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Wir befinden uns in der Wohnung des Herrn von Kecskerey.
Wir würden sehr fehlen, wenn wir ihn nicht weiter erwähnen wollten; eine solche Persönlichkeit kann man nicht leicht vergessen, sobald man sie einmal kennen gelernt hat.
Jetzt wohnt er in Pest, hält eine prächtige, elegante Wohnung, sein Ruf ist der alte, je lebhafter die Geselligkeit zu dieser Zeit geworden, ein desto wesentlicherer Faktor der Gesellschaft ist er; er amalgamiert die verschiedenartigen Elemente derselben.
Es ist noch früh Morgens und der würdige Herr ist noch nicht angekleidet; wenn wir sagen, daß er noch nicht angekleidet ist, so muß man das im buchstäblichen Sinne des Wortes nehmen. Er sitzt in der Mitte des Zimmers auf einer prächtigen, mit purpurrotem Zeug überzogenen Ottomane, bläst aus einer türkischen Pfeife große Rauchwolken und besieht sich in einem gegenüberstehenden Spiegel. Er hat aber durchaus nicht Ursache, an sich Gefallen zu finden; er hätte einen sehr schlechten Erwerb, wenn er in Ateliers Modell sitzen wollte, ausgenommen zum Zweck der Karikaturzeichnung. Am untersten Ende der Ottomane sitzt in gleich verlockender Stellung ein Affe, der beinahe so groß ist, wie er und der wie sein Herr sich ebenfalls im Spiegel besieht; er spielt sogar auch mit einer Pfeife.
Ringsumher liegen duftige Billet-Doux, zertretene Gedichte, Noten und andere ähnliche vergängliche Dinge; an den Wänden hängen verschiedene Bilder, die, wie schamlos sie auch sind, sich dennoch schämen würden, wenn sie einander sehen könnten, auf dem Tisch liegen in einer echten Bronzevase aus Herkulanum Visitenkarten, alle von in der Gesellschaft berühmten Herren und Damen.
Alle Teppiche sind die Arbeiten zarter Frauenhände und ihre Stickereien stellen Jäger, Hunde und Pferde vor. Die Tapetenwände lassen geheime Thüren ahnen und alle Fenster sind mit doppelten Vorhängen bedeckt.
Im Vorzimmer kratzt sich der Groom, ein kleiner Mohr, aus Langeweile den Kopf; er hat den Auftrag, bis Mittag keinen Mann vorzulassen. Damit hat der Herr zugleich die kühne Idee ausgesprochen, daß ihn um diese Zeit nur Damen besuchen.
Trotz diesem Verbot ergiebt es sich, das Jussuf auf das entschlossene Klingeln einen Mann einläßt, der mit ihm in seiner eigenen Negersprache spricht.
– Wer ist draußen? Jussuf! ruft Herr von Kecskerey mit so gellender Stimme, daß der Affe neben ihm vor Schrecken zu kreischen beginnt.
Anstatt der Antwort stürzt der Angekommene selbst zur Thüre herein. Die privilegierten guten Freunde sind doch impertinent, murmelt Herr von Kecskerey, als er den Gast an der Thür erblickt und mit großer Befriedigung sieht er, wie dieser vor seinem Negligé zurückschrickt.
Aber er kennt ihn sogleich und ruft mit ungestümer Heiterkeit, ihm die lange, dürre Hand entgegenstreckend:
– Ah Abellino! du bist es? Welcher Wind hat dich hergebracht. Wir haben schon geglaubt, du hättest dich in Indien naturalisieren lassen. Komm, setz dich her. Hast du nur die famosen Pillen gebracht, welche du in deinen genialen Briefen erwähnt hast?
– Hole dich der Teufel mit samt deinem Affen, fluchte der Ankömmling, ich habe nicht gewußt, welcher von euch der Hausherr sei, so ähnlich seht ihr euch.
– Ist das die neueste Art der Höflichkeit in Ägypten? Übrigens ist dir mein Affe für das Kompliment verbunden. Joko, zeige, daß du gut erzogen bist und gieb dem Herrn eine Pfeife.
Joko nahm diejenige, mit welcher er eben spielte und versetzte dem Gast einen solchen Hieb mit dem Rohr, daß dieser sich die Aufmerksamkeit lieber verbeten hätte.
– Der Samum über deinen schmutzigen Vetter da! von nun an komme ich nicht ohne Stock zu dir. In Asien bin ich auch unter Affen geraten, aber dort trägt man Pistolen bei sich und man schießt eine so häßliche Bestie gleich nieder.
– Ah, lasse das, lieber Freund, die Menschen haben sich aus Affen entwickelt. Ich behaupte, daß der Mensch ursprünglich ein Affe war. Wir müssen gegen unsere Ahnen mehr Ehrfurcht haben.
Kecskerey ist ein Mensch, dem man alle möglichen Grobheiten sagen kann, er antwortet aber auch mit Grobheiten.
– Komm, setze dich her zu mir und mache dir's bequem. Jussuf, stopfe dem Herrn eine Pfeife. Ich bedaure, daß ich dir nicht mit einer Nargila dienen kann.
– Also was hat dich wieder ins Reich zurückgebracht, mein Held? fragte Kecskerey; gewiß Liebesabenteuer, wichtige Affairen; ich möchte wetten, daß du eine indische Vestalin entführt hast.
– Zuerst antworte mir! spricht man hier noch von meiner früheren Affaire?
Herr von Kecskerey machte ein ernstes Gesicht.
– Lieber Freund, du bildest dir zu viel ein. Du prätendierst, daß man ein ganzes Jahr lang von nichts anderem spreche, als von deinem lumpigen Duell. Das fällt niemandem ein. Man hat dich so gründlich vergessen, als ob du niemals existiert hättest. Du hast Fennimore getötet und dem Bruder desselben zum Majorat verholfen. Unlängst hat man diesen gefragt, warum er den Prozeß gegen dich nicht betreibe. Was fällt euch ein, sagte er, soll ich meinen Wohlthäter verfolgen? Heute Abend kannst du ihn hier treffen, er ist ein weit klügerer Junge, als sein Bruder war; er wird sich sehr freuen, dich zu sehen.
– Das Glück ist meinerseits. Sprechen wir von etwas anderem. Es scheint, daß Pest das Stelldichein unserer eleganten Welt wird; ich vermute das, weil du dich hier etabliert hast. Was treibt ihr denn hier?
– Wir verbreiten die Civilisation. Es ist eine etwas fadere Unterhaltung, als die Saison in Paris zuzubringen; aber einige ungarische Magnaten haben sich es in den Kopf gesetzt, von nun an in Pest zu wohnen und ihnen zu Liebe siedeln sich immer mehr und mehr elegante Leute in der lieben Stadt an, in welcher so viel Staub ist, wie in London Nebel.
– Unter anderem, was weißt du von Karpáthis?
Kecskerey warf sich stolz in die Brust und sprach mit gehobenem Ton: Wofür hältst du mich? Bin ich etwa dein Spion? Soll ich mich in Familien einschleichen und ihre Geheimnisse verraten? Welche Voraussetzung!
Abellino warf ruhig die ihm in die Hand geratenen Visitekarten dem Affen an den Kopf, er kannte seinen Mann. Kecskerey pflegte jeden entehrenden Antrag mit der größten Entrüstung zurückzuweisen, führte ihn aber doch immer aus.
– Was kümmert's mich auch, sagte er, was Karpáthis machen! Meinethalben mag die Welt reden, daß Frau von Karpáthi jeden Tag ihre Liebhaber wechselt, daß sie heute mit dem Grafen Erdey, morgen mit Kis Misla ein Verhältnis hat, daß der alte Jancsi ihr selber die Hausfreunde zuführt und sich freut, wenn sie diese liebenswürdig findet, daß er sie mit Kis Miska unzähligemal allein in die benachbarten Dörfer Ausflüge machen läßt! Was geht das alles mich an? Ich kümmere mich darum so wenig, als um die Träume meines Affen.
Abellino ließ die Visitenkarten in Ruhe und hörte mit Interesse zu.
Kecskercy aber that, als ob er das alles nur so ohnehin sagte und rief dann seinen Groom.
– Sie befehlen, Herr!
– Meine Kleider!
Der kleine Junge brachte die Morgenkleider seines Herrn und half ihm sie anlegen.
Abellino machte sich indes das Vergnügen dem kleinen Groom mit seiner Reitpeitsche einen Hieb auf die Beine zu versetzen, überhaupt hätte er heute große Lust gehabt, Menschen und Dinge seinen Unmut fühlen zu lassen, er vergnügte sich damit, daß er die Tabakasche in den glänzenden Fußboden trat und ruhte nicht eher, als bis er eine Schere, die ihm in die Hand geraten war, zerbrochen hatte.
– Na, lieber Freund, sagte Kecskerey, als er mit seiner leichten Morgentoilette fertig war, du bist also aus Indien zurückgekommen! Ich zweifle nicht, daß du nun bleibend unter uns deinen Aufenthalt nehmen und meine Soireen mit deiner Gegenwart beglücken wirst.
– Ich danke dir; aber ich bin jetzt nicht mehr reich genug, um an deinen Soireen teilzunehmen. Griffard hat mir den Kredit aufgekündigt und ich muß jetzt wirtschaften lernen, wie der erste beste Philister.
– Ach, es wäre schade um dich, das paßt für dich nicht. Besser wäre es, wenn du dich mit deinem Onkel aussöhntest.
– O, ich will noch lieber ein Bandit sein, als ein Bettler.
– Gut gesprochen. Du bist jetzt schön in der Klemme.
– So arg, wie man sich's nur denken mag.
– Bist du noch immer verliebt in die Frau deines Onkels?
– Das nicht, aber ich fürchte, daß jemand anderer in sie verliebt ist.
– Das wäre seltsam.
– Was wäre seltsam?
– Dieser alte Herr hat sich ganz verändert. Er scheint um zwanzig Jahre jünger geworden zu sein, man erkennt ihn gar nicht mehr; er führt ein ordentliches Leben und hat vielleicht sehr geschickte Ärzte. Außerdem seid ihr ein dauerhaftes Geschlecht, die Männer aus eurer Familie werden gewöhnlich bis ins hohe Alter von den Frauen für liebenswürdig gehalten. Unlängst begegnete ich deiner Frau Tante in Szolnok und sie sah sehr glücklich, sehr zufrieden aus.
– Hölle und Teufel! rief Abellino wütend und entzog dem Herrn von Kecskerey, mit welchem er bisher im Zimmer auf und ab gegangen war, seinen Arm. Wer kann schuld daran sein, daß dieses Weib glücklich und zufrieden ist? Denn das ist nicht möglich, daß ihr Mann imstande ist, das zu bewirken, das ist Lüge, Betrug!
– Kann sein, Freundchen, daß es Lug und Trug ist, sagte Kecskerey, und schaukelte sich, die Kniee zwischen den Händen, auf einem Schaukelstuhl.
– Wenn ich beweisen könnte, daß dieses Weib in jemanden verliebt ist, wenn ich auf eklatante Weise an den Tag bringen könnte, daß sie mit jemandem in einem verbotenen Verhältnis steht!
– Freilich wäre das für dich ein unschätzbarer Fall.
– Sie betrügen mich um meine Erbschaft!
– Ja, das ist leicht möglich. Der Alte ist imstande seiner Frau die Untreue nachzusehen, nur um dich deiner Erbschaftsansprüche zu berauben.
– Das ist unmöglich, das kann nicht sein. Unsere Gesetze geben eine solche Schmach nicht zu.
Kecskerey lachte hell auf.
– Freund, wenn unsere Gesetze gewissenhafte Nachforschungen darüber anstellen wollten, ob die Legitimität der Sprößlinge in unseren Familien überall in Ordnung sei, dann würden im Anfertigen der Stammbäume kuriose Konfusionen entstehen.
– Aber das werden sie doch nicht zugeben, daß eine elende Bettlerin sich in eine vornehme Familie dränge und durch einen ehrlosen Lebenswandel an der Seite ihres altersschwachen Mannes die gesetzlichen Erben verdränge!
Darüber lachte Kecskerey noch heftiger.
– Seit wir uns nicht gesehen haben, bist du ein sehr moralischer Mensch geworden.
– Scherz bei Seite, Freund; du siehst, daß ich ein ruinierter Mensch bin, durch höllische Intriguen ruiniert. Wenn das geschieht, wovor ich zittere, so jage ich mir eine Kugel durch den Kopf. Ich muß um jeden Preis etwas erfahren, wodurch die Karpáthi vor dem Gesetz kompromittiert wird und wenn es nicht so ist, so muß etwas herbeigeschafft werden.
Kecskerey legte sein Gesicht in ernste Falten.
– Lieber Freund, ich begreife nicht, wozu du mir das sagst. Sehe ich aus wie einer, der dir in solchen Dingen einen Rat geben wird? Das bitte ich mir in allem Ernst aus. Was geht das mich an? Thue, was du willst; im Winter werden Karpáthis hier wohnen. Thue was du willst, bestich ihre Diener, hetze deine Kreaturen gegen sie, damit sie die Frau zum Falle bringen und es dann verraten, umgieb sie mit Spionen, laß alle ihre Schritte beobachten und lege die Sache in die Hand rabbulistischer Advokaten; aber mich laß aus dem Spiel, ich bin ein Gentleman und werde weder ein Spion, noch ein gemieteter Cicisbeo sein.
Der würdige Gentleman beeilte sich, sich von dem Schatten eines solchen Verdachts zu befreien, aber deshalb hat er Abellino dennoch die Anweisung gegeben. Er verwahrte sich dagegen, daß Abellino ihn in dieser Sache um Rat bitte und bemühte sich dennoch eine erschöpfende Antwort zu erteilen.
Abellino war vollkommen befriedigt; neue Pläne entstanden in seinem Gehirn; er nahm seinen Hut und verabschiedete sich von seinem Freund aufs freundschaftlichste. Sie gaben sich das Wort, daß sie sich je früher desto lieber wieder sehen wollten.