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Der zierliche Ichabod brachte jetzt wenigstens eine halbe Stunde länger als sonst bei der Toilette zu, bürstete und putzte seinen besten, und in der That einzigen, verschossenen schwarzen Anzug heraus, und brachte sein Haar vor einem Stück zerbrochenen Spiegel, das im Schulhause hing, in Ordnung. Um vor seiner Gebieterin in dem echten Styl eines Cavaliers zu erscheinen, lieh er sich ein Pferd von dem Landmann, bei welchem er gerade wohnte, einem cholerischen alten Holländer, Namens Hans van Ripper, und zog nun, stattlich im Sattel sitzend, auf, wie ein irrender Ritter, der Abenteuer sucht. Ich muß indessen, in dem wahren Geiste der Romanschreibung, eine Art von Bericht über das Aussehen und die Ausstaffirung meines Helden und seines Rosses geben. Das Thier, welches ihn trug, war ein abgearbeitetes Ackerpferd, welches beinahe nichts mehr behalten hatte, als seine Fehler. Es war hager und rauh, mit einem Schafshals und einem Kopfe wie ein Hammer; seine rostige Mähne und der Schweif waren verwickelt und voller Kletten; ein Auge hatte die Sehkraft verloren und war starr und gespenstig; das andere hatte eine wahre Teufelsgluth in sich. In seiner Jugend mußte es indessen Feuer und Kraft gehabt haben, wenn man nach seinem Namen Gunpowder (Schießpulver) urtheilen durfte. Es war in der That das Lieblingspferd seines Herrn, des cholerischen van Ripper, gewesen, der ein wilder Reiter war, und höchst wahrscheinlich dem Thiere etwas von seinem eigenen Geiste mitgetheilt hatte; denn, alt und unbrauchbar, wie es aussah, hatte es doch mehr von dem Schaden-Teufel in sich, als irgend ein junges Füllen im Lande.
Ichabod's Gestalt paßte zu einem solchen Rosse. Er ritt mit kurzen Steigbügeln, welches seine Kniee bis an den Sattelknopf brachte; seine spitzigen Elnbogen standen heraus wie die Beingelenke eines Grashüpfers; er führte seine Peitsche wie einen Scepter senkrecht in der Hand, und die Bewegung seiner Arme war, als sein Pferd dahinjuckelte, dem Schlagen eines Paares von Flügeln nicht unähnlich. Ein kleiner wollener Hut ruhte oben auf der Nasenwurzel, denn so konnte man den schmalen Streifen von Stirn wohl nennen, den er hatte, und die Schöße seines schwarzen Rocks flogen beinahe bis an den Schweif des Pferdes. So war das Aussehen von Ichabod und seinem Rosse, als sie aus dem Thore van Rippers herausstolperten, und das Ganze gewährte eine Erscheinung, wie man sie selten am hellen Tageslichte zu Gesichte bekommt.
Es war, wie ich gesagt habe, ein schöner Herbsttag; der Himmel war klar und heiter, und die Natur trug das schöne, goldene Kleid, mit welchem wir immer in Gedanken den Begriff des Ueberflusses verbinden. Die Wälder hatten sich in ihr ernstes Braun und Gelb gekleidet, während einige Bäume von der zarteren Art durch den Frost schon glänzende Orangen-, Purpur- und Scharlachtinten erhalten hatten. Dahinziehende Reihen wilder Enten fingen an, sich hoch in der Luft sehen zu lassen; das Bellen des Eichhörnchens ließ sich aus den Gebüschen von Birken und Wallnußbäumen, und der nachdenkliche Schlag der Wachtel von Zeit zu Zeit von dem benachbarten Stoppelfelde, her vernehmen.
Die kleineren Vögel hielten ihre Abschiedsgastmahle. In der Fülle ihrer Schwelgerei flatterten sie, zirpend und frohlockend, von Busch zu Busch, von Baum zu Baum, und der Ueberfluß und die Manichfaltigkeit um sie her schienen sie noch leckerhafter zu machen. Da war das ehrliche Rothkehlchen, das Lieblingswild angehender Jäger, mit seinem hellen klagenden Tone; und die zwitschernden Amseln, welche in den dunkelen Wolken umherflogen; und der goldgeflügelte Specht, mit seinem hochrothen Federbusche, seiner breiten schwarzen Halskrause und seinem glänzenden Gefieder; und der Cedervogel mit seinen Flügeln mit rothen Spitzen, seinem Schwanze mit gelber Spitze, und seiner kleinen Jägermütze von Federn; und der blaue Holzhäher, dieser lärmende Geselle, in seinem stattlichen hellblauen Rocke und weißen Unterkleidern, der schrie und schnatterte und nickte und wiegte sich und beugte sich, und that, als ob er mit jedem Sänger des Waldes auf gutem Fuße stehe.
Wie Ichabod seines Weges langsam weiter zog, streifte sein Auge, immer für jedes Anzeichen von leiblichem Ueberfluß offen, mit Entzücken über die Schätze des fröhlichen Herbstes dahin. Auf allen Seiten sah er eine große Menge von Aepfeln; manche hingen in erdrückendem Ueberfluß an den Bäumen; andere waren in Körbe und Fässer gepackt, um zu Markte gebracht zu werden; andere in hohen Haufen aufgethürmt, um unter die Ciderpresse zu kommen. Weiterhin sah er große Felder mit Mais besetzt, deren goldene Kolben aus ihren laubigen Decken hervorblickten und Kuchen und weiche Puddings verhießen, und gelbe Kürbisse darunter liegend, welche ihre glatten runden Bäuche der Sonne zuwendeten und die schönsten Aussichten auf die prachtvollsten Pasteten eröffneten; dann kam er bei den duftenden Buchweizenfeldern vorüber, welche den Duft des Bienenkorbes aushauchten, und, als er sie betrachtete, bemächtigte sich seines Geistes eine süße Ahnung von den köstlichen, wohl mit Butter beschmierten, mit Honig oder Syrup überlegten Brodschnitten, welche ihm die zarte kleine, mit Grübchen gezierte Hand Katharina's van Tassel darreichen würde.
So sein Gemüth mit manchen angenehmen und süßen Vermuthungen nährend, ritt er längs einer Reihe von Hügeln hin, von welchen man eine Aussicht auf einige der angenehmsten Gegenden an dem mächtigen Hudson hat. Die Sonne wälzte allmählich ihre breite Scheibe dem Westen zu. Der weite Schooß der Tappan-Zee lag unbeweglich und spiegelglatt da, ausgenommen, daß dann und wann ein sanftes Wogen den blauen Schatten der entfernten Berge hob und senkte und verlängerte. Einige wenige hochgelbe Wolken wogten am Himmel, ohne daß ein Lüftchen sie bewegt hätte. Der Horizont hatte eine schöne goldartige Färbung, welche sich allmählich in ein reines Apfelgrün, und darauf in das tiefe Blau des Aethers verwandelte. Ein schiefer Strahl verweilte noch auf den bewaldeten Spitzen der Anhöhen, welche über einige Theile des Flusses hinüberragten, und dem Dunkelgrau und Purpur ihrer Felsabhänge ein größeres Dunkel verliehen. In der Entfernung segelte langsam eine Schaluppe, welche gemach mit der Fluth fort trieb, während ihr Segel unnütz am Maste hing; und, wie der Widerschein des Himmels sich in dem stillen Wasser spiegelte, war es, als ob das Schiff in der Luft hinge.
Der Abend war schon herangenaht, als Ichabod vor Mynheer van Tassel's Burg anlangte, die er mit dem Stolz und der Blüthe der umliegenden Gegend angefüllt fand. Alte Gutsbesitzer, ein mageres, lederngesichtiges Geschlecht, in Röcken und Beinkleidern von eigengemachtem Zeuge, blauen Strümpfen, großen Schuhen und prachtvollen zinnernen Schnallen. Ihre lebendigen verblühten kleinen Frauen, in eng anschließenden Hauben, kurzen Kleidern mit langen Taillen, selbstgesponnenen Röcken, mit Scheeren und Nadelkissen und herabhängenden bunten kattunenen Taschen. Flinke Mädchen, beinahe so altväterisch, wie ihre Mütter, ausgenommen da, wo ein Strohhut, ein schönes Band, oder vielleicht ein weißes Kleid auf eine Neuerung von der Stadt aus hindeuteten. Die Söhne, in kurzen Röcken mit viereckten Schößen und Reihen von ungeheuren metallenen Knöpfen, und ihr Haar in der Regel nach der Mode der Zeit eingeflochten, besonders wenn sie zu diesem Zweck eine Aalhaut erhalten konnten, da diese in der ganzen Gegend als besonders stärkend für das Haar, und dessen Wuchs befördernd, angesehen wurde.
Brom Bones war indessen der Held des Schauplatzes, da er zu der Versammlung auf seinem Lieblingshengst Daredevil, einem Geschöpfe gekommen war, das, wie er selbst, voller Feuer und Unheil war, und das Niemand als er regieren konnte. Es war in der That bekannt, daß er immer böse Thiere vorzog, welche allen Arten von Tücken ergeben waren und den Reiter in steter Lebensgefahr erhielten, indem er ein zu behandelndes, wohlzugerittenes Pferd als eines Burschen von Muth durchaus unwürdig hielt.
Gern würde ich einhalten, um bei der Welt von Reizen zu verweilen, welche sich dem entzückten Blicke meines Helden darstellte, als er in das Staatszimmer von van Tassel's Hause trat. Sie waren indeß nicht die eines Haufens schmucker Dirnen, mit ihrer üppigen Fülle von weiß und roth; sondern die mächtigen Reize eines echt holländischen Land-Theetisches in der reichlichen Herbstzeit. Welch aufgehäufte Teller mit verschiedenen, fast unbeschreiblichen Kuchenarten, nur den erfahrnen holländischen Hausfrauen bekannt! Da war die kräftige Teignuß, der zarte Oelkuchen und der krause, bröckelnde Krauskuchen; süße Kuchen und kurze Kuchen, Pfefferkuchen und Honigkuchen, und die ganze Familie von Kuchen. Und dann gab es noch Aepfelpasteten und Pfirsichpasteten und Kürbispasteten; außerdem köstliche Schüsseln mit eingemachten Pflaumen und Pfirsichen und Birnen und Quitten; nicht zu gedenken der gebratenen Alsen und der gebackenen Hühner, so wie der Schalen mit Milch und Sahne dazwischen, alles bunt untereinander gemischt, fast gerade so, wie ich es aufgezählt habe; dazwischen die hausmütterliche Theekanne, die ihre Dampfwolken mitten daraus emporsteigen ließ – Gott segne dieß Zeichen! Mir fehlt Athem und Zeit, diesen Schmaus zu erörtern, wie er es verdient, und ich bin zu begierig, an das Ende meiner Erzählung zu gelangen. Glücklicherweise hatte Ichabod Crane keine so große Eile, wie sein Geschichtsschreiber, sondern ließ jedem Leckerbissen volle Gerechtigkeit widerfahren.
Er war ein gutmüthiges, dankbares Wesen, dessen Herz sich in dem Maaße ausdehnte, wie sein Leib sich mit leckerer Speise anfüllte; und dessen Geist bei dem Essen auflebte, wie dieß mit Anderen bei dem Trinken der Fall ist. Er konnte sich auch nicht enthalten, während des Essens seine großen Augen umhergehen zu lassen, und sich mit der Möglichkeit zu kitzeln, daß er dereinst der Herr und Eigenthümer dieses ganzen Schauplatzes von beinahe undenklicher Pracht und Herrlichkeit werden könnte. Dann dachte er, wie bald er dem alten Schulhause den Rücken wenden, Hans van Ripper und allen übrigen knausrigen Gönnern ein Schnippchen ins Gesicht schlagen, und jeden reisenden Schulmeister, der ihn College zu nennen sich erdreisten möchte, zur Thür hinausdrehen wollte!
Der alte Baltes van Tassel bewegte sich unter seinen Gästen mit einem von Zufriedenheit und guter Laune verklärten, und gleich dem Erntemonde, runden und fröhlichen Gesichte umher. Seine gastfreien Aufmerksamkeiten waren kurz, aber ausdrucksvoll; sie beschränkten sich auf einen Händedruck, einen Schlag auf die Schulter, ein lautes Lachen, und eine gelegentliche Aufforderung: »zuzugreifen und sich selbst zu bedienen.«
Nun aber lud der Ton der Musik aus dem gemeinschaftlichen Zimmer oder dem Saale zum Tanz ein. Der Musiker war ein alter, grauköpfiger Neger, der seit länger als einem halben Jahrhunderte das wandernde Orchester der Nachbarschaft gewesen war. Sein Instrument war so alt und gebrechlich, als er selbst. Den größten Theil der Zeit kratzte er auf zwei oder drei Saiten, wobei er jeden Strich des Bogens mit einer Bewegung des Kopfes begleitete; sich beinahe bis zur Erde beugend, und mit dem Fuße stampfend, sobald ein neues Paar anfangen sollte.
Ichabod that sich auf seinen Tanz eben so viel zu gut, als auf seine Stimme. Kein Glied, keine Faser an seinem ganzen Körper war dabei müssig; und wenn Ihr seine locker zusammenhängenden Glieder in voller Bewegung gesehen und im Zimmer umherrasseln gehört hättet, würdet Ihr geglaubt haben, St. Veit selbst, der gebenedeite Patron des Tanzes, träte in eigner Person vor Euch auf. Er war der Gegenstand der Bewunderung aller Neger, die, von allen Altern und Gestalten, aus der Meierei und der Nachbarschaft herbeigekommen waren und an jeder Thür und jedem Fenster eine Pyramide glänzend schwarzer Gesichter bildend, umherstanden, das Schauspiel mit Entzücken betrachtend, wobei sie ihre weißen Augen hin und her rollten, und den Mund, mit Reihen von Zähnen wie Elfenbein besetzt, von einem Ohr zum andern aufrissen. Wie konnte auch der Bubenpeitscher anders, als lebendig und fröhlich sein? die Geliebte seines Herzens war seine Tänzerin, und lächelte holdselig zu allen seinen verliebten Blicken; während Brom Bones, gequält von Liebe und Eifersucht, in sich selbst hineinbrütend, in einem Winkel saß.
Als der Tanz zu Ende war, fühlte sich Ichabod zu einem Haufen weiserer Leute hingezogen, welche mit dem alten van Tassel rauchend an dem einen Ende der Vorhalle saßen, von frühern Zeiten schwatzend und lange Geschichten aus dem Kriege erzählend.
Zu der Zeit, von welcher es sich hier handelt, gehörte diese Gegend zu den hochbegünstigten und war an geschichtlichen Erinnerungen eben so reich, wie an berühmten Männern. Die englische und amerikanische Armee hatte, während des Krieges, nicht weit davon sich getummelt, und dieser Strich war mithin der Schauplatz aller Plänkeleien und voll von Flüchtlingen, Kühjungen und allen übrigen Gränzrittern gewesen. Auch hatte dieses Alles gerade vor so langer Zeit sich ereignet, daß jeder Erzähler seine Mähr mit kleinen nöthigen Zusätzen ausschmücken, und, bei der Unbestimmtheit seiner Erinnerungen, sich selbst zum Helden einer jeden That machen konnte.
Da war die Geschichte von Doffue Martling, einem gewaltigen blaubärtigen Holländer, der mit einem alten Neunpfünder. welcher auf einer Lehmschanze stand, beinahe eine englische Fregatte weggenommen hätte, wenn nicht seine Kanone bei dem sechsten Schuß gesprungen wäre. Und da war ein alter Herr, den ich nicht nennen will, weil er ein zu reicher Mynherr ist, als daß man ihn so obenhin nur nennen könnte, und der in der Schlacht von Whiteplains, als ein guter Fechter, eine Musketenkugel mit dem kurzen Degen parirte, so daß er sie ganz deutlich um die Klinge sausen und an dem Gefäße abspringen gefühlt hatte; zum Beweise dessen war er jederzeit erbötig, den Degen mit dem etwas verbogenen Gefäß vorzuzeigen. Auch mehrere Andere rühmten sich, eben so groß im Felde gewesen zu sein, und es gab gewiß keinen, der nicht die vollkommene Ueberzeugung gehabt hätte, daß er wesentlich dazu beigetragen habe, den Krieg zu einem glücklichen Ende zu bringen.
Alles dieß war indeß nichts gegen die Geister- und Erscheinungsgeschichten, welche folgten. Die Gegend ist reich an Sagenschätzen dieser Art. Ortssagen und abergläubische Meinungen gedeihen am besten in solchen abgelegenen, lange bewohnten Winkeln; aber sie gehen im Munde der ewig wandernden Menge, welche die Bevölkerung unserer meisten ländlichen Ortschaften bildet, allmählich verloren. Ueberdieß gibt es für die Geister gar keine Ermunterung in den meisten unserer Dörfer; denn kaum haben sie Zeit gehabt, ihren ersten Schlaf zu thun, und sich im Grabe umzuwenden, so sind ihre überlebenden Freunde schon aus der Gegend hinweggewandert; so daß, wenn sie sich in der Nacht aufmachen, ihre Runde zu halten, sie keinen Bekannten mehr finden, dem sie einen Besuch abstatten können. Dieß ist vielleicht die Ursache, warum wir, ausgenommen in unseren langbestehenden holländischen Gemeinden, so selten von Geistern hören.
Die unmittelbare Ursache der vielen hier im Schwange gehenden übernatürlichen Geschichten war jedoch, ohne Zweifel, die Nähe der schläfrigen Schlucht. Es lag schon in der Luft, welche von dieser bezauberten Gegend her wehte, etwas Ansteckendes, und sie entwickelte eine Atmosphäre von Träumen und Einbildungen, welche das ganze Land ansteckten. Mehrere von den Bewohnern der schläfrigen Schlucht waren bei van Tassel ebenfalls gegenwärtig, und spendeten, wie gewöhnlich, ihre wilden, wundervollen Legenden in Fülle aus. Manche schauerliche Geschichten von Leichenzügen und Trauergeschrei und Klagen wurden erzählt, die man in der Gegend des großen nicht fern stehenden Baumes gesehen und gehört hatte, wo der unglückliche Major André gefangen genommen worden war. Man gedachte auch der weißen Frau, welche in der düstern Schlucht von Raven Rokk umging, und die man oft in Winternächten vor einem Sturme wehklagen hörte, da sie dort einst im Schnee umgekommen war. Der Haupt-Theil der Geschichte drehte sich indessen um das Lieblingsgespenst aus der schläfrigen Schlucht, den kopflosen Reiter, den man erst kürzlich mehrere Male durch die Gegend hatte ziehen gehört, und der, wie man sagte, nächtlich sein Pferd unter den Gräbern auf dem Kirchhofe anbände.
Die einsame Lage dieser Kirche scheint sie immer zu einem Lieblingstummelplatze unruhiger Geister gemacht zu haben. Sie steht auf einem, von Acazien und hohen Ulmen umgebenen Hügel, zwischen welchen ihre züchtigen weißgetünchten Mauern bescheidentlich hindurchblicken, wie die christliche Reinheit, welche durch die Schatten der Einsamkeit glänzt. Ein sanfter Abhang führt von derselben zu einem silbernen Wasserspiegel nieder, der mit hohen Bäumen besetzt ist, zwischen welchen man einzelne Durchsichten auf die blauen Hügel des Hudson hat. Wenn man ihren mit Gras bewachsenen Kirchhof betrachtet, wo die Sonnenstrahlen so ruhig zu schlummern scheinen, sollte man glauben, daß hier wenigstens die Todten sanft ruhen könnten. Auf der einen Seite der Kirche zieht sich eine große waldige Schlucht dahin, durch welche ein starker Bach zwischen gebröckelten Felsen und umgestürzten Baumstämmen sich hinstürzt. Ueber eine tiefe schwarze Stelle des Stromes, nicht weit von der Kirche, war eine hölzerne Brücke geschlagen; der Weg, welcher zu derselben führte, und die Brücke selbst, waren durch überhangende Bäume dicht beschattet, welche selbst bei Tage eine gewisse Düsterkeit darüber verbreiteten, bei Nacht aber eine furchtbare Dunkelheit verursachten. Dieß war eine der Lieblingsgegenden des kopflosen Reiters, und der Ort, wo man ihm am häufigsten begegnete. – Man erzählte die Geschichte vom alten Brouwer, einem Manne, der zu den hartnäckigsten Geisterleugnern gehörte, wie er dem Reiter auf dessen Rückkehr von seinem Zuge nach der schläfrigen Schlucht begegnete, und genöthigt war, sich hinter ihm aufzusetzen; wie sie über Stock und Block, über Hügel und Morast galoppirten, bis sie an die Brücke kamen, wo sich der Reiter plötzlich in ein Todtengerippe verwandelte, den alten Brouwer in den Bach warf, und unter Donnerschall über die Baumwipfel dahinfuhr.
Dieser Geschichte folgte unmittelbar ein noch dreimal wunderbareres Abenteuer von Brom Bones, der sich aus dem galoppirenden Hessen nicht viel machte. Er versicherte, daß, als er eines Abends aus dem benachbarten Dorfe Sing-Sing zurückgekehrt sei, der mitternächtliche Reiter ihn eingeholt und er sich erboten habe, mit ihm um eine Bowle Punsch um die Wette zu reiten, die er auch gewiß gewonnen haben würde, da Daredevil das Gespensterroß weit hinter sich gelassen; aber, gerade in dem Augenblicke, wo sie an die Kirchenbrücke kamen, habe der Hesse einen Satz gemacht, und sei in einer Feuerflamme verschwunden.
Alle diese Erzählungen, welche in dem schläfrigen, halblauten Tone vorgetragen wurden, womit Leute im Dunkeln reden, und wobei die Gesichter der Zuhörer nur dann und wann durch das Aufflammen einer Pfeife beleuchtet wurden, machten auf Ichabod's Gemüth einen tiefen Eindruck. Er vergalt sie in gleicher Münze durch weitläuftige Anführungen aus seinem unschätzbaren Schriftsteller, Cotton Mather, und fügte manche wunderbare Vorfälle hinzu, welche in seinem Geburtsstaate Connecticut sich ereignet hatten, so wie Erzählungen von den furchtbaren Gesichten, welche er bei seinen nächtlichen Wanderungen um die schläfrige Schlucht erblickt hatte.
Die Gesellschaft brach nun allmählich auf. Die alten Gutsbesitzer zogen ihre Familien in ihre Wagen zusammen, und man hörte sie eine Zeit lang in den Hohlwegen und über die entfernten Hügel dahinrollen. Einige von den Dämchen nahmen auf den Pferden ihrer Anbeter, hinter diesen, auf Kissen Platz, und ihr fröhliches Gelächter hallte, mit dem Geklapper der Hufe vermischt, in den stillen Waldgegenden wider, wurde immer schwächer und schwächer, bis es endlich ganz verhallte – und die noch vor Kurzem so geräuschvolle und fröhliche Scene war nun still und verlassen. Nur Ichabod zögerte noch, nach der Sitte ländlicher Liebhaber, um mit der Erbin unter vier Augen zu bleiben, vollkommen überzeugt, daß er nun auf der Heerstraße zu seinem Glücke sei. Was bei dieser Zusammenkunft vorgegangen, kann ich mir nicht heraus nehmen, sagen zu wollen, weil ich es nicht weiß. Etwas muß indessen, fürchte ich, nicht so ganz richtig gewesen sein, denn Ichabod kam nach einer nicht langen Zwischenzeit heraus, mit trostbedürftigem, muthlosem Wesen. – O, diese Weiber! diese Weiber! Hatte das Mädchen ihm vielleicht einen ihrer Coquettenstreiche gespielt?– Hatte sie den armen Pädagogen bloß zu begünstigen geschienen, um sich die Eroberung seines Nebenbuhlers zu sichern? – Der Himmel mag es wissen, ich nicht! – Es wird hinreichen, zu sagen, Ichabod stahl sich heraus, mit der Miene eines solchen, der eher auf einen Hühnerstall, aber nicht auf das Herz eines schönen Mädchens einen Angriff gemacht hat. Ohne sich zur Rechten oder zur Linken nach den ländlichen Reichthümern umzusehen, nach denen er früher so oft hingeschielt hatte, ging er geraden Weges nach dem Stalle, und brachte durch einige derbe Püffe und Stöße sein Roß sehr unfreundlich von dem behaglichen Lager empor, auf dem es ruhig schlief, von Bergen von Korn und Hafer und ganzen Wäldern von Timotheus-Gras und Klee träumend.
Es war gerade die Hexenstunde der Nacht, als Ichabod, mit schwerem Herzen und gesunkenem Muthe an den hohen Hügeln hin, welche sich über Tarry Town erheben, seinen Weg nach Hause verfolgte, welchen er so fröhlich am Nachmittage zurückgelegt hatte. Die Stunde war so trübe, als er selbst. Weit unter ihm breitete die Trappan-Zee ihren finstern und nur undeutlich sichtbaren Wasserspiegel aus, auf dem sich hie und da der hohe Mast einer Schaluppe erhob, welche ruhig am Lande vor Anker lag. In der Todesstille der Mitternacht konnte er sogar das Gebell der Kettenhunde von dem gegenüberliegenden Ufer des Hudson hören; allein es klang so unbestimmt und schwach, daß es nur eine Idee geben konnte von seiner Entfernung von diesem treuen Gefährten des Menschen. Dann und wann ertönte auch weit her von irgend einem Meierhofe in den Hügeln, das langgezogene Krähen eines Hahns, der zufällig erwacht war, – aber es klang nur wie ein Ton des Traumes in sein Ohr. Kein Lebenszeichen war in seiner Nähe zu bemerken, als von Zeit zu Zeit das trübsinnige Zirpen einer Grille, oder vielleicht der Kehlton eines Brüllfrosches aus einem benachbarten Morast, als schliefe er unbehaglich, und habe sich plötzlich auf seinem Lager umgewendet.
Alle die Geschichten von Geistern und Kobolden, welche er am Nachmittage gehört hatte, kamen ihm nun zu Schaaren wieder in den Sinn. Die Nacht wurde dunkler und dunkler; die Sterne schienen tiefer in den Himmel zu sinken, und dahintreibende Wolken entzogen sie von Zeit zu Zeit seinen Blicken. Er hatte sich nie so verlassen und unglücklich gefühlt. Ueberdieß näherte er sich dem Orte, wohin man mehrere der Scenen der Geistergeschichten verlegt hatte. Mitten auf dem Wege stand ein ungeheurer Tulpenbaum, welcher wie ein Riese über alle übrigen Bäume in der Nachbarschaft hinüberragte und eine Art von Wahrzeichen bildete. Seine Zweige waren knorrig und von abenteuerlicher Gestalt, groß genug, um Stämme für gewöhnliche Bäume zu bilden; sie bogen sich beinahe bis zur Erde hinab, und erhoben sich dann wiederum in die Luft. Er stand in Verbindung mit der tragischen Geschichte des unglücklichen André, der dicht dabei zum Gefangenen gemacht worden, und war allgemein unter dem Namen Major André's Baum bekannt. Die gemeinen Leute betrachteten ihn mit einer Mischung von Ehrfurcht und Aberglauben, theils aus Antheil an dem Schicksale des unglücklichen Mannes, und theils wegen Erzählungen von sonderbaren Erscheinungen, die man dort bemerkt, und der Klagetöne, die man dabei gehört haben wollte.
Indem Ichabod sich diesem furchtbaren Baume näherte, fing er an zu pfeifen; er glaubte, daß sein Pfeifen beantwortet würde – allein es war nur ein Windstoß, der scharf durch die trockenen Zweige strich. Als er ein wenig näher kam, glaubte er, etwas Weißes zu erkennen, das in der Mitte des Baumes hing – er hielt an, und hörte auf zu pfeifen; als er aber genauer hinsah, bemerkte er, daß dieß ein Fleck war, wo der Baum vom Blitze getroffen worden und das weiße Holz sichtbar war. Plötzlich hörte er ein Stöhnen – seine Zähne klapperten und die Kniee schlotterten ihm gegen den Sattel: es war nur das Reiben eines der großen Aeste an einen andern, wie sie von dem Sturme bewegt worden. Er kam glücklich bei dem Baume vorüber; doch neue Gefahren lagen vor ihm.
Ungefähr zwei hundert Ellen von dem Baume durchschnitt ein kleiner Bach den Weg, und floß in eine morastische, dicht beholzte Schlucht, welche unter dem Namen Wiley's Lache bekannt war. Einige rohe Holzblöcke, nebeneinander gelegt, dienten zur Brücke über dieses Wasser. An der Seite der Straße, wo sich der Bach in dem Walde verlor, verbreitete eine Gruppe von Eichen- und Kastanienbäumen, mit wilden Weinstöcken dicht durchflochten, eine höhlenartige Düsterheit darüber. Ueber diese Brücke hinwegzukommen, war die schwerste Prüfung. Gerade an dieser nämlichen Stelle war der unglückliche André gefangen genommen worden, und unter diesen Kastanienbäumen und Weinreben lagen die handfesten Milizen verborgen, welche ihn überfielen. Man hat dieß Wasser von der Zeit an immer als unheimlich angesehen, und schauernd sind die Gefühle des Schulknaben, welcher nach dem Eintritt der Dämmerung allein darüber gehen muß.
Als er sich dem Wasser näherte, fing ihm das Herz mächtig an zu klopfen; er nahm indessen alle seine Entschlossenheit zusammen, gab seinem Pferde ein halbes Dutzend Rippenstöße, und suchte rasch über die Brücke zu kommen; statt aber vorwärts zu gehen, machte das eigensinnige alte Thier eine Seitenbewegung, und rannte gerade gegen die Umzäunung. Ichabod, dessen Furcht mit dem Verzuge wuchs, zog die Zügel nach der andern Seite an und stieß wacker mit dem entgegengesetzten Fuße; es war alles vergebens – sein Roß ging zwar vorwärts, aber nur, um auf die andere Seite des Weges, in ein Dickicht von Brombeeren und Erlengestrüppe hineinzulaufen. Der Schulmeister bearbeitete nun mit Peitsche und Sporn des alten Gunpowder's hervorstehende Rippen, welcher schnaubend und schnaufend vorwärts schoß, dicht bei der Brücke aber mit einer solchen Schnelle Halt machte, daß sein Reiter beinahe über seinen Kopf hinweggestürzt wäre. Gerade in diesem Augenblicke vernahmen Ichabod's feine Ohren ein Getrampel in dem Morast an der Brücke. In dem dunkeln Schatten des Gebüsches, am Ufer des Baches, sah er etwas Gewaltiges, Unförmliches, Schwarzes und Thurmhohes. Es rührte sich nicht, sondern schien in dem Dunkel zusammengezogen wie ein riesenhaftes Ungeheuer, und im Begriff, sich auf den Reisenden zu stürzen.
Das Haar des erschrockenen Pädagogen sträubte sich vor Furcht auf seinem Kopfe. Was sollte er thun? Umzukehren und zu fliehen war jetzt zu spät; und überdieß, welche Möglichkeit gab es, einem Geiste oder Kobold, wenn dieß ein solcher war, zu entgehen, da diesem die Flügel des Windes zu Gebote stunden? Indem er also eine Art Muth zusammenraffte, fragte er stammelnd – »Wer seid Ihr?« Er erhielt keine Antwort. Er wiederholte seine Frage mit noch bewegterer Stimme. Noch immer gab es keine Antwort. Abermals zerprügelte er des unbeugsamen Gunpowder's Seiten, und stimmte, indem er die Augen schloß, mit unwillkührlicher Inbrunst eine Psalmmelodie an. In diesem Augenblick setzte sich der dunkele Gegenstand des Schreckens in Bewegung, und stand mit einem Ruck und einem Sprunge plötzlich mitten auf dem Wege. Obgleich die Nacht dunkel und schauerlich war, so ward doch nun die Gestalt des Unbekannten einigermaßen kenntlich. Er schien ein Reiter von gewaltiger Größe, der ein schwarzes Pferd von mächtigen Formen ritt. Er machte keine Bewegung, die auf Belästigung, noch eine solche, die auf Geselligkeit hingedeutet hätte, sondern blieb in einiger Entfernung auf der einen Seite der Straße, an der blinden Seite des alten Gunpowder's, der jetzt seine Furcht und Störrigkeit abgelegt hatte.
Ichabod, der an diesem fremden mitternächtlichen Gesellschafter keine Freude hatte, und dem das Abenteuer des Brom Bones mit dem galoppirenden Hessen einfiel, trieb jetzt sein Roß an, in der Hoffnung, ihn hinter sich zu lassen. Der Fremde ließ jedoch sein Roß zu gleicher Schnelle an. Ichabod hielt an, ritt Schritt, und dachte nun, hinten zu bleiben – der Andere that dasselbe. Sein Herz fing an zu verzagen; er suchte seinen Psalmton wieder anzustimmen, allein seine trockene Zunge klebte ihm am Gaumen, und er konnte keine einzige Strophe herausbringen. Es lag etwas in dem mürrischen, finstern Stillschweigen seines beharrlichen Gefährten, das geheimnißvoll und niederschlagend war. Die Ursache davon erklärte sich bald auf eine furchtbare Weise. Als Ichabod eine Anhöhe hinaufritt, welche die Gestalt seines Reisegefährten frei zeigte, von riesenhafter Größe und in einen Mantel gehüllt, war er von Entsetzen zerschmettert, denn er sah, daß sie keinen Kopf hatte! – aber sein Entsetzen wuchs, als er bemerkte, daß er den Kopf, der auf den Schultern hätte stehen sollen, vor sich auf dem Sattelknopfe trug. Sein Schrecken stieg zur Verzweiflung; er ließ Püffe und Stöße auf Gunpowder regnen, und hoffte, durch eine plötzliche Bewegung seinem Gefährten den Rang abzugewinnen – aber das Gespenst sprengte so schnell dahin, wie er. Dahin sauseten sie denn, durch Dick und Dünn; die Steine stoben und die Funken flogen bei jedem Satze. Ichabod's leichte Gewänder flatterten in der Luft, indem er in dem Eifer seiner Flucht den langen dünnen Leib vorwärts über des Pferdes Kopf dahinstreckte.
Sie hatten nun den Weg erreicht, welcher abwärts nach der schläfrigen Schlucht führt; aber Gunpowder, der von einem Dämon besessen zu sein schien, machte, statt die Straße zu verfolgen, eine entgegengesetzte Wendung, und stürzte links den Hügel hinab. Dieser Weg führt durch eine sandige Schlucht und ist eine Viertelmeile lang von Bäumen beschattet, bis da, wo er über die Geisterbrücke geht, und dann dicht jenseits derselben der grüne Hügel anschwillt, auf welchem die weißgetünchte Kirche steht.
Bis jetzt hatte der Schrecken des Pferdes seinem unkundigen Reiter einen anscheinenden Vortheil bei dem Wettrennen gegeben; aber gerade, als er ungefähr die Mitte der Schlucht erreicht hatte, ließ der Gurt des Sattels nach, und er fühlte diesen unter sich entgleiten. Er ergriff ihn bei dem Knopfe und suchte ihn festzuhalten, aber vergebens; und er hatte gerade nur Zeit genug, den alten Gunpowder um den Hals zu fassen, als der Sattel auf die Erde fiel, und er seinen Verfolger darüber hintraben hörte. Auf einen Augenblick kam die Furcht vor Hans van Ripper's Zorn über seine Seele, – denn es war dessen Sonntagssattel; allein es war keine Zeit für kleinliche Besorgnisse; der Kobold war ihm hart auf den Fersen, und als ungeschickter Reiter hatte er viel Mühe, sich in dem Sitze zu erhalten; zuweilen glitt er auf der einen Seite, zuweilen auf der andern herab, und öfters prallte er auf den scharfen Rückgrat seines Pferdes mit einer solchen Gewalt, daß er in der That fürchtete, mitten von einander gespalten zu werden.
Eine Oeffnung in den Bäumen erfreute ihn jetzt mit der Hoffnung, daß die Kirchenbrücke nicht mehr fern sei. Das zitternde Abbild eines silbernen Sternes in dem Schooße des Baches überzeugte ihn, daß er sich nicht geirrt habe. Er sah die Mauern der Kirche zwischen den Bäumen jenseits hindurch glänzen. Er erinnerte sich des Ortes, wo des Brom Bones geistiger Nebenbuhler verschwunden war. »Wenn ich nur diese Brücke erreichen kann,« dachte Ichabod, »bin ich in Sicherheit.« Gerade da hörte er das schwarze Roß dicht hinter sich keuchen und schnauben; er glaubte sogar seinen heißen Odem zu fühlen. Noch ein krampfhafter Rippenstoß und der alte Gunpowder sprang auf die Brücke; er donnerte über die tönenden Bretter; er erreichte das entgegengesetzte Ufer; und nun warf Ichabod einen Blick hinter sich, um zu sehen, ob sein Verfolger, der Regel nach, in einer Wolke von Feuer und Schwefel verschwinden würde. Gerade jetzt sah er den Kobold sich in den Steigbügeln erheben und eben im Begriffe, ihm seinen Kopf nachzuschleudern. Ichabod suchte der furchtbaren Wurfwaffe auszuweichen, aber umsonst. Sie begegnete mit einem gewaltigen Krache seinem Schädel – er stürzte kopfüber in den Staub, und Gunpowder, das schwarze Roß und der gespenstige Reiter sausten wie ein Wirbelwind vorüber.
Am nächsten Morgen wurde das alte Pferd ohne Sattel, und mit dem Zaume unter den Füßen, ganz ruhig vor seines Herrn Thür im Grase weidend, gefunden. Ichabod erschien nicht beim Frühstück – die Mittagessensstunde kam, aber kein Ichabod. Die Knaben versammelten sich im Schulhause, und schlenderten müßig am Ufer des Baches umher, aber kein Schulmeister war zu sehen. Hans van Ripper begann nun über das Schicksal des armen Ichabod und seines Sattels besorgt zu werden. Man erkundigte sich und kam nach genauer Nachforschung auf seine Spur. An einer Stelle des Weges, welcher nach der Kirche führte, fand man den Sattel in den Koth getreten; die Spuren von Pferdehufen, tief in den Weg eingedrückt, und offenbar wilde Eile bezeichnend, konnte man bis an die Brücke verfolgen, jenseit welcher, am Uferende einer breiten Stelle des Baches, wo das Wasser tief und schwarz war, der Hut des unglücklichen Ichabods, und dicht dabei ein zertrümmerter Kürbis gefunden ward.
Man durchsuchte den Bach, konnte aber den Körper des Schulmeisters nicht auffinden. Hans van Ripper untersuchte, als sein Testamentsvollstrecker, das Bündel, welches alle seine weltlichen Habseligkeiten enthielt. Diese bestanden aus zwei und einem halben Hemde; zwei Halsbinden; einem oder zwei Paar wollenen Strümpfen; einem alten Paar kurzer manchesterner Beinkleider; einem rostigen Rasirmesser; einem Buche mit Psalmmelodien, voll von Ohren; und einer zerbrochenen Thon-Pfeife. Was die Bücher und Möbel im Schulhause betraf, so gehörten sie der Gemeinde, mit Ausnahme von Cotton Mather's Geschichte der Zauberei, einem Kalender für Neu-England, und einem Buche über Träume und Weissagungen; in welchem letztern sich ein Bogen Schreibpapier befand, auf welchem mehrere verunglückte Versuche von Versen, zu Ehren der Erbin van Tassel's, zu lesen waren. Diese Zauberbücher und das poetische Gekritzel übergab Hans van Ripper ungesäumt den Flammen; und da er aus dem sogenannten Lesen und Schreiben nie etwas Gutes hatte entstehen sehen, beschloß er, seine Kinder nicht mehr in die Schule zu senden. Das Geld, welches der Schulmeister besaß, und er hatte seine vierteljährige Besoldung nur erst vor einem oder zwei Tagen empfangen, mußte er zur Zeit seines Verschwindens bei sich gehabt haben.
Diese geheimnißvolle Begebenheit gab am folgenden Sonntage in der Kirche zu manchen Vermuthungen Anlaß. Haufen von müßigen Zuschauern und Klätschern versammelten sich auf dem Kirchhofe, an der Brücke, und an der Stelle, wo man den Hut und den Kürbis gefunden hatte. Die Geschichten von Brouwer, von Bones und einer Anzahl von andern wurden wieder in das Gedächtniß zurückgerufen, und nachdem man sie alle gehörig hin und her überlegt und mit allen Einzelnheiten des gegenwärtigen Falls verglichen hatte, schüttelten die Leute ihre Köpfe, und kamen endlich zu dem Schluß, daß Ichabod von dem galoppirenden Hessen hinweg geführt worden sei. Da er ein Junggesell und Niemand etwas schuldig war, so bekümmerte sich keiner mehr um ihn: die Schule wurde in eine andere Gegend der Schlucht verlegt, und ein anderer Pädagog herrschte an seiner Stelle.
Es ist wahr, ein alter Landmann, der mehrere Jahre nachher nach New-York zum Besuche gereist war, und den man diese Geistergeschichte hatte erzählen hören, brachte die Nachricht nach Hause, Ichabod Crane sei noch am Leben, er habe, theils aus Furcht vor dem Gespenste und vor Hans van Ripper, theils aus Aerger darüber, daß er so plötzlich von der reichen Erbin abgewiesen worden, die Gegend verlassen, sich in einem entfernten Theile des Landes angesiedelt, Schule gehalten, und zu gleicher Zeit die Rechte studirt; sei Advokat, Politiker und Wähler geworden, habe für die Zeitungen geschrieben, und sei endlich zum Richter in dem Zehn-Pfund-Gericht ernannt worden. Auch Brom Bones, der kurz nach seines Nebenbuhlers Verschwinden die blühende Katharina im Triumphe zum Altare führte, sah man immer eine sehr schalkhafte Miene machen, wenn Ichabod's Geschichte erzählt wurde, und er brach, wenn der Kürbis erwähnt wurde, immer in ein herzliches Gelächter aus; woraus Einige schließen wollten, daß er von der Sache mehr wüßte, als er zu sagen für gut fände.
Die alten Bauernweiber jedoch, welche in diesen Sachen die besten Richterinnen sind, behaupten bis auf diesen Tag, Ichabod sei durch übernatürliche Kräfte verschwunden; und es ist eine Lieblingsgeschichte, welche sehr oft in der Nachbarschaft bei dem Winterabendfeuer erzählt wird. Die Brücke wurde mehr als je zum Gegenstand der abergläubischen Furcht, und dieß mag der Grund sein, warum man in neueren Zeiten den Weg verlegt hat, so daß man sich jetzt bei dem Mühlbache vorbei der Kirche nähert. Da das Schulhaus nun verlassen war, zerfiel es bald, und man sagte, der Geist des unglücklichen Pädagogen gehe darin um, und der Pflügerknabe, der am stillen Sommerabende nach Hause schlendert, hat oft geglaubt seine Stimme in der Entfernung zu hören, wie er in der ruhigen Einsamkeit der schläfrigen Schlucht eine trübsinnige Psalmweise absingt.
in Herrn Knickerbocker's Handschrift gefunden.
Die vorstehende Erzählung habe ich beinahe mit denselben Worten wiedergegeben, womit ich sie bei einer Zusammenkunft der Körperschaft der alten Stadt der Manhattoes, bei welcher mehrere von ihren weisesten und ausgezeichnetesten Bürgern zugegen waren, erzählen hörte. Der Erzähler war ein angenehmer, schäbiger, anständig aussehender alter Herr, in Pfeffer- und Salz-Kleidern und mit einem sehr launigen Gesicht; und ein Mann von dem ich stark vermuthe, daß er arm war, – weil er so gern unterhaltend sein wollte. Als seine Geschichte geendigt war, erscholl Gelächter und Beifall, besonders von zwei oder drei Abgeordneten von Aldermännern, welche den größern Theil der Zeit über geschlafen hatten. Es war indessen ein langer, trocken aussehender alter Herr mit buschigen Augenbraunen da, welcher die ganze Zeit über ein ernsthaftes, fast finsteres Gesicht machte, dann und wann die Arme in einander schlug, den Kopf neigte und auf den Boden niedersah, als ob er einige Zweifel in seinem Herzen hätte. Er gehörte zu jenen bedachtsamen Leuten, welche nie lachen, als wenn sie guten Grund dazu haben, und wann die Vernunft und das Recht auf ihrer Seite sind. Nachdem die übrige Gesellschaft von ihrer Fröhlichkeit wieder zu sich selbst gekommen, und die Stille wieder hergestellt war, stützte er sich mit einem Arm auf die Lehne seines Stuhls, stemmte den andern in die Seite, und fragte mit einer leichten aber ungemein weisen Kopfbewegung, indem er die Augenbraunen zusammenzog: was denn eigentlich die Nutzanwendung der Geschichte sei, und was dieselbe beweisen solle?
Der Erzähler, welcher so eben als Erfrischung nach seiner Anstrengung, ein Glas Wein an die Lippen setzen wollte, hielt einen Augenblick inne, betrachtete den Fragenden mit einer sehr ergebenen Miene, und bemerkte, indem er das Glas langsam auf den Tisch setzte, daß die Geschichte bezwecke, streng logisch zu beweisen:
»Daß es keine Lage im menschlichen Leben gebe, die nicht ihr Vortheilhaftes und Angenehmes hätte, – voraus gesehen, daß wir einen Scherz so nehmen, wie er ist;
»Daß mithin, wer mit gespenstischen Reitern um die Wette reitet, wahrscheinlich einen schlimmen Ritt zu machen habe;
»Daß es also, wenn ein Landschulmeister von einer holländischen Erbin abgewiesen wird, ein sicherer Schritt zu hoher Beförderung in dem Staate sei.«
Der vorsichtige alte Herr zog nach dieser Erklärung seine Augenbraunen zehnmal dichter zusammen, als vorher, da diese Schlußfolge ihn sehr in Verlegenheit setzte; während, wie mich dünkte, der in dem Pfeffer- und Salzanzuge ihn mit einer Art von triumphirendem Lächeln betrachtete. Endlich äußerte er, das Alles sei ganz gut, die Geschichte komme ihm aber doch ein wenig unwahrscheinlich vor, – und es wären einer oder zwei Punkte darin, über welche er seine Zweifel habe.
»Nun Herr,« erwiederte der Erzähler, »was das betrifft, so glaube ich selbst nicht die Hälfte davon.«
D. K.