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Herr Griffard war zu jener Zeit einer der reichsten Bankiers zu Paris. Im Jahre 1780 war er noch Pastetenbäcker in einer Vorstadt und schärfte seine Finanzwissenschaft nur noch an den Studenten des Kollegiums von Piquepuce, indem er fortwährend jenen aureus calculus anwandte, nach welchem man die Zeche, die ein Student schuldig geblieben, von den anderen durch größere Rechnungen hereinbringen konnte.
Die Mississippiwut riß auch ihn mit sich fort. In Paris wurde damals jedermann über Nacht ein Millionär; auf den Gassen und Plätzen wurden Mississippiaktien gekauft und verkauft. Herr Griffard verkaufte seinen Pastetenkram seinem ersten Gesellen, ging fort, um Millionen zu suchen und fand sie auch. Aber eines Tages platzte die ganze Mississippigeschichte wie eine Seifenblase und Herr Griffard behielt nicht mehr als neun Sous in der Tasche.
Wenn jemand niemals Millionär war und nur einen Sous in der Tasche hat, so ist das nicht so ärgerlich; wenn man aber schon den hohen Standpunkt eingenommen hat, von welchem aus man eine eigene Equipage, Pferde, Livreebedienten, prächtig möblierte Zimmer, einen reich gedeckten Tisch, schöne Maitressen und dergleichen andere schöne Gegenden sieht, so ist das Zurücksinken in die vorige Niedrigkeit eine höchst unangenehme Sache.
Herr Griffard ging in seinem tiefen Schmerz in den Laden eines Messerschmieds, kaufte sich für sechs Sous ein großes Messer und ließ es für zwei Sous schleifen. Indes langte bei dem Laden ein Schwarm von nach der neusten Mode halbgekleideten und aufgeschürzten Citoyens, phrygische Mützen auf dem Kopf, an, und schrie: nieder mit den Aristokraten. Einer von ihnen trug eine Stange, an welcher gleich einer Fahne die erste Nummer der Zeitung Marats flatterte. Man nahm das Blatt herunter und derjenige, welcher am wenigsten heiser war, las es mit lauter Stimme vor. Aus dem, was Herr Griffard vernahm, lernte er, daß er mit dem geschliffenen Messer eine weit nützlichere Beschäftigung vornehmen könne, als sich selbst den Hals abzuschneiden. Er steckte daher das Messer ein, mischte sich in den Schwarm und schrie mit: à bas les aristocrates!
Wo überall er sich hierauf einige Jahre hindurch herumgetrieben habe, das weiß er vielleicht selbst nicht mehr. Um Ruhm kümmerte er sich nicht viel, diesen überließ er andern, aber indem wir einige Jahre später, in der Zeit des Direktoriums mit ihm zusammentreffen, können wir ihm schon als Verpflegskommissär bald bei der Rhein-, bald bei der italienischen Armee unseren Respekt bezeugen, je nachdem er sich von dem einen oder dem andern General erschießen lassen wollte.
Denn es pflegt zweierlei Verpflegskommissäre zu geben, nämlich solche, die durch ihr Unternehmen Bettler und solche, die Millionäre werden; die ersteren pflegen sich selber zu erschießen und die letzteren pflegen erschossen zu werden. Letzterer Fall indes ist weit seltener.
Herr Griffard war so glücklich, zu denjenigen zu gehören, die Millionäre und nicht erschossen werden. Er erwarb sich einige hübsche Güter, welche von Emigranten dem Staat zurückgelassen wurden; und als diese in den Tagen der Restauration zurückkamen, war Griffard einer derjenigen, welche den Einmarsch der alliierten Truppen vom Balkon ihrer eigenen Paläste mit ansahen; einige Emigranten, die hinter den siegreichen Truppen ihren Einzug hielten, sahen verwundert auf das prächtige fünfstöckige Palais am Boulevard des Italiens, das damals noch nicht existiert hatte, als sie Paris zum letztenmale sahen – und wenn sie sich erkundigten, wer der Eigentümer sei, so hörten sie einen Namen, der ihnen unbekannt war.
Aber nicht lange blieb der Name unbekannt. Wer Millionen besitzt, der gelangt mit leichter Mühe zu einem Renommee, daß er zu den besten Gesellschaften Zutritt erhält.
Auch Mr. Griffards Name hatte bald einen sehr angenehmen Klang, Es gab keine elegante Soiree, keine geniale Matinee, kein Wettrennen, keine Orgie, keine berühmte Entführung, wo er nicht dabei gewesen wäre; Herr Griffard blieb nirgends aus, denn das sind ja die besten Gelegenheiten, bei welchen ein feiner Beobachter die Leidenschaften, Narrheiten, die Vermögenszustände oder die Geldnot der Leute gründlich studieren und darauf hin sichere Berechnungen anstellen kann.
Herr Griffard war der kühnste Unternehmer der Welt. Er wagte es, den ruiniertesten Verschwendern, die selbst von ihren Bedienten wegen rückständigen Lohnes vor Gericht belangt wurden, große Summen zu leihen und er kam auf einem oder dem andern Wege zu seinem Geld. Wenn ich sage »zu seinem Geld«, so bedeutet das, daß er immer doppelt so viel zurückerhielt, als er geliehen hatte. Denn eben deshalb beschäftigte er sich stets mit gewagten Unternehmungen, damit er nicht genötigt sei, sich mit kleinen Prozenten zu begnügen.
Und nicht bloß einzelne, nicht bloß die Höchsten konnte er sich verbindlich machen. Seine Sorgfalt erstreckte sich auf das ganze verehrte Publikum. Die im besten Zustand befindlichen Tontinen und Lebensversicherungsanstalten, die solidesten Spielbanken standen unter seiner Schutzherrschaft; und damit auch der Staat nicht sagen könne, daß sich Mr. Griffard nicht um die öffentlichen Angelegenheiten kümmere, hatte er auf der Börse immer die authentischesten Nachrichten und was immer auch im offiziellen Moniteur stand, wenn Herr Griffard plötzlich viele Papiere verkaufte, so wurde die ganze Börsenwelt von einer Panik ergriffen und die Kurse sanken, wenn er aber zu laufen anfing, so stiegen die Kurse wieder plötzlich.
Manchmal stand er allein fest, wenn die ganze Börsenwelt schwankte und dann gewann er durch seine Ausdauer außerordentlich viel. Er wußte schon selbst nicht mehr, wie groß sein Vermögen sei. Einem armen Manne gelingt es schwer, sich zu einem Besitz von hundert Gulden hinaufzuschwingen, aber einem Millionär ist es ein leichtes, noch einige Millionen zu erwerben. Auch das Geld liebt Gesellschaft.
Wie gesagt, dieser große Mann besaß den seltenen und liebenswürdigen Mut, verzweifelte Unternehmungen mit dem größten Vertrauen zu beginnen und bankerotten Menschen Geld zu leihen.
Das wiederholen wir nur, damit unsere Leser sich nicht wundern, wenn wir einen Helden unserer Erzählung – wenn es erlaubt ist, den jungen empfindlichen Chevalier einen Helden zu schelten – bei ihm in Paris finden.
Der Ort der Zusammenkunft ist eigentlich nicht Paris, sondern eine angenehme Insel der Seine, die Isle de Jerusalem, wo sich die Villen der reichsten Geldleute von Paris befinden, wo es nicht jedem lumpigen Millionär möglich ist, eine Villa zu bauen, Gärten und Parks anzulegen, denn hier kostet jeder Quadratmeter Boden tausend, ja zuweilen sogar zwölfhundert Francs, so daß ein englisches Gärtchen, das zehn Morgen groß ist, so viel kostet, wie eine mittelmäßige Herrschaft in Ungarn.
Unter all den Villen, Pavillons und Tuskulanums, welche die kleine Insel bedecken, war unstreitig die schönste, großartigste und kostbarste die Griffard'sche Villa. Auf einem kleinen, durch Menschenhand aufgeworfenen Hügel, die Front der breiteren Wasserseite zugekehrt, stand das durchaus im Geschmack der Nation und der Zeit erbaute Lusthaus, zum Ruhme der damaligen Baukunst, die mit Verachtung aller Klassizität, sowie des Rokokogeschmacks, alles ersann, was möglichst gewunden, seltsam und unbequem war.
Es war jedoch nicht genug, daß sich der Garten auf der Insel befand, er war hier selbst noch mit einem künstlichen Fluß umgeben, über welche alle Arten von Brücken führten, von der amerikanischen Kettenbrücke angefangen bis zu den aus Holz und Rinde zusammengefügten und mit Wintergrün bekleideten, bretagnischen Brücken; jede derselben wurde von eigenen mit Hellebarden bewaffneten Brückenwächtern bewacht und die entsprechenden Hütten derselben stellten wieder bald ein Eremitenhaus, bald einen Leuchtturm vor; jeder der Wächter endlich hatte ein anderes Blasinstrument, so daß man immer voraus erfahren konnte, über welche Brücke und auf welchem Wege sich jemand dem Kastell näherte.
Jenseits der Brücke folgten die gewundenen Wege des englischen Gartens, welche zu jener Zeit die glatt beschnittenen, den Coulissen ähnlichen Alleen verdrängt hatten. Man ging da immer unter dem dichten Laub ineinandergreifender Bäume und konnte Stunden lang umherirren, ohne zu finden, wo man hin wollte; der Rand der Wege war überall mit Blumen dicht besetzt, bei jeder neuen Krümmung sah man bald eine Jasminlaube mit idyllischen Bänken, bald marmorne Götterstatuen, die geschmackvoll von Päonien umwunden waren; ferner Pyramiden, die über und über mit Blumen bedeckt waren, künstliche Ruinen mit ungeheuern Agaven und Kaktus besetzt, ein ägyptisches Grabgewölbe mit wirklichen Mumien und einer ewigen Lampe, die jeden Morgen mit Öl versehen wurde, einen römischen Altar mit steinernen Gefäßen, korinthischen Vasen und aus farbigen Steinen nachgeahmten antikrömischen Fladen und Kühen, wie sie zur Zeit der Nymphe Egeria dargebracht wurden und unter welche einmal ein Witzling die maliziösen Worte schrieb: »Hier bekommt man alte Pasteten«. Dieser Witz ärgerte übrigens den ehemaligen Pastetenbäcker nicht, weshalb er diese Worte gar nicht einmal weglöschen ließ. Hie und da an geräumigeren Plätzen stürzten rauschend große Springquellen und Wasserfälle in Marmorbecken, gläserne Kugeln auf dem hohen Strahl balancierend und zahlreichen Goldfischen als Tummelplatz dienend; das Wasser floß von hier in große Teiche, die hinter hohem orientalischen Riedgras verborgen lagen und auf deren ruhigen Wellen schöne weiße Schwäne schwammen, die zwar nicht so schön sangen, wie es die Dichter den Menschen weiß machen wollen, die aber um desto mehr Kukurutz verzehrten, ein Artikel, welcher damals noch teurer war, als reines Korn.
Wenn man alle diese gewundenen Gänge durchschritten und alle diese Wunder angestaunt hatte, so kam man doch endlich in die Allee, die zum Tuskulanum führte, auf dessen Treppen auf beiden Seiten, teils blühende, teils mit Früchten beladene Pomeranzenbäume stehen.
Unter diesen Pomeranzenbäumen sehen wir den jungen Gentleman, mit welchem wir bereits Bekanntschaft zu machen das Glück hatten. Indes ist seitdem ein Jahr verflossen, die Mode hat sich stark geändert und wir müssen ihn daher aufs neue vorstellen.
Die Calicotsaison ist zu Ende; jetzt trägt der junge Dandy einen langen, bis zum Knie reichenden, zugeknöpften Kaputrock, glänzende Stiefel, in deren hohen Röhren die engen Unaussprechlichen stecken und anstatt des Schnurrbarts, der verschwunden ist, einen Backenbart, der sich von den Ohren nach der Nase zieht, das Haar ist mitten gescheitelt und darüber ein schauderhaftes Etwas gestülpt, das man Chapeau à la Bolivar nannte und das eine sehr zweckmäßige Art von Hüten war, da es eine so breite Krämpe hatte, daß sie als Regenschirm dienen konnte. Dieser Hut wurde nach oben zu immer breiter.
Das ist Abellino von Karpáthi.
Auf den Treppen und in den Vorzimmern, die zu dem Bankier führten, wimmelte es von Livreebedienten, welche den Gast von Hand zu Hand gaben, ihm Überrock, Rock und Hut abnahmen, die er beim Fortgehen durch gutes Trinkgeld wieder einlösen mußte.
Diese verdienstvollen Brotvertilger kannten Abellino schon genau, denn die ungarischen hohen Herren wissen sehr gut, sie müssen im Ausland die Ehre der Nation besonders vor den Bedienten aufrecht erhalten und dazu gebe es nur ein Mittel: Geld wie Wasser ausstreuen und das Aufheben eines fallengelassenen Sacktuches mit Dukaten belohnen. Wir müssen wissen, daß ein eleganter Chevalier kein anderes Geld bei sich trägt, als Dukaten und zwar auch diese nur vom neusten Gepräge und gut mit eau de cologne und anderen Parfüms besprengt, damit man ihnen nicht die Berührung fremder Hände anmerke.
In einem Augenblicke waren Abellino Rock, Stock und Handschuhe abgenommen, die Bedienten klingelten einer dem andern, er wurde von einem Vorzimmer zum andern geführt und kaum war der Ritter zu der letzten Thüre gelangt, als ein Bedienter daraus hervortrat, meldend, Herr Griffard sei bereit ihn zu empfangen und hiermit wurden die hohen Mahagonithürflügel auseinandergeschlagen, welche in Herrn Griffards Empfangszimmer führten.
Da saß Herr Griffard, von einem Stoß Zeitungen umgeben; denn beiläufig gesagt, nur die ungarischen hohen Herren haben die Idee, der Sommer sei vom Schöpfer nur dazu eingerichtet wurden, daß man während desselben keine Zeitungen lese. Herr Griffard las also eben die neusten Nachrichten von den Siegen der Griechen, ganz hergestellt dadurch von dem unangenehmen Gefühl, das ein englisches kritisches Blatt in ihm erregt hatte, in welchem ein gewisser Herr Watts beweisen wollte, jener gottlose und aufgeblasene Lord Byron habe alle seine Gedichte von verschiedenen Schriftstellern abgeschrieben. Diese Polemik verursachte, daß Herr Watts einige Jahre hindurch sich einer gewissen Berühmtheit erfreute.
Vor dem Bankier stand auf einem kleinen Tisch aus chinesischem Porzellan ein silbernes Theeservice und eine halbgefüllte flache Schale, aus welcher er von Zeit zu Zeit eine Flüssigkeit schlürfte, wahrscheinlich Thee mit Ei gemischt, den er mit aus einer gewissen Milch extrahiertem Zucker versüßte; diese Substanz war damals eben erst erfunden und wurde als ein gutes Mittel gegen Brustschmerzen gerühmt, war aber sehr teuer, weshalb viele reiche Leute es für modern hielten, an Brustschmerzen zu leiden, um sich dieses teuern Heilmittels bedienen zu können.
Das Zimmer des Bankiers erinnerte nicht im geringsten an den einstigen Pastetenbäcker; als er die Kastelle der Emigranten kaufte, nahm er auch ihre Kammerdiener in seine Dienste und ein geschickter Kammerdiener ist der beste Lehrer jener vornehmen Uniformen, welche die Klassen der Chinesen, Lateiner und Philister so sehr bewundern, ohne sich sie aneignen zu können. Der massive Teil der Möbel, die Fauteuils, Diwans, Schreib- und Büchertische waren aus Ebenholz mit Silber verziert, die Überzüge aus weißem Kaschmir mit blumigen Bordüren, kein einziges Möbel stand dicht an der Wand oder in einer Ecke, sondern teils in der Mitte des Zimmers, teils mit den breiten Seiten an die Winkel gerückt, denn so war es damals Mode; und zwischen den Möbeln, die mit ihren schwerfälligen Formen die damalige (1822) europäische Blasiertheit und Nüchternheit darstellen sollten, standen als notwendiger Gegensatz die schön ciselierten, schlanken, korinthischen Vasen; kostbare antike Statuen, welche aus den vor nicht langer Zeit entdeckten Überresten Pompejis ausgegraben wurden, standen neben den bunten, mit Gold und Silber ausgelegten Tischen aus chinesischem Porzellan. Die Fußteppiche waren lauter mit der Hand gestickte Arbeiten und auf die meisten derselben war mit großen Buchstaben gestickt: souvénir, was aber dennoch nicht den Verdacht beseitigt, daß der Bankier diese Teppiche um teures Geld gekauft habe; die Wände waren von mit Silber bepreßten Tapeten bedeckt; Tibetshawls, die vom Plafond bis auf den Boden herabhingen und von silbernen Schlangen zusammengehalten wurden, teilten die Wände in Felder, in deren jedem prächtige Stahlstiche (in eleganten Arbeitszimmern pflegt man nicht Ölgemälde zu halten, diese gehören in die Salons), die Porträts berühmter Modedichter und Pferde hingen; die Porträts derjenigen Dichter, welche der Bankier persönlich kennt, sind mit Versen versehen, die sie eigenhändig hingeschrieben haben. Alles das beweist uns zur Genüge, daß der Bankier einen sehr geschickten, seine Zeit kennenden Kammerdiener hat.
Der Bankier selbst ist ein ungefähr siebzigjähriger ehrwürdiger Greis mit einem freundlichen, auf den ersten Blick einnehmenden Gesicht; nicht nur seine Haltung, sondern sein ganzes Benehmen erinnert lebhaft an Talleyrand, zu dessen größten Verehrern er gehört. Sein Haar ist wunderschön weiß, sein Gesicht noch rot, glatt rasiert und lebhaft, seine Zähne sind gesund und weiß, seine Hände besonders fein und glatt, wie gewöhnlich bei Leuten, die sich viel mit dem Kneten feinen süßen Teiges beschäftigt haben.
Sobald der Bankier durch die geöffneten Thüren Karpáthi erblickt hatte, legte er die Zeitungen beiseite, die er ohne Augenglas zu lesen vermochte, ging dem Gast bis zur Thüre entgegen und grüßte ihn aufs allerfreundlichste.
Diese große Freundlichkeit bestand den eleganten Modeformen gemäß darin, daß man sich schnell auf die beiden Fußspitzen erhob, mit den Fingerspitzen eine Bewegung nach dem Mund machte, den Oberleib so weit als möglich vorbeugte und den Kopf langsam schüttelnd, die Hand dem Fremden entgegenstreckte, was dieser mit gleichen Attitüden erwiderte.
– Monseigneur! rief der junge Merveilleux (das war der Titel der Modeherren), ich bin der Ihre bis zum Absatz meines Schuhes.
– Monseigneur! antwortete Mr. Griffard mit noch größerer Plaisanterie, ich bin der Ihrige bis zum Grund meines Kellers.
– Hahaha! hahaha! Das war gut gesagt, Sie haben mir gut geantwortet, lachte der junge Dandy; von diesen Bonmot wird man in einer Stunde auf allen Boulevards sprechen. Also was giebt es neues in Paris, mein lieber Goldsouverän? Schlechtes will ich nichts hören, sagen Sie mir nur, was es gutes giebt.
– Die beste Neuigkeit, sprach der Bankier, ist die, daß wir Sie wieder in Paris sehen können; und eine noch bessere, daß Sie bei mir sind.
– Ah, Monsieur Griffard, Sie sind immer so höflich, sprach der junge Incroyable (auch ein Modetitel), sich in einen Fauteuil werfend. Dies war übrigens damals nicht mehr Mode; man mußte sich rittlings auf einen Sessel setzen und an die Lehne mit den Armen stützen. Aber das konnte Abellino noch nicht wissen. – Eh bien, Monsieur Griffard, fuhr er fort, indem er sich in einem Taschenspiegel besah, ob seine Frisur nicht zerstört sei; wenn Sie mir also keine gute Neuigkeit sagen können, so kann ich Ihnen dafür eine andere erzählen, aber eine schlechte.
– Zum Beispiel.
– Zum Beispiel, Sie wissen, daß ich nach Ungarn gereist bin, um eine gewisse Erbschaft zu erheben, ein gewisses Majorat, das ein Einkommen von anderthalb Millionen trägt.
– Ich weiß es, sprach der Bankier mit frostigem Lächeln und spielte mit einer Feder.
– Sie werden vielleicht auch das wissen, daß in dem asiatischen Lande, wo mein Majorat liegt, nichts so schlecht eingerichtet ist wie die Gesetzgebung, ausgenommen die Landstraßen, die noch schlechter sind. Doch nein, die Gesetzgebung ist noch schlechter als diese. Die Landstraßen können wenigstens bei trockenem Wetter gut sein, aber die Gesetzgebung bleibt immer dieselbe, ob es regnet oder ob die Sonne scheint.
Hier hielt der junge Merveilleux inne, als ob er dem Bankier Zeit lassen wollte, ihm zu diesem geistreichen Einfall zu gratulieren. Doch jener lächelte nur und sagte nichts.
– Sie müssen wissen, fuhr Abellino fort, daß diese Menschen ein großes Buch haben; ich sage zu wenig, wenn ich es mit dem Strazzabuch eines Spezereikrämers vergleiche; darin sind nun alle Gesetze enthalten, welche je von Barbaren gebraucht wurden, z. B. auch das, daß ein Hahnrei sein treuloses Weib samt ihrem auf der That ertappten Liebhaber umbringen dürfe. Außerdem ist das Land voll von Advokaten; der Bauernstand besteht nur aus zwei Klassen von Menschen, nämlich aus Ackerbauern und Advokaten; daselbst nennt man manche Bauern Edelleute, warum, weiß ich nicht. Diese Advokaten haben nichts anderes zu thun, als überall Prozesse aufzusuchen und welche zu veranlassen, wenn sie keine finden, und für ein solches Meer von Prozessen und Advokaten giebt es in jedem Departement nur einen Richter und auch der beschäftigt sich im Sommer mit Rapsproduktion und Branntweinbrennen; aber das ist nicht genug, wenn man einmal ein gerechtes Urteil erlangt hat, so steht es der verlierenden Partei frei, den Richter zu verjagen, mit dem Stock oder einer Eisengabel Widerstand zu leisten und bei drei höheren Gerichtshöfen zu appellieren, deren letzter die Septemtrionaltafel heißt. (Mr. Abellino meint hier eigentlich die Septemviraltafel.)
– Sie erzählen mir da sehr spaßige Dinge, sprach Mr. Griffard lachend, der durchaus nicht begriff, wozu er das alles so gründlich zu wissen brauche.
– Ah, Sie müssen das alles hören, wenn Sie das Folgende verstehen sollen. Außerdem giebt es in der ungarischen Sprache noch einen sehr rabulistischen Ausdruck: intra dominium et extra dominium, was in unserer Sprache so viel bedeutet, wie »außerhalb des Besitzes und innerhalb des Besitzes.« Möge nun jemand auf eine gewisse Herrschaft was immer für ein kleines Recht haben, so ist er übel daran, wenn er außerhalb des Besitzes ist; derjenige aber, der innerhalb desselben ist, mag er was immer für ein Usurpator sein, kann leicht lachen, denn die Sache läßt sich in die Länge ziehen. So steht es mit mir. Denken Sie sich, die Erbschaft, das reiche Majorat mit einem Einkommen von anderthalb Millionen, ist mir schon zugefallen, ich eilte hin, um die Güter zu übernehmen und finde, daß mir bereits einer zuvorgekommen ist.
– Ich verstehe, sprach der Bankier mit seltsamem Lächeln; also in Ihrer reichen Erbschaft, Monseigneur Karpáthi, sitzt schon ein böswilliger Usurpator intra dominium, der Ihnen Ihr Recht nicht zuerkennen will und sich auf das große dumme Buch beruft, in welchem unter vielen Paragraphen auch das steht, daß es »zwischen Lebenden keine Erbschaft giebt.«
Der junge Dandy riß die Augen auf und sprach: Was wissen Sie?
– Daß dieser böswillige Usurpator, der Ihre Erbschaft mißbraucht, niemand anders ist, als Ihr Onkel, der indiskret genug ist, nachdem ihn schon der Schlag getroffen, wieder zu sich zu kommen, um Ihren Besitz wieder einzunehmen und Sie in die unangenehme Lage zu bringen, daß Sie in jenem ganzen großen Buch nicht ein einziges Paragraphchen finden können, auf das hin Sie Ihrem Onkel einen Prozeß machen könnten, weil er noch nicht gestorben ist.
– Schmach! rief Karpáthi von seinem Sitz aufspringend. Ich habe überall erzählt, daß ich einen Prozeß beginnen werde.
– Bleiben Sie nur ruhig, sprach der Bankier besänftigend. Jedermann glaubt Ihnen, was Sie sagen. Nur ich muß die Wahrheit wissen; denn ich bin ein Bankier, aber ich bin gewohnt zu schweigen. Mir sind die Familienverhältnisse des Fürsten von Nepaul in Ostindien so bekannt, wie die Lebensweise des ersten spanischen Granden und mir ist der embarras de richesses des ersteren so nützlich, wie die mit Glanz verhüllte Armut des anderen. Ich vermag jedem Fremden, der nach Paris kommt, seine wahre Stellung anzugeben, möge er auf welchem Wege und mit welchem Lärm immer kommen. Dieser Tage sind zwei ungarische Grafen angelangt, welche Europa zu Fuß durchwandert haben, ein anderer ist aus Amerika zurückgekehrt, wo er alle seine Reisen auf dem dritten Verdeck gemacht hat, aber ich weiß dennoch, daß diese Herren zu Hause so wohlgeordnete Wirtschaften besitzen, daß sie mir Geld leihen könnten; hingegen fuhr kürzlich ein nordischer Fürst, dessen Name den besten Klang hat, in einer von sechs Schimmeln gezogenen vergoldeten Kutsche mit Jägern durch die Porte St. Denis herein, aber ich weiß, daß der Arme nicht mehr Geld besitzt, als er mitgebracht hat, denn sein Vermögen wurde wegen eines dummen Streichs mit Beschlag belegt.
Karpáthi unterbrach ungeduldig die Rede des Bankiers.
– Ei, mein Herr, wozu brauche ich das alles zu wissen?
– Zum Beweise dessen, daß es auf dem Grunde der Herzen und Börsen immer Geheimnisse gegeben hat und geben wird, daß aber die Männer, welche die Finanzwelt beherrschen, diese Geheimnisse dennoch erfahren und um Ihnen zu beweisen, daß ich auch Ihre empfindlichen Umstände kenne; übrigens können Sie vor der Welt die Sache anders erzählen, man wird Ihnen schon glauben.
– En fin, was nützt mir das?
– Ah so? rief der Bankier, sich auf die Stirne schlagend; es wäre Ihnen lieber, wenn die Welt das wüßte, was ich weiß, nur ich nicht. Das ist natürlich; Sie sind mit der Absicht zu mir gekommen, mir ganz andere Krankheitssymptome mitzuteilen, als diejenigen, an welchen Sie leiden und dennoch von mir Heilung zu verlangen; ich bin aber ein praktischer Arzt und sehe den Leuten die Ursachen der Krankheit an dem Gesicht an. Wenn ich sie aber dennoch heilen könnte?
Abellino nahm diesen bitteren Scherz mit Wohlgefallen auf.
– Ha – fühlen Sie mir den Puls – sagte er scherzend, aber berühren Sie nicht meine Hand, sondern meine Tasche.
– Das ist nicht nötig. Sehen wir erst die Krankheitssymptome. Sie haben eine kleine Indigestion wegen einer nicht verdauten Schuld von dreimalhunderttausend Franks.
– Sie wissen es besser. Geben Sie meinen Gläubigern etwas, damit ich sie los werde.
– Ah, es wäre Schade um die armen Leute; wer wird den Tapezierer, den Wagenfabrikanten, den Riemer umbringen, bloß damit man ihnen nicht zu zahlen brauche? Es gäbe einen weit geradern Weg, sie zu befriedigen.
– Womit soll ich sie befriedigen, rief Abellino wütend, wenn ich nicht, wie Don Juan de Castro meinen halben Schnurrbart nach Toledo schicke, um darauf Geld auszuleihen; aber auch das könnte ich nicht, denn ich habe mir ihn abrasieren lassen.
– Und was werden Sie thun, wenn man dennoch das Geld von Ihnen verlangt?
– Das ist bald gethan, ich erschieße mich.
– O das thun Sie nicht. Was würde die Welt dazu sagen, wenn sich ein vornehmer ungarischer Edelmann wegen einer Bagatelle von einigen hunderttausend Franks erschießen würde.
– Und was wird sie sagen, wenn man ihn wegen einer solchen Bagatelle in den Schuldturm steckt?
Der Bankier legte lächelnd dem Dandy die Hand auf die Schulter und sagte mit ermunterndem Ton: Wir wollen schon probieren, wie Ihnen zu helfen wäre.
Dieses Lächeln, dieses herablassende auf die Schulter klopfen charakterisierte den Parvenü vollständig.
Karpáthi dachte in diesem Augenblick nicht daran, daß ein ehemaliger Pastetenbäcker aus der Straße Rambuteau dem Sprößling eines der ersten Kriegshelden Ungarns seine Gönnerschaft zuwendet.
Der Bankier setzte sich mit ihm auf einen Diwan und nötigte ihn so ordentlich zu sitzen.
– Sie brauchen dreimalhunderttausend Franks sagte Mr. Griffard mit freundlichem sanften Ton und Sie würden doch nicht vor dem Gedanken erschrecken, daß Sie für diese Summe beim Antritt Ihres Majorats sechsmalhunderttausend zurückzahlen?
– Fi donc, rief Karpáthi verächtlich, in welchem für einen Augenblick ein edler Stolz erwachte; er zog kalt seinen Arm aus der Hand des Bankiers und sagte, Sie sind doch ein Wucherer.
Der Bankier steckte die Beleidigung lächelnd ein und bemühte sich darüber zu scherzen.
– Das lateinische Sprichwort sagt: » bis dat, qui cito dat,« »doppelt giebt, wer schnell giebt.« Warum sollte also der das Gegebene nicht doppelt zurückverlangen dürfen? Übrigens, mein Herr, ist das Geld eine Ware und wenn es erlaubt ist, für den gesäten Samen das Zehnfache zu erwarten, warum nicht auch für das gesäte Geld? Sie müssen auch das in Betracht ziehen, daß es das gewagteste Unternehmen von der Welt ist, Geld wegzuleihen; Sie können ja früher sterben, als der Verwandte, den sie beerben wollen; Sie können bei der Fuchsjagd oder beim Wettrennen vom Pferde fallen und den Hals brechen, Sie können in einem Duell erschossen werden, ein Fieber oder eine Erkältung, und ich kann mir für meine seligen dreimalhunderttausend Franks einen Trauerflor um den Hut winden. Aber gehn wir weiter. Für Sie ist das nicht genug, daß Sie Ihre Schulden bezahlen, Sie brauchen auch weiter jährlich mindestens eine doppelt so große Summe. Gut. Ich bin bereit, Ihnen auch diese vorzustrecken.
Karpáthi wandte sich bei diesem Wort mit Interesse zu dem Bankier.
– Sie scherzen?
– Nicht im geringsten. Ich riskiere eine Million, um zwei zu gewinnen, ich riskiere zwei, um vier zu gewinnen und so weiter. Ich spreche offen. Ich gebe viel und nehme viel. Sie sind in diesem Augenblick um nicht viel besser daran, als Don Juan de Castro, der sich von den Sarazenen zu Toledo auf seinen halben Schnurrbart Geld ausgeliehen hat; gut! der Schnurrbart eines ungarischen Chevaliers soll nicht schlechter sein, als der eines spanischen, ich gebe darauf, so viel Sie befehlen und ich wage es kühn in Frage zu stellen, ob es mir oder dem Mohren von Toledo jemand zuvorgethan hat, oder ob jemand es nachahmen wird.
– Gut, Einigen wir uns, sprach Karpáthi, der die Sache ganz ernst nahm; Sie geben mir eine Million und ich gebe Ihnen einen Schuldbrief über zwei Millionen, die ich zu zahlen habe, sobald mein Onkel gestorben ist.
– Und wenn der Lebensfaden Ihres Onkels in den Händen der Parzen länger währen sollte, als die Million in Ihrer Hand?
– Dann werden Sie mir eine zweite geben, und so weiter. Sie legen Ihr Geld sehr gut an, denn der ungarische Edelmann ist der Sklave seines Besitzes und kann ihn niemanden, als seinen gesetzlichen Erben hinterlassen.
– Und sind Sie dessen gewiß, daß Sie allein der gesetzliche Erbe sind?
– Nach dem Tode Johanns von Karpáthi giebt es außer mir keinen, der diesen Namen führt.
– Das weiß ich, aber Johann von Karpáhti kann noch heiraten.
Abellino lachte.
– Sie stellen sich meinen Onkel als einen liebenswürdigen Chevalier vor?
– Durchaus nicht. Ich weiß sehr gut, daß er am Rande des Grabes steht; seine Lebensorgane sind so sehr in Auflösung, daß er, wie sehr ich ihn bedauere, kaum länger als ein Jahr noch leben kann, ausgenommen, er ändert plötzlich seine Lebensweise, wozu freilich wenig Hoffnung vorhanden ist. Sie vergeben es mir, daß ich von dem möglichen Tode Ihres Verwandten so spreche.
– Nur zu.
– Bei uns, die wir uns mit den Lebensversicherungsanstalten beschäftigen, ist es etwas alltägliches, daß wir die Lebensdauer eines Menschen abschätzen; nehmen Sie daher die Sache, als ob Sie Ihren Onkel bei einer Lebensversicherungsanstalt einschreiben ließen.
– Das sind überflüssige Skrupel; ich habe mit meinem Onkel gar kein Mitleid.
Der Bankier lächelte. Er wußte das besser, als Abellino selbst.
– Ich habe soeben gesagt, daß Ihr Onkel heiraten kann. Das gehört nicht eben zu den seltensten Fällen. Es trifft sich oft, daß abgelebte Gentlemen, die achtzig Jahre hindurch vor der Ehe ein Grauen gehabt haben, plötzlich in einer sentimentalen Stunde, die erste junge Lady, die ihnen zu Gesicht kommt, und sei sie auch zuweilen eine Küchenmagd, mit ihrer Hand beglücken. Oder es kann eine alte Neigung sein, die nach Jahren, wie ein in Steinkohlen eingeschlossenes Insekt zu neuem Leben ersteht und sie heiraten das Ideal, das sie in seinem sechzehnten Jahre nicht heiraten konnten, weil es vielleicht an einen anderen gebunden war, im Alter von siebzig Jahren, wenn es wieder frei ist.
– Mein Onkel hat keine Ideale. Er kennt dieses Wort gar nicht. Übrigens kann ich Ihnen versichern, daß eine solche Ehe kein Resultat haben könnte.
– Darüber bin ich ruhig, sonst hätte ich es kaum gewagt, Ihnen meine Anträge zu machen. Aber Sie müssen mir noch in einem andern Punkt Sicherheit verschaffen.
– Ich? Sicherheit? Nun, jetzt geht es an meinen Bart, murmelte Abellino, seine schwarzen Favoris streichend.
– In der That, dieser Vertrag ist eben ein solcher, wie diejenigen, welche man sich von einem noch reicheren Gentleman als ich bin, erzählt, den man allgemein den Teufel zu nennen pflegt und der sich die Seelen der Menschen, welchen er unermeßliche Schätze austeilt, durch mit Blut geschriebene Verträge zu verbinden pflegt. Par dieu! mein Geschmack ist ein anderer; dieser Monsieur Satan weiß mit den Seelen etwas anzufangen, aber wozu könnten Sie mir dienen? Im Gegenteil, ich will mich lieber dessen versichern, daß Sie recht lange leben.
– Natürlich, damit ich nicht früher sterbe, als mein Onkel.
– Getroffen. Ich werde Ihnen daher nicht bloß Geld geben, sondern auch darauf achten, daß Ihrem Leben kein Schaden geschehe.
– Wie so?
– Das will ich Ihnen sagen; so lange der alte Karpáthi lebt, dürfen Sie sich nicht duellieren, auf keine Parforcejagd gehen, keine Seereise unternehmen, mit den Mitgliedern des Ballettcorps keine Liaison anknüpfen, mit einem Wort: Sie müssen jede Gelegenheit vermeiden, die mit Lebensgefahr verbunden ist.
– Darf ich also keinen Wein trinken und dann auf keiner Treppe gehen, damit ich nicht herunterfalle und das Genick breche?
– Das nehmen wir nicht so genau. Ich gebe es zu, daß Ihnen die aufgezählten Verbote unangenehm genug sein werden, aber ich weiß einen Fall, der sie alle aufhebt.
– Wenn Sie heiraten.
– Parbleu! lieber verpflichte ich mich kein Pferd zu besteigen und keine Waffe in die Hand zu nehmen.
– Monseigneur! Sie sprechen, wie Sie es von den geschminkten Chevaliers in den Vaudevilles hören. Das ist eine witzige Karikatur, von Feuilletonisten erdacht. Sie wissen es ja, daß die Ehe in der eleganten Welt nur ein Kautschukband ist, es hält zusammen, wenn man eben will, aber, es giebt auch nach, so viel wir wollen. Sie würden eine elegante Dame mit Ihrer Hand beehren; denn in Paris findet man ja Damen genug, die man ein ganzes Jahr hindurch zu lieben im stande wäre. Nach einem Jahre gäbe es einen jungen Sprößling mehr in der Karpáthischen Familie und dann wären Sie von Ihrer Verpflichtung frei. Sie könnten den Hals brechen oder sich erschießen, wie es Ihnen gerade beliebt. Wollen Sie sich aber lieber weiter des Lebens freuen, so ist ja Paris groß genug, die Welt doppelt so groß und Sie können sich es einrichten, daß Sie Ihre Frau gar nicht mehr zu sehen brauchen, ausgenommen etwa, Sie verlieben sich ein zweites Mal in sie, wenn sie Ihnen bereits wieder fremd geworden ist. Das ist nicht so schrecklich.
– Wir wollen sehen, sprach Abellino aufstehend, indem er sich seine, während des Sitzens verdrückten Manschetten glättete.
– Wie? fragte der Bankier gespannt, der es vorausgesehen hatte, daß Karpáthi, sobald er sich bereit zeigt, ihm aus seinen Verlegenheiten zu helfen, den Spröden spielen werde.
– Ich sage, wir wollen sehen, welcher der vor mir liegenden Wege der bequemste sei. Das angebotene Geld nehme ich jedenfalls an.
– Ah! das habe ich gehofft.
– Nur die Garantien sind in Frage. Zuerst probiere ich, ob ich es vermag, Ihre Verbote zu halten. O ich bin an die asketischen Entsagungen gewöhnt; in letzter Zeit habe ich mich homöopathisch kurieren lassen und vier Wochen hindurch durfte ich keinen Kaffee trinken, noch mein Haar parfümieren. Ich besitze viel Seelenstärke. Wenn ich Ihre Verbote aushalte, dann probiere ich die Ehe. Aber besser als alles das wäre es, wenn ich meinen Onkel auf schöne Art loswerden konnte.
– Ach, mein Herr, sprach der Bankier rasch aufstehend, ich hoffe Sie scherzen nur.
– Haha! lachte der junge Dandy, Hier ist nicht von Gift und Dolch die Rede; ich denke auch nicht daran, daß ich dem Armen seine Gesundheit durch hitzige Frauenzimmer oder durch fette Pasteten verderbe. Sie wissen es, es giebt so gute schwere Pasteten, man nennt sie Erbschaftspasteten, sie sind nicht vergiftet, nur fett und lecker. Eine Schüssel voll davon gegessen, guten roten Wein darauf und der Schlag ist fertig.
– Ich weiß es nicht, denn ich habe niemals solche gemacht, sprach der ehemalige Pastetenbäcker ernst.
– Ich sage es auch nicht, damit Sie sie für meinen Onkel machen sollen; ich kann hassen, ich kann jemanden aus Haß erstechen, erschießen, aber jemanden ermorden lassen, damit ich ihn beerbe, daß kann ich nicht; aber ich kann Ihnen sagen, daß ich, wenn ich mir diese Mühe nehmen wollte, fähig wäre, ihn aus der Welt zu schaffen.
– Es wäre schade, warten wir, bis er von selbst geht.
– Es bleibt nichts anderes zu thun übrig. Bis dahin sind Sie genötigt, mein Bankier zu sein. Je mehr Geld ich ausgebe, desto nützlicher ist es für Sie, denn Sie erhalten es doppelt zurück. Was kümmert mich das? Wer nach mir kommt, der möge zusperren.
– Wir sind also einig?
– Morgen nach zwölf Uhr können Sie Ihren Notar mit den fertigen Dokumenten zu mir schicken, damit ich nicht lange zu thun habe.
– Ich werde Sie nicht bemühen.
Abellino empfahl sich und der Bankier begleitete ihn, sich die Hände reibend, bis zu der Thüre.
Es war die schönste Aussicht vorhanden, daß eines der größten Güter Ungarns binnen einigen Jahren vollständig in die Hände eines fremden Bankiers gelange.