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Im Lager der Gegenpartei.

Am andern Morgen fühlte sich Alienor ungefähr wie ein Mensch, den man ein ganz klein wenig gerädert hat.

»Du Leon,« klagte er, indem er ein Glied nach dem anderen versuchte, ob es denn auch noch ihm gehöre, seinem Reisegefährten, der, sowie er erwachte, mit beiden Füßen zugleich aus dem Bette sprang und vor Allem ans frische Wasser ging, um sich tüchtig zu waschen, »Du, Leon, wird das jeden Tag so fort gehen?«

»O nicht doch. Jetzt kommt eine kleine Abwechselung. Wir besuchen heute das Gebiet der Gegenpartei; dort setzt es Alles eher, als einen Fackelzug.«

»Gott sei Lob und Dank! daß wir nun endlich einmal von den guten Freunden loskommen! Ich sehne mich wahrhaftig nach den Feinden.«

Alienor dachte, nach dem gestrigen großen Gelage werde er das Schlachtfeld mit Gefallenen bedeckt finden; an Straßen und Rainen müßten die Marodeurs herumliegen, die der Wein niedergeworfen habe. Er kannte eben die Kortesnatur nicht. »Die Garde trinkt, aber sie ergiebt sich nicht!« Der Fall ist in ihren Annalen nicht verzeichnet, daß ein Kortes an einem Tage so viel getrunken hätte, daß er am folgenden Morgen nicht sofort wieder von vorne hätte anfangen können.

Als die beiden Helden aus dem Thore des Pfarrhauses traten, fanden sie vor demselben ihr Gefolge von gestern, zu Roß und zu Wagen bereits versammelt; die Leute empfingen die Gefeierten mit jauchzendem Zurufe.

»Könnte man diese Cortege nicht irgendwie verlieren?« fragte Alienor in offenherziger Vertraulichkeit Leon.

»Sei unbesorgt, sie werden gleich von selber zurückbleiben.«

Als man auf die Hutweide hinauskam und an den dreifachen Hotterhügel gelangte, von welchem aus bereits der Kirchthurm des nächsten Dorfes sichtbar ist, stellte sich an dem Punkte, wo der Weg nach zwei Seiten abzweigt, das Banderium mit einem Male in militärischer Ordnung auf. Die Wagen hielten gleichfalls an und die Männer stiegen ab.

»Hier nehmen wir Abschied von unseren Getreuen,« sprach Leon zu Alienor. Dieser trat zu den Reitern, lobte ihre Pferde und fragte sie, ob es ihnen denn nicht beschwerlich sei, so ohne Sattel und Decke zu reiten. Dann schüttelte er den Notabilitäten noch einmal der Reihe nach die Hand. Auch Frauen hatten ihm das Geleite gegeben; sie waren aber auf dem Wege geblieben; unter ihnen befand sich auch das schmucke Weibchen mit der Wespentaille.

»Nun Alienor,« ermunterte Leon seinen Klienten, »willst Du Deiner schönen Tänzerin nicht noch einen Abschiedskuß geben?«

Alienor bedankte sich schönstens für die Ehre und war froh, als er wieder in den Wagen steigen konnte. Dieser fuhr ganz allein weiter. Selbst Herr Dumka hatte den seinigen sammt dem Galakleide und dem silberbeschlagenen Pallasch zurückgeschickt; er kleidete sich ganz in Civil um und setzte sich in den Wagen des Herrn Kandidaten herüber auf den Vordersitz. Ueberdies schloß sich ihnen noch Herr Csajkos mit der großen weißen Fahne mit nationalfarbiger Bordüre an; er setzte sich auf den Kutschbock. Mehr waren ihrer fortan nicht.

Auf halbem Wege nach Gezetlen, mitten in der großen Kukuruzflur, kam ihnen ein Einspänner entgegen. Das Pferd hinkte auf einem Vorderfuße, dafür war es aber auf beiden Hinterfüßen struppirt. Der Kutscher war ein faustgroßer Knirps von einem Buben; auf jeden Schlag mit der Peitsche zerrte er einmal mit einem jähen Ruck am Leitseil; so blieb das Fuhrwerk immer hübsch im Takte. Auf dem Rücksitze saß ein halberwachsenes junges Mädchen, den Kopf mit einem Tuche umwunden.

Kaum war das Mädchen der Herren ansichtig geworden, so hieß sie ihren Kutscher halten. Das Pferd leistete der Aufforderung, stehen zu bleiben, weit bereitwilliger Genüge, als der Wagen, der auf dem abschüssigen Wege par tout noch ein Stück weiterrollen wollte.

»Halten Sie still! Bleiben Sie stehen!«

Die Herren ließen gleichfalls halten. »Ei das ist ja die Sali, die Tochter des alten Jakob, des Arrendators von da drüben,« sagte Herr Csajkos.

»Na Sali, was giebt's?« rief Leon hinüber.

»Ach ein Unglück, gnädige Herren, ein großes entsetzliches Unglück!« jammerte Sali und leitete ihren Bericht gleich mit einem herzbrechenden Geheule ein. »Fahren die gnädigen Herren heute ja nicht nach Gezetlen hinein, um Gottes willen nicht! Ist doch das ganze Dorf voll von Räubern und Mördern. Gestern zu Nachts, als der Tate hat ausgesteckt am Giebel von unserem Haus die weiße Fahne, die Sie uns haben geschickt, sind sie gekommen, wenigstens ihrer tausend, mit Messern und Beilen und Knüppeln; geflucht haben sie fürchterlich und Gott gelästert, und haben uns eingeworfen alle Fenster und eingebrochen die Thür und alle Gläser und Flaschen zerschlagen und Alles was im Hause war, und dem Tate haben sie eingeschlagen den Kopf an drei Stellen. Just fahre ich zum Bader nach Sipota hinein, daß er soll kommen zu uns heraus und dem armen Tate geben ein Visum repertum und ein Pflaster auf den Kopf. Wenigstens fünfhundert Gulden haben wir Schaden; weiß Gott wer uns wird ersetzen, was sie uns haben ruinirt. So soll ich erleben den morgigen Tag, wie sie uns heute Nacht werden erschlagen Alle miteinander. Gehen die gnädigen Herren doch ja nicht hinein nach Gezetlen; die Räuber stehen heraußen am Ende vom Dorf und werden Sie massakriren zu Gulyasfleisch.«

Man kann sich vorstellen, wie die ganze Gesellschaft betreten war. Nur Leon verlor keinen Augenblick seinen guten Humor. »Hoho, mein Schatzkind! Da mußt Du ein wenig früher aufstehen, wenn Du mich zum Narren halten willst. Laßt Euch das Geschwätze nicht anfechten, Ihr Herren, ich kenne den Kniff. Ein uraltes Kortestempo! Man schickt dem Kandidaten auf halbem Wege eine Schreckenspost voll blutrünstiger Schaudergeschichten entgegen; ist er ein Hasenfuß, der Kehrt macht und Reißaus nimmt, so wird er hinterher schauderhaft ausgelacht. Sag Du, mein Schatz, den Leuten, die Dich uns mit der Post entgegengeschickt haben: ich kaufe von der Sorte nichts, ich handle selber mit dem Artikel. Vorwärts Kutscher!«

Sali verschwor sich zwar hoch und theuer, man habe dem Tate doch wahrhaftig nicht pro forma an drei Stellen den Kopf eingeschlagen, allein es hörte Niemand mehr auf ihre Betheuerungen; die Herren fuhren mit dem Kandidaten weiter gegen Gezetlen.

Die zuversichtliche, heitere Laune, mit welcher Leon die Nachricht aufgenommen hatte, beruhigte Alienor vollkommen; Leon hatte ihm schon unzählige ähnliche Kniffe aus dem Kortesleben erzählt, mit welchen die Parteien einander hinters Licht zu führen suchen. Leon selber war allerdings überzeugt, daß Alles, was Sali erzählt hatte, auf ein Jota wahr sei; aber er wollte seine Leute nicht muthlos machen; er besorgte, sie möchten ihm auf halbem Wege umkehren. So lachten sie einstweilen wenigstens über die Geschichte. Von der Wahrheit derselben überzeugten sie sich erst, als sie aus einem kleinen Pappelwäldchen ins Freie herauskamen und nun die Ortschaft Gezetlen unmittelbar vor sich sahen.

Gezetlen könnte füglich ein »befestigter« Ort genannt werden; es ist nämlich rings umher von Weingärten eingeschlossen, so daß man von allen Seiten nur auf der geraden, gebahnten Straße in den Ort gelangen kann, gleich wie in das Innere eines alten Avarenringes; auf sogenannten Gewandtwegen, die hinter den Gärten herumführen, die Straße zu umgehen, das ging hier nirgends an.

Die Haupteinfahrt aber war vom Feinde besetzt, und zwar stark besetzt. Eine ungeheure Volksmenge, Männer, Weiber und Kinder, wimmelte und wogte zwischen den Zäunen zu beiden Seiten. Was für Absichten die Leute hegten, das bekundeten in unzweideutiger Weise die zahlreichen Knüppel und Beile, die sie wie auf Kommando in der Luft schüttelten, sobald sie den Wagen mit der weißen Fahne am Kutschbock erblickten, sowie das Lärmen und Johlen, welches hundertfach emporbrauste. Besonderen Nachdruck erhielt die Geschichte durch einen tüchtigen Hagel von Steinen, welcher zwar den Wagen nicht erreichte, immerhin aber die gute Meinung dokumentirte.

»Nur kaltes Blut, Ihr Herren!« sprach Leon und warf einen Blick über das Schlachtfeld. »Die Suppe wird niemals so heiß gegessen als sie gekocht wurde.«

»Um Gottes Willen, Sie werden doch nicht etwa gar hingehen wollen?!« rief Herr Dumka.

»Leon, ich lasse Dich nicht gehen!« ereiferte sich Alienor.

Allein Leon war bereits vom Wagen gesprungen und hieß den Kutscher abseits im Schatten der Bäume halten, bis er wiederkomme. Damit aber über die Absichten der Volksmenge, welche sich ihnen in den Weg stellte, keinerlei Zweifel übrig bleibe, kam ihnen ein Reiter den Weg herauf entgegen gesprengt, der, als er in Gehörweite war, seinen Fokos drohend in der Luft schüttelte und ihnen folgendes Nuntium überbrachte:

»Probirt es nur und kommt herein ins Dorf – daß Euch das kreuzheilige Himmeldonnerwetter ...! Aber das sag ich Euch, die Hunde sollen Euer Blut vom Erdboden lecken.«

»Was hast Du denn da für eine prächtige Stute, Bandi?« redete Leon den Burschen an und trat zu ihm. »Aber mir scheint, Du willst einen armen Menschen gar nicht mehr kennen, wenn Du einmal zu Rosse bist?« Der berittene Herold stellte sein Geschimpfe für eine Weile ein. »Sag einmal, Bandi, möchtest Du mir einstweilen, bis die Hunde unser Blut vom Erdboden lecken, nicht einen Schluck aus Deinem Kulacs geben? Es ist gräßlich warm heute.« Der ungestüme Bursche nahm richtig die Feldflasche, die er en bandelier trug, von der Schulter und reichte sie Leon. Dieser that einen herzhaften Zug daraus.

»Der ist von Deiner eigenen Fechsung, wie? Na das merkt sich gleich; der Jakob, Euer Wirth, schenkt keinen solchen Tropfen aus. Wie sieht es denn heuer aus in den Weingärten? Wirds viel geben von der Sorte?«

Und nun geriethen sie tiefer und immer tiefer in den Discurs hinein. Der Reiter zog im Schritt neben Leon her. Dieser hatte sich des Langen und Breiten nach der ganzen Sippschaft des Burschen zu erkundigen: wie es jedem Einzelnen gehe, so Viele ihrer daheim waren. Und dann ob er selber schon militärfrei, und ob er schon versprochen sei, und von wem er den prächtigen Strauß habe, den er da auf dem Hut trage. Leon hatte davon den Vortheil, daß ihn die Buben hinter den Zäunen hervor nicht mit Steinen bewarfen, weil eben Einer von den Ihrigen bei ihm war. »Wer ist denn der Parteiführer bei Euch?« fragte Leon schließlich. »Herr Tukmanyi, nicht wahr?«

»Ja wohl, der wilde Palatin. Daß ihn die nächste Wildsau quentelweise zerrisse!«

»Ihr habt ihn gern – was?«

»Ja, wie der Teufel das Weihwasser!«

Leon hatte nicht viel zu fragen, wo der Kortesführer zu finden sei; als sie an die Stelle gelangten, wo die Volksmenge am dichtesten stand – daselbst prangten auch einige tricolore Fahnen – trat er in Person vor.

Und zwar nicht allein, sondern – mit seiner holden Ehehälfte. Ja wohl, die constitutionelle Bewegung ist im Stande, Wunder zu wirken. Im Schlosse zu Etelvar hatte sie die Fürstin, die sonst nur des Nachts lebte, vermocht, ihre dicht verhüllten Fenster dem hellen Tageslichte zu öffnen, in dem verfallenen Lehmhause hatte sie Mann und Weib mit einander ausgesöhnt. Sie zogen selbander durch den Bezirk, die Sache der Partei zu fördern; wenn der Mann schon so viel geredet hatte, daß ihm total der Faden ausging, die Frau wußte denselben immer wieder endlos weiterzuspinnen.

Auch jetzt traten sie Leon Arm in Arm entgegen. Die Toilette der Dame sah genau so schmutzig und wetterzerzaust aus, wie die Kleidung des Herrn Gemahls: an den Füßen trug sie zwei ungleiche Schuhe, auf dem Kopfe eine genetzte Haube, aus deren Maschen, wie die Nägel aus dem Sacke, allenthalben die ungekämmten, röthlichen Haarbüschel hervorstachen; die ganze Frisur aber deckte strahlend und belebend eine unbändige Rose aus rothem Haras, die sie an den Scheitel gesteckt trug. Am Arme hatte sie an langen Tragschnüren einen umfangreichen Ridikül hängen, aus Kürbiskernen anstatt der Perlen gestickt. Der Inhalt desselben war dem Ansehen nach ziemlich schwer.

»Servus Palko, Bruderherz!« Also begrüßte Leon den großen Mann und schüttelte ihm kordial die Hand. »Bist Du aber gewachsen, seit ich Dich nicht gesehen habe! Meine Hochachtung, schöne, theure, gnädige Frau. Wie prächtig Ihr Aussehen ist! Meinen Handkuß!«

Und dem Worte ließ er die That folgen; er küßte der wilden Madame Palatin die Hand. Damit hatte er die wackere Amazone im Augenblicke so ganz und gar kirre gemacht, daß sie einen übermüthigen Buben, der gegen Leon die Zunge herausstreckte, auf der Stelle derart Mores lehrte, daß ihn das Nasenbluten anwandelte.

»Sag einmal, Bruderherz, warum wollet Ihr uns denn nicht in den Ort herein lassen?« sprach Leon leichthin zu dem furchtbaren Chef des feindlichen Lagers. »Ihr erschreckt ja den Menschen, daß Einem völlig das Blut in den Adern stockt.«

»Was habt Ihr denn hier zu suchen?« schnauzte der wilde Palatin Leon an und riß seine Hand zurück.

Leon ließ sich das nicht weiter anfechten, sondern legte nun vollends seinen Arm in jenen des Wilden, machte ein unsäglich pfiffiges Gesicht und raunte ihm ins Ohr: »Du, Kamerad, habt Ihr denn gar so heidenmäßig viel Geld, daß Ihr die ganze Wahlgeschichte aus eigener Tasche bestreiten könnt? Braucht Ihr keinen Gegenkandidaten?«

»Geld –? den Teufel haben wir Geld! Selbst die paar Fahnen haben wir mit Mühe und Noth von den Weibern zusammen gebettelt. Die Eine mußte einen weißen Rock hergeben, die Andere einen rothen, eine Dritte ihren grünen: so verhalfen wir uns zu Tricoloren.«

»Also warum zum Henker wollet Ihr denn dann verhindern, daß der Gegenkandidat ins Dorf hereinkommt, der Geld mit sich bringt und zu essen und zu trinken? Wollet Ihr mit trockener Kehle dem Herrn lobsingen? Oder glaubst Du etwa gar, ich schleppe den Affen mit mir herum, um ihn zum Abgeordneten wählen zu lassen? Fällt mir ein! Lassen wir doch den Narren sein Geld verzehren! Sein Alter hat dessen ja ohnehin die schwere Menge, so daß es von selber zu Tage drängt, wie am Charfreitag Abend die vergrabenen Schätze. Und dann – weißt Du – dabei fällt auch für mich ein kleines ›Beschores‹ ab. Einem armen Teufel, wie ich's bin, thun zehn-, zwanzigtausend Gulden auch wohl. – Werde ich der Narr sein, sie nicht mitzunehmen? Hahaha!«

»Hehehe!« Darüber mußte selbst der Troglodyt lachen.

»Du erinnerst Dich doch, Palko, daß sich Gezetlen bisher noch bei jeder Wahl den Spaß machte und dem Gegenkandidaten gestattete, im Orte sein Lager aufzuschlagen und seine Fahne auszustecken? Und das ganze Dorf ging hin und trank seinen Wein und trug sich aus der Fleischbank die gratis ausgeschroteten Lenden- und Bratenstücke heim und tanzte und tollte ihm zu Ehren bis zum Wahltage; dann aber stimmte Alles gegen ihn wie ein Mann; nicht ein einziges armseliges Votum hat hier ein Gegenkandidat jemals davongetragen! Na – war es denn nicht jedesmal so?«

»Ja, das hat seine Richtigkeit.«

»Warum willst Du also diesmal eine neue Ordnung einführen? Warum willst Du Dich dem Weine in den Weg stellen, der dahergeströmt kommt, die durstigen Seelen zu erquicken? Du meinst wohl etwa gar, wenn ich den linken Schächer da draußen zu Euch hereinbringe, so wird im Handumdrehen Deine ganze Mannschaft zu ihm stehen und ihm zu Liebe papistisch werden?«

»Na das besorge ich nun eben nicht. Hehehe! Einen wächsernen Haubenstock fürchte ich in der Regel nicht. Ist gar nicht meine Art, von einem solchen lebzeltenen Reiter zu erschrecken!«

»Also – dann denk' ich, Du ließest uns hübsch ruhig einziehen.«

»Weißt Du: ich fürchte mich nicht – ich fürchte den Teufel selber nicht. Auch Euer Geld fürchte ich nicht; nur her damit! Hier ist keine Seele feil. Aber vor Dir selber fürchte ich mich doch! Du bist ein verteufelter Calefactor! Wenn wir Dich hier reden lassen, könntest Du uns am Ende doch warm machen. Das fürchte ich.«

»Palko! Sei doch gescheidt! Du kennst doch unser Programm? Kann man damit in Gezetlen Jemanden abtrünnig machen? Mit den Prinzipien der ›Posaune von Jericho‹ willst Du in Gezetlen Jemanden wankelmüthig machen? Vielleicht den Meilenzeiger draußen auf Eurem Hotter, aber sonst doch wohl Niemanden. Und dann meinst Du wohl, ich werde der Narr sein, Euch hier auf offenem Markte das ganze Gesalbader vorzupredigen und mir den Hirnkasten einschlagen lassen? Weißt Du, was ich Alles in Allem reden werde? ›Liebe Mitbürger! Hier bringe ich Euch sieben fette Rinder.‹«

»Das achte ist der Kandidat.«

»Du, sei nicht grob! Sonst setzt es ein Kopfstück hier mitten in Deinem eigenen Lager. Ich küsse Ihnen die Hand, liebe gnädige Frau, daß Sie es ihm statt meiner applizirt haben. Nehmen Sie ihn doch ja gehörig in Zucht und Regiment, den Hallodri, den nichtsnutzigen! – Also meine Rede wird Alles in Allem sein: ›Hier ist das Wirthshaus – hier ist die Fleischbank; mitten drin weht unsere Fahne. Wein und Fleisch ist von heute an umsonst für Jedermann. Wohl bekomm's, geliebte Mitbürger! Und damit »Amen«.‹ Sollte mir aber zufällig dennoch irgend etwas Gefährliches über die Zunge kommen, was Euch zum Nachtheile gereichen könnte, je nun – so bist Du ja auch am Platze und der Herr Rector Tarifas ist nicht minder da.« (Der Rector hatte sich nach und nach herangemacht und steckte nun seine rothe Nase zwischen die beiden Sprechenden hinein.) »Ihr werdet eben, was Euch nicht gefällt, stante pede widerlegen, wie es Euch gefällt. Ich spreche ja doch vor intelligenten Männern, denen man nicht so mir nichts dir nichts den Kopf verdreht. Zuerst redet Ihr und entwickelt Euer Programm; dann kommen wir daran und das letzte Wort ist schließlich wieder Euer. Du, das soll eine Komödie geben, sag' ich Dir, wenn der Schwab ungarisch zu reden anfängt und kann kein ›r‹ aussprechen und meckert durch die Nase –! Willst Du Dein Publikum um dieses Gaudium bringen?!«

Der wilde Palatin lachte bereits, Herr Tarifas, der Rector, aber hielt mit strenger Miene an sich. »Alles recht schön, aber ich habe nun einmal meine Bedenken, die Herren in unsere Stadt herein zu lassen.«

»So?« rief nunmehr Leon. »Und Ihr wollt Ungarn sein? Seid Euer dreihundert Mann und fürchtet Euch vor einem einzigen Stück Schwaben? Getraut Euch nicht einmal, ihn herankommen zu lassen?!«

»Was da! Wir fürchten uns nicht! Justament fürchten wir uns nicht!« schrie Madame Tukmanyi, die nachgerade die Geduld verloren hatte, dazwischen und streifte ihre gestrickte Handtasche mit einer energischen Bewegung höher an den Arm hinauf. »Laßt sie ankommen! Sie sollen uns in die Augen schauen, wir wollen hören, was sie zu sagen haben. Wir haben auch unseren gesunden Menschenverstand; wir fürchten die großen Herren nicht! Nun denn – tessèk! Nur immer hereinspaziert!«

»Meinen besten Dank, hochgeehrte Patriotin, gnädige Frau, für Ihre huldvolle Protection. Gestatten Sie mir auch Ihre fernere Wohlgewogenheit für mich und meine Kameraden zu erbitten.«

Die gnädige Frau erwies Leon denn auch in der That sofort die fernere Gewogenheit daß sie die liebe Dorfjugend anwies: es solle sich ja Keines unterstehen, ihm beim Fortgehen mit Steinen nachzuwerfen. Bei der Phalanx der Buben führte, wie es schien, Madame das Kommando.

Die auf dem Wagen zurückgeblieben waren, erstaunten nicht wenig, als sie Leon heil und unversehrt zurückkehren sahen; noch größer aber ward ihre Verwunderung, als er ihnen über den Erfolg seiner Unterhandlungen berichtete, als sie hörten, daß sie ungehindert in Gezetlen einziehen, ja daselbst über ihrer Tanya sogar ihre Fahne ausstecken dürfen und Niemand dieselbe herabreißen werde. Ja was mehr als all das: es sollte ihnen gestattet sein, vor der Volksversammlung auf offenem Marktplatze ihr Programm zu entwickeln!

Der Wagen setzte sich nach der Ortschaft hin in Bewegung. Die gegnerische Armee gab Raum, rangirte sich hübsch in Ordnung zu beiden Seiten und empfing die mitten Hindurchfahrenden mit lufterschütterndem Hohngejohle.

Da bekam nun Alienor freilich ganz andere Dinge zu hören als Schmeicheleien. Ein Rudel sang das bekannte Spottlied: »Der Schwab hat keine ...« (Das Objekt des Satzes ist eine gewisse Wäschsorte, die unter den Beinkleidern getragen wird.) An einer Stelle im Zuge prangte an einer langen Latte hoch aufgesteckt die Karrikatur aus dem Witzblatte der Gegenpartei. Vor dem Wagen her trug ein Bursche einen riesigen Kulacs an einer Weißpinselstange; die bauchige Feldflasche trug die Umschrift: » In hoc signo vinces.« Ein hoffnungsvoller Junge hielt sich am Wagenschlage fest, lief neben her und schrie unausgesetzt aus Leibeskräften: Eljen Karakan! während an der anderen Seite der Kutsche als Pendant eine Zigeunerin mit dem Wagen um die Wette rannte, die in der einen Hand ein quiekendes Ferkel, in der anderen eine hohltönende große Ochsenglocke trug.

Vor dem Wirthshause des alten Hebräers Jakob wurde angehalten. Hier sollte das Hauptquartier Derer von der weißen Fahne aufgeschlagen werden.

Aber auch hier wurde Alienor nichts weniger als mit einer Begrüßungsrede empfangen. Kaum hatte der alte Jakob die weiße Fahne am Kutschbock erblickt, so erhob er ein Wehgeschrei und rannte auf den Hausboden hinauf; sein Weib aber versteckte sich im Keller. Es erwies sich in der That Alles als die lautere Wahrheit, was Sali erzählt hatte. Der Tate trug den Kopf eingebunden, im ganzen Hause war kein ganzes Fenster zu finden. Nachdem die Herren abgestiegen waren, vermochten sie nur mit vieler Mühe die Hausfrau aus dem Keller hervorzulocken, damit sie ihnen etwas Wasser – zum Waschen reiche.

Herzzerreißend waren die Klagen der braven Frau, zumal als sie das entsetzliche Klirren der Flaschen und Gläser schilderte. Den poetischen Schwung des Entsetzens vermag keine Feder wiederzugeben. Aber nun bekundete sich auch hier wieder jene gewisse Zauberkraft, welche von Leon ausging und auf Jedermann ihren Einfluß übte, der mit ihm in Berührung kam; von der wir nicht zu sagen wissen, ob sie in seinem Blick oder in dem Metall seiner Stimme lag, oder aber eine magnetische Fascination zu nennen ist. Gewiß ist aber, daß er der zu Tode erschrockenen Frau kaum erst die Mittheilung gemacht hatte: der erlittene Schade solle mit fünfhundert Gulden ersetzt und fortan solle auf Herrn Dumka's Rechnung Tag und Nacht Jedermann, der in die Fleischbank komme, Rind- und Schaffleisch unentgeltlich verabfolgt, in der Kellnerei aber heuriger Achter, was nur immer draufgehen möge, gleichfalls gratis eingeschänkt werden – daß er, sagen wir, der Frau noch kaum diese Mittheilung gemacht hatte, als auch schon das nervöse Zittern sie verließ, nicht anders, als ob es weggeblasen wäre; ihre Hand bebte nicht mehr, ihr Kopf schwankte nicht mehr kraftlos wie zuvor; sie hatte mit einem Male ihre Stimme wiedergefunden, ja ihre Genesung wirkte sogar auf ihren Mann fort, der auf dem Hausboden versteckt lag: seine gefährlichen Kopfwunden waren plötzlich wie durch ein Wunder geheilt – er eilte frisch und gesund die Treppe herab.

Mittlerweile hatte sich die Bevölkerung auf dem großen Platze versammelt, der vor dem Wirthshause lag. Vis à vis stand das Gemeindehaus. Mitten auf dem Platze war ein großer Brunnen; über den Kranz desselben hatte man eine alte Kellerthür gelegt und so mit inventuoser Findigkeit eine Rednerbühne improvisirt. Die Fallthür war aus dicken Bohlen fest gezimmert, so daß der Redner nicht zu besorgen hatte, daß er etwa durchbrechen und zu einem unfreiwilligen Bade im Brunnen kommen könnte, während andererseits das Bewußtsein, daß unter ihm das Wasser laure und daß man ihn ohne Weiteres hinein werfen könne, wenn er dem Auditorium nicht zu Gefallen rede, sicherlich seine ersprießlichen Früchte tragen mußte. Wer sollte übrigens an solcher Stelle nicht gut sprechen? Kranke und Abgeordneten-Kandidaten pflegen immer sehr schön zu reden. Binnen Kurzem sahen die Herrschaften im Wirthshause unter einem begeisterten, nicht endenwollenden Eljensturme vom Volke auf den Schultern getragen den Gegenkandidaten, Herrn Karakan, am Platze erscheinen.

»Herr« ist übrigens nicht so ganz der zutreffende Ausdruck. Es war ein genialer Einfall von Karakan gewesen, sich vom Wirbel bis zur Zehe als Bauer zu kostümiren; er trug ein Hemd mit weiten, flatternden Aermeln und dazu jenes gewisse andere Kleidungsstück, welches »der Schwab nicht zu haben pflegt«, von derselben Façon; weiter eine Weste, reich mit kleinen Knöpfen besetzt, und auf den Schultern eine bunt ausgenähte Szür. Niemand hätte ahnen können, daß der Mann anders woher komme, als recta via aus einer ansehnlichen Schweinehürde des Bakonyer Waldes.

Die kernige Rede, welche nunmehr folgte, war nicht minder durchweg aus Loden geschnitten.

»Geliebte Brüder und Schwestern! Wie Ihr sehet, bin ich Keiner von den ›Herren‹. Ich bin ein armer Bauersmann, gleich Euch. Meine Eltern waren niederer Herkunft und ich selber muß mein thränengesalzenes Stücklein täglich Brod ebenfalls mit saurer Händearbeit dem blutgetränkten Boden unseres theuren Vaterlandes abgewinnen.«

»Seiner Lebtage hat der Schelm noch kein anderes Werkzeug geführt als die Karte,« bemerkte Leon für sich, so in der Randglosse.

»Wozu aber müssen denn wir, Ihr Alle, das Volk, den blutgetränkten Boden unseres theuren Vaterlandes mit unserem Schweiße befruchten? Wozu anders, als um die Herren zu mästen, die uns ausrauben, uns über die Achsel ansehen, verhöhnen, verkaufen, uns auf die Schlachtbank schleppen ...!« Der Rest verhallte in dem aufbrausenden Beifallssturme.

Alienor begann zu fiebern; er vermochte eines hörbaren Zähneklapperns nicht mehr Meister zu werden.

Der Redner ging sodann speciell auf die soeben angekommenen Herren über. Die Porträts, welche er von ihnen lieferte, durften sich in der That sehen lassen. Der Erste kam der Rentmeister an die Reihe: der sei nichts Geringeres, als der Frohnvogt Pharaonis, der das arme Volk in die Ziegelschläge peitscht und ihm nicht einmal die nöthige Spreu zu der Arbeit verabfolgt; ein alter Sünder, der die Leute brandschatzt, die Gründe kommassirt, die armen Bauern von Haus und Hof vertreibt; seiner Missethaten seien mehr als der Haare auf seinem Kopfe. (»Na, ich habe mein Theil, vollgemessen!« bemerkte Herr Dumka.) Der Zweite, der junge Goliath, der Napoleon – der ist der ganzen Gemeinde Gezetlen doch wohl aus früheren Jahren her zur Genüge bekannt, wo er als grausamer Scherge der Gewalt mit Steuerexecutionen wüthete, Rekruten einfing, das Volk in den Kerker warf und zur öffentlichen Arbeit trieb; in jüngster Zeit aber war er als Einer der Jugend des Landes und als Mann ehrvergessen genug, sich zu verkaufen, den Pfaffen und den großen Herren sich zum Sklaven zu ergeben, in ihren Sold zu treten als hündischer Tellerlecker ...!

»Huh ...!« machte Alienor schaudernd.

»Hahaha!« lachte dagegen Leon laut auf.

Der Redner aber fuhr fort: »Und um allen seinen Schändlichkeiten die Krone aufzusetzen, zieht er jetzt gar als Komödiant mit einem Affen im Land umher und bringt Euch einen Orang-Utang in den Ort, den Ihr zu Eurem Deputirten wählen sollt ...!«

Schließlich kam Alienor daran. Hatte ihn gestern von all der Verherrlichung, die er über sich ergehen lassen mußte, ein Fieber angewandelt, so bekam er heute eine ganze Apotheke der kräftigsten Antidota zu verschlucken. Er wurde als das denkbar wundersamste Scheusal geschildert, zusammengesetzt aus Abscheulichkeit und Lächerlichkeit. Alienor fühlte, daß ihm nachgerade warm wurde; er begann bereits zu schwitzen. Das hätte er denn doch nie und nimmer geglaubt, daß er jemals in die Lage kommen könnte, sich solche Dinge sagen lassen, sie mit eigenen Ohren anhören zu müssen. Indessen war es nicht etwa Zorn, was in ihm aufstieg, sondern Furcht. Das drohende Beifallsgeschrei des Auditoriums machte ihn bange. »Giebt es denn kein Militär, keine Finanzwache, keine Panduren hier, um Einem das Leben zu schützen? Der Mensch läßt uns ja noch der Reihe nach hier aufknüpfen!«

»Kaltes Blut!« beruhigte ihn Leon. »In einer halben Stunde ist Alles anders. Ueberlaß das nur mir. Was Karakan fertig bringt, das traue ich mir auch noch immer zu. Jeder Knüppel hat zwei Enden.«

Nachdem nun Karakan seine Gegner in dieser Weise abgethan hatte, kam er auf seine eigene werthe Persönlichkeit zu sprechen. Er legte des Weiteren dar, wer er sei und was er sei und mit Hülfe welcher Grundsätze er Gezetlen zum Mittelpunkte des Paradieses umzuzaubern gedenke, wenn er gewählt werde. Die Steuern werden selbstverständlich herabgesetzt und auch im reducirten Betrage nur dann gezahlt, wenn die Leute schon absolut nicht mehr wissen, was mit dem vielen Gelde anfangen. Was aber vollends die Steuerexecution betrifft, so wird sogar das Wort aus dem Lexicon gestrichen. (Begeistertes Eljen!) Die Militärpflicht wird aufgehoben. Jeder Mann wird Nationalgardist; ein solcher jagt den Feind schon durch sein bloßes Erscheinen davon. (Stürmischer Beifall und Applaus, insbesondere von Seiten des Damenpublikums.) Tabak kann alle Welt frei nach Belieben bauen. Die Trafiken werden aufgelassen. (Allgemeine Zustimmung.) Bezüglich der Staatsschulden wird einfach ausgesprochen: Wir anerkennen sie nicht! Wir wollen nichts wissen davon. (Stürmischer Beifall.) (»Was ist denn noch übrig?«) fragte der Redner leise von der Tribüne herab. Rechts und links an derselben standen die Parteiführer, Herr Tukmanyi und Herr Tarifas, der Rektor. »Die Eisenbahn!« soufflirte Herr Tukmanyi. »Richtig. Eine unserer vornehmsten Aufgaben wird es sein müssen, zwischen Potyomond und Gezetlen eine Eisenbahn mit Staatsgarantie ins Leben zu rufen.« (Lärmende Zustimmung.) »Das Erziehungswesen!« flüsterte ihm Herr Tarifas zu. »Jawohl. Hauptsächliches Gewicht müssen wir auf die Volkserziehung legen, insbesondere auf die Einführung des ›Linirsystems‹ in den Schulen (darüber hatte ihm der Rektor des Langen und Breiten vorgeredet, so zwar, daß er keinen klaren Begriff hatte, worin dieses System eigentlich bestehe) und auf den Unterricht von Erwachsenen.« (Was habe ich denn noch vergessen?) »Die Kirchengüter!« soufflirte wieder Herr Tukmanyi. »Richtig. Nichts kann gerechter und billiger sein, als daß die Güter der Geistlichkeit der Staat an sich nehme, der sie ohne Frage nothwendiger gebraucht. Die Pfaffen sollen arbeiten, und die Apostel haben auch gearbeitet, der Eine war ein Zöllner, Andere waren Fischer.« (Die Idee fand gleichfalls Anklang.) »Na, was ist denn noch los?« »Die Nationalbank!« »Davon wollt ich eben sprechen. Wir wollen keine deutschen Banknoten, wir wollen uns selber eine Nationalbank errichten; Metalldeckung brauchen wir keine; nimmt das Ausland unsere Noten nicht – um so besser; so bleiben sie im Lande und wir haben desto mehr Geld.« (Auf diesen Passus folgte nur schwacher Beifall. In dieser einen Frage hört eben die Gemüthlichkeit auf.) »Was denn nun zum Schluß?« »Die Civilehe!« »Jawohl, die Civilehe. So lange diese fehlt, ist unsere vaterländische Constitution nicht vollständig. Ohne Civilehe giebt es keine vollkommene Gleichheit unter den Staatsbürgern. Die Civilehe muß unbedingt eingeführt werden!« (Hier erklangen die Eljens vollends nur mehr sporadisch. Was kümmert dieses Publikum die Civilehe!)

Nun wäre es aber ein großer Fehler von einem Kandidaten, wollte er seine Rede endigen, ohne zum Schlusse eine ausgiebige Beifallssalve erzielt zu haben. Karakan fühlte das ganz wohl und schlug daher noch einmal das begeisternde Thema an, daß die Urheber aller unserer Uebel und Leiden die Herren seien, die uns schinden und placken seit Jahrhunderten, seit den Zeiten Uladislaus II. her, wo Johann Szapolyai den Georg Dozsa auf einem glühenden Throne von Eisen braten ließ. Das packte; der Redner und der Dozsa und der Szapolyai, Alle mit einander ernteten reichlichen Applaus.

Karakan war zu Ende. Es war ein saures Stück Arbeit gewesen, von dem er wie in Schweiß gebadet stand. Er trocknete die Stirne mit dem flatternden Aermel seines weiten Hemdes, so recht nach Art eines flotten Bauernburschen. Neuerliches Eljen belohnte das volksthümliche Gebahren.

(»Sie schlagen uns heute sicherlich noch Alle todt,« stöhnte Alienor, der vom Fenster des Wirthshauses aus Alles mit angesehen und angehört hatte.)

Und nun kam der zweite Redner an die Tour: Herr Tukmanyi kletterte auf die Tribüne.

Er brauchte nicht erst ausdrücklich zu versichern, mit wem er es halte; sein Aussehen zeigte es zur Genüge: er trat schmierig und zerlumpt auf – der beste Beweis seiner Liebe zu dem armen Volke. Seine Stimme klang schnarrend und heiser und sein Vortrag war nicht angenehm – gesunden Menschenverstand aber bekundete er unter den gegebenen Verhältnissen mehr als der geehrte Herr Candidat, das leidet keinen Zweifel.

Er beeilte sich, der Versammlung auseinanderzusetzen, daß man die begeisternden Worte, welche sie soeben in der meisterhaften Programmrede ihres ausgezeichneten Kandidaten vernommen, nicht etwa in dem Sinn auffassen dürfe, als könnte man sich nunmehr ohne weiteres tatsächlich über die Herren hermachen und sie durchprügeln; denn das würde üble Folgen nach sich ziehen. Die Person des Abgeordneten-Candidaten und ihrer Begleiter sei heilig und unverletzlich; wer solchen die Köpfe einschlüge, würde mit dem Stuhlrichter und dem Sicherheitskommissär in unliebsame Berührung kommen; man würde Militär ins Dorf schicken, wer da Widerstand leisten wollte, würde am Ende gar noch niedergestoßen und die Rädelsführer hätten ein paar Jahre lang zu brummen; dermalen sei die Gewalt eben in Händen der Tyrannen. Der schöne patriotische Satz, den der Herr Candidat ausgesprochen: »Wir wollen unsere Waffen schwingen und sie blinken lassen über den Häuptern unserer Feinde,« – dieser schöne Ausspruch sei sonach nur als bildlicher Satz zu verstehen; es sei hier nur von unseren konstitutionellen Waffen die Rede: von unseren Stimmen, von unseren Voten; diese sollen wir erheben und leuchten lassen. »Unsern gerechten Ingrimm aber« – schloß der Redner – »wollen wir für dermalen noch in die Tiefe unserer Brust vergraben und wollen jetzt auch die Redner der Gegenpartei anhören; auf den unbezwinglichen Wällen der Veste unserer gerechten Sache fußend, wollen wir verächtlich hinabspeien auf die Köpfe der stürmenden Gegner, denn sie sind nicht werth, daß wir unsere Stöcke durch die Berührung mit ihnen verunreinigen ...!«

»Ein verständiger, ordentlicher, ein wackerer Mann!« stammelte Alienor erleichterten Herzens. »Er verleugnet doch wenigstens nicht alles christliche Mitgefühl.«

»Na ich für meinen Theil werde so viel christliche Nächstenliebe schwerlich am Lager haben,« meinte Leon; »ich denke, meine zwei lieben Freunde da draußen im Handumdrehen von ihren eigenen Leuten tüchtig durchprügeln zu lassen.«

»Wie, Du willst also wirklich zu ihnen hinausgehen?«

»Natürlich; und Du gehst mit mir.«

»In unserem Anzuge, jetzt, wo das Volk gegen den schwarzen Rock dermaßen aufgehetzt ist?!«

»Ah, den Anzug legen wir selbstverständlich ab. Ich habe schon noch andere Kostüme im Vorrath. Du ziehst den rothen Frack der Fuchsjäger an und ich die französische Zuaven-Uniform vom letzten Maskenballe her.«

»Was? Bist Du denn verrückt geworden?«

»Im Gegentheil, ich bin vollkommen bei Troste. Der schwarze Rock ist den Leuten verhaßt, die Uniform aber imponirt ihnen. Sie werden verblüfft sein. Ich vertheile für jetzt nur die Rollen; Du bist ein Engländer, ich bin Franzose. Alles Weitere überlaß Du nur mir. Nun aber sieh zu, daß Du Dich umkleidest. Das Publikum wird bereits ungeduldig, also spute Dich. Du bist nun einmal auf der Bühne und hast keine andere Zuflucht, als das Souffleurloch. Die Integrität Deines Hirnkastens, vielleicht Dein Leben selbst hängt davon ab, wie Du spielst. Wenn wir jetzt Fersengeld geben, so setzt das gesammte Publikum hinter uns her und prügelt uns braun und blau. Wir müssen kühn und verwegen mitten unter die Leute hineinstürmen, gleich dem überschnappten Helden eines Operetten-Librettos und müssen trachten, sie um jeden Preis dahin zu bringen, daß sie ihre eigenen Wortführer prügeln, anstatt uns. Tertium non datur! Da bleibt weiter keine Wahl.«

Alienor mußte sich schließlich zu der halsgefährlichen Komödie bequemen. Er getraute sich nicht, Leon zu widersprechen, der ja sein einziger Hort und Schirm war inmitten der Wigwams der Wilden hier in den Savannen. Er that also in Gottes Namen den rothen Frack an, zumal er sah, daß Leon im Nu die Zuavenjacke und die rothe Pumphose am Leibe hatte. Sogar einen Galanteriedegen und einen Dreimaster hatte Leon für ihn zur Hand und schließlich steckte er ihm, um das Costüm vollständig zu machen, einen unbändigen silbernen Cotillon-Orden an die Brust. Dann schnallte er selber gleichfalls seinen Säbel um. »So! Und nun All right!« – » Vogue la guerre!«

Draußen war die neugierige Menge bereits im höchsten Grade ungeduldig geworden und das »Hört! Hört!« erscholl immer dringender und stürmischer.

Kaum aber waren die Leute der fremdartigen, auffälligen Uniformen ansichtig geworden, so verstummte das bisherige Getümmel sofort und machte dem tiefen Schweigen der Ueberraschung, des Staunens Platz; man gab den beiden Genossen Raum, ja die zunächst Stehenden auf dem ganzen Wege bis zum Brunnen hin zogen sogar die Hüte vor ihnen ab. An der improvisirten Redner-Tribüne angelangt, half Leon zuvor Alienor hinauf, dann schwang er sich selber mit einem kräftigen Satze an dessen Seite und begann sofort seine Anrede.

»Erlauchtes Volk!« ›Erlauchtes!‹ Nicht: ›Hört, Ihr lieben Leute!‹ Nicht: ›Meine Freunde!‹ sondern ›Erlauchtes Volk!‹

»Denn dieser Titel gebührt dem souveränen Volke, vor dessen Angesicht ich mir einige Worte zu gestatten bitte.« (»Was soll denn nur die Maskerade?« brummte Herr Tukmany neben der Tribüne.)

»Ich habe es nicht nöthig, mich dem Volke erst vorzustellen; das Volk kennt mich: Jedermann weiß, daß ich der Bruder Napoleons bin.« Bei diesen Worten lief eine beifällige Bewegung durch die Menge; in der That kannte ihn ja alle Welt als »Bruder Napoleon.« (»Darauf kann man ihn nicht einmal Lügen strafen!« brummte Herr Tukmany vor sich hin.)

»Ein Bruder jenes glorreichen, jenes großen Napoleon, der bei Solferino die Oesterreicher geschlagen hat, dem wir es zu verdanken haben, daß uns nicht mehr die czechischen Gensdarmen im Nacken sitzen, daß wir nicht Alle insgesammt in Olmütz und in Josefstadt schmachten, sondern frei unsere Deputirten wählen können. Hoch die heldenmüthige französische Nation! Hoch mein ruhmvoller Namensbruder Napoleon!«

Darauf nun nicht Eljen zu rufen, das ging doch offenbar nicht an. Einen »Beifall« hatte er also dem Auditorium bereits entlockt.

»Mein geehrter Freund aber, den ich Ihnen hiermit vorstelle, ist der berühmte Prinz Alienor, der Sproß eines regierenden Fürstenhauses, ein Sohn jenes mächtigen England, welches den ungarischen Flüchtlingen gastliche Aufnahme gewährte, vor dessen gewaltiger Kriegsflotte der ganze Erdkreis zittert – desselben mächtigen England, welches stets der treueste Freund aller unterdrückten Völker ist, welches bereits Polen befreit hat und nun auch Ungarn vom Joche befreien wird.« (»Du! dafür läßt uns hinwider die Regierung henken!« flüsterte ihm Alienor ängstlich zu.) (» English spoken, Mylord!« brummte ihn Leon zwischen dem Barte hervor an und fuhr fort:) »Jawohl, das glorreiche England hat ihn gesendet, angethan mit der Uniform eines Kommodore der englischen Kriegsmarine, die Brust mit dem Orden der Victoria regia geschmückt.«

Victoria regia – das ist ja eine Wasserblume!« rief Herr Rector Tarifas gelehrtthuend dazwischen.)

»Allerdings. Wenn's eine Weinblume wäre, würde er sie ja auch auf der Nase tragen, wie der Herr Rector.«

Nun hatte Herr Tarifas in der That eine bedeutend rothe Nase. – Das Auditorium ermangelte nicht, auf den treffend heimgegebenen Hieb in wieherndes Gelächter auszubrechen. Die Leute lachten – damit war bereits die zweite Schanze genommen. »Hab ich's nicht gesagt, man soll den Menschen hier nicht reden lassen!« knurrte Herr Tarifas.)

»Doch das erlauchte Volk wird fragen: Was hat denn aber ein Engländer im ungarischen Reichstage zu suchen? Ich will diese Frage beantworten. Mein sehr geehrter Vorredner, der andere Herr Abgeordneten-Candidat, vor dessen Fähigkeiten und dessen Patriotismus ich mich jederzeit gerne beuge, hat vollkommen richtig bemerkt, daß das Steuerzahlen ein- für allemal abgeschafft werden müsse. In welcher Weise er es aber möglich zu machen gedenkt, daß das Steuerzahlen in unserem Vaterlande abgeschafft werde, das hat mein sehr geehrter Freund nicht gesagt; gerade das aber ist die Hauptsache bei der Geschichte. Je nun, der Engländer weiß es uns zu sagen. Höret denn, geliebte Mitbürger und erfahret: Als mein glorreicher Oheim, der erste große Napoleon, von den übrigen Potentaten im Jahre 1815 überwunden wurde, da preßte man ihm eine unsinnige Kriegs-Entschädigung ab, von welcher auf den Antheil Ungarns gleichfalls achthundert Millionen entfielen. Anstatt jedoch dieses Geld, wie es recht und billig gewesen wäre, unter das Volk zu vertheilen, hat man vorgezogen, es zu behalten und hat es in die Bank von England hinterlegt. Dort liegt es heute noch. Dieses Geld gehört dem Lande und ist durch die Interessen seither auf wenigstens zweitausend Millionen angewachsen. Diese zweitausend Millionen Gulden nun von der englischen Bank für uns herauszuprocessiren – das wird die Aufgabe des Mannes sein, den ich Ihnen als Abgeordneten-Candidaten vorstelle.«

(»Huh – das ist ja Majestätsbeleidigung, was Du da zusammenredest! Ich laufe auf und davon!«) » Nye krics, wenn Du ein Engländer bist!« brummte ihn Leon grimmig an; davonlaufen konnte er übrigens nicht, denn Leon hielt ihn am Arme fest. Dem Auditorium aber gefielen die Auseinandersetzungen des Redners sehr wohl. Schau, schau; Herr Karakan, der muß entweder von der Geschichte nichts gewußt haben, oder er hat sie den Leuten verheimlichen wollen.

»Wenn es uns gelingt, dieses Geld herauszuarbeiten, so werden fortan nicht wir dem Staate, sondern der Staat wird uns zahlen. Denn vor Allem Andern werden wir dann kein Militär mehr halten. Das ist ein Punkt, in welchem ich mit meinem geehrten Freunde Karakan vollkommen einverstanden bin. Was ich aber dabei durchaus nicht billigen kann, das ist das System, welches er uns an die Stelle des stehenden Heeres empfiehlt; die Nationalgarde. Das ist nichts für uns! Fragen wir doch einmal Herrn Czuppan oder Herrn Dezsas, die Herren waren ja im achtundvierziger Jahre Officiere bei der Nationalgarde, die werden wohl davon zu reden wissen, was es heißt, Gardist zu sein. Ein Familienvater soll den eigenen Herd verlassen, bei Wasser und Brot bis Nagy-Banya marschiren, kommt dann ohne Hut und ohne Szür wieder heim, findet am Ende gar noch Haus und Hof verlassen, das Weib ausgeflogen Gott weiß wohin ... Nein, nein, ich glaube kaum, daß Viele von uns Lust hätten, noch einmal das Kalbfell auf den Rücken zu nehmen.«

(»Nein wahrhaftig nicht! Hol's der Geier! Nichts für uns!«) riefen die älteren Männer in der Versammlung von allen Seiten durcheinander. Die Nationalgarde war sonach formaliter abgelehnt.

»Unser Candidat würde dem Landtag klar machen, wie man das reguläre Militär aufheben kann, ohne dafür die Nationalgarde einführen zu müssen. Man nennt das »Garantie«. Wenn Frankreich Algier zu vertheidigen vermag, wo doch nichts als wilde Heiden wohnen, England aber Ostindien zu schirmen im Stande ist, wo es keinen andern Menschen giebt als Zigeuner, – so werden sie beide zusammen doch wohl auch Ungarn vertheidigen können, so daß wir uns nicht weiter den Kopf zu zerbrechen brauchen. Und das ist auch nicht mehr als recht und billig: haben wir dreihundert Jahre hindurch ganz Europa vertheidigt, so soll jetzt einmal Europa uns vertheidigen. Wir wollen einstweilen zuschauen.«

Das war nun freilich eine recht gemeinverständliche und natürliche Lösung der Wehrfrage.

»Was die Frage der Staatsschulden anbelangt, so habe ich diesbezüglich gegen die Ansichten meines geehrten Freundes nichts einzuwenden; nur hinzufügen möchte ich meinerseits noch etwas, und zwar Folgendes: Meines Erachtens wäre es eine dringende Nothwendigkeit, daß: noch ehe wir die Erklärung abgeben, daß die Staatsschulden nicht gezahlt werden, auch die Privatschulden jedes einzelnen Staatsbürgers vom Staate übernommen, gleichfalls in Staatsschulden convertirt würden. Dadurch würden wir erreicht haben, daß schon während der Zeit bis zur Aufhebung der Staatsschulden die schweren Wucherzinsen von unseren Passiven nicht mehr wir armen Schuldner allein zu tragen, sondern auch die elenden Kerle, die Gläubiger, an den Interessen für ihre eigenen Forderungen mit zu zahlen hätten.«

Das war nun wieder ein Finanzprogramm, so klar und einleuchtend, daß es nothwendigerweise Jedermann selbst auf nur einmaliges Anhören sofort kapiren mußte. Man rief denn auch von allen Seiten: »Spricht sehr gut der Mann! Weiter! Hört, hört!«

(Der wilde Palatin aber knurrte gegen die Tribüne hinauf: »Du Leon! verhetze mir das Volk nicht auf so infame Weise!«) Und Alienor murmelte vor sich hin: »Wenn die Thür da unter uns unter diesen tausendpfündigen Dummheiten nicht einbricht, so ist sie bomben- und granatenfest!« »Hört! Hört! Weiter!«)

»Die Ausführungen meines sehr geehrten Herrn Vorredners in Sachen des Tabakbaues anlangend, finde ich auch diese seine Idee nicht so ganz vollkommen richtig. Denn: daß wir frei und ungehindert sollen Tabak bauen können, das ist allerdings ein durchaus correctes Verlangen; daß aber Jedermann frei Tabak bauen dürfen solle, – das ist ein Begehren, welches uns ganz und gar nicht frommen kann. Wer würde uns denn dann unsern Tabak abkaufen, den wir nicht selber verrauchen? – Unser Candidat wird einen Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause einbringen, nach welchem es nur dem kleinen Gutsbesitzer gestattet sein würde, Tabak zu bauen, davon kann man auch leben. Die Regierung aber soll den Tabak nach wie vor einlösen. Also: der Tabak soll frei sein, die »Finanz« soll abgeschafft werden, aber die Trafik soll bestehen bleiben.«

Dieser Gesetzentwurf wurde mit frenetischem Beifalle aufgenommen. (»Er macht uns wahrhaftig noch das Volk abwendig und verrückt!« sprach Herr Tukmanyi besorgt zu sich selber. – »Napoleon! Hör' einmal, nun ist's aber des Geschwätzes genug!«)

»Was ist denn noch übrig?« fragte Napoleon zu ihm gewendet. »Ah ja so! die Eisenbahn von Potyomany nach Gezetlen, richtig! Je nun, liebe Mitbürger, wenn es sich blos um eine Eisenbahn handelt, die kann jeder Abgeordnete seinen Wählern aus dem Aermel schütteln, das ist weiter keine Kunst. Es ist nur die Frage, ob die Wähler eine Bahn auch wollen? Welchen Nutzen hat denn das Volk eigentlich von der Eisenbahn? Daß die Weizenpreise steigen und die armen Leute ihre Brodfrucht theurer kaufen müssen; daß wälsche Taglöhner ins Land gebracht werden, welche den einheimischen Arbeitern den Verdienst vom Munde wegnehmen. (Sehr wahr!) Hier in Gezetlen wohnen an hundertfünfzig wackere Bürger, welche sich und die Ihrigen durch Fuhrwerken erhalten; sie alle mögen in dem Augenblicke, wo hier eine Eisenbahn eröffnet wird, ihre Pferde nur lieber gleich todtschlagen und sich um eine Anstellung als Bahnwärter umthun. – Mit ihrem Erwerbe ist's dann ein- für allemal vorbei. Und noch Eins, und das ist die Hauptsache: wenn im Frühjahr die Gebirgswässer niederzugehen anfangen und sie finden ihren natürlichen Ablauf durch einen langen Eisenbahndamm versperrt, so sind im Handumdrehen sämmtliche Gärten in ganz Gezetlen aus ihren Häusern ausgetränkt wie die Erdhasen – das weiß Jedermann. Wir brauchen also in Gezetlen eine Eisenbahn höchstens dann, wenn wir uns einmal entschlossen haben, in unseren Gemüsegärten Frösche zu züchten.«

(»Nichts da! Wir brauchen keine! Der T... hol' alle Eisenbahnen! Recht hat er!« erscholl es wüst durcheinander unter der Menge.«) (»Du Weib, das Donnerwetter soll Dir kreuzweise auf den Buckel niederfahren!« redete Herr Tukmanyi seine Ehehälfte zärtlich an: »Was hast Du's nothwendig gehabt, darauf zu dringen, daß wir den Kerl da hereinlassen mußten? Hab ich Dir's nicht gesagt, daß er ein noch weit ärgerer Galgenstrick ist, als wir Alle mit einander! Er licitirt uns noch aus unserer ganzen Position hinaus. Jetzt sieh' zu, wie Du die Sache wieder ins Geleise bringst. – Geh und arrangire irgend etwas mit den Buben.«) Dieses Etwas nun bestand aus nichts Anderem, als daß Herrn Tukmanyi's holde Lebensgefährtin ein Rudel der nichtsnutzigsten von den Dorfjünglingen, soweit möglich alle jene, welche der Schule am meisten abhold waren, zusammentrieb und sie anstiftete, daß sie sich aus Straßenkoth tüchtige Klöße machten; Material dazu war am Grabenraine in Hülle und Fülle vorhanden, durchaus zäher, schwarzer Lehm; mit diesen Geschossen sollten sie dann den Redner, wenn er eben im besten Zuge sein würde, herzhaft zu bombardiren anfangen.

Leon arbeitete mittlerweile die Themata auf, die noch übrig waren. »Ganz und gar einverstanden bin ich damit, daß die Güter der Geistlichkeit eingezogen werden; nur soll das nicht zu Gunsten des Staates geschehen, wie sich mein geehrter Vorredner ausgedrückt hat, sondern zu unseren Gunsten; wir brauchen derlei noch weit notwendiger.« (»Darauf hin werden wir doch exkommunicirt!« entsetzte sich Alienor.) Die Kortesführer der Gegenpartei erkannten die destructive Wirkung, welche Leons Rede hervorbrachte und machten auch ab und zu den Versuch, ihn zu unterbrechen; allein sie waren seiner Stimme nicht gewachsen. Das klang wie – die Posaunen von Jericho, daß Mauern und Wälle einstürzten vor dem Schalle.

Der Redner schickte sich an, nunmehr auch noch die Bankfrage zu lösen. Er berichtigte zunächst den Irrthum in den Ausführungen des Vorredners, als ob die zukünftige ungarische Nationalbank keinen Metallfond nöthig hätte. »Ein Metallfond muß vorhanden sein; ja gerade der Metallfond ist Dasjenige, worauf wir um jeden Preis bestehen müssen: wozu wäre denn sonst eigentlich die Quote geschaffen worden? Hat man uns eine dreißigpercentige Quote der österreichischen Staatsschuld auf den Hals geladen, so gebührt uns auch ohne Frage die dreißigpercentige Quote vom Silbervorrath der österreichischen Bank; das Silber stammt ja ohnehin auch von unseren Bergwerken her.« – Das war gleichfalls eine verständliche und höchst annehmbare Proposition. (»Das ist ja aber der pure Kommunismus!« jammerte Alienor.)

Mittlerweile war nun aber Leon das saubere Vorhaben gewahr geworden, welches da unten ins Werk gesetzt werden sollte; die kleinen Patrioten drängten und bohrten sich von allen Seiten durch die Menge und zogen sich immer näher an den Brunnen heran und kneteten dabei emsig die Lehmklöße in den Händen. Leon durchschaute das Strategem; er ließ die Buben erst ganz nahe herankommen und nahm dann – die Frage des Erziehungswesens in Angriff.

»In einem Punkte aber, geehrte und erlauchte Mitbürger muß ich meinem geehrten Vorredner auf das Entschiedenste widersprechen und dieser ist das Project, in der Volksschule das Linirsystem – wie er sich auszudrücken beliebte – einzuführen. Also ›liniren‹ – prügeln will der Herr Candidat unsere Kinder lassen? Diese herrliche Jugend, auf welcher unser Auge mit Freude und Wohlgefallen ruht, unsere theuren Kleinen, die Hoffnung des Vaterlandes, sie sollen nun neuerdings mit Ruthe und Haselstock traktirt werden, wie das liebe Vieh?! Was? das wäre nicht wahr? Hat der Herr Candidat nicht mit dürren Worten ausdrücklich die Einführung des Linirsystems in den Volksschulen für nothwendig erklärt? O Ihr unschuldigen, Ihr heiteren, lieben Kinder! Deshalb jauchzet Ihr so freudevoll heute an diesem festlichen Tage, damit Euch fortan der Rector Tag für Tag vom frühen Morgen bis zum Mittag mit Schillingen bearbeiten könne? Das wäre der ganze Vortheil, den Euch die Deputirtenwahl bringen soll? Na Pista, Marczi, Gyurka, Ihr armen Kerle, könnt Euch freuen auf die Bescheerung!«

Die Aufregung unter den Buben war ungeheuer.

Aber Karakan war nicht gewillt, die Sache so hingehen zu lassen. »Ich protestire gegen jedwede Verdrehung meiner Worte!« schrie er mit gellender Stimme und schickte sich an, als Dritter auf die Rednertribüne hinaufzuklettern, wohl um des Näheren auseinanderzusetzen, daß unter dem Linirsystem des Herrn Rectors ja nichts weiter zu verstehen sei, als eine gewisse neue Methode des Schreibunterrichtes. Allein just in dem Augenblicke, wo er im Begriffe stand, die Höhe der Tribüne zu gewinnen, kamen ihm aus Pista's und Marczi's und Gyurka's stets sicher treffenden Händen die Lehmklöße an die Ohren geflogen, daß ihm sofort Hören und Sehen verging und er von der Tribüne wieder zurückfiel.

(»Wir wollen Dich liniren!« heulte das jugendliche Krethi und Plethi. Der Herr Rector bekam auch zwei oder drei von den Projektilen weg, ja eines derselben riß sogar der gnädigen Frau die rothe Rose vom Hinterkopfe.)

Leon that, als bemerkte er gar nicht, was rings um ihn her vorgehe; er fühlte sich vor den Klößen sicher.

»Es thut mir sehr leid,« fuhr er fort, »daß ich genöthigt bin, den Anschauungen des geehrten Herrn Gegencandidaten zu widersprechen, denn ich zähle zu seinen aufrichtigsten Verehrern und beuge mich vor ihm ohne Rücksicht darauf, daß er eigentlich jüdischer Herkunft ist.«

Das war die furchtbarste Petarde der ganzen Rede. Seinem Gegencandidaten ins Gesicht sagen, er sei ein Jude: das ist geradezu Grausamkeit! Karakan war doch wenigstens human genug gewesen, dem Gegner nichts weiter als einen Schwaben, einen hergelaufenen Kerl, einen Straßenräuber, einen Affen und einen Esel anzuthun; die Gegenpartei aber ist unbarmherzig genug, zum Aeußersten zu greifen und ihm nachzusagen: er sei ein »Jude«! Wie sollte er nun da das Gegentheil beweisen?

Und der Gegner verfolgte den einmal gewonnenen Vortheil. »Ein Jude, jawohl. Uebrigens sehe ich gar nicht ein, was daran zu verheimlichen ist? Die Juden sind ja doch auch recht wackere Leute. Ich habe auch seinen Vater gekannt; war ein kreuzbraver Mann, der Alte; er handelte mit Pfeifenbeschlägen und war in Gyertyamos zu Hause; unser Dorfjude, der alte Jakob, hat ihn auch gleich auf den ersten Blick erkannt.« (Der alte Jakob, der Aermste, hatte nichts Dringenderes zu thun, als sich in eines der leeren Fässer zu verkriechen, die am Hofe standen, um nicht etwa gar zur Zeugenschaft aufgefordert zu werden.)

»Das ist Alles nicht wahr! Das ist erlogen! Eine schändliche, eine unverschämte Lüge! Herunter mit ihm!« schrieen die hervorragenderen Anhänger Karakans wüst durcheinander. (»Nun ist's aber aus mit uns!« seufzte Alienor.)

»Eine Lüge?« fuhr Leon mit scharfer Stimme dazwischen. »Gut denn, so will ich es also beweisen, daß er ein Jude ist. Aus seiner eigenen Rede will ich es beweisen.« Darauf war nun doch alle Welt neugierig, sogar das Ehepaar Tukmanyi.

»Hat etwa nicht die ganze Gemeinde gehört, was er zuletzt sagte: die Civilehe ist unbedingt einzuführen –? Was heißt denn das mit anderen Worten? Das heißt so viel, als: Wer sein Weib nicht mehr mag, geht zum Notar, erlegt fünf Gulden und läßt sich stante pede scheiden; und dann erlegt er weitere fünf Gulden und läßt sich mit dem nächstbesten sauberen Judenmädel trauen, das ihm gefällt. Da braucht es weiter keine Kirche und keinen Altar dazu; das kann hinter jedem Straßenzaun, unter jedem Scheunenthor geschehen. Das ist die Civilehe.«

Wohlgemerkt, das Auditorium bestand zur Hälfte aus Weibern in den verschiedensten Altersstufen.

»Das ist Dasjenige, was die Herren alle miteinander mit so herzhaften Eljenrufen aufgenommen haben,« fuhr Leon fort. »Ja, freilich, so gar übel wär' es eben nicht, wenn Jeder, dem's gefällig ist, seine Alte mir nichts dir nichts zum Hause hinausexpediren und an ihrer Statt sich eine Junge nehmen könnte. Nachbar Tukmanyi hat mir auch ein Wenig gar zu lebhaft mit Vorder- und Hinterfüßen Beifall geklatscht, als von der Civilehe die Rede war. Mir scheint, mir scheint, Bruderherz, Dir sollte es wohl auch auf die zwei Fünfer-Banknoten nicht ankommen, wenn Du so im Wege der Civilehe anstatt der vielgetreuen Ehehälfte die kleine Rachel von der Vadaskerter Csarda ins Haus zu kriegen wüßtest!«

Herr Tukmanyi schickte sich sofort an, diesen unerwarteten, meuchlerischen Angriff rasch und energisch abzuwehren, allein es blieb ihm absolut keine Zeit dazu, denn seine vielgetreue Ehehälfte stand unmittelbar hinter ihm. – Von dem Augenblicke an, wo Leon den Schlüssel gefunden hatte, der den Zugang zu ihrem Herzen öffnete, sah und hörte die wackere Frau nimmermehr: sie faßte ihre Handtasche, das kunstreiche Gebilde aus Kürbiskernen, kurz und mit fester Faust und »linirte« damit Herrn Tukmanyi ein um das andere Mal derart energisch über den Kopf, daß er sich in der ersten Ueberraschung herzhaft in die Zunge biß. Und der ersten Salve folgte eine zweite und eine dritte; der Ridikül war unerschöpflich und überdies schwer von allerlei Bündelwerk. Zu der Musik ließ Madame auch zugleich das Recitativ verlauten: »So, Du alter Galgenstrick! Also auf die Rachel hast Du ein Auge? Nach der Civilehe steht Dein Verlangen, alter Gaudieb? Na warte, ich will Dir eine Rachel geben, ich will Dir die Civilehe einführen!« (Jeder einzelnen dieser Exclamationen entsprach ein kerniger Hieb auf den Kopf oder auf den Rücken des armen Sünders, – wohin der Ridikül in seiner blinden Wuth eben traf.)

Und das gute Beispiel blieb nicht ohne Nachahmung. Ein eifersüchtiges Weib macht deren zehn; die Eifersucht ist das ansteckendste Uebel von der Welt. Die Frauen alle, alt und jung ohne Unterschied, stürmten unter die Menge der Männer hinein, jede suchte den ihrigen, nicht anders als ob sie fürchtete, er sei schon auf dem Wege »civil zu heirathen«, und die ihn fand, zog und zerrte und trieb ihn eilends hinweg von dem Lehrstuhle dieser gefährlichen Doctrin. Während Alienor inmitten dieses wüthenden Getümmels bereits sein letztes Stündlein gekommen wähnte, fand Leon ein höllisches Vergnügen darin, noch Oel ins Feuer zu gießen und die entrüsteten Weiber auch noch einzeln und namentlich gegen ihre Männer zu hetzen.

»– Ja ja, Frau Siska, ja ja, Frau Bendek! Mit der Bauernhochzeit ist's nun vorbei! Jetzt geht die Civilehe an! Von nun an ist Fasching im Dorfe, Jahr aus, Jahr ein!« Natürlich hatten die also apostrophirten Frauen nichts Angelegentlicheres zu thun, als ihr gutes Recht zu suchen – mit Hülfe der zehn Fingernägel. Niemand aber fuhr dabei so übel, als der sehr geehrte Herr Abgeordneten-Candidat selber, der, als er sich aus dem Getümmel zu retten suchte, geradenwegs einem Rudel von Matronen sehr gesetzten Alters unter die Fäuste lief. Nur mit Zurücklassung seines buntausgenähten Szür vermochte er den Händen der erzürnten Amazonen zu entrinnen und in den Thorweg des Gemeindehauses zu flüchten, und selbst dort verfolgten ihn noch die wuthentbrannten Kohorten der auf ihre Rechte eifersüchtigen legitimen Ehefrauen.

Leons Sieg war ein vollständiger. Es war ihm gelungen, den Feind nicht nur gänzlich aus dem Felde zu schlagen, sondern ihn auch noch obendrein von seinen eigenen Parteigenossen, ja was noch weit schlimmer: von seinen eigenen Genossinnen durchprügeln zu lassen. Um aber nach Art eines guten Feldherrn seinen Sieg nun auch vollkommen auszunützen, erhob er, sobald er ausschließlicher Herr der Situation geblieben war, abermals seine Stimme, welche den greulichen Spektakel weithin übertönte: »Erlauchtes Volk! Vernimm nun weiter meine Rede!«

Seine Zaubermacht über die Menge war bereits so gewaltig, daß auf diese Worte hin wirklich Stille eintrat. Die Leute ließen wie auf einen Schlag die Rauferei hübsch ruhen.

»Ich habe nunmehr vorgebracht, was ich zu sagen hatte und erlaube mir, dem erlauchten Volke meinen innigsten Dank dafür auszudrücken, daß es die Gnade hatte mich anzuhören. Nun aber, meine Herren und Damen, wollen Sie auch die Worte vernehmen, welche unser geehrter Herr Candidat Ihnen zu sagen hat.«

Jetzt wandelte den armen Alienor erst recht ein Grauen an. (»Bist Du denn rein des Teufels, daß Du nun auch noch mich reden machen willst?!«)

»Seine Durchlaucht wird englisch sprechen, und ich werde mit Ihrer gütigen Erlaubniß seine Worte in den lieblichen Klängen unserer Muttersprache zu verdolmetschen suchen.«

(»Geh in die Hölle! Ich weiß keine englische Rede auswendig; höchstens den großen Hamlet-Monolog aus Shakespeare.«)

(»Sehr gut! Den wirst Du also sprechen. Mach aber rasch – da ist keine Zeit, sich erst lange zu zieren.«)

Alienor blieb nichts übrig, als vorzutreten, sich zu räuspern und von der Höhe des Brunnens zu Gezetlen herab die herrliche philosophische Rede aus Hamlet zu sprechen: » To be, or not to be, that is the question.«

Er blieb nicht stecken. Und das Auditorium hörte den ganzen Monolog mit Aufmerksamkeit und Andacht an. Als Alienor zu Ende war, trat Leon vor und erläuterte den Sinn und Inhalt der Rede in einer Weise und Vollkommenheit, wie ihn die Shakespeare-Kommentatoren bis zur Stunde vergeblich zu erfassen bemüht waren.

»Meine Herren und Damen! In der Rede, welche unser erlauchter Candidat soeben vor Ihnen gehalten hat, giebt derselbe das heilige Versprechen, daß er es für seine Pflicht erachten wolle, alle Punkte jenes Programms, welches ich vor Ihnen zu entwickeln die Ehre hatte, zu verwirklichen. Die drei Sommermonate, in welchen der Reichstag feiert, gedenkt der Prinz jedesmal in Gezetlen zuzubringen; während dieser Zeit wird er täglich für Jedermann offene Tafel halten. Bestechen will unser Candidat Niemanden, denn das ist nicht hübsch und ist in England auch gar nicht gebräuchlich; hat aber Jemand von unseren geehrten Freunden ein heimliches Anliegen, so möge er sich nur immer an Herrn Dumka wenden; Herr Dumka ist der Mann, bei dem es nicht viel Redens braucht; der versteht aus zwei Worten ganz gut, warum es sich handelt. Unser Candidat, der auch selbst ein großer Landwirth ist, wird seinen geehrten Wählern egyptischen Mumienweizen schicken, der hundertsechzig Samen trägt; ferner Werschetzer Krautsamen von der Sorte, von welcher ein Kopf einen Schritt im Durchmesser hält, Yorkshire Zuchtschweine, die in der Mästung sechs Centner Gewicht erreichen und Aargauer Kühe, die bei jedem Melken vierzig Halbe Milch geben; den Frauen wird er Brahmaputra-Hühner schicken, die Straußfedern tragen, jeden Tag zwei Eier legen und deren Hähne nicht krähen sondern singen; Alles das und noch vieles Andere wolle er zum Andenken schicken. Die hoffnungsvolle Jugend aber habe, so lange das Mandat dauert, täglich eine Ration Bärenzucker in des alten Abrahams Kramladen frei. Im Uebrigen wünscht er Allen Glück und Segen und Zufriedenheit und wird den heutigen Tag ewig unter die unvergeßlichsten Tage seines Lebens zählen.«

Die Fortsetzung verhallte in einem allgemeinen begeisterten Eljensturme; die Männer hoben die zwei jugendlichen Helden auf die Schultern und trugen sie im Triumphe nach ihrer Tanya zurück, über welcher lustig die weiße Fahne wehte.

»Du hör' einmal an, Leon!« meinte Alienor. »Nun wollen wir aber hoffentlich doch auch zusehen, daß wir fortkommen von hier, so rasch uns nur die Rosse ziehen mögen.«

»Den Plunder auch! Jetzt folgt erst der praktische Theil der Aufgabe. Wir müssen Stimmen sammeln. Und das sofort, dieweil die Leute noch warm sind. Dazu sind wir ja doch hierher gekommen. Oder meinst Du etwa, ich hätte die Fahrt gemacht, um Dich englisch deklamiren zu hören? Du lieber Gott, das Vergnügen habe ich ja bereits oft im concert spirituel genossen. Und dann: der Mensch ist doch nur ein Mensch; wenigstens ich für meinen Theil spüre nachgerade ein sehr menschlich Regen. Herr Csajkos, Sie sind wohl so freundlich und machen einen Sprung zum alten Nagy hinüber, nicht wahr? Sie kennen ihn doch? Er ist ja Richter in der Gemeinde gewesen. Melden Sie uns bei der Hausfrau alle Vier zum Mittagsessen an. Und wir wollen mittlerweile die Costüme ablegen und uns wieder als vernünftige Menschen anziehen; der alte Nagy mag derlei Späße nicht leiden.«

»Hat er uns denn nicht ohnehin in der Maskerade gesehen?«

»Was Dir einfällt! Ein Mann wie Herr Nagy und bei solchen Geschichten mitthun! Was nicht gar!«

»Was ist denn also dieser Herr Nagy Janos nun wieder für ein Geschöpf Gottes?«

»Herr Nagy Janos? Lieber Freund, Herr Nagy Janos ist ein ganz gewöhnlicher Bauersmann, der seine zwanzig-, in guten Jahren auch dreißigtausend Gulden jährlichen Einkommens hat und der Jahr aus Jahr ein selber nach seiner Wirtschaft sieht, nirgends hingeht, wohin er nicht gehen muß und niemals spricht, wenn er nicht gefragt wird. Soll er aber dann irgendwo erscheinen, so bleibt er auch gewiß nicht weg, und wird er um Etwas gefragt, so weiß er zu antworten.

*


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