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3.
Das Duell

Herr Griffard reiste den andern Tag nach Paris zurück, natürlich ohne daß sich Abellino weiter um ihn gekümmert hätte.

Infolge des Affronts bei Kecskerey hatten Abellino und Fennimore sich gefordert.

Die Sekundanten schlugen als Waffen hierbei Degen vor.

In so rabiaten Fällen, wie dieser, wählen die Zeugen gewöhnlich lieber die schwächere, als die stärkere Waffe. Das hat seinen Grund.

Das Duell ist weder vom Gesetz erlaubt, noch zu rechtfertigen und dennoch ist es ein adoptierter Gebrauch. Es giebt Beleidigungen, gegen welche das Gesetz keinen Schutz verleiht; zum Beispiel, wenn jemand in einer Frage, die den Charakter betrifft, schwach genannt wird, in Liebeshändeln, wenn man einem von der Gegenpartei im geheimen verbreiteten falschen Gerücht entgegentreten will, wenn sich jemand in einer politischen Frage prostituiert fühlt, kurz, wenn die Parteien nicht aus Blutdurst, nicht aus Wut das Duell wünschen, sondern wenn sie dadurch angesichts des Todes ihre Charakterstärke an den Tag legen, bei ihrer Meinung beharren wollen. Bei solchen Gelegenheiten pflegen die Zeugen Pistolen zu wählen. Die Kämpfenden stehen kalten Blutes da und jeder setzt sich dem Schuß des andern aus. Das Duell geht in edler, männlicher Weise vor sich. Den Forderungen des Herkommens ist Genüge geleistet und die Streitfrage wird für immer begraben.

Aber wenn thatsächliche Beleidigungen das Duell veranlassen, wenn die Parteien sich insultiert, beschimpft, sich thätlich aneinander vergriffen haben, dann fürchten die Sekundanten für ihre Haut und geben den Streitenden lieber eine Waffe in die Hand, mit der sie sich wahrscheinlich nicht töten werden.

Fennimores Zeugen waren Livius und Kalácsi (derselbe, der in Paris immer behauptete, sein Vater, der Vicegespan, sei eine Excellenz), die Abellinos: Konrad und Kecskerey.

Die Parteien wollten anfangs von Degen nichts hören, aber die Zeugen, besonders Konrad, verharrten dabei.

Fennimore zauderte noch ein wenig, dann verlangte er einen Stoßdegen, weil er daran von Paris her gewohnt sei; aber auch das wurde ihm nicht bewilligt. Beide mußten mit krummen Degen fechten.

Als Kampfplatz wurde ein geräumiger Saal im Gasthaus »Zum grünen Baum« gemietet, wo sie sich einschlossen und erst alles auf das Duell Bezügliche festsetzten.

Von Aussöhnung, von um Vergebung bitten war keine Rede. Blut mußte fließen.

Wenn sie sich binnen fünf Minuten keine Wunde beibringen, so wird das Duell als beendet betrachtet.

Die Parteien haben beim Fechten die Hemdärmel aufgeschürzt.

Kopf- und Bauchhiebe sind nicht erlaubt, nur Gesicht-, Arm-, Brust- und Fußhiebe. Finten nach den ausgenommenen Körperteilen sind nicht zugelassen. Gestochen darf durchaus nicht werden. An beiden Seiten jeder Partei stehen ihre Sekundanten; wer gegen die festgesetzten Regeln verstößt, dem wird der Degen aus der Hand geschlagen.

– Meine Herren, so ist ja das Ganze nur ein Spaß, kreischte Fennimore. Sie haben uns ja nur zu einem Spiel hergerufen. Das ist ja kein Duell, sondern ein Kinderspiel. Dann ist es besser, Sie rufen einen Barbier her, daß er demjenigen von uns, den das Los trifft, zur Ader lasse.

– Dein Reden ist vergebens, sagte Konrad, wir sind einmal über diese Punkte übereingekommen, wenn sie dir nicht gefallen, so kannst du allein fechten.

– Gebt uns nur einmal die Degen in die Hand, sagte Abellino mit dumpfer Stimme, sprechen können wir nachher.

Hierauf schwieg auch Fennimore; er hatte denselben Gedanken, wie Abellino. Wenn sie sich nur einmal, die Degen in der Hand, gegenüberstehen, so werden sie fechten, wie sie wollen.

Die Zeugen begannen die Absichten der beiden Kämpfer zu erraten und flüsterten miteinander, ehe sie die Degen übergaben. Erst stellten sie sich selbst auf beiden Seiten mit den blanken Waffen auf; dann maßen sie die Fechtdegen und als sie diese von gleicher Länge fanden, überreichten sie dieselben den beiden Duellanten.

Eins, zwei, drei. En garde!

Plötzlich stürzten sie, wie auf Verabredung, so nahe aufeinander los, daß sie sich gewiß nur lebensgefährliche Hiebe beibringen konnten. Die Degen blitzten, die Augen noch mehr.

In einem Augenblick kreuzten alle vier Sekundanten ihre Degen zwischen beiden Kämpfenden.

– Messieurs, das ist nicht erlaubt. Das soll kein Kampf auf Leben und Tod sein; was habt ihr nötig, so nahe aufeinander loszurennen? Haltet euch an die Ordnung.

Das sagte Konrad, der mehr als die Kämpfenden selbst fürchtete, einer von ihnen werde fallen.

Die Kämpfer stellten sich wieder gegenüber auf und jetzt fochten sie schon vorsichtiger; sie machten nicht viel Lärm, sie verschwendeten nicht viel Kraft auf die Hiebe und wollten einander durch Finten besiegen. Beide waren geübte Fechter, das Streben beider ging dahin, den Gegner im Gesicht zu zeichnen, aber keinem gelang es. Sie sahen einander fest ins Auge, sie machten mit den Armen keine großen Bewegungen, nur der dünne Stahl drehte sich in der Faust und wetzte sich an dem des Gegners, ohne das Klirren und Klappen, welches beim Fechten auf der Bühne gehört wird.

Lange fochten sie so, ohne daß einer den andern zu verwunden vermochte; Fennimore fühlte seinen Arm schwächer werden und retirierte deshalb. Abellino stürzt ihm nach; wütend darüber, ermannt sich Fennimore wieder und führt einen kräftigen Hieb gegen Abellinos Kopf, den dieser mit Mühe parierte und sogleich erwiderte.

– Schlagt ihnen die Degen aus der Hand! schrie Konrad.

Das geschah sogleich und Fennimore schrie in grenzenloser Wut: Was habt ihr mit uns vor? Sollen wir vor euch Komödie spielen? Hättet ihr mir nur einen Stoßdegen gegeben, längst wäre alles aus; ich will ihn ins Herz stechen, mitten ins Herz, ich will ihn tot sehen.

– Ruhig Freund, ruhig, mit Lärm kommen wir zu nichts; höchstens hört man uns dann auf die Gasse hinaus und wir werden arretiert. Ihr müßt fechten, wie wir es festgesetzt haben. Wenn ihr auf Tod und Leben fechten wollt, so geht nach Amerika und sperrt euch dort in einem finstern Zimmer ein und stecht und schießt im Finstern aufeinander los; so lange ihr aber in Europa seid, müßt ihr euch den europäischen Gebräuchen fügen.

Die Kämpfer stellten sich noch einmal einander gegenüber auf.

Jetzt zitterte Fennimore schon vor Wut. Er warf sich mit großer Kraftverschwendung auf Abellino und bemühte sich, diesen mit dicht aufeinander folgenden, aber ungeschickten Hieben zu ermüden; er dachte nicht mehr an seine Verteidigung, sondern lief dem Gegner in den Degen, endlich kannte er sich schon nicht mehr vor Wut, kümmerte sich weder um die Regeln, noch um die Sekundanten und stach nach dem Gegner.

– Nieder mit den Degen!

Und jetzt wurde Fennimore der Degen aus der Hand geschlagen.

– Du hast gegen die Regeln des Duells dreimal verstoßen, sagte Konrad, und hast kein Recht weiter zu fechten. Die Sache wird für beigelegt erachtet und wir erklären, daß Abellino seiner Pflicht als Kavalier Genüge geleistet hat.

– Die beiden Gegner sollen die Degen niederlegen, sagte Kecskerey entschieden.

Fennimore nahm auf diese Aufforderung eine Stellung an, als wollte er mit allen Fünf fechten, was um so sonderbarer erschien, da er keine besondere Leibeskraft besaß, er war vielmehr ziemlich schwächlicher Konstitution.

– Also Abellino soll den Degen niederlegen, dann hat das Duell ein Ende, riefen die Sekundanten und umringten ihn.

Abellino war schon geneigt, ihnen nachzugeben und wandte sich um, um den Degen in eine Ecke zu lehnen.

In diesem Augenblick stand niemand zwischen ihm und Fennimore.

Nur der höchste Grad von Wut macht es erklärlich, daß Fennimore diesen Augenblick benutzte, sich selbst und alle Ritterlichkeit vergaß und seinen Gegner im Rücken überfiel. Er traf Abellino zum Glück nur an der Schulter, sonst wäre sein Degen diesem durch den Leib gegangen.

– Meuchelmörder! schrie Abellino schmerzlich getroffen und sich umwendend hielt er seinen Degen Fennimore entgegen. Dieser sah und hörte nichts mehr vor Wut und wollte seinem Gegner noch einen Stoß versetzen. Sein Degen glitt jedoch über Abellinos Schulter und er selbst rannte mit Heftigkeit in dessen Degen, sodaß dieser ihm ganz, bis an den Griff durch den Leib fuhr. So standen sie sich einen Augenblick gegenüber, bis Fennimore, der durchs Herz getroffen war, tot zusammensank.

Wer die neueren Annalen des ungarischen Adels durchblättert, wird finden, daß dieses Duell keine Ausgeburt der Phantasie ist.

Abellino lag einen Monat krank an seiner Wunde, dann gaben ihm gute Freunde den Rat, sich aus dem Staube zu machen und zwar nicht in ein Land zu fliehen, wo man ihn auch wegen seiner Schulden verhaften würde, sondern etwa nach dem Orient. Das that er auch und reiste nach Jerusalem; wie die öffentliche Meinung spöttisch behauptete, wollte er am heiligen Grabe seine Sünden abbüßen.

Wir wollen ihm dahin nicht folgen; wenn er zurückkehrt, so werden wir seine Erlebnisse schon durch ihn selbst erfahren.

Herr Johann von Karpáthi aber, der glückliche, überglückliche Nabob, reiste mit seiner schönen Gattin nach Karpáthalva.

Bald werden wir sie wiedersehen oder von ihnen hören.


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