Jean Paul
Leben des Quintus Fixlein
Jean Paul

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Vierter Zettelkasten

Ämter-Verschleiß – Entdeckung des versprochenen Geheimnisses – Hans von Füchslein

Indem nämlich der gewesene Quintus in seiner dampfenden Stube, dem Resonanzboden seiner Kinderjahre, auf- und ablief: kam der Ratsdiener mit einer Laterne und mit der Vokation, hinter ihm der Jäger der Frau von Aufhammer mit einem Briefchen und mit einer Stutzuhr. Die Rittmeisterin hatte den Ehrensold für seine Kanikularvermahnung am Krankenbette in ein Weihnachtsgeschenk verwandelt, das bestand 1) aus einer Stutzuhr, an der ein hölzerner Affe mit dem Glockenschlage vortrat und es nachtrommelte, wie viel Uhr es sei – 2) aus dem Konrektorat, das sie ihm ausgewirkt.

Da man auswärts über diese Vokation des Flachsenfinger innern Rats gar nicht so geurteilt hat, wie man hätte sollen: so halt' ichs für meine Pflicht, für den gesamten Rat lieber hier eine Defension zu führen als im Reichsanzeiger. Ich habe schon oben im zweiten Zettelkasten erwähnt, daß der Stadtsyndikus mit Hamburger Lichtern und der regierende Bürgermeister mit Kaffeebohnen handelte, sowohl mit halben als mit gemahlnen. Der Kompagnie-Stichhandel aber, den sie gemeinschaftlich betrieben, war mit den acht Schulämtern; die andern Ratsglieder saßen nur als Ballenbinder, Ladendiener und Kontoristen in der Ratsschreibstube. Das ganze Rathaus ist überhaupt ein ostindisches Haus, wo nicht bloß Dekrete oder Vokationen, sondern auch Schuhe und Tücher feilgehalten werden. Eigentlich führet der Rat seine Ämterhandels-Freiheit aus dem Grundsatze des römischen Rechtes her: cui jus est donandi, eidem et vendendi jus est, d. h. wer das Recht hat, eine Sache zu verschenken, der darf sie auch käuflich erlassen, wenn er mag. Da nun den Ratsgliedern offenbar das Recht zusteht, Ämter gratis zu erteilen: so muß sich wohl das, sie zu verkaufen, von selber verstehen.

 
Nur ein Extrawort über die Vokationen-Agioteurs überhaupt

Ich sorge im ganzen, die Akademien-Produkten-Verschleiß-KommissionEntlehnt von der k. k. Bergwerks-Produkten-Verschleiß-Kommission in Wien; sogar in Namen zeigt der Wiener Geschmack. des Staats betreibe den Ämterhandel schlaff. Wer aber anders als das gemeine Wesen muß am Ende leiden, wenn wichtige Posten nicht nach dem Kaufschilling, der für sie erleget wird, sondern nach Konnexionen, Verwandtschaften, parteiischen Empfehlungen und Bücklingen weggegeben werden? Ists nicht ein Widerspruch, Titularämter teuerer abzustehen als wirkliche: Sollte man nicht eher hoffen, daß der wirkliche Hofrat ums alterum tantum im Verhältnis des Titularhofrats versteigert werde? – Das Geld ist nun bei den europäischen Nationen das Äquivalent und der Repräsentant des Wertes aller Dinge und folglich des Verstandes, um so mehr, da ein Kopf darauf steht; die Kaufsumme des Amtes aufzählen, ist also nichts als ein examen rigorosum aushalten, das nach einem guten Schema examinandi gehalten wird. Es umkehren und seine Geschicklichkeit statt deren Surrogate und Assignate und Münzen de confiance zeigen wollen, heißet nichts als den närrischen Philosophen in Gullivers Reisen gleich werden, die statt der Namen der Dinge die Dinge selber in Säcken getragen brachten zum gesellschaftlichen Verkehr; und das heißet doch klar in die Zeiten des Tauschhandels zurückfallen wollen, wo die Römer, anstatt des abgebildeten Ochsen auf ihren Ledermünzen, das Rindvieh selber vorführten.

Ich bin von allen solchen unrichtigen Maßregeln so weit entfernt, daß ich oft, wenn ich las, daß der König in Frankreich neue Ämter ersinne, um mit ihnen unter der Bude seines Baldachins feilzustehen, auf etwas Ähnliches dachte. Ich will es ruhig wenigstens vorschlagen und mich nicht darüber abhärmen, ob es die Staaten annehmen oder nicht. Da der Landesherr uns nicht vergönnt, die Ämter bloß zum Verkaufe zu vervielfältigen, weil er vielmehr Tag und Nacht (wie Regisseurs der wandernden Truppen) einem Staats-Akteur mehrere Rollen zudenkt, um zu den drei theatralischen Einheiten die vierte der Spieler zu setzen; da also das obige nicht geht: könnten wir nicht wenigstens einige Tugenden, die mit den Ämtern harmonieren, als Titel zugleich mit diesen verkaufen? – Könnte man nicht z.B. mit dem Amte eines Referendärs zugleich Titular-Unbestechlichkeit verkäuflich losschlagen, so aber, daß diese Tugend, als nicht zum Amte gehörig, besonders vom Kandidaten bezahlet würde? – Ein solcher Kauftitel und Briefadel könnte keinen Referendarius verunzieren. Man bedenkt nicht, daß ähnliche schöne Titel sonst alle Posten schmückten: der scholastische Professor schrieb sich damals (noch außer seinem Amtstitel) »der seraphische – der unwiderlegliche – der scharfsinnige« – der König schrieb sich »der große – der kahle – der kühne – der einfältige« – und so auch der Rabbiner. Würd' es den Männern in den höhern Justizstellen unangenehm sein, wenn ihnen die Titel der Unparteilichkeit, der Schnelligkeit etc. so gut käuflich erlassen würden als die Posten selber? So könnte mit einer Kammerratsstelle die Tugend der Untertanenliebe schön als Titel verknüpfet werden; und ich glaube, wenige Advokaten würden sich bedenken, sich den Titel der Rechtschaffenheit – so gut wie den gewöhnlichen der Regierungsadvokatie – anzuschaffen, wär' er anders zu haben. Wollt' indes ein Kandidat seinen Posten ohne die Tugenden haben; so ständ' es bei ihm, und der Staat dürft' ihn zu dieser Vexier-Moralität nicht zwingen.

Es kann sein, daß, wie nach Tristram Shandy Kleider, nach Walther Shandy und Lavater nomina propria auf den Menschen zurückwirken, appellativa es noch mehr tun, da ohnehin an uns, wie an den Schaltieren, sich der Schaum so oft zur Schale versteinert; aber diese Moralität ists nicht, worauf ein Staat sehen kann: wie bei den schönen Künsten ist nicht sie, sondern Darstellung sein wahrer Zweck.

Es wurde mir oben ordentlich sauer, für die verschiedenen Ämter mir verschiedene Verbaltugenden zu erdenken; aber ich sollte glauben, es wären noch viele dergleichen Abteilungen der Tugend (jetzt fällt mir selber noch der Freiheitsgeist, die Aufrichtigkeit und der gerade Sinn ein) auszukundschaften, wollte nur ein moralischer Staatsminister eine ordentliche Tugenddivisions-Kammer oder ein moralisches Adreß-Departement mit einigen Kanzelisten anstellen, die gegen geringen Gehalt die verschiedenen Tugenden für die verschiedenen Ämter ersännen. Ich würde an ihrem Platze ein gutes Prisma vor den weißen Strahl der Tugend halten, das ihn gehörig zersetzte. Zu wünschen wär' es, es beträfe Verbrechen – deren Subsubdivision nämlich –: so könnten Gerichtshalter dazu genommen werden. Denn in den Gerichtsstellen, wo nur niedere Gerichtsbarkeit und keine Strafe über 5 fl. fränkischer Währung stattfindet, haben sie ein tägliches Exerzitium, wie sie aus jedem Unfug mehrere kleinere machen wollen, wovon sie jeden niemals über 5 fl. bestrafen. Es ist dieses ein gutes moralisches Rolfinken, das die Juristen glücklich dem Sünden-Prosektor, dem heiligen Augustin, und seiner Sorbonne absahen, die beide in Adams Sündenapfel mehr Sünden einschnitten, als jener in einen Kirschkern Gesichter. Wie verschieden ist der Gerichtshalter vom päpstlichen Kasuisten, der die beste Todsünde durch Seitenschnitte in eine läßliche zu verdünnen weiß! –

Schulämter (um auf diese zu kommen) sind zwar ein kleiner Handelsartikel; sie sind aber doch allemal Monarchien – Schulmonarchien nämlich –, die der polnischen Krone gleichen, die nach Popes Verse zweimal in einem Jahrhundert feilsteht, welches arithmetisch falsch ist, weil Newton die Regiments-Jahre im Durchschnitt auf zweiundzwanzig Jahre ansetzt. Ob übrigens der innere Rat die Stadtjugend einem Hamelschen Ratten- und Kinderfänger oder einem Weißeschen Kinderfreunde zuführe – das kann für den Rat keinen Unterschied machen, da der Schulmann kein Gaul ist, für dessen unsichtbare Mängel der Roßtäuscher zu haften hat. Es ist genug, wenn Stadtsyndikus et Compagnie sich nicht vorwerfen können, daß sie ein Genie ausgeklaubet haben; denn ein Genie würde, da es nur zur Zierde und Belustigung des Staates zu verbrauchen ist, allerdings den schlechtern, kältern Kopf verdrängen, der eigentlich der wahre Nutzen und Kuxe des Staates ist, so wie gute Lot- und Zahlperlen bloß zum Putze, schlechte Samenperlen aber zum Medizinieren dienen. Wenn überhaupt ein Schullehrer vermögend ist, seinen Scholaren auszuwichsen: so kann er im ganzen genug; und ich tadle es, daß die Oberexaminationskommission keinen Schulmann vor ihren Augen einige oder mehrere junge Leute aus seiner Klasse zur Probe prügeln lässet, um zu sehen, was an ihm ist.

Ende des Extrawortes über Vokationen-Agioteurs überhaupt


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