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Nach einigen Tagen fühlte sich Barmanskij durch die Mönche und das Kloster gelangweilt; all sein Sinnen und Trachten war jetzt darauf gerichtet, auf dem Vorwerk ein Picknick zu veranstalten. Um den Abt nicht mißtrauisch zu machen, bat er ihn mehrmals um den großen Wagen und fuhr mit den Damen in die Umgegend, unter anderem nach dem sogenannten Burghof, den verfallenen Überresten eines ehemaligen befestigten Räubernestes im Walde. Begeistert berichtete er dem Fürsten und dem Bischof: »Sie müssen unbedingt auch hinfahren, Fürst, und auch Sie, Eminenz. Welch ein herrlicher Wald! Man meint, jeden Augenblick müßten Räuber mit Geschrei und Gejohle keulenschwingend aus dem Dickicht hervorbrechen! Schön und unheimlich ist der Ort. Wie viele Gedanken, romantische Erinnerungen kommen einem an alte Zeiten, vergangenes Leben und Treiben … Alles ist dort voll Poesie …«

Bischof Ioßaf und Fürst Rjasnoi willigten ein, hinzufahren.

Der Abt und der Bischof fuhren in einem kleinen Wagen, der Fürst, Barmanskij und die Damen folgten im großen. Man hatte allerlei kalten Imbiß mitgenommen, auf dem Burghof wurde Tee getrunken. Der flachsblonde Dienstbruder des Abts fachte den Samowar, der mit Tannenzapfen geheizt wurde, mit einem umgestülpten Stiefel an, entzündete ein Feuer aus trockenem Moos, um die Mücken fernzuhalten, lief an den Fluß, die Sneshit, nach Wasser.

Ioßaf scherzte liebenswürdig mit den Damen, Frau Kostizina kokettierte mit ihm, die Prinzessin behauptete, auf Wera Alexejewna eifersüchtig zu sein, und der Fürst machte Barmanskij lachend Vorwürfe darüber, daß er den Clown spiele und sich in Gegenwart Seiner Eminenz und des Abtes unangebrachte Witzeleien erlaube.

Nikolka erzählte eine alte Überlieferung von dem Starez Simeon, der einst auf diesem Burghof inmitten des finsteren Urwaldes Räuberhauptmann gewesen war:

»Einst ging der Starez Simeon, der Anführer der Räuber, hinaus auf die große Landstraße und legte sich in den Hinterhalt unter eine Brücke. Kaufleute von Übersee fuhren dröhnend über die Brücke. Ein Pfiff – und seine Gefährten stürzten aus dem Walde, die unschuldigen Menschen wurden niedergemacht und die Beute in den Wald geschleppt. Als letzter machte sich der Anführer auf den Heimweg, verirrte sich aber in der Dunkelheit. Nach einer Weile erblickte er den Schein eines Lagerfeuers, also saßen dort wohl seine Gefährten und verteilten die Beute. Er ging auf das Feuer zu. Das war doch der Burghof? … Aber seine Kameraden hatten sonderbar verklärte Gesichter, wie Engel, und an seinem, des Anführers Platz, saß eine Frau von wunderbarer Schönheit mit einem Kinde auf den Armen, das sie an die Brust gedrückt hielt. Er ging geradeswegs auf sie zu. ›Woher kommst du, Schöne?‹ fragte er. Sie schwieg; auch seine Gefährten blieben stumm. ›Du gefällst mir,‹ fuhr er fort; ›du sollst meine Herzenskönigin sein.‹ Damit trat er auf sie zu. Sie aber drückte das Kind noch fester an ihre Brust, sah ihn streng an, sagte: ›Ich kenne dich nicht, Bösewicht …‹' ›Ich habe dich liebgewonnen,‹ antwortete er, ›und für dein unerschrockenes Wort will ich dich kräftig abküssen …‹ Er beugte sich zu ihr hinab. Da hob sich ihre Hand aus dem Brokatgewand, streckte sich ihm entgegen. Er fiel wie tot nieder … Als er wieder zu sich kam, waren seine Gefährten und die wunderbare Frau nicht mehr da. An dem Stein aber, auf dem sie gesessen hatte, lehnte das Bild der Gottesmutter. Er tat Buße, sank weinend auf die Knie, wollte aufstehen, da hob sich wieder ihre Hand, und wieder fiel er wie tot zu Boden. Gleichsam wie aus Traumesferne hörte er eine Frauenstimme sagen: ›Tue Buße, Gottesleugner. Nimm die Weihen … Gründe ein Kloster der Demut …‹ Er tat Buße, lag Tag und Nacht vor dem Bilde der Gottesmutter auf den Knien; nach jeder Nacht trat er auf das Bild zu, und jedesmal streckte sie ihre Hand ihm zürnend entgegen. Am vierzigsten Tage aber wies ihn das wunderbare Bild nicht mehr zurück; er hob es empor, küßte das heilige Gewand der Gottesmutter und stellte das Bild wieder auf den Stein … Seine Gefährten aber wurden in derselben Nacht von Peters Soldaten an Fichten aufgehängt. Allein der Starez war auf solch wunderbare Weise dem Strafgericht entkommen. Er baute Zellen, sammelte eine Bruderschaft um sich; Glockengeläut zog zu Ehren der heiligen Jungfrau durch den Wald … Der Ruhm des Klosters verbreitete sich im Lande, die Menschen strömten herbei, um sich vor dem wunderbaren Heiligenbilde der Gottesmutter zu verneigen. Einmal kam auch der Heerführer. Als er den Starez Simeon erblickte, sagte er: ›Du allein fehltest mir noch …‹ Der Starez wurde in Ketten geworfen, auf einen Bauernwagen gesetzt, angeschmiedet und als Verbrecher nach Petersburg geschafft. Hier warf man ihn ins Gefängnis. Zar Peter kam selbst, um ihn zu verhören. Der Starez gestand und erzählte alles. ›Morgen wirst du hingerichtet‹, sagte der Zar. Als aber der Morgen graute, kam er wieder hin, öffnete die Türen des Verlieses und führte den Starez hinaus. Er gab ihm einen Freibrief auf das Kloster, auf das Land, die umliegenden Dörfer, und sagte: ›Du warst ein Menschenfänger auf der Landstraße des Zaren, nun sei ein Seelenfänger an heiliger Stätte.‹ Er ließ den Starez zum Hieromonachen erheben. Denn Peter hatte in der Nacht ein Gesicht gehabt: Die Gottesmutter war ihm erschienen und hatte dem Zaren befohlen, dem Sünder zu vergeben … Mit Ruhm bedeckt kehrte der Starez ins Kloster zurück. Die Mönche erwarteten voll Unruhe den Klostergründer, hatten all die Tage und Nächte in Gebet und Fasten verbracht, Freude herrschte im Kloster, als der Starez zurückkehrte. Eine feierliche Dankesmesse wurde zelebriert, die Mönche hielten brennende Kerzen in der Hand. Der Starez verneigte sich vor dem wunderbaren Bilde der Gottesmutter und wurde zum größeren Ruhme des Kloster ein Skimnik … Ein Wunder war nach Gottes Ratschluß an ihm vollbracht worden, und nun wirkt er selbst Wunder …«

Gerührt hatte der Bischof der Überlieferung gelauscht; als der Abt verstummte, machte Ioßaf einen tiefen Atemzug und sagte nachdenklich:

»Auch mich hat der Herr in Ihr Kloster geführt, auf daß ich dem Kloster im Namen des heiligen Starez Simeon diene und voll Demut seinen Namen in ganz Rußland verherrliche. Ich nehme den frommen Dienst freudig auf mich und will mein Möglichstes tun und bitten, wo und bei wem ich es immer tun kann …«

Nikolka blickte nach diesen Worten des Bischofs ganz verklärt.

Nur Barmanskij sah den Abt verschmitzt von der Seite an und dachte bei sich, Vater Gerwaßij sei fürwahr ein Allerweltskerl, der Heilige entdecke, Legenden erzähle, Frauen in sich verliebt mache, mit schönen Damen Boot fahre und auf dem Vorwerk sich ein Idyll geschaffen habe.

Nikolka warf Frau Kostizina verstohlene Blicke zu und biß sich vor Ärger darüber, daß ihm die Eroberung im Walde nicht gelungen war, auf die Lippen. Zuweilen sah er ihr bittend und erwartungsvoll in die Augen, und Wera Alexejewna lächelte ihm zu, lockend und verheißend, um Barmanskij zu necken. Barmanskij machte ihr erfolglos den Hof und sagte schließlich sarkastisch:

»Bei Ihnen scheinen nur Mönche Erfolg zu haben, Wera Alexejewna …«

Ein Wurm nagte an seinem Herzen; er wollte sich an Frau Kostizina ihrer Unnahbarkeit wegen rächen und sich über den Abt lustig machen. Er warf Vater Gerwaßij und Frau Kostizina hinter seinem Klemmer hervor lächelnde Blicke zu, während er davon sprach, wie schön und still und einsam es im Klosterwalde am See sei, wie würzig die Luft, wie weich das Moos … Nikolka verstand die Anspielung auf seine Bootfahrt mit Wera Alexejewna, verstummte, senkte schließlich die Augen. Barmanskij wandte sich lebhaft, als sei ihm plötzlich etwas eingefallen, an die ganze Gesellschaft, insbesondere aber an den Bischof mit den Worten:

»Eure Eminenz, waren Sie noch nicht auf dem Vorwerk? Es ist das schönste Plätzchen in der ganzen Umgegend! Das reine Bethlehem. So still, so idyllisch. Wir müssen alle hinfahren, meine Herrschaften. Wir kochen uns dort selbst Grütze und trinken Milch. Ich war vor kurzem da, hatte Durst bekommen und habe auf dem Vorwerk Milch getrunken …«

Nikolka zuckte zusammen; auf dem Vorwerk war Barmanskij gewesen! Bestimmt hatte er Arischa, vielleicht auch das Kind gesehen! Vor Schreck wurde er sogar rot und suchte die Gesellschaft von dem Plan abzubringen; es sei zu weit zum Vorwerk, meinte er. Barmanskij bemerkte sofort, daß er ins Schwarze getroffen hatte, und bestand hartnäckig auf dem Ausflug. Frau Kostizina spürte instinktiv, daß zwischen den beiden ein Kampf stattfand, und spitzte die Ohren.

Der Bischof teilte seinen Entscheid mit:

»Ich will auf das Vorwerk fahren. Ich habe Vater Gerwaßijs Kloster so liebgewonnen, daß ich mir all die schönen Orte ansehen möchte …«

Dem Abt blieb nichts anderes übrig, als sich über die Absicht des Bischofs erfreut zu zeigen, der nach zwei Tagen abreisen wollte. Ganz verstört fühlte sich Abt Gerwaßij, betreten sah er Frau Kostizina an, deren Blick ihm zu antworten schien: Ich verstehe nicht, was vorgeht …

Am Abend hielt Bischof Ioßaf den Abt bei sich zurück und begann ein umständliches Gespräch über die Reliquie, Er versprach, gleich im Herbst nach Petersburg zu reisen und beim Heiligen Synod und bei Hofe alles nur Mögliche zu tun, um die Heiligsprechung durchzusetzen.

»Ich werde Ihnen einen in diesen Dingen erfahrenen Lehrmeister senden, der Ihnen die nötigen Anweisungen geben und das Kloster und die Bruderschaft zu der Feier vorbereiten wird. Einen Akademiker will ich Ihnen schicken, denselben, der bei der Kanonisierung in Sarow gewirkt hat …«

Darauf bedankte sich Ioßaf für das Versprechen des Abts, den bischöflichen Haushalt durch Geldspenden zu unterstützen, und bat Vater Gerwaßij schließlich, er möchte den Bewahrer der Kirchengeräte mit seiner Frau und den Protodiakonus zum morgigen Ausflug nach dem Vorwerk einladen.

Nikolka brannte der Boden unter den Füßen; er wollte auf das Vorwerk eilen, um Arischa vorzubereiten, oder sie zusammen mit dem Kinde, zum mindesten aber das Kind auf einen Tag ins Dorf zu schicken. Sonst könnten für ihn große Unannehmlichkeiten entstehen, vor allem aber würde der Bischof Vertrauen und Achtung vor ihm verlieren … Er ging in die Herberge zu dem Bewahrer der Kirchengeräte.

Die Geistlichkeit spielte Hazard – »Stukolka« –; Vater Gerwaßij sah eine Weile zu, dann überredete ihn der Bewahrer der Kirchengeräte mitzuspielen.

»Für einen Mönch geziemt sich das nicht, Vater Wassilij …«

»Vater Abt, es ist ein geistliches Spiel, das die Geistlichkeit mit Vorliebe spielt, und Sie sind doch auch aus geistlichem Stande, da dürfen Sie es schon einmal versuchen.«

Nikolka wollte dem einflußreichen Manne die Bitte nicht abschlagen.

Es wurde gespielt, gegessen, getrunken. Als die Glocke zur Frühmesse läutete, hatte Nikolka tausend Rubel verloren. Er trank viel, im Gedenken an frühere Zeiten, kehrte schließlich schwankend in die Abtei zurück, pochte leise an die Hintertür.

Die Glocke rief zur Spätmesse, als er erwachte und bei dem Gedanken an den Ausflug mit einem Satz aus dem Bette sprang. Er rief Kostja, bestellte die Wagen – gleich nach dem Mittagsmahl und sandte Kostja mit der Nachricht von dem bevorstehenden Besuch auf das Vorwerk; er hätte gern hinzugefügt, daß Mutter Arischa sich nicht blicken lassen solle, stockte aber bei den ersten Worten es ging nicht recht; so sagte er statt dessen, Kostja möge ihm den Vater Haushalter senden.

 

Barmanskij erklärte den Damen bei der Abfahrt, er würde später nachkommen, und ging zu Vater Pamwla, mit dem er auch bekannt geworden war. Er trank mit dem Mönch süßen Kräuteraufguß, der für die Gesundheit förderlich sein sollte und so stark war, daß Valentin Viktorowitsch sich öfters räuspern mußte. Zum Abschied kaufte er dem Mönch ein paar Löffel ab und nahm auch ein Fläschchen von dem Aufguß mit – als Arznei, im Bedarfsfalle, erklärte er ihm. Gegen Abend ging er zur Einsiedelei und spähte nach dem Blöden aus.

Waßenka brachte dem Starez das Abendessen aus dem Kloster.

»Vater, ich möchte mich von Ihnen verabschieden, ich reise bald ab. Gehen wir ein bißchen spazieren.«

»Ich bringe dem Starez das Essen …«

»Ich werde hier warten, bis Sie wiederkommen.«

Nach einer Weile erschien Waßenka wieder.

»Da bin ich … Der Starez wollte mich nicht fortlassen, da bin ich durchgebrannt …«

Barmanskij nahm ihn unter den Arm, redete über Wunder, über den Starez, über das Kloster und führte ihn immer tiefer in den Wald, in der Richtung nach dem Vorwerk. Er verirrte sich, geriet in einen Sumpf, seine Lackschuhe waren bald ganz durchnäßt, doch war er entschlossen, alles über sich ergehen zu lassen, denn von dem unerwarteten Erscheinen des Blöden auf der Picknickpartie versprach er sich einen Hauptspaß. Um dem Blöden die Zunge zu lösen und seinen Mut zu schüren, ließ er ihn von Vater Pamwlas heilsamem Aufguß trinken. Waßenka lehnte zuerst ab, doch dann erinnerte er sich früherer Zeiten, da er jünger gewesen war, und sprach dem Likör wacker zu, so daß Barmanskij ihm schließlich die Flasche fortnahm; wenn der Blöde ganz betrunken ankam, könnte aus dem schönen Plan am Ende nichts werden …

 

Die Gesellschaft hatte sich gegenüber dem Vorwerk im Walde gelagert.

Der Koch des Bischofs, von Kostja unterstützt, packte allerlei vorher zubereitete Leckerbissen aus und stellte sie auf ein auf der Erde ausgebreitetes Tischtuch.

Der Abt führte den Bischof auf dessen Ersuchen auf das Vorwerk und zeigte ihm die Wirtschaftseinrichtungen; die übrigen schlössen sich ihnen an.

»Und dieses ist meine Base Arischa, sie leitet die Wirtschaft hier …«

Bischof Ioßaf sagte nichts darauf; der Bewahrer der Kirchengeräte schob bloß seine Brille zurecht.

Frau Kostizina bat:

»Arischa, Liebste, zeigen Sie mir doch Ihren Jungen, er soll ja ein so reizendes Kind sein …«

Der Protodiakonus ging wie auf Glas, räusperte sich immerfort.

Die Damen traten in Arischas Zelle, um sich das Kind anzusehen. Sina kam als erste wieder heraus.

»Er ist wirklich so reizend wie das Christkindlein! Barmanskij hat recht.«

Der Bischof furchte die Brauen.

Der tiefe Baß des Protodiakonus schnitt dem jungen Mädchen das Wort ab:

»Hier ist ein schönes Echo, Eure Eminenz; ein Ruf tönt durch den ganzen Wald …«

Nikolka war bei Sinas Worten zusammengezuckt.

Die Frau des Bewahrers der Kirchengeräte fuhr in ihrer Naivität fort, sich über das Kind in Entzücken zu ergehen.

Der Fürst sagte mit einem belustigten Lächeln zu seiner Tochter:

»Dieser Valentin muß auch überall seine Nase hineinstecken …«

Er nannte Barmanskij, wenn dieser nicht dabei war, einfach Valentin, hoffte er doch, seine älteste, verwitwete Tochter mit ihm zu verheiraten.

Als man sich zum Essen niedergelassen hatte, wich allmählich die peinliche Stimmung. Zum ersten Male hatte man bei einem Picknick Wein, und die Frau des Bewahrers der Kirchengeräte sogar Schnaps mit Zitronenschalen darin, mitgebracht.

Fürst Rjasnoi fragte Wera Alexejewna, der, wie er wußte, Barmanskij den Hof machte:

»Wo ist denn Valentin Viktorowitsch geblieben?«

»Er hat versprochen, etwas später zu kommen.«

Darauf blickte Nikolka immer wieder unruhig in den Wald.

Gegen Abend wurde ein Feuer angezündet und Buchweizengrütze gekocht.

Auf dem Viehhof brummten die Kühe, brüllte der Bulle. Der Rauch vor dem Feuer schlängelte sich als weißes Band zwischen den Stämmen hin. Die ausgespannten Pferde kauten weich. Der Koch des Bischofs und Kostja räumten das Geschirr fort und packten es in eine Kiste. Die Kutscher saßen bei den Wagen, warfen Blicke nach den Herrschaften am Feuer und aßen Schwarzbrot mit Salz und grünen Zwiebeln. Hell klirrten in der abendlichen Luft die Milcheimer, und über dem Ganzen dröhnte friedlich der tiefe Baß des Protodiakonus.

Der Abt saß mit dem Bewahrer der Kirchengeräte, dessen Frau und Wera Alexejewna am Feuer; abwechselnd rührten sie die Grütze im Kessel. Sina sammelte trockene Fichtenzweige, die sie ins Feuer warf, und schaute vergnügt zu, wie die Flammen an einigen noch grünen Ästen fröhlich emporleckten und die Nadeln knisternd verzehrten.

Niemand hatte bemerkt, wie Barmanskij, den Blöden unter dem Arm gefaßt, herangetreten war. Plötzlich standen beide vor dem Feuer. Valentin Viktorowitsch sagte mit betont fröhlicher Stimme und absichtlich übermäßig laut:

»Verzeihen Sie, meine Herrschaften, daß ich zu spät komme, und erlauben Sie mir, Ihnen meinen Freund Waßenka vorzustellen.«

Alle zuckten zusammen und wandten die Köpfe nach den beiden.

Vor dem sitzenden Abt stand der Blöde; ein leichter Rausch wogte ihm noch durch Kopf und Glieder; er starrte wie blind in die Flammen.

Nikolka war zusammengefahren, und als er, den Kopf hebend, den Blöden vor sich sah, schrie er, der Anwesenden vergessend, vor Schreck und in plötzlichem Zorn auf:

»Waßka!«

Der Blöde fuhr zusammen, und als er den Abt erkannte, rief er, und seine Stimme klang freudig erschrocken:

»Nikoluschka, auch du bist hier? …«

Barmanskijs Blicke wanderten von Frau Kostizina zum Abt und zurück. Gespannt wartete er darauf, was Waßenka weiter sagen würde; seine schmalen Lippen kräuselte ein verschlagenes Lächeln, auch seine Augen lächelten erwartungsvoll hinter dem Kneifer.

Die Gattin des Bewahrers der Kirchengeräte, die sich bemerkbar machen wollte, sagte fröhlich:

»Valentin Viktorowitsch, wir werden gleich Grütze essen …«

Hinter Barmanskij und Waßenka ertönte Arischas Stimme:

»Ich bringe Milch zur Grütze …«

Waßenka wandte bei dem Ton der Frauenstimme den Kopf. Sein Blick blieb an Frau Kostizina haften. Seine Augen blitzten auf, als sei ihm eine Erinnerung gekommen, und er schrie:

»Auch sie ist hier, sie? Der Satan der Mittagsstunde in Gestalt einer vornehmen Dame … Nikoluschka, verjage sie, verjage sie mit dem Besen, sonst wirst du dich wieder über sie stürzen, dich auf sie werfen, wie damals im Walde … am See … Nikoluschka!«

Wera Alexejewna prallte zurück, sprang hastig auf, trat rasch auf Barmanskij zu und sagte – ihre Stimme bebte, brach schluchzend –:

»Sie schamloser Mensch, Sie schamloser Mensch … Sie schrecken vor nichts zurück … Welche Niedertracht!«

Der Abt war auch aufgesprungen und eilte auf den Blöden zu.

»Nikoluschka, komm nicht in meine Nähe … Rühre mich nicht an! Binde mich nicht wieder an ein nacktes Weib, wie damals in Polpenki … Jage sie fort, mit dem Besen, mit dem Besen, sonst stürzt sie mir wieder nach!«

Vor dem Abt zurückweichend, stieß der Blöde gegen Arischa, die vor Schreck den Eimer mit Milch fallen ließ, und schrie gellend auf, wobei er abwehrend mit den Händen vor Arischas Gesicht fuchtelte:

»Und auch diese ist hier! Die mit deinem Christkindlein, Nikoluschka! Geh, geh, Nikoluschka, und verneige dich vor ihm, vor deinem Christkindlein … dem kleinen Engel …«

Frau Kostizina sank plötzlich zu Boden, kauerte sich auf die Knie und brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus; ihre Achseln zuckten.

»Ach-ach, ach-ach …«

Die Prinzessin faßte den Abt am Ärmel und schrie ihm ins Ohr, als wäre er taub:

»Wasser … Schnell, Wasser … Bringen Sie Wasser …«

Nikolka lief an den Brunnen auf dem Hof des Vorwerks, schöpfte eine Kelle voll und eilte, das Wasser zur Hälfte verschüttend, an das Feuer zurück. Als Waßenka ihn heranstürmen sah, zeterte er aufs neue:

»Nikoluschka, überall ist sie … Überall ist deine kleine Nachtfenja … Im Walde, am See, in Polpenki, auf dem Vorwerk … Verjage sie mit dem Besen, mit dem Besen, die Tochter des Bösen …«

Wüste Schreie ausstoßend, flüchtete der Blöde in den Wald.

Der Abt erschrak; er fürchtete, Waßenka könnte sich wieder in den See stürzen, und rief erregt:

»Er wird sich ertränken, ertränken! Haltet ihn …«

Der Protodiakonus setzte Waßenka nach, holte ihn ein, brüllte im Baß:

»Halt!«

Durch den ganzen Wald rollte es dröhnend: »Halt!«

Bei dem brüllenden Ton blieb der Blöde wie erstarrt stehen und verstummte.

Der Bischof sagte erregt und vor Erregung fast flüsternd:

»Führt Waßenka fort von hier.«

Er hatte von Anfang an verstanden, daß der Blöde mit seinen wilden Reden den Abt meinte, ließ sich aber nichts anmerken und sagte mit gefurchten Brauen zum Fürsten:

»Sergej Nikolajewitsch, lassen Sie uns fortfahren.«

Als die Kutscher das Durcheinander am Feuer bemerkten, hatten sie sich gleich ans Anspannen gemacht.

 

Arischa sah Barmanskij an, der zur Seite getreten war und mit Entzücken, zugleich aber mit einer gewissen Verlegenheit beobachtete, denn er hatte nur beabsichtigt, sich einen Scherz mit dem Abt zu erlauben und sich an Frau Kostizina ein bißchen zu rächen, aber keinesfalls erwartet, daß es zu einem derartigen Skandal kommen könnte. Seine Mundwinkel zuckten spöttisch, seine Augen kniffen sich verachtend und ärgerlich zusammen. Nervös zupfte er an seinem Spitzbärtchen, und als der Bischof und der Fürst sich zu den Wagen begaben, wollte er auf die Prinzessin zutreten, wandte sich aber plötzlich um und verschwand im Walde. Sina hatte sich, Tränen in den Augen, über Frau Kostizina gebeugt und suchte sie zu trösten und zu beruhigen. Nachdem Barmanskij fortgegangen war, senkte Arischa langsam den Kopf, fiel wie verprügelt in sich zusammen und schritt dem Vorwerk zu. Frau Kostizina wurde von ihren Freundinnen zu dem großen Wagen geführt. Die feuchte Abendluft und ein leichter Wind wirkten belebend, und sie faßte sich bald. Der Protodiakonus hatte Waßenka fortgeführt, und von fern klang seine brummende Baßstimme, die beruhigend auf den Blöden einsprach. Der Bewahrer der Kirchengeräte hatte während des ganzen Auftritts zurückhaltend geschwiegen; mit der Stiefelspitze in der Asche des Lagerfeuers wühlend, furchte er wie angewidert die Stirn. Die ganze Gesellschaft fuhr ab. Den Abt hatte niemand aufgefordert, mit in den Wagen zu steigen, und so blieb er wie abwesend am Feuer stehen. Es roch nach angebrannter Grütze. Nikolka starrte gedankenlos, verstört, gebrochen vor sich hin. Und dumpfe Angst um sein Schicksal schüttelte ihn. Dann aber gedachte er all des Geldes, das in seinen Händen war, des verkauften Waldes, und wurde ruhiger: die Sache mit der Heiligsprechung war nicht mehr rückgängig zu machen, trotz allem.

Vom Vorwerk her erklang Kinderweinen. Nikolka zuckte zusammen, horchte, warf trotzig den Kopf zurück und begab sich entschlossenen Schrittes zu Arischa in die Zelle.

»Geh, geh fort von hier … Laß mich …«

Arischa weinte nicht, aber in ihren Augen war ein fiebriger, trockener Glanz.

Nikolka sagte ruhig, während er sich zum Gehen wandte:

»Die Reliquie wird aber doch entdeckt werden … Und uns wird nichts geschehen … Gib acht auf den Kleinen.«

 

Arischa konnte bis zum Morgen nicht einschlafen; sie grübelte, litt und wußte doch, daß sie alles hinnehmen müßte, um ihres Kindes willen … Wo hätte sie hin sollen! …

Bischof Ioßaf ließ den letzten Gottesdienst, den er hatte zelebrieren sollen, ausfallen und reiste am nächsten Tage mit dem Bewahrer der Kirchengeräte und dem Fürsten ab.

Barmanskij ließ sich nicht mehr im Kloster blicken; er verbrachte einen Tag bei der Soldatenfrau in Polpenki, holte seinen Koffer aus der Herberge ab und ging zu Fuß auf den Bahnhof.

Fürst Rjasnoi hatte dem Bischof versprochen, ihn zu entlassen, erfüllte aber sein Versprechen nicht; er hielt Barmanskij zwar für einen heimtückischen, dabei aber sehr witzigen Menschen.

 

Nikolka hatte, ins Kloster zurückgekehrt, angeordnet, daß Waßenka einzusperren sei, und als er den Bischof zur Bahn begleitete, sich nicht gescheut, ihn noch einmal um die Heiligsprechung des Starez Simeon zu bitten.

Im Kloster tuschelten die Mönche schadenfroh in ihren Zellen, doch niemand wagte es, öffentlich etwas gegen den Abt zu sagen, wußten sie doch, daß er allein in der Lage war, die Verherrlichung des Klosters und des Klostergründers durchzuführen.

Als Nikolka von der Bahn zurückkehrte, ließ er die große Glocke läuten und in Gegenwart der ganzen Bruderschaft eine Dankesmesse zu Ehren der Gottesmutter und eine Seelenmesse am Grabe des Starez Simeon zelebrieren.

 


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