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Wie Paul Delaroche es bereits Hans von Hildebrand gegenüber ausgesprochen hatte, hielt er sich im Augenblick für einen der glücklichsten Menschen unter den fünfmalhunderttausend Einwohnern der Stadt. Seine frohe Liebe hätte ihm auch ein Dasein als Käsehändler verklärt, aber der neue Beruf, der ihm eigentlich durch Zufall geworden war, leuchtete auch noch wie ein freundlicher Mond neben jener strahlenden Sonne. Täglich mehr kam ihm die Erkenntnis: hier war sein eigentliches Feld. Und auch die kleinen täglichen Erlebnisse im Redaktionsbureau machten ihm vorläufig ein unbändiges Vergnügen. Daß er gleichsam im Schlaf über Nacht zum Doktor avanciert war und von keinem Menschen – die Zeitungsangehörigen allein ausgenommen – mehr anders tituliert wurde, war er fast schon gewöhnt. Aber sonstige kleine Freuden gab es daneben genug. Er amüsierte sich noch über den alten Schuster, der ihn vom Doktor zum Baron erhob, weil es ihm unsympathisch war, die sechs Wochen Gefängnis, zu denen er verurteilt worden war, in der Zeitung erwähnt zu sehen. Paul amüsierte sich über die Heroine des Hoftheaters, die lieblich scherzend an ihn schrieb, er müsse über sie berichten, auf den Knien liegend, mit einer goldenen Feder in ein demantenes Tintenfaß tauchend. Er amüsierte sich auch über den Kollegen dieser Heroine, der in ein paar Tagen eine neue große Rolle spielen sollte und mit ausgestreckten Händen zu ihm ins Zimmer stürzte, ihm versichernd, daß nun endlich der einzig wahre, große, gottbegnadete Kritiker auf diesem Redaktionsrohrstuhl säße. Ja, Paul Delaroche empfand sogar noch ein Gefühl der Dankbarkeit für die Absender von Maikäfern in durchlöcherten Pappschachteln, für die bejahrten Jungfrauen, die Sträuße vorwitziger Frühlingsblumen mit unwitzigen Frühlingsgedichten begleiteten, für den schönen Löwenbändiger aus dem Zirkus, der allen Damen der Stadt die Köpfe verdrehte und ihm in Begleitung seiner sehr imposanten Gattin einen neugeborenen jungen Löwen persönlich zur geneigten Ansicht und noch geneigteren Besprechung vorführte. Einstweilen verstand er es nicht, daß einem Maikäfer, Frühlingsgedichte und neugeborene Löwen auch einmal etwas Altes werden können.
Heute hatte der Herr Doktor den ganzen Nachmittag mit besonderem Eifer an einem Artikel geschrieben. Die Sonne hatte den alten Kirchturm, den er von seinem Erkerfenster aus erblicken konnte, schon mit einem abendlichen, rotgoldenen Heiligenschein umloht, als er die Feder endlich niederlegte, die beschriebenen Blätter ordnete und sich anschickte, das Geschriebene noch einmal durchzulesen. Bevor er jedoch damit hatte beginnen können, störte ihn ein Klopfen an der Tür. Sein Herein klang ein wenig knurrig, doch folgte darauf ein um so freudigeres: Ah, du bist es, Martha, das ist famos!
Ja, Paul, ich bin es. Ich komme, dich zu einem Spaziergang abzuholen. Ich bin unerwartet früh fertig geworden in meinem Bureau, und der Abend ist so wunderschön. Ganz sommerlich schon. Läßt dir deine große Herrin, die Zeitung, eine Stunde Zeit für deine sehr viel unbedeutendere Braut?
Zeit habe ich nicht, aber mitgehen tue ich doch. Nur diesen Artikel, der eben fertig geworden ist, muß ich noch in Satz geben. Ein Meisterwerk meiner jungen Feder, sage ich dir!
Wie es nicht anders von dir zu erwarten ist, Paul.
Es ist hier nämlich eine grausige Moritat passiert, scheinbar wenigstens.
Ich habe schon davon gelesen im Abendblatt.
So, schon? Darüber habe ich geschrieben, willst du das Ding hören?
Sehr gern natürlich.
Also setze dich. Den Anfang wenigstens will ich dir lesen. Das Ganze brauchst du nicht über dich ergehen zu lassen, weil du den Tatbestand schon kennst. Und wirklich Neues gibt es noch nicht zu melden. Zum Gaudium des lieben Publikums habe ich das Alte nur nach der Kautschukmethode noch ein wenig auseinandergezerrt, und es hübsch eingewickelt in buntes Papier. »Das Skelett im Hause« habe ich den Aufsatz überschrieben, weißt du, was das ist?
Nein – ja – so ungefähr.
Es ist eine höchst grausige Sache: eine geheimnisvolle Schuld oder ein schuldvolles Geheimnis, das in jedem Haus und in jeder Familie verborgen sein soll. So eine Art von Teufelchen in der Dose, das jeden Augenblick herausspringen kann. Ein Gespenst, das heimtückisch hinter verschlossenen Türen lauert. Eine traurige oder lästige Sache mindestens, die jeder nach Kräften verbirgt, die er aber doch nicht aus der Welt schaffen kann. Ein Ding – was hast du, Martha?
Sie war plötzlich aufgestanden und ans Fenster getreten. Trotz der freundlichen Abendmalerei der Sonne, die sie auf allen von ihr getroffenen Dingen vollführte, schien Marthas Gesicht merkwürdig blaß. Paul, der es bemerkte, trat besorgt auf sie zu und fragte noch einmal: Was hast du, Martha?
Im selben Augenblick jedoch war ihr Gesicht schon wieder von der gleichen rosigen Heiterkeit erfüllt wie sonst, und sie sagte lachend: Gar nichts habe ich. Nur mag ich nicht sitzen beim Zuhören. Laß mich hier stehen.
Ganz nach hohem Belieben. Wenn du stehst, bin ich wenigstens sicher, daß du mir nicht einschläfst bei dem wunderbaren Werke. Also los! »Ein Gespenst, dem man unerwartet begegnet, ist eine unangenehme Sache, ein Gespenst aber, das man zur eigenen Verwandtschaft rechnen und vor der Welt krampfhaft verbergen muß, ist eine noch viel unangenehmere. Man versteckt es in der angemessensten Weise und ängstigt sich trotzdem beständig, daß es den sorgsam gewählten Schlupfwinkel plötzlich verläßt und im ungeeignetsten Moment auf der Bühne unseres Daseins umherzuspuken anfängt. Und solche Gespenster kommen in den besten Familien vor. Ja, man behauptet sogar, daß keine Familie frei sei von einem derartigen lästigen Hausgeist, von einem Skelett in einer dunklen, verborgenen Kammer, das unerwartet hervortreten kann und mit seinen klappernden Knochen die Menschen in tödlichen Schrecken versetzt. Es ist überall vorhanden, aber es nimmt die verschiedensten Gestalten an. Dem jungen Ehemann erscheint es in der Maske der verlassenen Geliebten, die seiner Frau ihren Besuch macht. Dem reichen Kaufmann in der Gestalt eines ehemaligen Jugendfreundes, der nach Amerika gegangen ist, und mit dessen annektiertem Vermögen er sein höchst respektables Geschäft begründet hat. Der ehrbaren Tochter einer anrüchigen Mutter –«
Paul, darf ich das Fenster aufmachen? Es ist hier so warm.
Gewiß, gewiß. Gefällt es dir nicht, was ich geschrieben habe?
O doch, es gefällt mir. Nur weiß ich nicht recht, wie du es in Zusammenhang bringen willst mit dem, worüber der Aufsatz handeln soll.
Er lachte. Du beleidigst meine Künstlerehre! Den Passus wenigstens, worin ich den Uebergang mache, muß ich dir noch vorsetzen. Dann sollst du auch bald erlöst sein, du scheinst ja große Sehnsucht ins Freie zu haben.
Der Abend ist so schön, aber ich höre dir gerne zu.
Also noch dies: »Wie gesagt, solch ein unsichtbares Gespenst oder Skelett gibt es in jedem Hause. Daß es aber offen sichtbar wird als das, was es in Wirklichkeit ist, daß es keine Verkleidung wählt, sondern sich in seiner wahren Knochengestalt den Augen zeigt, das gehört doch zu den Seltenheiten. Hier in unserer Stadt ist es geschehen. Ein merkwürdiger Zufall hat solch ein Skelett ans Licht gezerrt, aus der Tiefe eines alten dunklen Brunnens hat es einen seiner Knochenarme hervorgestreckt und auf ein Verbrechen drohend hingewiesen, das an bis jetzt noch verborgener Stätte begangen worden ist.« Klingt das nicht großartig? Eigentlich ist es ja Unsinn, aber es klingt doch famos, nicht wahr?
Ja, Paul, großartig.
Nun will ich dich auch nicht mehr quälen, aber nein, dies eine mußt du noch hören, wie ich der hochwohllöblichen Polizei Brei ums – Mündchen geschmiert habe. Hier kommt's am Schlusse: »Man darf erwarten, daß die Herren vom Gericht in Verbindung mit dem ausgezeichneten Chef unserer Sicherheitspolizei, Herrn Oberregierungsrat Bornträger, bald Licht in das Dunkel dieses geheimnisvollen Verbrechens bringen werden. Eine Bürgschaft dafür bietet auch der Umstand, daß die Spezialuntersuchung in den Händen des Herrn Polizeikommissärs Niemann liegt, der in den Kreisen seiner Kollegen mehrfach als ein zweiter Sherlock Holmes bezeichnet wird.« Kannst du dir eine edlere Rache denken, Schatz? Mich werfen sie hinaus, und ich vergelte die schnöde Tat mit solchen Worten der Bewunderung. Sieh mich an, wie stehe ich da?
Sie kam auf ihn zu und legte ihm lachend ihre Hände auf die Schultern. Du hättest sichere Anwartschaft auf einen Heiligenschein, wenn ich dir so ganz traute, Paul. In deinen Augen sehe ich allerlei blitzen, was nicht ganz zu dem schönen Loblied auf dem Papiere da stimmt.
Aber Martha! Hast du jemals gehört, daß ich mich über irgend einen Menschen lustig gemacht habe?
Schlingel du! Frag lieber, ob ich schon jemals gehört habe, daß du dich nicht über einen Menschen lustig gemacht hast. Ich wage zu behaupten, daß es kein größeres Vergnügen für dich gibt als das.
Er brachte seine feine, schlanke Figur in eine so würdevolle Stellung, als es nur möglich war. Ich werde dir das Gegenteil sofort beweisen.
Wodurch?
Indem ich folgendes tue. Erstens drücke ich auf den Knopf dieser Klingel hier, zweitens übergebe ich dem grünröckigen Setzerlehrling, der auf diese Zitation erscheinen wird, dieses Manuskript, drittens setze ich mir den Hut auf und viertens gehe ich mit dir in den schönen Frühlingsabend hinaus, wenn du dann an meiner Seite dahinspazierst, wirst du – sofern du nicht ganz aus den Kopf gefallen bist, wofür ich bisher keine Anzeichen habe – bald genug merken können, was mir das größte Vergnügen auf der Welt ist.
Gut, ich werde meine Geisteskräfte anstrengen. Hast du aber auch wirklich Zeit für mich?
Mit gutem Willen geht alles. Ich komme nachher noch einmal herauf und lese die Korrektur, dann ist die Sache gedeichselt.
Der jugendliche Abgesandte der Druckerei erschien und empfing sein Manuskript. Paul machte sich eilig fertig und schritt wenige Minuten später an der Seite Marthas durch die von einer milden, weichen Dämmerung erfüllten Straßen. Das junge Jahr und ihre junge Liebe stimmten ganz prächtig zusammen, darüber waren die beiden bald einig. Der durchleuchtete Himmel im Westen war genau so hell und wolkenlos wie der geträumte Himmel ihres Glücks, der Abendwind so kräftig und frisch wie der Schlag ihrer Herzen, und der feine, süße Duft, der sich aus der freien, sprossenden und knospenden Natur zwischen die Häusermauern hereinstahl, wie die Verheißung von etwas noch Schönerem und Größerem, das auch ihnen bestimmt war und in geheimnisvoller Ferne ihrer wartete.
Sie gingen durch die Straßen ohne ein bestimmtes Ziel. Nur danach strebten sie, das Zentrum der Stadt möglichst bald hinter sich zu haben – Paul nannte dies Bestreben die Zentrifugalkraft ihrer Seelen – und in stillere, einsamere Gegenden zu kommen, wo der Frühlingsduft aus größerer Nähe zu ihnen herwehte. Martha ging am Arm ihres Verlobten und war, wie es ihm vorkam, ein wenig stiller als gewöhnlich. Oefter trat eine Pause in ihrem sonst fast niemals verstummenden Geplauder ein, und nach einer solchen Pause sagte Martha unvermittelt, ein wenig hastig: Du, Paul, ich muß dich noch um Entschuldigung bitten, Ich bin vorhin bei deinem Vorlesen etwas zerstreut gewesen. Eine andere Sache lag mir im Kopfe, von heute nachmittag her. Da ist eine Frau zu mir gekommen, um Rat bei mir zu holen. Die hatte –
Sie verstummte; Pauls Augen fragten, warum es geschah. Sie suchte nach Worten, dann sagte sie: Es handelte sich eigentlich um keinen juristischen Rat. Ich kann es dir schlecht genau auseinandersetzen, weil ich über die Einzelheiten Diskretion versprochen habe. Nur ganz im allgemeinen kann ich dir's sagen. Die Frau war gezwungen, vor ihrem Manne ein Geheimnis zu verbergen. Eine unangenehme Sache aus ihrer eigenen Familie, von einer ihr durch die Geburt nahestehenden Person –
Aha, das Skelett im Hause!
Ja, das war ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß du den Aufsatz gerade geschrieben hattest. Ich mußte immerfort daran denken. Die Frau kommt nun oft in die Lage, vor ihrem Mann irgend etwas verheimlichen, verbergen zu müssen. Das eine Geheimnis zieht andere nach sich. Aber wenn sie es enthüllen wollte, müßte sie eine Person bloßstellen, die ihr auch nahe steht. Nun fragt sie mich um Rat, was sie tun soll. Sag du es mir, Paul, was ich ihr raten soll.
Liebt die Frau ihren Mann und liebt der Mann seine Frau?
Die gegenseitige Liebe ist groß, wie mir scheint.
Dann ist alles in Ordnung. Um Kleinigkeiten sollen sie sich nicht grämen und quälen. Wenn es nicht nötig ist, soll die Frau ihren Mund halten, und wenn der Mann einmal Lunte merkt, dann soll sie ihm sagen: »Du, Heinz, oder Philipp, oder Habakuk,« wie der Kerl nun heißt, »ich habe ein Geheimnis vor dir, aber ich muß es haben, weil es nicht mir allein gehört.« Wenn er ein vernünftiger Mensch ist, wird er sie nicht weiter drangsalen, sondern wird ihr freundlichst gestatten, auch ferner den Mund zu halten. Das ist meine bescheidene Ansicht von der Sache, sintemalen Liebe ohne Vertrauen für mich überhaupt keine Liebe ist.
Ach, Paul! – Ihre Stimme war so mit Gefühl gesättigt bei diesem Ausruf, daß er sie wiederum anschaute mit fragenden Augen. Ihre Antwort auf die stumme Frage war ebenso stumm: ein wortloser, fester Druck ihres Arms auf dem seinen. Dann aber wurde sie gesprächig und lustig und wies vergnügt auf alles hin, was es Gutes und Frohes zu sehen gab an diesem heiteren Abend. So gingen sie durch die Straßen mit leichten, beflügelten Schritten, wie getragen von der erquickenden Luft um sie her. Sie freuten sich über alles, was fröhlich war mit ihnen. Ueber die lachenden Kinder auf dem sonnegetrockneten Pflaster, deren Kreisel in der Dämmerung einen letzten Abendtanz vor dem Schlafengehen vollführten; über die auf knospenden Zweigen durcheinander schwatzenden Spatzen mit ihrer lärmenden Unterhaltung über die vorteilhaftesten Futterplätze und die besten Stätten zum Nesterbau; über die jungen Mütter, die hier in der Vorstadt mit ihren Säuglingen an der Brust vor den Häusern saßen und lachend auf die Kleinen hinunterblickten.
In die Vorstadt waren sie allmählich hinausgekommen, und an die Stelle der aufgeputzten städtischen Schönheiten unter den Häusern war allerlei ungewaschenes Gesindel getreten. Da gab es wankende Häusergreise, die sich nur auf hölzernen Krücken noch aufrecht hielten, da gab es verlebte, schwache Jünglinge, denen man es ansah, daß ihre Stunden gezählt seien. Auf einen von ihnen wies Delaroche lachend hin: Sieh den wunderlichen, häßlichen Kasten da. Wenn ich einmal auf den lukrativen Gedanken kommen sollte, einen Kriminalroman zu schreiben, ihn würde ich mir zum Schauplatz wählen. Dies Ding, bei dem kein Mensch weiß, ob es ein Speicher, eine Scheune oder eine Wohnung ist, und in das man –
Er verstummte mitten im Satze. Denn unerwartet hatte sich in eben diesem Hause die Tür geöffnet, und eine Männergestalt war hervorgetreten. Die beiden gingen auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, doch waren die bescheidenen Gaslaternen, die hier noch die vornehmeren Bogenlampen vertraten, bereits angezündet worden, und eine von ihnen warf einen ziemlich hellen Schein auf das anscheinend unbewohnte Haus, in dem kein Licht hinter den Fenstern den Lichtern hier draußen antwortete. In den Schein der Laterne hinein aber trat jene plötzlich auftauchende Männergestalt, warf einen Blick auf das Paar gegenüber, stutzte, wandte sich hastig um und verschwand aufs neue hinter der Tür des Hauses. Das alles ging so schnell, wie bei gut funktionierender Maschinerie die Geistererscheinungen auf dem Theater.
Und Paul betrug sich zu Marthas Ueberraschung ebenso, als wenn er einem besonders erfreulichen Theaterstück beigewohnt hätte. Sein Benehmen erinnerte sie merkwürdig an das bei ihrer Heimkehr von der Sherlock Holmes-Aufführung vollführte. Sein helles Lachen klang um das geheimnisvoll öde Haus, und er brachte nur mühsam die Worte hervor: Er selber, er selber in höchsteigener Person! Harunalraschid auf abendlicher Wanderung. Hast du ihn gesehen, hast du ihn erkannt? Meinen lieben, teueren, verflossenen Chef?
Gewiß, er war's. Das Monocle flog ihm aus dem Auge, wie du es mir so oft beschrieben hast. Aber warum freust du dich so, ihn hier zu sehen? Euere Liebe zu einander war doch nicht so groß.
Er machte sein feierlichstes Gesicht. Martha, das ist mein Geheimnis. Mein Skelett im Hause, das du nicht zu schauen begehren darfst!
Ich habe auch kein Verlangen danach. Aber – sie blieb einen Augenblick stehen – Vertrauen auf Gegenseitigkeit, Paul.
Selbstverständlich. Hast du auch ein Skelett?
Vielleicht. Sie gab sich Mühe, sehr heiter zu sprechen, doch klang ihre Stimme ein wenig unsicher.
Wenn es vorhanden ist, werde ich ihm jedenfalls mit dem größten Respekt begegnen.
Du wirst Vertrauen zu mir haben, Paul? Du versprichst mir's?
Warum so feierlich?
Gar nicht feierlich. Aber – gib mir deine Hand darauf.
Da ist sie. Und das unsichtbare eine Auge der Gerechtigkeit hinter jener Tür dort sei mein Zeuge.
Gut so. Nun bin ich zufrieden.
Sie nahmen die Gelegenheit wahr, einander die Hände sehr herzhaft zu drücken, und vergaßen dann überhaupt, sie wieder zu trennen. So gingen sie weiter in enger Verbundenheit. Nach ein paar Minuten solcher fried- und liebevollen Wanderung sagte Paul: Da sind wir ja auf der Augsburgerstraße. Soll ich dir das Haus zeigen, wo die Moritat passiert sein soll?
Die Geschichte, über die du geschrieben hast? Nein, Paul, das zeig mir nicht.
Warum nicht? Was hast du dagegen?
Ich weiß nicht. Es ist mir zuwider, wir sind so glücklich und froh, da mag ich nichts Trauriges und Häßliches sehen.
Aber die Sache geht uns doch gar nichts an.
Nein, nein, gewiß nicht. Aber es wäre mir lieber.
Dein Wille ist mir Befehl. Machen wir kehrt.
Es geschah, wie sie wünschte, und so bestand Paul sein erstes Examen über die Qualifikation zum künftigen gehorsamen Ehemann auf das allerbeste.