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Zurüstungen zum Feldzuge.

»Theuerste Baronin Pompeja, der Geschmack der Damen in solchen Dingen ist unfehlbar: Rathen Sie mir zu einem Abzeichen für Alienors Partei – das Abzeichen ist ein sehr bedeutender Faktor. Wir werden fünftausend Stück vertheilen; Groß und Klein, selbst die Schulbuben müssen es an den Hüten tragen. Ich denke, eine weiße Feder mit grünem Blatte, darauf in goldenen Lettern der Name und nebendran eine rothe Kornellbeere. – Was meinen Sie? Ja –? Nun es freut mich ungemein, daß unser beiderseitiger Geschmack so glücklich zusammentrifft. – Und nun die Fahnenfrage. Ich finde diese ewigen Trikoloren denn doch schon ein wenig gar zu alltäglich; würde sich eine ganz weiße Fahne, ringsum mit roth-grünem Saum, in der Mitte mit Golddruck der Name, nicht weit hübscher machen? Nicht wahr, das wird überraschen? Alienors Name mit der Fürstenkrone wird sich von dem blendend weißen Grunde sehr gut abheben. Ganz im Vertrauen kann ich Ihnen mittheilen, daß die Fürstin Etelvary – die Fürstin-Mutter nämlich – eigenhändig eine weiße Seidenfahne für Alienor gestickt hat; die Mitte zeigt das Landeswappen mit der Umschrift: › In hoc signo vinces!‹ Sie gedenkt ihn am Wahltage damit zu überraschen. Oh, die Damen sind gar eifrige Parteigängerinnen. Und wie meisterlich sie sich auf die Intrigue verstehen! Wie sorgsam sie Geheimnisse zu bewahren wissen! Nicht selten vermögen sie noch am Vorabende bis zum Morgen des Wahltages den Ausgang des Kampfes zu wenden. Ich lege auf die Gesinnung und Mitwirkung der Damen sehr großes Gewicht; ihre Begeisterung reißt die Männer mit sich fort. Und vollends politische Geheimnisse wissen nur die Frauen zu bewahren, die Männer plaudern Alles aus. Ich erlaube mir, Sie um Ihre Mitwirkung anzuflehen, theuerste Baronin.«

»Soll ich dem Prinzen etwa auch eine Fahne sticken?«

»Oh es ist weit mehr, wozu ich Ihre Güte in Anspruch nehmen möchte. Sehen Sie sich einmal dieses kleine Album an. Wollen Sie rathen, was es enthält?«

»Gedichte vielleicht?«

»Richtig! Wie Sie das doch sogleich aufs erste Mal errathen, theuere Baronin. Es sind die Werke eines berühmten Autors, Namens Meyer.«

»Meyer? – deren giebt es mindestens zwei Millionen, ob aber die Welt unter ihnen einen berühmten Dichter kennt –?«

»Schwerlich; und speciell diesen schon darum nicht, weil sein Name mit so winzigen Buchstaben gedruckt ist, daß er nur unter der Lupe lesbar wird. Dieser Meyer ist der Kassendirektor der österreichischen Nationalbank; sein Gedicht auf diesen Blättern besagt: jedes einzelne derselben sei fünfzig Gulden werth.«

»Ah, es sind also Banknoten.«

»Jawohl; das Packet enthält tausend Stück Banknoten zu je fünfzig Gulden.«

»Nun, und was soll ich daran bewundern?«

»Ich bitte Sie, Baronin, mir folgenden Gefallen thun zu wollen: Nehmen Sie eine Scheere und schneiden Sie jede einzelne dieser neuen Banknoten entzwei, und zwar so, daß der Schnitt genau durch die Mitte des Doppeladlers geht; jene Hälfte, auf welcher die männliche Figur mit dem Löwen steht, bitte ich dann immer in das eine dieser zwei Couverts, die andere mit der weiblichen Figur in das andere zu legen.«

»Ja was soll denn daraus werden?«

»Sehen Sie, ich bin überzeugt: wen immer ich um die Gefälligkeit ersuchen wollte, Jeder würde dieselbe Frage an mich richten: Was ist denn das für ein haarsträubender Einfall, tausend Stück Fünfziger-Banknoten zu zerschneiden –?! Ich aber kann die Aufklärung Niemandem geben, als einer Dame, die eine so eifrige Anhängerin unserer Sache ist, wie Sie, Baronin.«

»Ich bin in der That neugierig.«

»Nun denn: wir werden für dieses Geld Seelen kaufen; nicht etwa ›todte Seelen‹, wie der Held in Gogols Roman, sondern lebende. Das Geld ist zu ›Drangaben‹ in dem Wahlgeschäfte bestimmt. Fünfzig Gulden sind der fixe Preis für ein Votum.«

»Ah, jetzt verstehe ich. Damit nicht etwa Einer und der Andere der geehrten Mitbürger seinen Fünfziger einsacke und dann zur Gegenpartei abstimmen gehe, bekommt vor der Wahl Jeder nur die eine Hälfte der Banknote, die andere Hälfte kann er sich dann holen, wenn er getreulich herüben gestimmt hat. Wird er fahnenflüchtig, so hat er nichts, denn die halbe Note ist nichts werth.«

»Vollkommen richtig, Baronin. Das eine Packet halber Banknoten schicken wir an Herrn Dumka nach Etelvar, den Kassier unserer Partei im Bezirke. Er betheilt mit denselben jene Mitbürger, welche sich in die Listen unserer Anhänger eintragen lassen.«

»Es sind also ›Wahl-Coupons‹,« bemerkte Pompeja.

»Das Packet mit der anderen Hälfte der Noten bekommt Napoleon Zarkany, der es Herrn Dumka erst am Tage nach der Wahl behändigt. Es ist das eine ähnliche Vorsichtsmaßregel, wie wenn der eine Schlüssel einer feuerfesten Kasse beim Kassier, der andere beim Direktor hinterlegt wird. Und wie man bei einer Verlosung eine unschuldige Hand braucht, welche unmittelbar an das Glücksrad rührt, so auch wir. Das ist es, um was ich Sie bitte. Wenn Sie die Banknoten entzweigeschnitten haben, dann wollen Sie die Gnade haben, das eine Packet unter der Adresse: Herrn Rentmeister Dumka in Etelvar, zur Post zu geben, das andere aber durch einen Kommissionär an Napoleon Zarkany zu schicken. Auf den Couverts bitte ich nichts weiter zu bemerken, als ›Schriften ohne Werth‹. Das Geld ist ein › fond perdu‹ und keiner der Herren weiß, auf welchem Wege es ihm zugegangen ist; die Bestimmung desselben aber kennen Beide sehr wohl. Wie viel sie davon an den vorgesetzten Zweck wenden wollen, hängt von ihrem Belieben ab, – es ist Niemand da, der ihnen darüber Rechenschaft abnehmen würde. Ihr scharfer Verstand und Ihr Takt hat längst herausgefunden, weshalb ich Sie mit meiner Bitte belästige, Baronin. Ich darf diese Aufgabe eben nur einem Wesen in so glücklicher Ausnahmestellung vertrauen, dessen Charakter und Principientreue mir genügende Garantie dafür bieten, daß diese Summe Geldes ihrer Bestimmung auch zugeführt wird, dessen Verhältniß zu mir gleichwohl ein solches ist, daß meine Interessen es nicht kompromittiren können, und welches überdies eine Dame ist, die das Geheimniß zu bewahren weiß. – Nun denn, Baronin, wollen Sie Ihr theueres, schönes, unschuldiges Händchen zu diesem Glücksspiele leihen?«

Pompeja war in stummes Sinnen versunken; sie hielt die in zwei verschiedenen Feuern sprühenden Augen niedergeschlagen und dachte, während der Fürst ihre Hände streichelte: »In diesem Sinne begehrst Du meine Hand, in jenem anderen aber, wie ich es wohl wünschen möchte, verlangst Du sie nicht. – In dem Glücksspiele soll Dir diese meine schöne Hand behülflich sein, dessen großer Treffer nicht ein Platz auf der Schulbank des armen ungarischen Landhauses (es ist eigentlich nicht einmal ein Haus, sondern nur eine simple Baracke), – sondern die mächtige Hand der schönen Prinzessin Raphaela von Etelvar ist – –« Und dann spürte sie nicht übel Lust, mit dem theueren, schönen Lilienhändchen dem Fürsten das ganze Bündel Banknoten – ins Gesicht zu schleudern. Allein, es gewann plötzlich ein anderer Gedanke in ihr die Oberhand. »Gut. Ich übernehme die Sache.«

Fürst Oktavian küßte der schönen Dame die Hand. »Ich war ja im vorhinein davon überzeugt. Doch nun noch eine Bitte: Von diesem Geheimnisse braucht selbst der General nichts zu wissen.« »Das ist selbstverständlich.« Fürst Oktavian empfahl sich der Baronin und zog daheim dem Kutscher den Preis eines Schweif-Riemens vom Lohne ab, der auf der Fahrt verloren gegangen war. – Der Standesherr weiß das Geld zu schätzen und sieht den Dienstleuten auch nicht einen Kreuzer nach, wenn sie Schaden angerichtet haben.

Nachdem der Fürst gegangen war, breitete Pompeja die Banknoten vor sich auf dem Tische aus, stützte den Kopf auf die Hand und saß lange in Gedanken versunken da. Mit einem Male schoß ihr helle Röthe ins Gesicht vor – Scham über ihre eigenen Gedanken. Der Gang derselben war vielleicht der folgende: »Welch ein enormer Geldbetrag! ... Ein General muß für eine solche Summe sieben Jahre dienen ... Fünfzig Beamte müssen sammt ihren Familien ein volles Jahr lang mit einem solchen Betrage leben ... Und hier wirft man so viel Geld zum Fenster hinaus ... Es versickert im Sande, es zerflattert im Winde, Niemandem zum Frommen. Was damit erreicht wird, ist höchstens das, daß tausend Menschen einen Monat lang Tag und Nacht im Wirthshause sitzen und nichts arbeiten ... Es ist der Sündenlohn verkaufter Seelen, die dafür einen Menschen zum Abgeordneten wählen, dem die Geschicke dieses Landes auch nicht im Mindesten am Herzen liegen. Narren werfen dieses Geld an Narren fort ... Niemand legt Rechenschaft darüber ... Es kann auf der Post, es kann unterwegs in Verlust gerathen; jene beiden Männer können sich ins Einvernehmen setzen und können die Hälfte, das Ganze bei Seite schaffen ... Und wenn sie das nicht thun, sondern das Geld redlich für den Zweck verwenden, zu dessen Förderung es bestimmt ist, – so thun sie vollends das größte Uebel – dem Lande und den Herzen zweier Frauen. Denn die Eine wird ebenso unglücklich dadurch, daß sie Alienor gewinnt, als die Andere dadurch, daß sie ihn verliert. Dieses Geld würde hinreichen, um damit die Zukunft der Waise eines unbemittelten Offiziers sicher zu stellen ... Mit diesem Gelde könnte man alle die falschen Diamanten und Perlen, mit denen eine arme Baronesse im Kreise der anderen Damen von Stand glänzt, in echte Perlen und Edelsteine verwandeln ...«

Bei diesem Gedanken war es, daß Pompeja vor sich selber erröthete. Sie warf einen zürnenden Blick in den Spiegel, als ob sie rügend der eigenen Seele zurufen wollte: »In welchen Abgrund sinkest Du von der Höhe Deines Stolzes! Ist Dein Ziel denn nicht ein höheres?«

Und dann begann sie zu lachen. Es war ihr plötzlich ein guter Einfall gekommen.

Sie nahm die Scheere zur Hand und machte sich daran, die Banknoten entzweizuschneiden.

Sie begleitete diese Arbeit mit fröhlichem Gesange.

Als sie zu Ende war, machte sie die zwei Packete zurecht, couvertirte und siegelte sie und schrieb die Adresse darauf.

Dann stellte sie sich vor ihren Ankleidespiegel, lachte und zwinkerte sich selber schelmisch mit den Augen zu. Sie war sichtlich mit sich zufrieden.

Sie nahm Hut und Shawl und eilte selber zur Post, um die beiden Packete aufzugeben.

Am Rückwege kaufte sie in einer Papierhandlung ein Fläschchen Tinte von jener Sorte, mit welcher man selber, ohne Lithographie, seine Handschrift vervielfältigen kann.

Das Mädchen hatte offenbar irgend eine Intrigue ausgeheckt!

*


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