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Neuntes Kapitel

Wie jedes Theater, so hat auch jeder Zirkus bestimmte Plätze für die Angehörigen der Angehörigen, das heißt: für die Mütter, Väter, Tanten, Onkel, Brüder, Schwestern, Vettern, Basen, Kinder, Neffen und Nichten derer, die als tatkräftig Ausübende zum Institut gehören. Sind Balleteusen unter dem Personal, dann kommen auch noch Großkinder hiezu. Auf diesen Familienplätzen sitzen jene, die durch legitime Bande mit irgend einer Schulreiterin, einer Reifenspringerin, einem Clown verbunden sind; die mit illegitimen Banden an sie gefesselten sitzen auf den bezahlten Plätzen. Jede Leistung eines verwandten oder verschwägerten Mitgliedes wird von der Familienkohorte mit ungemessener Bewunderung begrüßt, jeder Konkurrent als ein erbärmlicher Pfuscher in seinem Handwerk – bei dem Verwandten spricht man stets nur von Kunst – mit höhnischem Achselzucken verurteilt. Beim Zirkus aber ist man im allgemeinen doch noch etwas milder und kollegialischer als beim Theater; mit steigender Bildung steigt auch die Bosheit.

Paul Delaroche hatte in letzter Zeit ein paar heitere Feuilletons geschrieben, die er »Hinter den Koulissen des Zirkus« genannt hatte. Der gegenwärtig gastierende amerikanische Zirkus war sehr in Mode, und so waren denn auch diese lustigen Plaudereien dem bewußten tiefgefühlten Bedürfnis entgegengekommen. Paul aber hatte bei seinen Studien dafür viele von den Zirkusmitgliedern und ihren Verwandten kennen gelernt und setzte sich während der Vorstellungen gern auf einen der Familienplätze, wo die beste Gelegenheit war, auf das menschliche Echo der künstlerischen Leistungen zu horchen. Als Vertreter der Presse war er der liebenswürdigsten Aufnahme stets gewiß. Die von ihm etwa Gekränkten verbargen ihren Aerger unter sauersüßem Lächeln, die Reiterinnen machten ihm ihre holdesten Augen, und die Gattin des gefeierten Löwenbändigers hatte ihren Mann beordert, seinen jüngstgeborenen Löwen dem »Herrn Redaktehr« zu Ehren Paul zu taufen. Delaroches Braut behauptete lachend, von Qualen der Eifersucht auf diese Löwenbändigersgattin durchtobt zu werden, und sie hätte Grund genug dazu gehabt, wenn sich die Liebesleidenschaft nach dem Kilogewichte zu richten pflegte. Denn die glückliche Besitzerin des schönen Löwenbändigers hatte die Künstlerlaufbahn als Athletin und Riesendame begonnen, hatte jahrelang ruhmvoll mit den schwersten Eisengewichten um sich geworfen und wäre dieser nützlichen Beschäftigung auch jetzt in der Blüte ihrer Jahre noch nicht untreu geworden, wenn ein unglücklich fallendes Vierzentnergewicht sie nicht einmal so bös verletzt hätte, daß es auf diesem Gebiete für sie vorbei war mit Spiel und Tanz.

Nun war die holde Hulda, wie sie früher auf dem Programm geheißen hatte, zu einer gewöhnlichen Privatperson geworden und konnte die von der Natur ihr verliehenen ungeheuren Körperkräfte nur noch im engsten häuslichen Kreise verwenden. Für ihren Gatten war das nicht ganz angenehm. Denn ihr gewaltiges Temperament, seiner Aeußerungen mit Eisengewichten beraubt, hatte sich nun auf die Liebe geworfen, auf eine Liebe, die sich in Eifersucht auf das nachdrücklichste und handgreiflichste offenbarte. Und zur Eifersucht gab ihr die Stellung ihres Mannes in der elektrisch beleuchteten Oeffentlichkeit des Zirkus den reichsten Anlaß. Denn Heinrich Müller, der auf den Anschlagzetteln Enrico der Große hieß, von allen Damen der Stadt aber einstimmig nur der schöne Enrico genannt wurde, war in der Tat ein Mannsbild von ungewöhnlicher Schönheit, ein blonder, blauäugiger Deutscher in den besten Jahren mit marsgleicher Figur und einem etwas dummen, aber vollendet regelmäßigen Gesichte. Und Hulda war weit gereist genug, um zu wissen, daß es für weibliche Herzen ohne Unterschied ihrer gesellschaftlichen Stellung noch niemals einen gefährlicheren Köder gegeben hat, als Mut und Schönheit, in einer Person vereinigt. Sie wußte, daß Köchinnen und Gräfinnen dieser gefährlichen Mischung gleich widerstandslos erlagen, daß höchstgeborene Herzen mit denen der kleinen Ladenmädchen aus der Vorstadt um die Wette halb angst-, halb wonnevoll schlugen, wenn der schöne Enrico in seinen hohen Lackstiefeln und seinen grauen Trikots der brüllenden Löwengesellschaft im Käfig seinen abendlichen Besuch machte. Dann saß Hulda weit vorgebeugt und blickte mit Falkenaugen, nicht auf den gefährdeten Gatten unter den wilden Bestien, sondern in den Reihen der Logenbesucherinnen umher, um zu erspähen, ob nicht irgendwo das Zeichen eines zärtlichen Einverständnisses bemerkbar sei. Jeder Liebesbrief aber, der etwa morgens ins Haus flog, wurde von ihr eigenhändig dem Briefboten abgenommen, eilfertig durchstudiert und sodann zum Anlaß einer kleinen häuslichen Szene genommen, die dem Temperament ihrer Veranstalterin alle Ehre machte. Wenn die Zahl der Liebesbriefe drei überstieg, dann gestaltete sich diese Szene so lebhaft, daß Enrico der Große, friedliebend, wie er war, nach einiger Zeit mit den resignierten Worten das Feld räumte: Da geh' ich lieber zu meine Biester.

Delaroche amüsierte sich göttlich über den schönen Tierbändiger, vor dem die Fürsten der Wüste zitterten, während ihn selbst seine Riesendame in ein Mauseloch jagte. Paul suchte daher gern die Gelegenheit, während der Vorstellung einen Platz neben der holden Hulda zu finden und sie durch kleine malitiöse Bemerkungen in immer tollere Eifersucht hineinzureden. Seine Braut hatte wenig Sinn für die Freuden des Zirkus, begleitete ihn daher nur selten; auch nahm ihr Verein gerade jetzt häufig die Abendstunden für eilige Arbeit in Anspruch. Heute war einer dieser Abende, und Paul tröstete sich über den Verlust von Marthas Gesellschaft abermals an der Seite Huldas im Zirkus. Das letzte seiner Feuilletons war eben in Arbeit, auch war für die Zeitung eine Notiz über das auf den heutigen Tag fallende Benefiz der ersten Schulreiterin erwünscht.

Hulda fand alle Benefize sehr überflüssig, die andere Leute feierten als ihr Mann, auch hatte sie die schulreitende Signorina Giulietta, die eigentlich Müffel hieß und aus Peine stammte, wegen Anbändelnwollens mit ihrem Enrico in Verdacht. Aus diesem doppelten Grunde war sie sehr ungnädig, und ihr weit vorspringender Busen, auf dem sie während ihrer Künstlerlaufbahn mit Ausdauer einen Zwerg balanciert hatte, wogte ungeduldig auf und nieder, als das Publikum die auftretende Benefiziantin mit rauschendem Beifall und einem großen Lorbeerkranze begrüßte. Den läßt se sich selber schmeißen, sagte Hulda so laut zu Delaroche, daß auch die Nachbarreihen von dieser vertraulichen Mitteilung profitierten. Se hat'n uff Abbruch jekoft, die Bellini hat'n vorjestern von ihren Jrafen jekriegt, un die rote Schleife, die hat se noch von Berlin her jehabt. Da is ja eener so dämlich jewesen un hat sich verschossen in det magere Reff. So'n Schafskopp! So'ne Person, wo jar nischt dran echt is! De Haare hat sich heute neu jefärbt, se sind ooch dernach. De Hüften sind wattiert un der Busen is von Jummi. Von Jummi! wiederholte sie noch einmal und schlug sich auf die eigenen wogenden Halbkugeln, über deren Echtheit kein Zweifel bestehen konnte.

Ja, ja, wir Männer! seufzte Delaroche und verdrehte scheinheilig die Augen. Wir ermangeln allzumal des Ruhmes, den wir haben sollten. Aber meinen Sie wirklich, daß es zwischen der Wattierten und Ihrem Manne schon zu etwas gekommen ist?

Jekommen? Jekommen? Davor bin ick da, daß es zu nischt kommt. Ick habe Sie's ja doch schon verzählt, wie fest ick 'n an die Strippe halte. Keenen Liebesbrief kriegt er in die Hände, un wenn eene schreibt so von 'n Rendezvous oder so, denn bin ick immer selber am Platz, un wenn ick eene lofen sehe mit 'ne Blume oder mit 'n Taschentuch oder so 'ne Erkennungszeichen, wie se nu jrade jeschrieben hat, schwipp, schwapp, hat se ihre Ohrfeige weg. Un mit die Hände da ha'ck fünf Zentner jestemmt wie 'n Jummiball! fügte sie triumphierend hinzu.

Ich kann mir denken, daß diese zarten Händchen einem die Liebesgedanken austreiben können, sagte Paul verständnisinnig.

Un ob! wo ick hinhaue, da wächst keen Jras mehr. Sehen Sie hin, Herr Doktor, da hinten – nee, weiter links, dritte Reihe – da sitzt ooch so eene, die hat jestern ihre Ohrfeige jekriegt. Un heute kommt se wieder hier in 'n Zirkus, so 'ne freche Person!

Einer Antwort sah sich Delaroche diesmal überhoben; denn die Nummer der Benefiziantin war unter lautem, von Hulda verächtlich belächeltem Beifall zu Ende gegangen, und die Stallmeister machten sich hurtig daran, die Vorbereitungen für das jetzt folgende Auftreten des schönen Enrico zu treffen. Das war für Hulda jedesmal das Signal, unter dem weiblichen Geschlechte besonders fürchterliche Musterung zu halten. Sie stand auf, nahm das Opernglas vor ihre ohnedies scharfen Augen und ließ es rastlos umherwandern über alle Frauengesichter, die sie nur irgend erspähen konnte. Noch waren ja die grauen Trikots ihres Gatten in der Manege nicht sichtbar, doch konnte sich schon jetzt in der erwartungsvollen Spannung der Züge, in dem heißen Rot eines unverwandt nach dem Eingang zu den Ställen blickenden Gesichtes eine verbrecherische Leidenschaft für den erwarteten Mars in Lackstiefeln verraten. Und Hulda besaß ebenso scharfe Augen wie lebhafte Phantasie, wenn sich's um solche Symptome handelte.

Paul war gleichfalls aufgestanden. Sehen Sie nichts, Frau Hulda? fragte seine maliziöse Stimme ganz nahe an ihrem Ohr.

Nee, Herr Doktor, ick sehe nischt Besonderes, gab sie zur Antwort, indem sie das Opernglas noch einmal wandern ließ.

Aber ich sehe was, flüsterte Paul.

Was denn? Wo denn? fragte sie aufgeregt und griff mit einer ihrer Fünfzentnerbalancierhände so lebhaft nach seinem Arm, daß er ihn schleunigst aus deren Bereich brachte.

Ich kann mich vielleicht auch irren –

Nee, nee, Herr Doktor, Sie irren sich nich. Sie sind ja so jebildet! Eine Gelegenheit zur Schmeichelei für die Presse ließ sie sich nicht entgehen.

Ja, ich weiß nicht, es ist nur eine Vermutung, ein Indizienbeweis, wie man zu sagen pflegt. Sehen Sie die Dame dort hinter der Loge mit den drei Offizieren?

Jawoll, jawoll, ick sehe ihr.

Betrachten Sie einmal ihre Toilette. Paßt die rote Schleife an ihrer Brust zu den übrigen Farben, oder paßt sie nicht?

Ick weeß nich – nee, ejentlich paßt se woll nich.

Das habe ich mir auch gesagt. Und darum, – aber ich möchte Sie nicht aufregen –

Regen Se mir uff, regen Se mir nur uff, Herr Doktor!

Nun also, ich habe mir gedacht: wo die Schleife so gar nicht zur Toilette paßt, muß sie doch einen besonderen Zweck haben. Vielleicht ein Erkennungszeichen, was meinen Sie?

Det is so, det is so! Wer wird sich denn so wat anstecken, wenn 's nich heeßen soll: »Kuck' her, da bin ick!« Herr Doktor, die nehm ick mir aber jetzt uff'n Kiecker.

Ich möchte Ihnen das empfohlen haben, Frau Hulda, sagte Paul, setzte sich wieder nieder und rieb sich im stillen die Hände.

Nun kam der große, vom Orchestertusch begrüßte Moment, in dem Enrico mit seiner engbekleideten königlichen Figur in die Manege trat. Alle Vorbereitungen waren beendet; im Käfig erwarteten ihn die brüllenden, fauchenden, mit Schwänzen schlagenden Bestien, im Zuschauerraum erwartete ihn die Bestie Publikum, von einer geheimen Hoffnung auf mögliches Blutvergießen erfüllt gleich jener. Enrico machte, bevor er den Käfig betrat, seine höfliche, ein wenig ungelenke, von den Damen trotzdem entzückend gefundene Verbeugung, seine Gattin aber wachte gleich einer wohlgenährten Göttin der Vergeltung über jeder seiner Bewegungen und über jedem seiner Blicke.

Er hat ihr anjesehen, er hat ihr jejrüßt! flüsterte sie Delaroche zu. Ihr Flüstern war wie das einer Riesenorgel, doch herrschte jetzt noch Unruhe genug im Zirkus, um ihre Stimme zu übertönen. Dann aber, als Enrico nun die kleine Gittertür in der Seitenwand des Käfigs öffnete und hineintrat in die Gesellschaft der laut aufbrüllenden Tiere, versanken alle die schauenden Menschen auf einen Schlag in das tiefe, stumme Schweigen der angenehmen Erwartung, einen ihrer Brüder im Laufe der nächsten fünf Minuten von wilden Bestien zerrissen zu sehen. Hulda nur, abgehärtet und eifersüchtig wie sie war, ließ ihrer Zunge nicht Schweigen gebieten. Sie hielt ihr Opernglas gleich einer geladenen Feuerwaffe, deren Hahn sie gefaßt hatte, jetzt auf die ahnungslose Dame mit der roten Schleife gerichtet und beobachtete sie mit einer Schärfe, die selbst dem Polizeikommissär Niemann Ehre gemacht haben würde. Dabei setzte sie Delaroche zur Entlastung ihrer schwer beladenen Seele fortlaufend mit ihrem weithin vernehmbaren Flüstern über das Ergebnis ihrer Beobachtungen in Kenntnis. Nich von die Oogen läßt se den Opernkucker – jetzt hat se die Hand uffjehoben, die linke Hand hat se uffjehoben – na, wat soll denn det heeßen? warum wühlt se denn so in die Tasche? Kucken Se man bloß hin, Herr Doktor, kucken Se man bloß hin!

Bisher hatte Paul nicht das mindeste Verdächtige bemerken können, doch strahlte sein Gesicht vor Vergnügen über die eifersüchtige Riesendame an seiner Seite. Die Schicksalsgöttin aber – nicht die racheschnaubende Athletin an seiner Seite, sondern die große, unsichtbare, auch das Leben der Zirkuskünstler auf ihrer Wage schaukelnde – machte sich im nächsten Augenblick einen Scherz, der ihn das Lachen verlernen ließ. Das Wühlen der verdächtigen Dame in ihrer Tasche hatte einen sehr praktischen Zweck. Der Schnupfen kehrt sich nicht an die Künste eines Löwenbändigers, und sie hatte den Schnupfen. Aber das gesuchte Taschentuch mußte besonders gründlich versenkt sein; als sie es endlich erreicht hatte, war es bereits um eine Sekunde zu spät, und während sie es rasch, wie winkend aus der Tasche riß, brach schon ein lautes, dreifaches Niesen von ihren Lippen. Zugleich rief Hulda so laut, daß es in der tiefen, gespannten Stille vielleicht sogar bis an die Ohren ihres Gatten dringen konnte: Se hat jenossen, se hat'm jewunken, se hat'm 'n Zeichen jejeben!

Hatte der Bändiger wirklich die gewitterdrohende Stimme seiner Huldin vernommen, hatte das laute Niesen ihn gestört und verwirrt gemacht, für einen Moment verwandten seine die Tierseele beherrschenden Augen sich von denen des Riesenlöwen Sultan, mit dem er eben arbeitete. Dieser Moment genügte, dem Löwen die Ueberzeugung beizubringen, daß er denn doch eigentlich der geborene Herr in diesem Käfig sei. Mit raschem Sprunge warf er sich auf Enrico, der sich hastig zur Seite wandte, ausglitt und niederfiel. Nun schien der Augenblick da, für den das Publikum eigentlich sein Entree bezahlt hatte. Diesmal aber kam es noch um sein Vergnügen. Der Löwe war im Grunde ein gutmütiger Sultan, der gutmütigste von seinen Genossen, hatte außerdem reichlich zu Nacht gespeist und begnügte sich daher mit einer gründlichen Visitenkartenabgabe mit seinen Tatzen, als die raschen Stallmeister ihn mit Eisenstangen auf die Gesetze der internationalen Höflichkeit aufmerksam machten. Ein paar blinde Revolverschüsse hielten auch die übrige vierbeinige Gesellschaft in Schach. Enrico konnte sich mit gewandtem Sprung erheben, konnte den Käfig verlassen und sich blutend, aber schöner denn je vor dem tobenden Publikum verbeugen.

Am Eingang zu den Ställen erwartete ihn die ihm angetraute Hulda, noch bebend vor Angst um das Leben des mit so heißer Glut Geliebten. Sie war im Augenblick des Unglücks aufgesprungen und in die Manege geeilt, Paul war ihr ein wenig langsamer gefolgt. Jetzt stürzte sie auf den verwundeten Gatten zu, der sie mit ein paar freundlichen Worten beruhigte, um dann dem Publikum noch einmal die Freude seines Anblicks zu bereiten, weil es über die rührende Familienszene von neuem jubelte.

Jetzt aber kam noch ein kleines Nachspiel. Ein dumpfer Laut von all den Hunderten von Menschenlippen, der selbst fast wie das Gebrüll eines hungrigen Tieres klang, hatte den Sprung des Löwen begleitet. Gleichzeitig aber hatte eine einzelne Frauenstimme grell aufgeschrien. Sie war jedoch keineswegs von den Lippen der Dame mit der roten Schleife gekommen. Ziemlich weit entfernt von ihr in einer der Logen war jene andere aufgesprungen. Sie hatte bisher so gesessen, daß Paul und Hulda sie nicht hatten sehen können. Jetzt aber war auch für sie die stehende Gestalt deutlich sichtbar geworden, und in allem Schrecken hatten die beiden im Hinuntereilen eine halbe Sekunde Zeit gefunden, um hinüberzuspähen, von wo der Schrei gekommen war. Und als nun Enrico als unbesiegter Apollo hinter den Vorhängen am Eingang der Ställe hatte verschwinden können, da erwachte im beruhigten Herzen seiner Hulda mit Blitzeseile die Erinnerung an jenen verräterischen Schrei und gleichzeitig wieder die stets bereite Eifersucht. Enricos Gattin klammerte die Finger ihrer eisengestählten Hand um den rechten Arm Pauls und rief ihm ins Ohr: Det is se! Die, wo so jequiekt hat, det is se, die andere, wovon ick Sie neulich verzählt habe. Ick muß zu Heinrichen, wenn Se mir aber lieb haben, Herr Doktor, denn bringen Sie mir heraus, wer das Frauenzimmer is!

Weg war sie. Paul aber stand, lächelte und murmelte: Das könnte ich dir heute schon sagen. Ob du's erfahren wirst, ist eine andere Sache.


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