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Dreizehntes Kapitel

Der Michael Hely hatte in diesen Tagen seine Stube nicht verlassen. Ein Herz, in dem nichts mehr wohnt, als geknickte Hoffnungen und verwelkte Gefühle, empfindet mitten in den Äußerungen der lauten Freude nichts als die eigene Leere. Auch hatte er mit Krankenpflege zu tun.

Der alte Feldmann war unpäßlich und verließ sein Lager nicht mehr. Selbst als wir Jungen kamen, denen er immer viel Liebe und treue Kameradschaft entgegengebracht hatte, erhob er sich nicht, sondern wedelte nur zum Zeichen, daß er sich über den Besuch freue, eifrig mit dem Schwanze. Sein Kopf lag müde auf den Vorderpfoten und seine Augen sahen traurig zu uns empor, als ob sie sagen wollten: »Mit mir ist's bald vorbei.«

Was half's, daß wir ihm in der besten Kaffeeschale seines Herrn die Milch kredenzten und seine Schnauze mit auserlesener Wursthaut garnierten. Das Glück kam zu spät, er konnte es nicht mehr genießen. Der Geruch dessen, was er vorher überaus schätzte, schien ihm unangenehme Empfindungen zu wecken, er zog den Kopf zurück. Er war dort, wo vor Jahrtausenden der alternde Salomon war, dort, wohin wir alle kommen werden, er war bei der Erkenntnis angelangt, daß alles Irdische eitel ist. Leichte Fieberschauer liefen über seinen Rücken, sein Haar sträubte sich und zitterte wie der Blütenrasen des Mooses im Frühlingssturm.

Wir holten alte Kleider herbei und deckten ihn zu, damit er nicht frieren möchte. Er ließ alles geschehen und lag ruhig unter den Fetzen. Man sah nur noch sein altes ehrliches Gesicht.

Plötzlich streckte er sich, die Beine kamen unter den Decken zum Vorschein, der Kopf schien zu wachsen, die Schnauze fiel über die Vorderpfoten herunter, der alte Feldmann war nicht mehr.

Gott gebe, daß an jedem Sterbebett so aufrichtige Tränen fließen möchten, wie sie hier vor der Leiche dieses Hundes geflossen sind.

Als der erste Schmerz sich ausgetobt hatte, meldete sich die Sorge um das Begräbnis zum Worte und verlangte, gehört zu werden. Wir hielten Rat und beschlossen, den Entschlafenen in dem Wallgraben zu bestatten, der ehedem schützend die Mauern des festen Kirchhofes umgab. In den ausgetrockneten Räumen wühlten wir die Erde empor und als die Nacht ihren Schleier über Wald und Wiesen niedersenkte, bewegte sich eine kleine Truppe von Leidtragenden über den alten Kirchhof, vorbei an den Grabsteinen mit den vom Regen verwaschenen Inschriften, dem Begräbnisplatze zu. Ernst und feierlich blickten die steinernen Ritter und Edelfrauen, die an der Mauer lehnten, auf den seltsamen Leichenzug, und die Hostie auf dem Grabsteine des Priesters schien leise über dem Kelche zu zittern. Die Vögel schwiegen, die Blumen hatten ihre Köpfe gesenkt. Die ganze Natur schien mit uns zu trauern.

Und warum sollte sie es nicht tun? Steht nicht jedes Kind der Mutter gleich nahe? Warum sollte sie allein Fühlen und Empfinden haben für den Menschen, das herzloseste von all den tausend Lebewesen, die aus ihrem Mutterschoße sich losgerungen haben.

Ja selbst der Mond gehörte zu den Trauernden, und das Licht, das er in diesem Augenblick der Erde schenkte, glich jenem fahlen Dämmerschein, der aus den Totenampeln fließend das schweigende Innere der Grüfte erhellt.

Die Trauerversammlung war vor dem offenen Grabe angekommen, und wir senkten den Kasten mit der Hundeleiche in die Erde. Keiner sprach ein Wort, aber als die Schollen unheimlich Polternd niederrollten auf den Sarg, da stieg aus der kindlichen Einfalt unserer unverdorbenen Seelen das Gebet zu Gott empor, daß er bei dem großen Auferwecken des Fleisches den Feldmann nicht vergessen möge. Ohne ihn hatte nach unserer Vorstellung sogar die ewige Seligkeit ihre bedenklichen Unvollkommenheiten.

 


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