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4

Der flachsblonde Kostja öffnete und geleitete Vater Polykarp in das Empfangszimmer des Abts.

»Der Vater Abt wird gleich erscheinen.«

Der Mönch setzte sich nicht, sondern ging auf und ab, nahm die hohe Mütze ab; er hatte eine hochgewölbte, weitvortretende Stirn, glatte schwarze Haare, schwarze Augen mit feinen kurzen Wimpern, eine gerade, ebenmäßige, leicht zugespitzte Nase.

Der Abt trat ein; der Mönch hob kurz die Hand, drückte ebenso kurz die Rechte des Abts und setzte sich, ohne eine Aufforderung abzuwarten, auf einen Sessel.

»Ich komme von Seiner Eminenz, im Auftrage des Synods.«

Mit einer schnellen, scharfen Bewegung hob oder wandte der schwarze Mönch beim Sprechen den Kopf.

Mißtrauisch und mit einem unerklärlichen Gefühl der Furcht musterte Nikolka den Mönch und begann, nachdem dieser seinen Namen genannt hatte, rasch und selbstsicher zu sprechen, aber noch in diese Selbstsicherheit mischte sich unerwartet ein Stocken, ein leises Erbeben seiner salbungsvollen Stimme.

»Also ist die Genehmigung erteilt worden, unseren Starez zu kanonisieren?! Wir haben mit solcher Ungeduld darauf gewartet, die Bruderschaft ist von Unruhe ergriffen, das führte zu mancherlei Schwierigkeiten. Darum heißt es, eilen.«

Der Mönch nahm mit langen, mageren Fingern das Abzeichen der Akademie, das an einem Kragenende der Kutte befestigt war, ab und steckte es mit einer schnellen Bewegung unter die Kutte; gleichzeitig begann er zu sprechen; er sprach bestimmt, in befehlendem Tone, der keinerlei Erwiderung zuließ. Der Abt spürte, daß von nun an nicht mehr er, sondern der Ankömmling Herr im Kloster sein würde, gegen den anzukämpfen ihm die Macht fehlte, ja er würde nicht einmal mit ihm streiten können – Vater Polykarp war ein gelehrter Mönch, der nach Geist und Bildung vielleicht mit dem Bischof selbst auf gleicher Stufe stand, dazu war er vom Synod hergesandt worden – eine Auflehnung könnte nur seinen Sturz herbeiführen.

»Ich bin beauftragt, das Kloster zur Heiligsprechung des Starez würdig vorzubereiten. Es soll ein Kloster strenger Regel werden. Darauf komme ich nachher zurück. Ich möchte von Anfang an im Kloster wohnen. Meine Sachen treffen später ein.«

Der Abt rief dienstbeflissen den wortkargen Kostja herbei und schickte ihn zu Vater Paißij, der eine Zelle für den Ankömmling instand setzen solle.

»Ich werde einen Dienstbruder brauchen, einen gläubigen, schweigsamen und, wenn möglich, gebildeten Novizen.«

Dem Abt kam Boris Smoljaninow in den Sinn …

»Wir haben da einen entlaufenen Studenten in der Bäckerei, Vater Polykarp, sonst wüßte ich niemand zu nennen – unsere Novizen sind meist aus dem einfachen Volke … Ich will nach ihm schicken!«

»Warten Sie, wieso ein entlaufener Student? Hat er sich politisch vergangen?«

»Er ist einer Frau wegen aus der Welt geflüchtet.«

»Ich möchte ihn zuerst sehen, aber ohne daß er weiß, um was es sich handelt. Sie verstehen. Er arbeitet in der Bäckerei? Da könnte er mir Brot zum Mittagessen herbringen – ich habe heute noch nicht zu Mittag gegessen.«

 

Der Abt ging zu Kostja hinaus und schickte ihn aufs neue zu Vater Paißij, der Vater Haushalter möge ein schlichtes Abendessen hersenden – er betonte: »Ein schlichtes Abendessen, Kostja, vergiß nicht, streng nach der Klosterregel, er ist ein gelehrter Mönch, bleibt bei uns im Kloster; sage Vater Paißij, es ist jener, der vom Synod hergesandt werden sollte. Und dem Vater Bäcker sage, er möge Brot zum Mahl schicken, das soll jener Boris da, der entlaufene Student, herbringen, der Abt habe es so angeordnet.« Kostja verneigte sich stumm und eilte zu Vater Paißij. Unterwegs traf ihn Vater Akindin und winkte ihm zu. Kostja gab aber nicht acht darauf. Vater Akindin ging ihm nach und erwartete ihn am Eingang zum Speisesaal.

»Wer ist da beim Vater Abt? So ein schwarzer, langer Hieromonach?«

Kostja schüttelte stumm den Kopf und wollte vorüber, doch Vater Akindin stellte sich ihm an der Tür in den Weg. Der Novize schloß die Augen und sagte im Flüsterton, als fürchtete er, das ganze Kloster könnte hören, daß er sein übliches Schweigen breche, während er an Vater Akindin vorbeischlüpfte:

»Vater Polykarp, vom Synod.«

Und während Vater Paißij die Zubereitung des Abendessens für den Hieromonach überwachte, verbreitete sich in allen Winkeln, allen Zellen des Klosters die Nachricht von dem Eintreffen des mächtigen Sendlings. Vater Akindin berichtete, daß der Dienstbruder vor Aufregung gezittert und gebebt habe, gewiß seien gewaltige Dinge im Anzug, wenn man nur wüßte, welche! Die Mönche zogen sich still in ihre Zellen zurück, selbst die lockengeschmückten Novizen wagten es nicht, sich auf der Suche nach Liebesabenteuern zu den Sommerfrischlern hinauszustehlen – die alten Mönche hatten es ihnen verboten. In seiner Einsiedelei flüsterte der alte Doßifej Vater Pamwla zu, daß für Nikolka jetzt schlimme Zeiten bevorstünden, der ›Neue‹ würde jetzt Abt im Kloster sein, da würde Vater Gerwaßij sich gewaltig zusammennehmen müssen.

 

Der schwarze Mönch ließ den Abt reden und hörte ihm zu, selbst sprach er wenig, nur seine Stirn schien ihm immer tiefer über die Augen zu rücken, die stumm und streng vor sich hinblickten.

»Unser Starez wirkt Wunder, Vater Polykarp, große Wunder – sein heiliges Bild ist auf dem Felde wunderbar in Erscheinung getreten; wir haben das Heiligenbild aus Gottes Hand in der neuen Kathedrale zur Anbetung aufgestellt.«

»Das Heiligenbild des Starez zur Anbetung?! Aber der Starez Simeon ist ja noch gar nicht heilig gesprochen! …«

»Aber er wirkt doch Wunder – einen Ungläubigen hat er bekehrt, einen Krugwirt; ein Jüd' ist zum rechtgläubigen Christentum übergetreten – der Starez hat ihn durch eine wunderbare Erscheinung erleuchtet!«

Der Mönch hielt die Augen auf den Teppich gesenkt, unterbrach den Abt nicht, stellte nur zuweilen kurze Fragen, und als ihm klar wurde, daß offenbar der Jude das Heiligenbild ins Feld gestellt hatte, um nicht von Haus und Hof vertrieben zu werden, blickten seine Augen hart und kalt, doch hörte er dem Abt ruhig weiter zu. Als Vater Gerwaßij mit der Bemerkung schloß, er hoffe es sei zu erreichen, daß außer dem jungen Krugwirt die ganze jüdische Familie sich zum Christentum bekehren lassen würde, entgegnete Vater Polykarp:

»Eine gewaltsame Beeinflussung ist in keinem Falle zulässig.«

Er schwieg eine Weile, stand auf, sagte ebenso kurz:

»Das Heiligenbild aus Gottes Hand ist vorerst aus der Kathedrale zu entfernen; lassen Sie es in das Grabgewölbe des Starez tragen; dort soll es so aufgestellt werden, daß es nicht in die Augen fällt.«

Der Abt sah den Mönch erschrocken an und erwiderte verstört, daß die Entfernung des Heiligenbildes in diesem Augenblick, nur wenige Tage nach seinem wunderbaren Erscheinen, Murren und Unzufriedenheit unter der Bruderschaft hervorrufen würde, auch die Einkünfte des Klosters würden darunter leiden, denn der Zustrom der Wallfahrer habe sich seit dem Erscheinen des Heiligenbildes ungemein gehoben, dem dürfe man nicht Abbruch tun.

Vater Polykarp antwortete mit derselben ruhigen Stimme:

»Das Heiligenbild wird entfernt, der Starez ist noch kein Heiliger.«

Der schwarze Mönch ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, blieb vor der Uhr stehen und sagte im Takt des Pendelschlages langsam und ruhig:

»Ich habe höhere Weisungen zu befolgen, Vater Abt, denen Sie sich fügen müssen und die die Bruderschaft ohne Widerrede zu erfüllen hat. Ich weiß, was ich tue; Einwürfe sind nicht angebracht. Um die Einkünfte des Klosters brauchen Sie nicht besorgt zu sein – nach Entdeckung der Reliquien werden mögliche Verluste über und über gedeckt werden.«

Vater Gerwaßij wiederholte erregt mit tonloser Stimme:

»Die Mönche werden murren, Vater Polykarp, sie werden bestimmt murren …«

»Mönche haben ihrem Abt zu gehorchen. Ihr Wort ist Gesetz für die Bruderschaft.«

Das Eintrittsgebet erklang hinter der Tür, und einen Laib Brot auf einem Handtuch in den Händen, trat ein Novize in das Zimmer; er war ungemein mager, ausgemergelt, unter der blassen Haut traten im Gesicht und an den Händen die Knochen scharf hervor; seine Augen schienen ungewöhnlich groß und klar. Er verneigte sich vor dem Abt, bemerkte den fremden Mönch und dessen kurzen, durchdringenden Blick, verneigte sich auch vor ihm und wartete, nicht wissend, was er mit dem Brot machen sollte. Der schwarze Mönch trat auf ihn zu, nahm ihm den Laib ab und segnete ihn. Als Boris Smoljaninow das Zimmer verlassen hatte, sagte Vater Polykarp:

»Wahrlich, ein Mönch verklärten Geistes.«

 

Tag und Nacht befand sich Boris in der Backstube, wo es heiß und stickig war, versengte sich die Finger an den heißen Broten, arbeitete schwer, der Schweiß brach ihm aus allen Poren, schlief wie ein Toter auf den Mehlsäcken. Die übrigen Bäckergehilfen, Novizen, lachten und scherzten, machten sich lustig über ihn, und wenn Vater Lewkij, der Bäcker, nicht zugegen war, bedrängten sie ihn mit Fragen, weshalb er seine Braut verlassen habe, vor einem Mädel geflohen sei, erzählten einander Liebesabenteuer mit den Frauen und Mädchen in den Sommerhäuschen, den Weibern von Polpenki, von heißen Umarmungen im Himbeergebüsch – tagtäglich, endlos. Boris litt darunter. Selbst im Schlaf wurde er gestört. Der Abt hatte angeordnet, den geflüchteten Studenten etwas rauher anzufassen, er stelle sich nur still und demütig, in Wirklichkeit hätte er sich in der Herberge auf eine vornehme Dame gestürzt, um sie zu vergewaltigen. Kaum war er, auf den Säcken zusammengekringelt, eingeschlafen, so wurde er wieder geweckt, mußte Teig kneten, wurde, noch ganz durchschwitzt von der Anstrengung, nach Wasser zum Brunnen geschickt, schleppte die schweren Eimer herbei, goß das Wasser in den Kübel und mußte dann den Teig ausrollen. Oder die Novizen ließen ihn nicht schlafen, tranken die Nacht durch Schnaps, lachten wiehernd bei ihren unzüchtigen Gesprächen und Witzeleien. Ein Leben der Andacht im stillen Kloster, Waldfrieden, Erhebung – das schien noch immer ein Traum, der sich nie erfüllen wollte … Als der Bäcker einen Laib Brot fein säuberlich in ein Handtuch wickelte und Boris befahl, es dem Abt zu bringen, hatte er erlöst aufgeatmet, die schwarze Kutte angezogen, sein Käppchen aufgesetzt und war hingeeilt. Vielleicht wollte der Abt seine Worte von damals, die ihn so tief verletzt hatten, wieder gut machen … In Gedanken versunken, kehrte er zurück, der prüfende Blick des hohen, schwarzen Mönches, scharf und durchdringend und doch anziehend, kam ihm nicht aus dem Sinn.

Der Bäcker fragte:

»Nun, hast du ihn gesehen?«

»Wen, Vater Lewkij?«

»Den Neuen …«

»Ja …«

»Nun?«

Begeistert entfuhr es ihm:

»Fürwahr, das Bild eines gottesfürchtigen Mönches!«

»Na, geh, mach' dich an die Arbeit!«

 

Der Abt wußte nicht recht, wie er die Sache mit der Entfernung des wundertätigen Heiligenbildes angreifen sollte. Vater Polykarp riet ihm, zuerst mit den Starezen und einigen älteren Mönchen Rücksprache zu nehmen, die die Bruderschaft vorbereiten sollten. Als dann der Abt der Bruderschaft die Eröffnung machte, ging alles glatt vonstatten. Am Abend, als Vater Awraamij die Pforte geschlossen und sich schlüsselrasselnd in seine Zelle zurückgezogen hatte, trug der Abt in Begleitung der alten Mönche das Heiligenbild in die unterirdische Kapelle der alten Kathedrale, wo eine ewige Lampe über der Grabstätte des Starezen im Dunkel glomm. Das Heiligenbild wurde zu Häupten des Grabes hingestellt, worauf die Prozession stumm die Kirche verließ.

 

Die Sachen des schwarzen Mönches trafen auf zwei Wagen vom Bahnhof ein. Das untere Stockwerk eines Hauses neben der Abtei wurde ihm zur Verfügung gestellt; es war ein altes Steingebäude mit dicken Mauern, ungestrichenen schweren Eichentüren, niedrigen, weltverlorenen, gewölbten Zimmern, nur ein großes, viereckiges Gemach hatte gerade Wände und ein hohes Doppelfenster. Drei Novizen schleppten mit Mühe die schweren Bücherkisten herein; zwei Bücherschränke, ein Schreibtisch, ein eisernes Bett, Koffer kamen zum Vorschein. Vater Polykarp bat den Abt, ihm nun den jungen Novizen zuzuweisen.

»Geh, Duckmäuser, der neue Hieromonach will dich zum Dienstbruder!«

Boris hatte keine Sachen; sein Köfferchen, das er aus Petersburg mitgebracht hatte, enthielt nichts als Wäsche. Er war freudig bewegt und erschrocken und wußte nicht, ob er es als Dienstbruder dem Hieromonach recht machen würde. Er stellte sein Köfferchen im Vorraume ab, trat in die Zelle, empfing den Segen und wartete an der Tür.

»Willst du mir behilflich sein? … Dann bleibe, richte dich im Nebenzimmer ein. Hast du ein Bett?«

»Eine Filzunterlage …«

»Sage dem Vater Abt, er möge dir ein Bett geben lassen.«

 

Der Abt erwartete täglich, daß Vater Polykarp kommen und ihm auseinandersetzen würde, was zu tun sei, welche Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten getroffen werden müßten, und daß er ihn über die Mönche befragen würde. Doch Vater Polykarp ging jeden Tag fort, in den Wald hinein, und neugierige Augen stellten sogar fest, daß er dabei ein Buch mitnahm. Die Mönche fürchteten sich zuerst vor ihm und blieben in ihren Zellen; bald aber kamen sie wieder zum Vorschein, die jungen gingen wieder mit geschnitzten Löffeln in die Herbergen und die Landhäuschen, kletterten des Abends über die Mauer und begaben sich auf Liebesabenteuer. Der schwarze Mönch, hoch und hager, schritt mit gesenkter Stirn durch den Wald, als sähe er nichts, kam ans Himbeergebüsch, hörte Frauenstimmen, die ihn leise riefen, machte schweigend kehrt und wanderte in der entgegengesetzten Richtung durch den Wald, setzte sich an das Ufer des Sees und blickte sinnend vor sich hin, als sähe er gar nicht das Boot, in dem Mönche und Frauen spazieren fuhren.

Gemeinsam mit Boris öffnete er die Kisten, schickte den Novizen mit Briefen auf den Bahnhof zum Postzug und stellte die Bücher in die Schränke. Die Simse waren tief, drei Reihen Bücher gingen hinein; in die hinterste Reihe kamen die Klassiker und weltlichen Zeitschriften, in die zweite die Philosophen und in die erste die geistlichen Bücher. Als Boris zurückkehrte, hatte das Zimmer ein ruhiges, strenges Aussehen angenommen: Bücherrücken mit Goldbuchstaben, der Schreibtisch, auf dem neben Schreibzeug und Papier ein paar Bücher lagen, ein dunkler, schwellender Teppich, in dem die Füße lautlos versanken, in der Ecke ein großes Heiligenbild, das den Heiland beim Gebet in Gethsemane darstellte, davor auf einem hohen Dreifuß ein rotes heiliges Lämpchen; die Wände waren kahl, nur über dem Bett hing eine schlichte schwarze Taschenuhr; die Fenster hatten dunkle Vorhänge erhalten. In dem hohen Zimmer schritt der hagere Mönch auf und ab, groß und schwarz. Des Abends brannte statt der Lampe eine flackernde Kerze, einen rötlich gelben Lichtschimmer verbreitend.

Wenn der Pförtner Awraamij am Abend die heilige Pforte schloß, kehrte Vater Polykarp in seine Zelle zurück, Boris brachte ihm ein Glas starken, schwarzen Tee und verschwand wieder in seinem leeren, ungastlichen Zimmer nebenan. Der schwarze Mönch blickte hinein.

»Mach' dir aus Kisten einen Tisch, bitte um einen Schemel und häng' ein heiliges Lämpchen auf – im Dunkeln ist unser Gebet nicht freudig und bringt uns keinen Frieden.«

Seit Boris bei Vater Polykarp war, wurde es in ihm ruhiger; die Stille zwar, nach der er sich sehnte, war noch nicht gekommen. Doch hier konnte er sich stundenlang, vor dem Heiligenbild kniend, seinem Sinnen überlassen. Er betete nicht, er grübelte, wollte etwas erfassen, begreifen, was immer wieder entwich. Er grübelte, Müdigkeit überkam ihn, er senkte den Kopf, zuckte zusammen und bemühte sich aufs neue, sich selbst zu verstehen. In die Stille drang aus dem Nebenzimmer das Schnappen eines Bücherschrankschlosses, eine Schranktür wurde geöffnet, an dem Stuhl mit der hohen geraden Rückenlehne und dem breiten Sitz gerückt … Dann trat wieder Stille ein. Erst wenn er Vater Polykarp schlafen gehen hörte, legte sich auch Boris zur Ruhe nieder. Eine Weile lauschte er noch … Ob der Mönch wohl bete? … Dann sank er in tiefen, schweren Schlaf. Am Morgen sprang er hastig auf, fürchtend, er könnte zu lange geschlafen haben, eilte mit einem Eimer zum Brunnen, stellte das Waschgeschirr im Vorzimmer zurecht, legte Kohlen in den Samowar und wartete, bis die ruhige Stimme des schwarzen Mönchs ihn rief.

»Schon auf?«

»Ich stehe immer früh auf.«

»Na, dann bring mir Tee.«

Er brachte den Tee, zwei frische Weihbrötchen für den Hieromonach, schenkte auch sich ein Glas Tee ein und aß Schwarzbrot dazu.

 

Vierzehn Tage waren verstrichen. Vater Polykarp ging zum Abt und sagte, ohne ihn anzusehen:

»Nach Sonnenuntergang müssen alle Mönche im Kloster sein. Wollen Sie ihnen verbieten, die Wallfahrer in den Herbergen zu besuchen; auch sollen die Novizen nicht mit den Sommerfrischlern in den Landhäuschen spazierengehen und um Mitternacht über die Umzäunung klettern. Das gilt von heute an. In einem Kloster, dessen Gründer dazu noch Skimnik war, muß die Regel streng befolgt werden. Der Betrachtung in der Natur soll der Mönch sich in stiller Zurückgezogenheit und Einsamkeit hingeben. Veranlassen Sie auch, daß der Wald vom Unterholz gesäubert wird, vor allem sollen die Himbeergebüsche beseitigt werden.«

Vater Polykarp achtete selbst auf die Durchführung seiner Anordnungen. Unerwartet tauchte er überall auf, und wenn er jemand auf heimlichen Wegen ertappte, trat er auf ihn zu, fragte nach dem Namen des Schuldigen und teilte ihn dem Abt mit, der den Sünder rufen ließ und ihm eine Kirchenbuße auferlegte. Allmählich erwachte Unzufriedenheit unter der Bruderschaft, die sowohl gegen Vater Polykarp als auch gegen den Abt gerichtet war; ein Flüstern hob des Abends in den Zellen an.

»Als er selbst seinem Vergnügen nachging, war alles schön und gut, sogar eine Nonne hat er sich als Frau zugelegt, wir aber sollen wie die Hunde an der Kette sitzen – man will doch auch einmal ein Wort mit einem frischen Menschen wechseln!«

»Der Schwarze steckt dahinter, dieser Vater Polykarp …«

»Auch über den wird man sich ja beschweren können …«

»Daran zweifle ich stark, Vater – der hat die Akademie nicht umsonst absolviert, der kennt die Klosterregel wie nur einer!«

 

Im Walde waren die Lieder der Novizen verstummt; die Sommerfrischler langweilten und die Kaufmannsfrauen ärgerten sich. Der neue Herbergsvater Mißail, der eingekleidet worden war, hatte den Befehl erhalten, streng darauf zu achten, daß die Gäste nicht länger als drei Tage blieben, man käme ins Kloster, um zu beten, nicht um im Walde spazieren zu gehen; nur jene, die sich zum Empfang des heiligen Abendmahls vorbereiteten, durften länger bleiben. Um neun wurden die Herbergen geschlossen und dann niemand mehr hereingelassen. Wenn sich jemand auf einem Spaziergange verspätete und erst nach Torschluß in die Herberge zurückkehrte, erschien Vater Mißail am nächsten Tage im Zimmer des Betreffenden und sagte:

»Gegen die Regel darf nicht verstoßen werden; wenn Ihnen diese nicht zusagt, bedauern wir es; zu Abendspaziergängen gibt es Parkanlagen in der Stadt … Der Vater Abt läßt Ihnen sagen, daß er zu Ihrem weiteren Aufenthalt im Kloster seinen Segen nicht erteilen kann.«

Wie matte Fliegen strichen die Mönche einzeln durch den Wald; sie durften Beeren und Pilze sammeln und sich in einsamer Betrachtung ergehen. Die jungen Mönche zogen es meist vor, in ihren Zellen zu bleiben, im Walde war es ihnen zu langweilig geworden, die alten streiften mit Körbchen am Arm umher. Den Weibern und Mädeln von Polpenki war untersagt worden, im Klosterwalde Beeren zu sammeln und solche an die Wallfahrer und Gäste in den Herbergen zu verkaufen.

Vater Polykarp hatte zum Abt gesagt:

»Das Weib ist die Versuchung des Mönches, vor der wir ihn bewahren müssen.«

Er verbot sogar jegliche Unterhaltung zwischen den Mönchen und den Besuchern des Klosters, um Verabredungen über heimliche Zusammenkünfte vorzubeugen.

Die Weiber brachten nun Beeren und Pilze an den Bahnhof, wohin sie durch den Domänenwald gingen.

Die Wallfahrer aus dem einfachen Volke wurden angehalten, bei der Arbeit in Feld und Garten zu helfen.

»Arbeit für den Herrn, Gebet und Arbeit – das reinigt Leib und Seele …«

Die Wallfahrer, die sich zum Empfang des heiligen Abendmahls vorbereiteten, mähten die Wiesen, arbeiteten im Gemüsegarten, reinigten die Baracken, den Hof. Aus der Klosterküche wurde den Pilgern mit jedem Tag immer weniger Kohlsuppe und Grütze in den großen Kübeln zum Mittagessen gebracht, der Kwas mit Wasser verdünnt und nur zu Mittag gereicht, während man früher trinken durfte, wann und wieviel man wollte. Die Wallfahrer und Gäste murrten, verließen das Kloster noch vor Ablauf der drei Tage, und es gab bald fast keine Gäste mehr, die das heilige Abendmahl nehmen wollten. Auch die Mönche murrten, doch wußten sie – Beschwerden wären vergeblich gewesen. Messen wurden eifrig zelebriert, die Mönche, denen eine Kirchenbuße auferlegt worden war, durften die Einsiedelei nicht mehr verlassen, zu der Frauen der Zutritt nicht gestattet war.

Die Mönche klagten untereinander:

»Der Schwarze macht alles, was er will, schweigt immer, aber sieht alles, sieht gerade durch einen hindurch … Der ist jetzt Herr im Kloster.«

»Der Abt läuft wie ein Hündchen hinter ihm her – in einem einzigen Sommer ist er ganz zahm geworden, selbst zu seiner Kuhmagd geht er nicht mehr, hat sie ganz vergessen!«

Im Herbst begann Vater Polykarp die Mönche in ihren Zellen zu besuchen, unterhielt sich mit ihnen, fragte nach ihrer Vergangenheit, und, um es nicht zu vergessen, schrieb er des Abends auf, was er erfahren hatte; nach einem Monat kannte er jeden Mönch durch und durch.

 

Als er Vater Doßifej in der Einsiedelei aufsuchte, konnte der Alte nicht an sich halten und machte sich daran, den Abt anzuschwärzen, in der Hoffnung, der Schwarze würde ihn seiner Würde entsetzen und nach Solowki in die Verbannung schicken, damit er Buße tue bis an sein Lebensende.

Vater Polykarp fragte:

»Lieben Sie Ihr Kloster, Vater?«

Doßifej lächelte breit, kniff die Augen zusammen, nur durch einen schmalen Spalt brach ein glimmender, bohrender Blick.

»Fürwahr, unscher Schtaretsch Schimeon hat hier den Mönchen ein scheligesch Daschein geschaffen! Allesch, wasch die Erde ertscheugt, ischt in Überflusch vorhanden – in Wald und Flusch und Schee …« Er seufzte und schüttelte wehmütig den Kopf, wodurch auch sein Buckel zu wackeln begann, und fuhr fort: »Ja, der Wald, um den schmertscht einem dasch Hertsch, diesche Gotteschschönheit wird vernichtet – auschgehauen, auschgerodet! …«

Vater Polykarp fiel ihm ins Wort:

»Ein Stück Wald ist zu Nutz und Frommen des Klosters verkauft worden.«

Vater Doßifej seufzte wieder, ließ die Anspielung auf den Waldverkauf fallen; offenbar hatte der Abt da bei dem Schwarzen vorgebeugt – das mit dem Vorwerk dürfte wirksamer sein …

Vater Polykarp pflegte jedem Mönche die Frage zu stellen, ob er mit dem Abt zufrieden sei, und niemand im Kloster hatte ein Wort gegen Gerwaßij geäußert – seitdem der Schwarze da war, vor dem sie ordentlich Angst hatten, merkten sie erst, welche Nachsichten und Freiheiten sie unter der Leitung ihres Abtes genossen hatten!

Auch den alten Doßifej fragte Vater Polykarp, ob er sich etwa über den Abt zu beklagen habe.

»Unscher Abt – wir haben ihn ja selbscht gewählt – hat einscht dasch Kloschter vor dem Raubgeschindel, den Schotschialischten, gerettet, da haben wir ihn denn tschum Abt gewählt – unsch schelbscht tschum Verderben! Ach, die Verschuchung, die Verschuchung. Dasch bösche Beispiel desch Abtsch verlockte die Bruderschaft, und die Mönsche verschündigten schich mit den Weibern, die insch Kloschter kamen, wie esch der Abt tat … Dasch Weib ischt scheine grosche Verschuchung. Auf dem Vorwerk hält er schich einsch, als Viehmagd, und die Nonne hat ein Kind, ein Kind von unscherem Abt … Wasch kann man da von dem einfachen Mönsche verlangen, wenn der Abt schelbscht scholch ein Beispiel gibt?! …«

Vater Polykarps Stirn sank ihm über die Augen, die noch dunkler wurden, eine tiefe Furche grub sich zwischen seine Brauen, er stand auf und sagte scharf zu dem buckligen Alten:

»Sie, ehrwürdiger Vater, hätten den jungen Mönch, den das sündige Fleisch in Versuchung führte, ermahnen sollen, statt ihn hinterher anzugeben – er ist Abt im Kloster, und ihr habt ihn euch selbst gewählt …«

Vater Doßifej sah dem sich Entfernenden nach und blinzelte verstört mit den kleinen Augen.

 

Einige Tage später sagte Vater Polykarp in seiner Zelle, nachdem er den Novizen Boris hinausgesandt hatte, zum Abt, indem er ihm streng ins Auge sah – es kam dem Abt so unerwartet, daß er vor Schreck zu zittern begann, wußte er doch, daß der Schwarze ihm ganz in der Stille, ohne Lärm und viel Federlesens, bloß durch eine Meldung an den heiligen Synod, den Strick drehen konnte:

»Mir ist bekannt, daß Sie ein Kind haben und sich hier eine Frau halten – leben Sie mit ihr?«

Nikolka antwortete wahrheitsgetreu, sagte auch, daß er die Sache schon lange bereue, denn die Geburt des unschuldigen Wesens habe ihn seine Versündigung klar erkennen lassen; er lebe jetzt nicht mehr mit der Mutter des Kindes und meide sie. Er fügte hinzu:

»Ihre fleischliche Schönheit hat mich verführt, und Qual ist mir daraus entstanden …«

Ein ehrlich ergriffener Ton klang aus seiner Stimme; Arischa konnte ausgewiesen werden, und er würde dadurch sein Geld verlieren, das beunruhigte ihn am meisten, und darum klang seine Stimme so erschüttert, doch machte es den Eindruck, als ginge ihm das Schicksal der jungen Nonne und des Kindes so nahe, als er fortfuhr:

»Sie ist eine Nonne, steht allein in der Welt, und nun hat sie das Kind – sie müßten beide umkommen … Lassen Sie Barmherzigkeit walten!«

Vater Polykarp ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, blieb vor dem heiligen Lämpchen stehen, rückte den schwimmenden Docht zurecht, sagte mit dumpfer Stimme:

»Vater Abt, auch ich bin ein Mensch und weiß, daß auch Mönche sündigen. Ihre Rettung ist aufrichtige Reue. Ich verurteile niemanden, und einem Angeber habe ich das Nötige gesagt. Ihr Gewissen sei Ihr Richter. Zwei unschuldige Menschenleben dürfen wir nicht zerstören. Mag sie bleiben und arbeiten. Sie aber …«

Er hatte sagen wollen, der Abt solle das Vorwerk überhaupt meiden, um den Mönchen kein schlechtes Beispiel zu geben, sagte aber statt dessen – und das kam sowohl ihm als auch dem Abt unerwartet:

»Sie aber können ihr erklären, sie möchte das Kind für ihren verwaisten Neffen ausgeben, dessen sie sich angenommen hat.«

Darauf begann der Schwarze eifrig und mit einer bei ihm sonst nicht üblichen Hast über Kloster- und Wirtschaftsangelegenheiten zu sprechen und nahm wieder am Tische Platz.

 

Im Frühjahr wurde die kostenlose Aufnahme in den Herbergen und Baracken eingestellt und am Eingang der alten und neuen Herberge Preistafeln ausgehängt; in den Baracken mußten fünf Kopeken für die Übernachtung und ebensoviel für das Mittagessen gezahlt werden. Auch für Bettwäsche, Kerzen, Samowar mußte ein bestimmter Preis entrichtet werden. Sommerfrischler wurden nicht mehr aufgenommen; so wurde es leer um das Kloster. Die Novizen in den Herbergen standen müßig herum, der Herbergsvater Mißail fuhr vor Langeweile selbst mit auf den Bahnhof, kehrte meist ohne Gäste zurück und ging mit den Hühnern zur Ruhe.

Dagegen war in der Herberge ein geschickter Koch angestellt worden, ein Mönch, der auf Anregung des Abts eine besondere Fischsuppe erfunden hatte, die allgemeine Anerkennung und Staunen hervorrief.

»Im Kloster Kaluga haben sie eine schöne Kohlsuppe, aber solch eine Fischsuppe gibt's da nicht …«

»Das Kloster Sadonsk ist berühmt durch seine Karauschen, von solch einer Fischsuppe aber haben sie da keine Ahnung …«

Wie in den Gasthäusern in der Stadt wurde für ein Mittagessen, das nicht von dem allgemeinen Klostertisch kam, sondern von den Köchen in der Herberge zubereitet wurde, ein höherer Preis genommen; für die berühmte Fischsuppe mußte man ganze fünfzig Kopeken zahlen.

Dazu konnte man auch einen besonderen Kwas haben – aus Mehl, Roggen-, Gersten- oder Weizenmehl, mit Hopfen, Malz, duftigem Pfefferminz, Korinthen und Honig, der süß und dickflüssig war – fünfzehn Kopeken die Flasche.

»Im Kloster Sergijewo ist das Brot berühmt, solch einen Kwas aber gibt es in ganz Rußland nicht mehr – nur Vater Farmufij versteht ihn zu brauen, er hat das Geheimnis seiner Herstellung aus dem Kloster Athos mitgebracht –, es ist ein ganz besonderer Kwas, herrlich an Geschmack und heilsam.«

 

In langsamen Bächlein sickerte der Ruhm des Klosters Belobereshsk durch das Land; es wurde allmählich berühmt seines Kwas, seiner Fischsuppe, der Wundertaten seines Starez wegen. Über letztere sollten die Mönche schweigen, der Abt hatte auf Wunsch des schwarzen Mönches der Bruderschaft erklärt:

»Um dem Ruhm und den Wundertaten des Starez Simeon am Tage der Entdeckung seiner Reliquien keinen Abbruch zu tun, ist es besser, fürs erste über die Wunder zu schweigen.«

So schwiegen denn die Mönche – nur im Flüsterton erzählten sie von den großen Wundertaten des Starez, laut aber rühmten sie den Kwas und die Fischsuppe.

 

Waßenka war still und ruhig geworden und wich nicht von der Seite des Starez Akakij; wenn er einmal wieder zu murmeln und zu zetern anfing, wandte sich der Greis um und sagte freundlich:

»Murre nicht, Waßenka, versuche den Herrn nicht!«

Dann verstummte Waßja, senkte den Kopf und folgte ihm schweigend.

Der Starez lehrte ihn Freude am Leben, indem er auf die Bienen, die Hornissen, die Ameisen hinwies.

»Siehe dir an, wie sie leben – sie arbeiten und murren nicht und loben den Herrn durch ihre Arbeit. Du aber ergötzt den Unreinen durch deine Worte; die Rettung liegt nicht darin, daß man viel Worte macht. Zuchtloses Reden ist schlimmer als fleischliche Zuchtlosigkeit; heißt es doch in der Heiligen Schrift, nicht durch das, was zum Munde eingeht, sondern durch das, was aus dem Munde herauskommt, versündigen wir uns. Im Schweigen liegt deine Rettung, Waßenka.«

Im Walde setzte sich der Starez auf einen Baumstumpf, auf den Stamm einer vom Sturm entwurzelten Kiefer, lauschte auf das Summen der Bienen, sprach:

»Jede bringt ein geringes Tautröpfchen herbei, und so schaffen sie gemeinsam an dem Gotteswerk; jedes Tier verrichtet seine Arbeit, wir aber? … Der Vater im Himmel nähret sie, und wir laben uns an den Früchten ihrer Mühen …«

Im Frühjahr, als das Farnkraut seine breiten Wedel bereits entfaltet hatte und die Klosterwiese im Schmuck der Federnelken und Margueriten prangte, schickte Vater Polykarp nach dem Starez und ließ ihn in seine Zelle kommen.

»Wir können in einem Kloster, dessen Gründer ein Skimnik war, keine Starezen dulden.«

Er brach ab, blickte Vater Akakij an; der Starez schwieg, sah dem Mönch ruhig in die Augen; der gelehrte Mönch furchte die Stirn und fuhr fort:

»Das Optinsche Kloster ist in ganz Rußland durch seine Starezen berühmt; wenn Sie sich Ihrer Glaubenstat weiter hingeben wollen, lassen Sie sich dahin versetzen – ich werde Ihnen gern behilflich sein.«

Vater Akakij senkte den Kopf und sagte halblaut, den Blick zu Boden gerichtet:

»Ich bin hier schon lange … Ich liebe das Kloster und die Bruderschaft … Von hier kann ich nicht fort … Hier will ich sterben …«

Vater Polykarp sah ihn scharf an und sagte, jedes Wort nachdrücklich und langsam aussprechend:

»Der Starez Simeon, der Gründer dieses Klosters, hat sich, nachdem er um der Wahrheit willen gelitten und sie gefunden hatte, vor seinem Ableben als Skimnik einkleiden lassen. Dadurch, daß er Skimnik wurde, hat er keine geringere Glaubenstat vollbracht als durch sein Starezentum und sein Kloster zu höchstem Ruhm erhoben … Auch in Ihren Augen darf die Glaubenstat des Skimniks nicht geringer erscheinen als die des Starez oder Einsiedlers; um dieser Glaubenstat willen und zum größeren Ruhm des Skimniks Simeon obliegt es Ihnen, die Weihen als Skimnik zu nehmen.«

Vater Akakij senkte den Kopf noch tiefer, so daß sein langer handtuchförmiger Bart fast den Teppich berührte, und antwortete noch leiser:

»Die Einkleidung als Skimnik ist mit einem schweren, einem großen Gelöbnis verbunden. Auch jetzt noch, als alter Mann, bin ich nicht würdig, diese Weihen zu empfangen, denn ich bin ein sündiger Mensch, ein schwacher Mensch. Die Glaubenstat des Skimniks kann ich nicht auf mich nehmen. Freudig betrachte ich das Leben und liebe das Leben: ein Seelentrost ist mir im Walde jede lebende Kreatur, und sündhaft gern erlabe ich mich an allerlei Früchten der Erde, an Beeren und Pilzen, an Honig, und freue mich an dem Lobgesang der Waldvögelein …«

Vater Polykarp wiederholte noch langsamer und nachdrücklicher, auf das Du übergehend:

»Zur Verherrlichung des Skimniks Simeon und dieses Klosters nimm die Weihen des Skimniks … Du hast ein ehrwürdiges Aussehen, Starez, das ehrfurchtgebietende Aussehen des Skimniks …«

Vater Akakij entgegnete nicht, sondern fuhr in seinem Gedankengang fort:

»Ich liebe das Leben, ich freue mich jeglicher Kreatur, das Gewand des Skimniks aber heißt – dem Leben entsagen … Dem Leben entsagen – diese Glaubenstat übersteigt meine Kräfte … Ich bin ein sündiger Mensch, ich liebe den Menschen von ganzem Herzen und das Leben des Menschen, das so flüchtig ist durch Ohnmacht und Sünde … Ich kann mich nicht lebendig begraben lassen, dazu reichen meine schwachen Kräfte nicht aus …«

Vater Polykarp erhob sich, eine Furche grub sich in seine Stirn, mit leidenschaftsloser, hart tönender Stimme sagte er, die blitzenden Augen auf den Greis gerichtet:

»Im Namen des Skimniks Simeon beschwöre ich dich, die Weihen des Skimniks zu nehmen!«

Als der Hieromonach aufgestanden war, hatte sich auch der Starez Akakij erhoben. Bei den beschwörenden Worten des schwarzen Mönchs erblaßte der Greis, sein Gesicht wurde wächsern, durchsichtig, nur seine Augen glühten einen Augenblick hell und undurchdringlich auf; dann kniete er mühsam nieder, verneigte sich vor Vater Polykarp und flüsterte kaum vernehmbar:

»Es geschehe nach deinem Worte … Amen!«

Vater Polykarp hob den Greis auf, umarmte und küßte ihn und begleitete ihn zurück in die Einsiedelei; unterwegs sagte er:

»Wer das Leben mit demütiger Liebe liebt, dem wird vieles vergeben werden … Und die Kutte des Skimniks wird nicht den Stempel der Todeswehmut auf seine Seele drücken.«

Vater Akakij antwortete keinen Ton auf alle seine Ausführungen. Vor der Tür seiner Zelle nahm er den Segen des Hieromonachen entgegen, ging schweigend ins Haus und schloß lautlos die Tür hinter sich.

Waßja empfing den Alten mit lauter Freude und redete auf ihn ein. Der Greis wehrte ihm ab und sagte leise:

»Sei still, Waßenka, sei ganz still! …«

 

In dem Nebenzimmer waren die Worte des schwarzen Mönchs und des Starez deutlich hörbar gewesen; Boris lauschte und konnte nicht begreifen, weshalb der Akademiker in den Alten drang, was er von ihm wollte. Als Vater Polykarp dann die Stimme hob und den Greis beschwor, gebieterisch und hartnäckig, hielt Boris vor Schreck den Atem an. Nachdem er die Tür leise hinter den beiden geschlossen hatte, ging er in Vater Polykarps Zelle, richtete das heilige Lämpchen und blieb sinnend vor dem Bücherschrank stehen, in dem die goldbedruckten Bücherrücken glänzten. Vater Polykarp hatte etwas Unheimliches an dem greisen Mönch getan, Boris konnte es nicht verstehen und war schmerzlich erregt.

Vater Polykarp kehrte zurück, trat ruhig ins Zimmer, erblickte Boris vor dem Bücherschrank.

»Wenn du lesen möchtest, so nimm dir heraus, was du willst; müßige Einsamkeit schädigt Seele und Geist.«

Er sah den Novizen prüfend an, bemerkte dessen verstörtes Aussehen, seinen ausweichenden Blick, und sagte:

»Was hast du? … Du hast wohl mein Gespräch mit Vater Akakij gehört und kannst nicht verstehen?«

Boris senkte den Kopf.

»Wenn sich Menschen lebendig begraben – fasse es, wer es fassen kann –, ohne aus dem Leben zu flüchten: das ist die eine Glaubenstat, die größere ist – im Leben selbst sich die Unschuld der Seele und des Leibes bewahren. Doch hier in dieser Heimstätte der Toten muß ich das Leben wecken, es schaffen, denn wenn das Keimen in der Seele aufhört, so beginnt die Zersetzung …«

Er trat auf den Novizen zu, legte ihm die Hand auf die Schulter, die wie eine schwere Bürde auf Boris lastete, so daß er Kopf und Schultern hängen ließ und sich ganz klein und nichtig und unnütz vorkam. Die Stimme des Lehrers schwoll an, wurde tief und eindringlich:

»Wenn du das Leben liebst, verlasse die Stätte der Toten, gehe ins Leben! Warum bist du hier? Warum bist du gekommen? Um vor der Versuchung zu fliehen? Doch wenn du nicht in Versuchung kommst, kannst du auch nicht Rettung finden. Nur wer der Versuchung widersteht und sich überwindet, hat gesiegt und ist geläutert. Du hast nicht widerstehen können, als die Versuchung in der Herberge an dich herantrat … Sage mir, ist es so?«

Boris schien es, als blickten die schwarzen Augen ihm prüfend bis auf den Grund der Seele. Er tat sich selbst Zwang an, eine heiße Blutwelle schoß ihm durchs Herz, halblaut sagte er:

»Sie hielt mir vor, daß ich hier zugrunde ginge, wollte mich dem Kloster entreißen, ihre Tränen erschreckten mich, ich wollte sie trösten, ihr helfen …«

»Und da konntest du nicht widerstehen – das Leben war stärker als du?«

»Nein, ich habe widerstanden … Man … wollte mein Unterliegen … wohl um meinetwillen, um mich dem Leben zurückzuführen – aber ich riß mich los und blieb fest … Das Locken des Lebens hat keine Macht über mich – ich liebte einst … bis in den Tod.«

Sich die Worte mühsam abringend, erzählte er von der Toten, davon, wie er in glühendem Glauben auf ihr Erscheinen gewartet hatte und einer Täuschung unterlegen war. Seine Augen röteten sich, wurden feucht, vor Erregung bebte seine Stimme, setzte aus, und als es ihm immer schwerer wurde, unterbrach ihn Vater Polykarp; mit klingender Stimme sprach er, den Blick der schwarzen Augen durchdringend auf den Novizen gerichtet:

»Man darf das Leben in sich nicht abtöten. Das Leben ist ein Mysterium, nicht Mystik. Es ist gesagt, laß die Toten ihre Toten begraben, du aber willst den Lebenden als Toten betrachten, willst in der Stadt der Toten lebendig begraben sein – willst es und kannst es nicht, denn deine Seele ist nicht tot, du aber vergewaltigst deine lebendige Seele.«

Der Novize sah den Lehrer verwundert an und konnte ihn nicht begreifen, wagte es nicht zu fassen, daß er, selber Mönch, der dem Leben entsagt hatte, so über das Mönchtum sprach und das Kloster die Stadt der Toten nannte. Vater Polykarp bemerkte Boris' Befremden und seine Verwirrung und fuhr fort, zu sprechen. Boris lauschte und sah nicht, wohin seine Worte führen sollten, diese Worte, die ihm so ungewöhnlich, so unfaßlich klangen … Eben erst hatte er gehört, wie der Starez Akakij sich sündig nannte, weil er das Leben liebte und nicht die Kraft habe, dem Leben zu entsagen, und Vater Polykarp, der jenem das Einverständnis abgezwungen hatte, die Weihen eines Skimniks zu nehmen, sprach jetzt von dem Recht des Lebens zu ihm! …

»Auch ich befinde mich in der Totenstadt, aber Tod ist nur da, wo Stillstand und Zersetzung eingetreten sind; solange der Mensch atmet, fühlt, denkt – lebt er. Auch unter den lebenden Toten hier muß das Leben geweckt werden, damit auch dieser Friedhof Früchte trägt. Ein Baum, der keine Früchte trägt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Wenn du dich aber vom Leben abwendest, ohne überhaupt gelebt zu haben, das Leben ablehnst, ohne es kennen gelernt und deine Kräfte entfaltet zu haben, bist du im Kloster ein Ast, der keine Früchte trägt. Sei nicht der faule Knecht, der sein Talent in der Erde vergrub – was wirst du deinem Herrn, deinem Gewissen antworten, wenn die Stunde der Abrechnung kommt? Womit willst du ins ewige Leben eingehen? Setze dich hin und höre mich an!«

Doch Boris blieb stumm am Schranke stehen; Vater Polykarp begann im Zimmer auf und ab zu gehen, und seine Hand, die so schwer auf Boris' Schulter gelastet hatte, hob und senkte sich jetzt leicht mit den Worten, die er sprach, diesen unerwartet leichten freien Worten:

»Wenn nichts in dir ist, wovon willst du dann dein Leben lang leben? Das Leben ist etwas Konkretes. Das Leben strahlt Farben, Laute, Licht aus. Was strahlt dein Leben aus? Ins Leben? In die Ewigkeit? Gedanken sind ebensolche Strahlenwellen wie das Licht. Sie füllen den Raum. Was wird einst aus deinem Wesen strahlen? Leere und Finsternis? Und später? Das ewige Leben ist das übersinnliche Leben, das, was frei wird, wenn die Haft des Körperlichen abfällt, und je freier, reicher und inniger sich dies Verinnerlichte hier in diesem Leben entfaltet hat, desto vollkommener und herrlicher wird auch jenes Leben sein, in dem sich alles Erworbene durchgeistigt, geklärt, verklärt hat. Ich denke, es ist leichter, ehrenhafter, menschenwürdiger, durch Gutes und Böses, Sturz und Wiederaufstieg, Zusammenbruch und Wiedergeburt zu gehen als in Leere und Finsternis zu fliehen. Dem Leben kann man nicht entgehen, und wenn du dir hier nicht ein Leben schaffst in Wirklichkeit und Wahrheit, wenn du, dem sinnlichen Leben entsagend, dir nicht ein Geistesleben aufbaust – was ist dann dein Leben – jetzt und einst? Ex nihilo nihil est … Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, gegen das Leben! Blinde machen sich zu Führern von Blinden! Lehnst du das Sinnenleben da draußen in der Welt ab, so schaffe dir ein Geistesleben – auch in der Welt, um des kommenden Reiches willen … Dann kannst du – einst, geprüft und geläutert – hierher zurückkehren, als Mann, der weiß, was er will und kann.«

Vater Polykarp war wieder ruhig geworden. Er gab dem Novizen die Schlüssel zu den Bücherschränken.

»Nimm und lies, fülle dein Leben aus!«

 

Aus dem Nebenzimmer klang jetzt oft das Rascheln umgeblätterter Seiten. Boris nahm erst Bücher aus der ersten Reihe, bemerkte die zweite, holte sich Bücher aus dieser, entdeckte die dritte und war erstaunt über das, was er dort fand. Wenn Vater Polykarp zurückkam und sich Bücher aus den Schränken nahm, bemerkte er die Lücken, sah, daß der Novize auch Bücher aus der dritten Reihe las – dann flog ein Lächeln über sein ernstes Gesicht.

 

Vor Vater Polykarps Eintreffen wohnten den Messen in der Kathedrale meist nur die Starezen und die Mönche höherer Weihen bei, die über der Kutte die Soutane tragen durften. Seit er da war, mußten alle Mönche und Novizen den Andachten beiwohnen. Drei der Starezen waren Skimniki geworden, die bei allen Messen zugegen sein und ununterbrochen die Seelenmessenregister lesen mußten. Ein Skimnik stand den ganzen Tag über rechts an der Säule neben dem Altar und las leise, im Flüsterton, ohne die Stirn zu heben, ununterbrochen Psalmen, nach jedem Psalm einen anderen Namen aus dem Register nennend.

Die Wallfahrer blickten erschauernd auf die Skimniki in ihren schwarzen spitzen Mützen, auf die aus weißer Leinewand geformten Totenknochen und Schädel, die auf ihren Kutten aufgenäht waren, und fürchteten sich, wenn sie einen Skimnik trafen, der in die Einsiedelei zurückkehrte oder von dort in die Kirche ging, sich ihm zu nähern. Der psalmierende Skimnik am Altar wurde von Zeit zu Zeit von einem andern abgelöst. Durch das unbewegliche Stehen schmerzten den alten Mönchen die Beine; wenn sie das Kreuz schlugen, schaukelte ihr Körper unwillkürlich; die einzige Erholung war das Niederknien zur tiefen Verneigung.

Auch an der Grabstätte des Klostergründers wurden ununterbrochen Seelenmessen zelebriert, und die alten Soutanenträger lasen Psalmen. In der dunklen unterirdischen Kapelle glommen heilige Lämpchen, ein beständig anwesender Novize gab acht auf die Lämpchen, die Kerzen, schwenkte die Weihrauchlampe und sang mit zwei anderen Novizen während der Messen mit müder Stimme das »ewige Seelenheil« … Am Eingang zur unterirdischen Kapelle und in der neuen Kathedrale an der Wand hinter dem Wachskerzenstand saß je ein Mönch und schrieb mit Gänsekiel und Eichentinte für die Wallfahrer auf Weihbrötchen Namen – zum Seelenheil oder zur Genesung der Betreffenden.

Im Herbst und Winter, wenn keine Wallfahrer da waren, wurde die Zahl der Gottesdienste und Seelenmessen eingeschränkt.

Das Leben der Bruderschaft wickelte sich jetzt zum größten Teil in den Zellen ab, wohin Laien nur schwer Zutritt hatten, und war dadurch den Blicken der Welt entzogen.

 

Zu Anfang des Winters reiste Vater Polykarp zum Bischof und blieb bis zum Frühjahr fort; dem Abt hatte er eingeschärft, die strenge Ordnung aufrechtzuerhalten und für jede Verletzung der Vorschriften die Schuldigen mit schwerer Kirchenbuße zu strafen.

 

Während der großen Fasten strömten Pilger und Wallfahrer wieder ins Kloster, und allmählich verbreitete sich im Lande die Kunde von der großen Strenge des Abtes, der Mönche, von den endlosen Gottesdiensten im Kloster Belobereshsk. Die Mönche, die während der vielen Messen in schwarzen Reihen betend an den Kirchenwänden standen, schmuggelten des Abends wieder Schnaps in die Zellen, jedoch mit solcher Vorsicht, daß es niemandem von den Wallfahrern in den Sinn kam, daß in dem strengen Kloster, dessen Mönche infolge der nächtlichen Gebetsübungen schwarze Kreise unter den Augen hatten, das Laster nisten könne. Die Bruderschaft wagte nicht zu murren, denn wer seine Unzufriedenheit durchblicken ließ, lief Gefahr, daß der Abt es erfahre; dienstbeflissene Angeber schlüpften durch den hinteren Eingang in die Abtei und hinterbrachten Vater Gerwaßij, wer von den Mönchen murre.

Vater Polykarp wurde schon lange zurückerwartet; es hieß, er befinde sich gar nicht mehr beim Bischof Ioßaf, sondern sei nach Petersburg zum heiligen Synod gereist, ja man wollte sogar wissen, daß er dem Zaren selbst Bericht erstattet habe; das sei der eigentliche Grund seiner Abberufung gewesen, nun könne die Heiligsprechung gewiß nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Ganz plötzlich kehrte der schwarze Mönch zurück. Gespannt wartete man auf die Neuigkeiten, die er mitbringe, aber statt irgendwelche Mitteilungen zu machen, zog sich Vater Polykarp in seine Zelle zurück und ließ sich mehrere Tage nicht blicken. Boris holte für ihn und sich das Mittagessen aus dem Speisesaal, und Paißij, der Vater Haushälter, vom Abt heimlich dazu veranlaßt, suchte ihn durch reichliche Portionen zu gewinnen, um ihn auszufragen.

»Ich kann den Schwarzen nicht gut fragen, Vater Paißij, er spricht niemals mit mir, befiehlt nur.«

Vater Paißij selbst verabreichte Boris das Mittagessen, sorgte dafür, daß die Suppe recht dick sei, suchte möglichst weiße Fischstücke aus dem großen Kessel herauszuangeln und goß reichlich zerlassene Butter auf die Grütze. Freundlich begleitete er Boris bis an die Tür, lächelte treuherzig in den Bart, erkundigte sich nach dem Befinden des Akademikers.

»Lange war er abwesend, sehr lange … wird wohl viel zu tun gehabt haben – alles muß ja vorbereitet werden … Jetzt dauert's wohl nicht mehr lange? …«

Boris ging schweigend davon, und Vater Paißij flüsterte dem Abt vor Beginn der Mahlzeit ein bißchen heimtückisch zu:

»Nichts aus ihm herauszubekommen … Der ist Ihres flachsblonden Kostjas würdig: ›Ich war nicht dabei … Ich weiß von nichts … Fragen Sie den Vater Abt selbst‹ …«

Nikolka hob abwehrend die Hand.

 

Einige Tage nach seiner Rückkehr ließ Vater Polykarp den Abt zu sich kommen und fragte ihn, wer von den Mönchen während seiner Abwesenheit ungehorsam gewesen sei und die Klosterregel verletzt habe.

»Alle, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen, sind in andere Klöster zu versetzen, Vater Abt. Unser Kloster wird in Bälde Staatskloster werden, dann sind gar zu viel Mönche unerwünscht – nur die würdigsten dürfen bleiben …«

Alle jüngeren Mönche und insbesondere die Novizen, die sich mißbeliebt gemacht hatten, die unzufriedenen, streitsüchtigen, jene, die sich abfällig über den Abt oder Vater Polykarp geäußert hatten, wurden unauffällig in andere Klöster abgeschoben. Mißmutig, das Säckchen über der Schulter, auf das Kloster, das warme eingesessene Nest, im Fortgehen böse Blicke werfend, zogen sie in die Fremde. Die Zurückbleibenden waren eingeschüchtert und vermieden es, in ihren Zellen in größerer Zahl zusammenzukommen, ein Wort der Mißbilligung zu äußern und belauerten einander argwöhnisch. Gespannt wurde die Frage erörtert, wie die Dinge sich gestalten würden, wenn das Kloster zum Staatskloster erklärt wäre, wer Gehalt empfangen und wie hoch dieses bemessen sein würde; man beneidete die Hieromonachen und Hierodiakone, die höhere Gehälter beziehen würden, wie auch alle jene, die Sonderarbeiten verrichteten – in der großen Einsiedelei, in der kleinen des Starez Akakij, die Wasserträger, jene, die ständigen Dienst an der Grabstätte des Klostergründers hatten, die den Verkauf der Wachskerzen besorgten …

 

Gegen Ende des Sommers wurde der Glockenturm geweißt, die Wände des Speisesaals, die Kirchendächer neu gestrichen und verziert. Die arbeitenden Mönche auf den Gerüsten flüsterten:

»Jetzt muß es bald kommen; sie lassen schon alles instand setzen …«

»Gott gebe es; es wird allmählich Zeit …«

Vater Polykarp besichtigte mit dem Abt eingehend das Kloster. Vor der alten Kathedrale blieb er stehen und fragte Vater Gerwaßij, wann die Kathedrale gebaut, wann sie zum letzten Male instand gesetzt worden sei, betrachtete prüfend die Ecke, unter der in der Kellerkapelle der Starez Simeon ruhte, und bemerkte plötzlich beunruhigt, ihm scheine, daß sich die Ecke über dem Fundament bedenklich verschoben habe.

»Es könnte am Ende noch ein Unglück geben, die Mauer könnte einstürzen, da sei Gott vor! … Das muß unverzüglich in Ordnung gebracht werden …«

Auch der Abt sah es jetzt ganz deutlich. Seltsam, all die Jahre hatte er nichts bemerkt, und nun schien ihm die Sache so bedenklich, daß er erschrocken beiseite trat, als fürchtete er, die Mauer über ihm könnte einbrechen und ihn unter den Trümmern begraben.

»Wie habe ich das nicht früher bemerkt! Unten, in dieser Ecke, liegt ja die Grabstätte des Starez Simeon … Früher wurden in der unterirdischen Kapelle keine Andachten gehalten, erst während der letzten drei Jahre haben wir damit begonnen …«

»Vielleicht haben sich die Mauern infolge der Wärme gesenkt und Risse bekommen …«

Gelernte Maurer wurden eingestellt, die zusammen mit den Mönchen und Novizen die Mauern an der gefährdeten Stelle abtrugen. Die Andachten und Seelenmessen am Grabe des Starez wurden einstweilen eingestellt.

Die großen, wuchtigen Ziegel altertümlicher Prägung wurden behutsam aus dem Mauerwerk gelöst und in Stapeln aufgestellt, während die Maurer auf Vater Polykarps Befehl immer weiter in die Tiefe drangen. Die Mönche wußten, daß an dieser Stelle der Starez ruhen sollte; Kelle und Spaten drangen vorsichtig in den hier sandig werdenden Boden, weiße Klumpen zutage fördernd, die an der Sonne zerfielen. Jeder hoffte insgeheim, er würde der erste sein, der auf den Sarg des Starez stieß. Niemand sprach davon, doch alles hielt den Atem an; Angst und Bangen wurden durch die Neugier, wenigstens den Sarg des Starez zu Gesicht zu bekommen, verdrängt. Vater Polykarps Blicke durchforschten aufmerksam den Sand, verfolgten gespannt jeden Spatenstich. Auch der Abt war zugegen, wartete ebenso gespannt und wandte sich besorgt an Vater Polykarp, der schwieg und aufmerksam zuschaute. Und im gleichen Augenblick, als Glockengeläut zum Mittagsmahle rief, legte ein Spatenstich mit knirschendem Aufschlag eine Ecke des Eichensarges frei. Der Mönch, der den Spaten geführt hatte, wich erschrocken zurück und blickte Vater Polykarp schweigend, in stummem Erschauern an; er konnte vor Schreck nicht sprechen, es hatte ihm den Atem verschlagen. Vater Polykarp verstand ohne Worte, stieg schnell in die Grube hinab, rief:

»Halt! … Der Sarg des Starez!«

Die Arbeit wurde eingestellt; zum Mittagsmahl erschien die ganze Bruderschaft bis auf den letzten Mann im Speisesaal. Ein Geflüster wogte durch den Raum:

»Der Sarg des Starez ist entdeckt! Alle haben es gesehen, der Gelehrte hat es bestätigt … Der Sarg ist wie neu, trotzdem er jahrhundertelang in der Erde ruht. Ein Gotteswunder! Fürwahr, der Starez ist ein Heiliger! …«

Die Bruderschaft starrte in andächtigem Entsetzen auf den schwarzen Mönch, der neben dem Abte saß. Vater Gerwaßijs Augen strahlten vor Seligkeit, seine Stimme versagte beim Sprechen – er wäre gern in die Mitte des Speisesaals getreten, um es hinauszuschreien in alle Welt: Die Reliquien, die unversehrten Reliquien des Starez Simeon sind entdeckt! – dann wäre er wohl wieder ruhig geworden und seine Stimme hätte nicht mehr gebebt.

Als das Mahl beendet war, neigte sich der schwarze Mönch zum Abt hinab und flüsterte ihm ein paar Worte zu. Alles hielt den Atem an und blickte erwartungsvoll auf die beiden. Der Abt stand strahlend auf, das silberne Glöckchen erklang in seiner Hand; alles verstummte.

»Väter und Brüder, als die Klosterglocke zum Mahle rief, erblickten wir den Sarg unseres Starez, des Klostergründers, den Sarg des Hieromonachen Simeon …«

Nikolka schien es, als schrie er die freudige Botschaft in den Saal hinein, während alle Anwesenden gespannt den Hals reckten, um ja nur keines der in halbem Flüsterton hervorgebrachten Worte des Abts zu verlieren.

Der Bruderschaft bemächtigte sich eine ungeheure Erregung; ein lautes Stimmengewirr erhob sich; hastig wurde das Dankgebet heruntergesungen. Dann begann aufs neue das aufgeregte Getuschel und Gerede – eine Seelenmesse und eine Danksagungsmesse müßten zelebriert werden, meinten viele. Schwer und langsam, mit rollendem Glockenschlag erklang die große Klosterglocke, silbernen Widerhall im Walde weckend. In der neuen Kathedrale wurden Kerzen, rote und grüne, angezündet. Paarweise traten die Hieromonachen aus dem Altar, im Kreise umringte sie der rechte und linke Chor.

An das Grab des Starez wurde niemand gelassen, damit Schutt und Sand nicht in die Grube falle; trotzdem drängten sich Mönche und Wallfahrer bis zum Abend um jene Stelle und starrten in das dunkle Loch, und viele behaupteten, sie sähen ihn, sie sähen ihn …

 

Vater Polykarp schickte den Abt in die Stadt zum Bischof Ioßaf, dem er nur einige Worte sagen sollte:

»Bei Vornahme von Instandsetzungsarbeiten an der alten Kirche ist der Sarg des Starez Simeon entdeckt worden.«

Nicht als der flüchtige Mönch, der der kleinen Fenja nachsetzte, sondern als Abt, feierlich und frohlockend, in der zweiten Klasse, fuhr Nikolka diesmal in die Gouvernementsstadt. Jedem hätte er gern gesagt, daß er, Nikolai Predtetschin, einst Vorsänger im Bischofschor, durchgefallener Priester, nun daran war, die Reliquien eines Heiligen zu entdecken! Berühmt werde sein Name werden! … Des Bahnhofs erinnerte er sich gut, und als er durch die Vorstadt fuhr, meinte er auch das Häuschen wiederzuerkennen, in dem er damals mit Afonka abgestiegen war. Doch er hatte Eile, zum Bewahrer der Kirchengeräte zu kommen, und hieß den Droschkenkutscher schneller fahren.

 

Als der Abt zurückkehrte, war die ausgenommene Ecke der alten Kathedrale in aller Hast wieder vermauert und zementiert worden. Um den Sarg frei zu lassen, hatte man die Grube im Innern nicht wieder ausgefüllt; Sand und Schutt hatten die Mönche in Schubkarren an das Flußufer geschafft.

Wieder glommen in der unterirdischen Kapelle Lämpchen und Kerzen, und ununterbrochen wurden Seelenmessen zelebriert.

Der Abt übergab dem schwarzen Mönch ein Schreiben des Bischofs, berichtete von ihrer Besprechung und begab sich feierlich in die Abtei.

Nikolka hatte von Vater Polykarp schweigen gelernt, war ebenso unnahbar geworden wie dieser und suchte, es ihm in allem nachzutun. Der wortkarge Kostja allein hörte, wie er des Abends in seinem Zimmer ruhelos auf und ab wanderte und laut mit sich selbst sprach.

Die Mönche, von Neugier geplagt, setzten Kostja zu.

»Was hat er gesagt? Er hat doch bestimmt etwas gesagt, als er von Seiner Eminenz zurückkehrte?«

Kostja antwortete eintönig, ohne auch nur mit den weißlichen Brauen zu zucken:

»Ich habe nichts gehört … Fragen Sie den Vater Abt selber …«

Damit wandte er sich ab und schritt davon.

»Der hat kein bißchen Gefühl im Leibe, so'n herzloser Bursche!«

 

Im Herbst, als Nebelschwaden um die Klostermauern wallten und es im Walde scharf nach Moder roch, wurde befohlen, die neue Herberge zum Empfang der geistlichen Würdenträger herzurichten. Novizen scheuerten und wischten die Fußböden, wuschen und putzten Fenster und Türen, legten in den Gängen weiße Leinwandläufer, heizten die Öfen; aus der Küche stieg Fischdampf auf.

Zum Bahnhof begaben sich der Abt und Vater Polykarp.

Der Bischof Ioßaf traf als erster ein. Er segnete den Abt und sagte:

»Ihnen ist ein großes Glück beschert worden, Vater Gerwaßij!«

»Ein unsagbar großes Glück, Eminenz …«

In der neuen Kathedrale stand, vor Müdigkeit leise schaukelnd, weiße Gebeine und Schädel auf die Kutte genäht, mit seinem schlohweißen, langen, handtuchförmigen Bart Vater Akakij und hob den Blick nicht vom Psalter und Seelmessenregister. Seine Stimme, matt geworden, war nur ein halblautes Flüstern. Die Mönche standen gleich schwarzen Schatten an den Wänden, schweigend, reglos; wenn sie hinausgingen, traten andere an ihre Stelle. Aus der Kuppel tönte Vater Akakijs Geflüster hohl zurück. An der Altarpforte glomm vor dem wundertätigen Heiligenbild trübe ein heiliges Lämpchen. Die schweigende, gespannte Erwartung von etwas Außerordentlichem, geheimnisvoll Unheimlichem lag in der Luft. Bischof Ioßaf trat ein, kniete vor dem Heiligenbild nieder, verneigte sich und ging stumm wieder hinaus; Vater Polykarp schritt hinter ihm als schwarzer Schatten einher. Mit dem Morgen- und Mittagszuge wurden vier weitere Bischöfe erwartet.

In der unterirdischen Kapelle der alten Kathedrale entfernten die alten Mönche aus der Einsiedelei schweigend, bei Kerzenschein, die gußeisernen Bodenfließen. Dann stachen die Spaten knirschend in den feuchten Sand. Vater Polykarp tauchte von Zeit zu Zeit auf und sah zu. Der Sand wurde in dünnen Schichten ausgehoben, langsam und feierlich. Am Abend verschloß der schwarze Mönch eigenhändig die Kathedrale und schritt, mit den schweren, altertümlichen Schlüsseln rasselnd, nach der neuen Herberge.

Zusammen mit den vier Bischöfen trafen drei Mönche ein; den Bischof Irinej begleitete ein untersetzter, breitschultriger junger Archimandrit mit wehendem Haar, der Akademiker Vater Smaragd, einen der anderen Bischöfe der unscheinbare, magere, schweigsame Vater Kornilij und ein mittelgroßer, rotblonder Mönch von ganz gewöhnlichem Aussehen mit goldener Brille, der Hieromonach Xenophont. Über Vater Xenophonts Gesicht verbreitete sich ein freudiges, strahlendes Lächeln, sobald er in weichem, fast tonlosem Tenor lebhaft und freundlich zu sprechen begann; sein ganzes Gesicht schien zu lächeln, und man hatte den Eindruck, daß er gleich in ein sorglos heiteres Lachen ausbrechen würde, offen und herzlich, wie meist nur ein Russe lacht; betrachtete man dabei aber seine stahlharten, fast farblosen Augen, so sah man, daß sie kalt und stumm blieben und, während das ganze Gesicht lächelte, unter den zusammengekniffenen Lidern reglos erstarrten – bloß die goldene Brilleneinfassung, die Brillengläser und das ganze Gesicht rundum lächelten, und wenn man nicht sehr scharf hinblickte, sah man die Augen überhaupt nicht, denn sobald der Hieromonach Xenophont zu lächeln anfing, fing er auch an, lebhaft zu sprechen und zu gestikulieren, wobei er sich sogar zu scherzen erlaubte, und auch seine Scherze klangen ungemein treuherzig und gutmütig, als wollte er sagen: »Meine Herrschaften, ich kann nun einmal nicht anders, so bin ich nun einmal, und ihr werdet mich nicht ändern – ich stehe da vor euch offen und harmlos, ein echter Russe, ihr könnt mir stracks in Herz und Seele hineinblicken!«

Als der rotblonde Xenophont Vater Polykarp erblickte, brach er in ungestüme Freude aus, stürzte auf ihn zu, nannte ihn bei seinem Laiennamen – Andrej Lasarew – und fügte bei jedem zweiten Wort hinzu: »Lieber Freund, mein Teurer«.

»Ah, Lasarew! Liebster Freund! Welch freudiges Wiedersehen, mein Teurer! Wie geht's, wie steht's?! …«

Vater Polykarp antwortete trocken und mißmutig, trotzdem sie Kollegen von der Akademie her waren:

»Wie immer.«

»Das klingt so wenig herzlich, mein Teurer! Bist du am Ende böse auf mich? … Ich komme wieder auf längere Zeit zu dir, wie das vorige Mal … Ich habe dich so gern, lieber Freund …«

Die Bruderschaft wartete gespannt auf den großen Augenblick, überzeugt, daß alle Augenzeugen des großen Mysteriums sein dürften. Doch als die Dämmerung herabsank, wurde die Anordnung erlassen, die Mönche möchten sich still und ruhig in ihre Zellen zurückziehen, um die geistlichen Würdenträger in dem weihevollen Augenblick nicht zu stören.

Vater Polykarp schloß im Beisein des Abtes die alte Kathedrale auf und ging den Kirchenfürsten und ihrem Gefolge entgegen, während der Abt sie an der Kirchentür erwartete. Hinter den Eintretenden fiel knirschend die schwere altertümliche Eisentür ins Schloß, und in der unterirdischen Kapelle flammten trübe Kerzen auf, und schwarze Schatten senkten und hoben sich über der Gruft des Starez.

Auch über den Klosterhof huschten schwarze Schatten, die aus den Zellen geschlüpft waren und unter dem Schutz eines feinen Sprühregens von ferne dahin spähten, wo das große Mysterium vor sich ging – näher heranzutreten wagten die Mönche nicht. Flüsterworte wurden gewechselt, trotzdem in der Dunkelheit nicht zu erkennen war, an wen sie gerichtet waren. Und als der Kerzenschein oben in der Kathedrale erschimmerte und schwarze Schatten im Innern der Kirche auftauchten, ging ein tiefer Seufzer der Erlösung durch das ganze Kloster, und es war, als hätten ihn nicht die verborgenen schattenhaften Gestalten auf dem Klosterhof ausgestoßen, sondern die Zellen, die Klostermauern und der dunkle Wald.

Unerwartet knirschte die Flügeltür der alten Kathedrale, und durch die Dunkelheit klang ein hoher Tenor, ungestüm und empört.

»Ich kann die Unversehrtheit nicht anerkennen, ich kann es nicht!«

Die leise Stimme des hohen schwarzen Mönches flüsterte scharf und durchdringend:

»Kehren Sie zurück, Eminenz! Stören Sie nicht die Weihe des Mysteriums.«

Und aufs neue erscholl der hohe Tenor:

»Aber es ist doch keine Spur von Unversehrtheit vorhanden – ein Büschel Haare und ein paar halb vermoderte Knochen, das ist alles!«

»Eure Eminenz, die rechtgläubige Kirche braucht keine Beweise! Sie beruht auf dem Glauben, Eminenz!«

Die beiden dunklen Gestalten blieben stehen, eine dritte trat zu ihnen – der Archimandrit Smaragd.

Vater Polykarp sagte aufs neue:

»Kehren Sie zurück, Eminenz!«

Der Kopf des Bischofs Irinej wandte sich dem Sprechenden zu; er mußte ihn wohl in der Dunkelheit scharf und prüfend ansehen, als er, fast laut, sagte:

»Sie, Polykarp, tun auch das wohl um des kommenden Reiches willen?«

Seine Stimme war streng und zornig und schwoll zu einem Drohen an, als er hervorstieß:

»Sie wollen wohl, Blinde sollen Blinde führen!«

Dann klang seine Stimme wieder in hohem Tenor:

»Es genügt, daß man die Anna von Kaschinsk neu entdeckt hat! Jetzt wollen Sie auch noch die Geschichte mit Serafim von Sarowsk wiederholen?! Nein, diesmal decke ich die Kanonisierung nicht mit meinem Namen – genug der Schmach! Lassen Sie mich, gehen Sie hin und bauen Sie an Ihrem kommenden Reich!«

Vor der heiligen Pforte sagte Vater Polykarp zum letzten Male:

»Kehren Sie zurück, Eminenz!«

Der hohe Tenor des Bischofs Irinej schlug vor Erregung um, flüsternd stieß er hervor:

»Um dieses kommenden Reiches willen?!«

Trocken und ruhig sagte der schwarze Mönch, stahlhart klang seine Stimme:

»Ja, um des kommenden Reiches willen, Eminenz!«

Schweigend traten sie in die neue Herberge; Bischof Irinej zog sich, ohne sich zu verabschieden, von dem Archimandriten Smaragd gefolgt, in sein Zimmer zurück. Vater Polykarp rief den Herbergsvater Mißail herbei und befahl:

»Zum Frühzug morgen den Wagen für Seine Eminenz den Bischof Irinej.«

Er kehrte ins Kloster zurück; an der heiligen Pforte verneigte sich eine schwarze Mönchsgestalt vor ihm; es war der Pförtner Vater Awraamij. Der Schwarze wandte den Kopf nach ihm und schritt schweigend weiter.

Vater Polykarp zog die altertümliche Eisentür der alten Kathedrale hinter sich zu; knirschend schnappte das Schloß.

In äußerster Verwirrung, verstört und empört, zog sich die Bruderschaft in ihre Zellen zurück. Nur Waßja der Blöde, die Arme zum Himmel emporgestreckt, mit Augen, die vor Spannung und Erwartung irr blickten, verbarg sich hinter einer Säule der Abtei und murmelte vor sich hin, den Blick auf die schwarzen, durcheinanderwogenden Schatten in den erleuchteten Fenstern der alten Kathedrale gerichtet.

 


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