir erst das Pfand meiner Liebe geschenkt, ich wäre nicht der geworden, der ich jetzt bin. Zum Teufel denn, Mann,« schrie er plötzlich, sich wieder hochaufrichtend, den jungen Mann an, »nehmen Sie Ihre Hope und machen Sie, daß Sie fortkommen! Ich will kein Lösegeld, hören Sie? Ich mag von Ihnen kein Lösegeld. Aber das verlange ich: Verlassen Sie dieses verfluchte Land und leben Sie Ihrer Frau, damit nicht auch Ihnen die Hoffnung geraubt wird! Verstanden?«

Ein heller Jubelruf ertönte aus Hannes' Munde, er sprang auf Hope zu, nahm sie in die Arme, nein, auf die Arme und eilte mit ihr hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken.

Estrella stand an dem Fenster und blickte hinaus auf das Lagerleben mit einer Spannung, als interessiere er sich außerordentlich dafür. Doch der Führer der Rebellen wollte den Untergebenen nur seine nassen Augen nicht sehen lassen.

Draußen wurden Hannes und Hope von den staunenden Engländern umringt.

»Hannes, Sie sind doch ein Glückspilz!«

Der junge Mann setzte Hope vorsichtig auf den Boden.

»Bah,« meinte er, »Sie könnten es auch so haben, Sie hätten nur schnell zugreifen müssen, das heißt, fix heiraten, anstatt so lange den galanten Ritter zu spielen.«

»Leutnant Juarez,« rief drinnen Estrella mit rauher Stimme, um seine Weichheit zu verbergen. »Geleiten Sie diese Leute durch die Postenkette. Sie bürgen mit Ihrem Kopfe dafür, daß dieselben unbelästigt bleiben, bis sie selbst die Waffen gegen uns erheben.«


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