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Es kann sein, daß ich hier mit Kur-Mainz zerfalle, wenn ich gestehe, daß ich in Schmaußens Corp. jur. pupl. germ. die Kur-Mainzische-Reichs-Hof-Kanzlei-Taxordnung von 1659 den 6. Jan. nachgeschlagen und daraus ersehen habe, wie viel die Reichs-Hof-Kanzlei haben will, mit einem Konsistorium kollationieret. Z. B. wer zu einem gekrönten Poeten (poeta laureatus) ausgesotten oder ausgebrannt sein will, hat 50 fl. Tax und 20 fl. Kanzlei Jura zu erlegen, da er doch mit 20 fl. mehr ein Konrektor hätte werden können, der ein dergleichen Poet nebenbei und ex officio ist. – Die Errichtung eines Gymnasiums wird für 1000 fl. verstattet; eine ungemeine Summe, mit der sämtliche Lehrer des errichteten Gymnasiums die Einlaßgelder ihrer Schulstuben zu bestreiten vermögen. – Ein Freiherr, der ohnehin oft alt wird, ohne zu wissen wie, muß die venia aetatis mit 200 baren Gulden kaufen, indes er mit der Hälfte davon ein Schulmann hätte werden können, worauf ihm das Alter von selber zugefallen wäre. – Und tausend solche Dinge! – Sie beweisen aber, daß es nicht übel um Staaten und Reichskreise stehen müsse, wo der Torheit Standeserhöhungen teurer gegeben werden als dem Fleiße, und wo es mehr kostet, eine Schule zu errichten als zu bedienen.
Was ich hierüber zu einem Fürsten gesagt habe, ist, so wie das, was mir hierüber ein Stadtsyndikus gesagt, zu merkwürdig, um aus bloßer Furcht vor Ausschweifungen hier übergangen zu werden.
Der Stadtsyndikus – ein Mann von Einsichten und von feurigem Patriotismus, der desto wohltätiger wärmte, da er dessen Strahlen in einem Fokus sammelte und auf sich und seine Familie richtete – gab mir (ich mochte damals vielleicht jede Schulbank und jede Schultreppe für eine Bank und Leiter halten, auf die man Leute zum Torquieren legt) die beste Antwort auf vieles: »Wenn ein Schulmann nichts vertut als 30 rtl.So viel braucht man nach den Politikern jährlich in Deutschland. ; wenn er nicht mehr Fabrikwaren jährlich kauft, als die Politiker für jedes Invidium berechnet haben, nämlich für 5 rtl., und nicht mehr Zentner Nahrung, als diese annehmen, nämlich 10; kurz, wenn er wie ein wohlhabender Holzhacker lebt: so müßte der Teufel sein Spiel haben, wenn er nicht jährlich soviel reinen Profit zurücklegen wollte, als die Zinsen seiner Amtsschulden am Ende betragen.« –
Der Syndikus muß mich doch damals nicht überredet haben, weil ich nachher zum flachsenfingischen FürstenDieser sonderbare Ton, aus dem ich mit einem Fürsten spreche, wird nur durch ein ebenso sonderbares Verhältnis entschuldigt, in dem der Biograph mit dem Flachsenfinger Fürsten steht, und das er hier gern entdecken würde, wenn ich der Welt nicht alles schon in meinem Buche, das ich ihr unter dem Titel Hundsposttage 1795 zu Ostern schenken werde, deutlich genug zu enthüllen hoffte. sagte: »Gnädigster Herr, Sie wissen es nicht, aber ich – kein Akteur unter Ihrer Truppe würde den Schulmeister in Engels verlornen Sohn um das Geld drei Abende lang machen, um das ihn jeder wirkliche Schulmeister alle ganze Tage des Jahres hindurch machen muß. – Im Brandenburgischen werden die Invaliden Schullehrer; bei uns werden die Schullehrer Invaliden.«...
Aber zur Geschichte! Fixlein setzte das Register seiner Kronschulden auf, aber aus einer ganz andern Absicht, als der Leser denken wird, dem immer das Testament im Kopfe steckt. Kurz, er wollte Pfarrer in Hukelum werden. Ach an dem Orte es zu werden, wo seine Wiege stand und alle Gärtchen seiner Kindheit – ferner seine Mutter – und die Verlobungslaube: das war ein offnes Tor in ein neues Jerusalem, gesetzt auch die Stelle wäre eine hagere Pönitenzpfarre gewesen. Die Hauptsache war, er konnte heiraten, wenn er voziert wurde. Denn als dünner Konrektor im Schmachtriemen seiner Weste, mit Intraden, womit kaum der Kaufschilling des – Geldbeutels zu bestreiten ist, da konnt' er eher den Docht und Talg zur Leichen- als zur Brautfackel zusammenbringen.
Denn die Schuldienerschaft darf überhaupt in guten Staaten so wenig heiraten wie die Soldateska. Im Conringio de antiquitatibus academicis, wo auf allen Blättern bewiesen wird, daß die Klöster ursprünglich Schulen waren, kam ich darhinter, warum. Jetzt sind die Schulen Klöster, und folglich sucht man die Lehrer wenigstens zu einigen Nachahmungen der drei Klostergelübde anzuhalten. Das Gelübde des Gehorsams ist vielleicht am ersten durch Scholarchen zu erzwingen; aber das zweite Gelübde der Ehelosigkeit würde schwerer erfüllet werden, wenn nicht durch eine der besten Staats-Verfügungen für das dritte, ich meine für eine schöne Gleichheit der Armut, so gesorget wäre, daß kein Mann mehrere testimonia paupertatis braucht als einer, der sie macht – dann greife dieser Mann nur zu einer ehelichen Hälfte, wenn von den zwei Hälften jede einen ganzen Magen hat, und nichts dazu als Halbmetalle und Halbbier...
Ich weiß, Millionen meiner Leser setzten dem Konrektor selber das Bittschreiben auf und ritten damit nach Schadeck zum Herrn, damit nur der arme Schelm den Schafstall bekäme, samt dem angebauten Hochzeitshaus, weil ihnen wohl einleuchtet, daß nachher einer der besten Zettelkästen würde geschrieben werden, der je aus einem Letternkasten ausgehoben würde.
Fixleins Bittschrift war außerordentlich gut und auffallend: sie stellte dem Rittmeister vier Gründe vor: 1) »Er wäre ein Dorfkind, seine Eltern und Voreltern hätten sich schon um Hukelum verdient gemacht, also bät' er etc.«
2) »Er könne leicht die hier dokumentierten Passivschulden von 135 fl. fr. 41 kr. und ½ Pf., deren Tilgungsfond ihm ein unvergeßliches Testament anbiete, selber abführen, falls er die Pfarrei bekäme, und entsage hiemit dem Legat etc.«
Freie Note von mir. Man sieht, er will seinen Herrn Paten bestechen, den das Testament der Frau in Harnisch gebracht. Aber halte, lieber Leser, einem armen, bedrängten, schwertragenden Schulmann und Schulpferd eine undelikate Wendung, die freilich niemals die unsere wäre, zugute. Bedenke: Fixlein wußte, daß der Rittmeister ein Filz war gegen Bürgerliche, sowie ein wegschenkender Rupfhase für Adelige. Auch kann der Konrektor ein- oder ein paarmal von Patronatsherren auf der Ritterbank gehöret haben, die wirklich nicht sowohl Kirchen und Gottesäcker – womit man doch in England Handel treibt – als deren treue Bestellung verkaufet oder vielmehr verpachtet haben an die Pacht-Kandidaten. Ich weiß aus Langedessen geistliches Recht p. 551. , daß die Kirche ihren Patron beköstigen muß, wenn er gar nichts mehr zu leben hat: könnte nun nicht ein Edelmann, noch eh' er bettelte, etwas auf Abschlag, eine Vorausbezahlung von seinen Alimentengeldern annehmen aus den Händen des Kanzel-Pachters? –
3) »Er habe sich seit kurzem mit dem gnädigen Fräulein von Thiennette verlobt und ihr ein Goldstück auf die Ehe gegeben und könnte also solche heiraten, wenn er versorgt würde etc.«
Freie Note von mir. Ich halte diesen Grund für den stärksten in der ganzen Supplik. In Herrn von Aufhammers Augen war Thiennettens Stammbaum längst gestutzt, entblättert, wurmstichig und voll Bohrkäfer; sie war ja seine Ökonoma, Schloß-Intendantin und a latere-Legatin für das Schloßgesinde, die ihm mit ihren Ansprüchen auf seine Almosenkasse in die Länge eine Bürde wurde. Sein erzürnter Wunsch, daß sie mit Fixleins Erbschaft hätte abgefunden werden mögen, wurde jetzt durch diesen erfüllt. Kurz, wenn Fixlein Pfarrer wird, so hat ers dem dritten Grunde zu danken, weit weniger dem tollen vierten...
4) »Er habe betrübt vernommen, daß der Name seines Pudels, den er in Leipzig einem Emigranten abgekauft, auf deutsch Egidius bedeute, und daß der Hund ihm die Ungnade seines gnädigen Herrn zugezogen. Es sei ferne von ihm, den Pudel künftighin also zu benamsen; er werd' es aber für eine große Gnade erkennen, wenn sein gnädiger Herr Pat' für den Hund, den er jetzt ohne Namen riefe, selber einen resolvierten.«
Meine freie Note. Der Hund, bei dem bisher der Edelmann zu Gevatter gestanden war, soll also seinen Namen zum zweitenmal von ihm empfangen ... Wie soll aber der darbende Gärtners-Sohn, dessen Laufbahn nie höher stieg als von der Schulbank zur Schulkanzel, und der mit den Frauenzimmern nie gesprochen hatte als singend, nämlich in der Kirche, wie soll der bei einem solchen Saitenbezuge einen feinern als den pedantischen Ton anschlagen? – Und doch liegt der Grund tiefer: nicht die eingeschränkte Lage, sondern der eingeschränkte Blick, nicht eine Lieblingswissenschaft, sondern eine enge bürgerliche Seele macht pedantisch, die die konzentrischen Zirkel des menschlichen Wissens und Tuns nicht messen und trennen kann, die den Fokus des ganzen Menschenlebens wegen des Fokalabstandes mit jedem Paar konvergierender Strahlen vermengt, und die nicht alles sieht und alles duldet ... Kurz, der wahre Pedant ist der Intolerante.
Der Konrektor schrieb die Supplik prächtig ab in fünf glücklichen Abenden – setzte eine besondere Dinte dazu an – arbeitete zwar nicht so lange an ihr wie der dumme Manutius an einem lateinischen Briefe, nämlich etliche Monate – wenn dem Scioppius zu glauben ist –, noch weniger so lange wie ein anderer Gelehrter an einer lateinischen Epistel, der – freilich müssen wirs bloß dem Morhof glauben – vier volle Monate daran heckte, Variationen, Adjektiven, Pedes samt den Autoritäten seiner Phrases genau zwischen den Zeilen anmerkte. Er hatte ein flinkeres Genie und war mit dem ganzen Gesuch in sechzehn Tagen ins reine. Als ers petschierte, dacht' er daran, gleich uns allen: wie dieses Couvert das Samengehäuse einer ganzen großen Zukunft, die Hülse vieler süßen oder herben Früchte, die Windel seines restierenden Lebens sei.
Der Himmel segne sein Couvert; aber ich lasse mich vom babylonischen Turm hinunterwerfen, wenn er die Pfarre kriegt: will denn niemand einsehen, daß Aufhammer nicht kann? – Trotz seiner andern Fehler oder eben darum hält er eisenfest sein Wort, das er so lange dem Subrektor gegeben. Ein anderes wär' es, wär' er am Hofe seßhaft: denn da, wo noch alte deutsche Sitten sind, wird kein Versprechen gehalten; denn weil nach Möser die alten Deutschen nur Versprechungen hielten, die sie vormittags gegeben – nachmittags waren sie schon besoffen –: so halten Hof-Deutsche auch keine nachmittägigen; – vormittägige würden sie halten, wenn sie sie gäben, welches aber der Fall nie sein kann, weil sie da noch – schlafen.