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Ein indianischer Geschichtsbeitrag.
Wie Grabmal-Erz unwandelbar sein Blick: Die Seele weich, doch stark im Mißgeschick: Gewöhnt von seiner Baum-Wieg' bis zur Bahr', Sich bloß zu stellen launenvollem Glück, Und dessen Furcht die Schmach der Furcht nur war – Ein Stoiker der Wälder – thränenbar. |
Campbell. |
Man kann nur bedauern, daß jene früheren Schriftsteller, welche die Entdeckung und Bevölkerung von Amerika abgehandelt, uns keine ausführlichere, treuere Nachrichten von den ausgezeichneten Charakteren gegeben haben, welche in dem wilden Leben sich hervor thaten. Die spärlichen Anecdoten, welche uns erreicht haben, sind voller Eigenthümlichkeit und Interesse; sie lassen uns nähere Blicke in die menschliche Natur thun, und zeigen, was der Mensch in seinem verhältnißmäßig ursprünglichen Zustande ist, und was er der Civilisation zu danken hat. Es liegt etwas von dem Reiz einer Entdeckung darin, wenn man auf diese wilden, unbetretenen Spuren der menschlichen Natur stößt; wenn man gleichsam das Entstehen des moralischen Gefühls mit anschaut, und die großsinnigen, romantischen Eigenschaften, welche durch die Gesellschaft künstlich ausgebildet worden sind, in ursprünglicher Kraft und roher Pracht emporwachsen sieht.
Im gebildeten Leben, wo das Glück, und, in der That, beinahe das Dasein des Menschen selbst so sehr von der Meinung seiner Mitmenschen abhängt, spielt er beständig eine eingelernte Rolle. Die kecken, eigenthümlichen Züge des angeborenen Charakters sind weggeschliffen, oder durch den gleichmachenden Einfluß der sogenannten guten Lebensart gemildert; und er übt so manche kleine Täuschungen, und nimmt, um sich beliebt zu machen, den Anschein so mancher edeln Gefühle an, daß es schwer wird, seinen künstlichen Charakter von seinem wahren zu unterscheiden. Der Indianer dagegen, frei von dem Zwange und der Verfeinerung des gebildeten Lebens, und in hohem Grade ein einsames, unabhängiges Wesen, gehorcht dem Antriebe seiner Neigung oder den Eingebungen seiner Urtheilskraft; und so werden die Eigenschaften seiner Natur, da er ihnen freien Lauf läßt, ungewöhnlich groß und auffallend. Die bürgerliche Gesellschaft ist wie ein Rasen, auf welchem jede Erhöhung gleich gemacht, jeder Dornbusch ausgerottet ist, und wo das Auge durch das lachende Grün einer sammtnen Fläche erfreut wird; wer aber die Natur in ihrer Wildheit und Mannigfaltigkeit studiren will, muß sich in den Wald verlieren, die Schlucht erforschen, den Gießbach dämmen und an den Abgrund wagen.
Diese Betrachtungen entstanden bei dem zufälligen Durchsehen eines Werkes über die frühere Geschichte der Colonie, worin mit großer Bitterkeit die Gewaltthätigkeiten der Indianer und ihre Kriege mit den Ansiedlern in Neu-England erzählt werden. Es ist betrübend, selbst aus diesen einzelnen Berichten zu sehen, wie die Fußstapfen der Civilisation in dem Blute der Eingebornen gesucht werden müssen; wie leicht die Colonisten durch die Eroberungssucht zur Feindseligkeit bewegt wurden; wie schonungslos und mörderisch ihre Kriegsführung war. Die Einbildungskraft schaudert bei dem Gedanken, wie viele vernunftbegabte Wesen von der Erde vertilgt wurden, wie manche brave und edle Herzen, vom ächten Gepräge der Natur, gebrochen und in den Staub getreten wurden!
Dieß war das Schicksal Philipp's von Pokanoket, eines indianischen Kriegers, dessen Name einst der Schrecken von ganz Massachusetts und Connecticut war. Er war der ausgezeichnetste mehrerer gleichzeitiger Sachem's, welche über die Pequod's, die Narrhaganset's, die Wampanoag's und die übrigen östlichen Stämme, zur Zeit der ersten Ansiedelungen in Neu-England, herrschten, ein Haufen eingeborner roher Helden, die den edelsten Kampf kämpften dessen die menschliche Natur fähig ist, – und bis zu dem letzten Athemzuge, ohne die geringste Hoffnung auf Sieg oder einen Gedanken an Ruhm, für die Sache ihres Vaterlandes fochten. Werth eines dichterischen Zeitalters, und würdige Gegenstände für Ortsgeschichte und romantische Dichtung, haben sie kaum eine glaubwürdige Spur in dem Buche der Geschichte hinterlassen, sondern schleichen, wie riesenhafte Schatten, in dem trüben Dämmerlicht der Sage umher.
Als die Pilger, wie die Ansiedler von Plymonth von ihren Abkömmlingen genannt werden, zuerst vor den religiösen Verfolgungen der alten Welt eine Zuflucht an den Küsten der neuen suchten, war ihre Lage im äußersten Grade traurig und entmuthigend. An Zahl gering, und diese durch Krankheit und Mühseligkeiten schnell schmelzend; von einer öden Wüste und wilden Stämmen umgeben; der Strenge eines beinahe nordpolartigen Winters und dem Wechsel eines beständig veränderlichen Klima's ausgesetzt, waren ihre Gemüther mit trüben Ahnungen erfüllt, und nichts konnte sie vor Verzweiflung bewahren, als die gewaltige Erregung ihres religiösen Enthusiasmus. In dieser hülflosen Lage besuchte sie Massasoit, der Haupt-Sagamore der Wampanoag's, ein mächtiger Häuptling, welcher einen großen Strich Landes beherrschte. Statt aus der geringen Anzahl der Fremden einen Vortheil zu ziehen, und sie aus seinem Gebiet, in das sie eingedrungen waren, zu vertreiben, schien er plötzlich eine großsinnige Freundschaft für sie zu fassen, und übte die Sitte der Gastfreundschaft der ersten Zeiten gegen sie aus. Er kam zeitig im Frühjahr in ihre Niederlassung von Neu-Plymouth, nur von einer Handvoll seiner Leute begleitet; ging ein feierliches Friedens- und Freundschaftsbündniß mit ihnen ein; verkaufte ihnen einen Theil des Bodens, und versprach ihnen, seine wilden Bundesgenossen für sie zu gewinnen. Was man auch von der Treulosigkeit der Indianer sagen mag, so ist es gewiß, daß Massasoit's Rechtlichkeit und Aufrichtigkeit nie in Zweifel gezogen worden sind. Er blieb ein treuer, großmüthiger Freund der Weißen; duldete es, daß sie ihre Besitzungen ausdehnten und sich im Lande verstärkten, und ließ durchaus keine Eifersucht über ihre wachsende Macht und ihr Gedeihen blicken. Kurz vor seinem Tode kam er noch einmal mit seinem Sohne Alexander nach Neu-Plymouth, in der Absicht, den Friedensvertrag zu erneuern und ihn auch für seine Nachkommen zu sichern.
Bei dieser Berathung bestrebte er sich, die Religion seiner Vorväter gegen den um sich greifenden Eifer der Missionarien zu schützen, und machte es zur Bedingung, daß keine weitern Versuche gemacht werden sollten, sein Volk von seinem alten Glauben abzubringen; als er aber fand, daß die Engländer sich dieser Bedingung eigensinnig widersetzten, gab er mild sein Begehren auf. Fast die letzte Handlung seines Lebens war die, daß er seine beiden Söhne, Alexander und Philipp (wie die Engländer sie genannt hatten) nach dem Aufenthaltsorte eines der vornehmsten Ansiedler brachte, ihnen gegenseitiges Wohlwollen und Vertrauen empfahl, und bat, daß dieselbe Liebe und das freundliche Verhältniß, welches zwischen den Weißen und ihm bestanden hätte, auch auf seine Kinder übergehen möge. Der gute alte Sachem starb in Frieden, und war selig zu seinen Vätern versammelt, ehe das Unglück über seinen Stamm kam; seine Kinder blieben zurück, die Undankbarkeit der Weißen zu erfahren.
Sein ältester Sohn, Alexander, folgte ihm. Er war von einer lebendigen, heftigen Gemüthsart, und hielt stolz auf seine ererbten Rechte und Würden. Die anmaßende Politik und das dictatorische Betragen der Fremden erregte seinen Unwillen, und er sah mit Behagen ihren Ausrottungskriegen gegen die benachbarten Stämme zu. Er war bestimmt, bald Feindseligkeiten von ihnen zu erfahren, da er beschuldigt wurde, mit den Narrhaganset's sich verbunden zu haben, um gegen die Engländer aufzustehen, und sie aus dem Lande zu vertreiben. Man kann nicht sagen, ob diese Anklage auf Thatsachen beruhte, oder ob sie sich auf bloßen Verdacht gründete. Es ist indessen aus den gewaltsamen, ungestümen Maßregeln der Ansiedler klar, daß sie sich zu dieser Zeit des schnellen Wachsthums ihrer Macht bewußt, und in ihrer Behandlung der Eingebornen rauh und unüberlegt zu werden anfingen. Sie ordneten eine bewaffnete Macht ab, welche sich Alexander's bemächtigen, und ihn vor ihren Gerichtshof bringen sollte. Man verfolgte ihn in seine Waldschlupfwinkel, und überfiel ihn in einem Jagdhause, wo er mit einem Haufen seiner Begleiter, unbewaffnet, nach der Beschwerde der Jagd ausruhte. Das plötzliche dieser Verhaftung und die an seiner Herrscherwürde verübte Beleidigung erregten den Jähzorn dieses stolzen Wilden so sehr, daß er in ein heftiges Fieber verfiel; man erlaubte ihm, nach Hause zurückzukehren, unter der Bedingung, daß er seinen Sohn als Geißel für sein Wiederkommen schicken wolle; allein der Streich, den er empfangen hatte, war tödtlich, und ehe er noch seine Heimath erreichte, fiel er als Opfer der Todes-Qualen seines verwundeten Gemüths.
Alexander's Nachfolger war Metamocet, oder König Philipp, wie die Ansiedler ihn seines hochfahrenden Geistes und seiner ehrgeizigen Gemüthsart wegen nannten. Dieß hatte ihn, in Verbindung mit seiner bekannten Kraft und seinem Unternehmungsgeist, zu einem Gegenstande großer Eifersucht und Besorgniß gemacht, und er wurde beschuldigt, stets eine geheime, unversöhnliche Feindschaft gegen die Weißen genährt zu haben. Das ist sehr wahrscheinlich und sehr natürlich der Fall gewesen. Er betrachtete sie als ursprünglich bloße Eindringlinge in das Land, welche die Nachsicht der Eingebornen benutzt, und einen Einfluß erlangt hatten, welcher den Wilden nachtheilig war. Er sah das ganze Geschlecht seiner Landsleute vor ihnen von der Oberfläche der Erde verschwinden; ihr Gebiet aus ihren Händen gerissen, und ihre Stämme schwach, zersplittert und abhängig werden. Man kann sagen, der Boden sei ursprünglich von den Ansiedlern erkauft worden; allein wer kennt nicht die Art des indianischen Kaufes in den frühesten Perioden der Ansiedelung? Die Europäer machten, vermöge ihrer überlegenen Gewandtheit im Verkehr, immer sehr vortheilhafte Käufe und gewannen bedeutende Ländervermehrungen durch leicht erregte Feindseligkeiten. Ein ungebildeter Wilder bekümmert sich nie sehr genau um die Feinheiten des Gesetzes, durch welche man allmählig und gesetzlicher Weise Jemanden Nachtheil zufügen kann. Hervorstechende Thatsachen sind es allein, nach denen er urtheilt; und es war für Philipp genug, zu wissen, daß, vor dem Eindringen der Europäer, seine Landsleute Beherrscher des Bodens, und nun Landstreicher in den Gebieten ihrer Väter waren.
Welcher Art aber auch seine Gefühle allgemeiner Feindseligkeit, und sein besonderer Unwille über die Behandlung seines Bruders gewesen sein mochten, – er unterdrückte sie für jetzt; erneuerte den Vertrag mit den Ansiedlern, und wohnte mehrere Jahre friedlich in Pokanoket, oder, wie die Engländer es nannten, Mount-HopeJetzt Bristol in der Provinz Rhode-Island. – Anm. des Verf., dem alten Herrschersitze seines Stammes. Der Verdacht jedoch, der Anfangs nur flüchtig und unbestimmt war, fing an Gestalt und Grund zu gewinnen; und er wurde zuletzt beschuldigt, daß er versucht habe, die verschiedenen östlichen Stämme zu verleiten, sich auf einmal zu empören, und durch eine zu gleicher Zeit gemachte Anstrengung das Joch ihrer Unterdrücker abzuwerfen. Es ist schwer, in dieser entfernten Periode die eigentliche Glaubwürdigkeit zu bestimmen, welche man diesen Anschuldigungen gegen die Indianer aus frühen Zeiten schuldig ist. Die Hinneigung zum Argwohn, und die Bereitwilligkeit zu jeder Gewaltthat auf Seiten der Weißen, gab jedem eiteln Geschwätz Gewicht und Bedeutsamkeit. Es fanden sich Angeber in Menge da, wo Zuträgereien Schutz und Lohn fanden; und das Schwerdt flog leicht aus der Scheide, wo sein glücklicher Erfolg gewiß war, und wo es zur Macht verhalf.
Der einzige bestimmte Beweis gegen Philipp, den man kennt, ist die Anklage eines gewissen Sausaman, eines abtrünnig gewordenen Indianers, dessen natürliche Verschmitztheit durch seine Erziehung erhöht worden war, die er zum Theil unter den Ansiedlern erhalten hatte. Er änderte seinen Glauben und seine Herren zwei- oder dreimal mit einer Leichtigkeit, welche von der Wandelbarkeit seiner Grundsätze zeugte. Er war eine Zeit lang als Philipp's vertrauter Schreiber und Rathgeber thätig gewesen, und hatte sich seines Wohlwollens und Schutzes erfreut. Als er jedoch fand, daß die Wolken des Mißgeschicks sich über seinen Beschützer zusammenzogen, verließ er dessen Dienste und ging zu den Weißen über; und, um deren Gunst zu gewinnen, beschuldigte er seinen ehemaligen Wohlthäter, daß er Pläne gegen ihre Sicherheit geschmiedet habe. Eine strenge Untersuchung fand Statt. Philipp und mehrere seiner Unterthanen unterzogen sich dem Verhör; aber es wurde nichts gegen sie bewiesen. Die Ansiedler waren indeß nun zu weit gegangen, um wieder zurücktreten zu können; sie waren schon vorher mit sich darüber eins gewesen, daß Philipp ein gefährlicher Nachbar sei, sie hatten ihr Mißtrauen öffentlich an den Tag gelegt; sie hatten genug gethan, seine feindseligen Gesinnungen sicher zu stellen, und so war, nach der gewöhnlichen Folgerungsweise in diesen Fällen, sein Untergang zu ihrer Sicherheit nothwendig geworden. Sausaman, der verrätherische Angeber, ward kurz darauf in einem Teiche todt gefunden; er war als Opfer der Rache seines Stammes gefallen. Drei Indianer, von denen einer ein Freund und Rathgeber Philipp's war, wurden ergriffen, vor Gericht gestellt, und auf die Aussage eines sehr verdächtigen Zeugen, als Mörder verurtheilt und hingerichtet.
Diese Behandlung seiner Unterthanen, und die schimpfliche Bestrafung seines Freundes kränkten Philipp's Stolz und erregten seine Leidenschaften. Der Donnerkeil, welcher so zu seinen Füßen niedergefallen war, machte ihn auf den herannahenden Sturm aufmerksam, und er entschloß sich, länger nicht der Macht der Weißen zu vertrauen. Das Schicksal seines beschimpften und gemißhandelten Bruders wurmte ihm noch in dem Herzen; und er hatte eine abermalige Warnung in der traurigen Geschichte des Miantonimo, eines großen Sachem's der Narrhaganset's, der, nachdem er sich seinen Anklägern vor einem Gerichtshofe der Colonisten kühn entgegengestellt, sich von der Anschuldigung einer Verschwörung gereinigt und Versicherungen der Freundschaft erhalten hatte, auf ihre Veranlassung treulos aus dem Wege geschafft worden war. Philipp versammelte demnach seine Krieger um sich; überredete so viele Freunde, als er nur konnte, gemeinschaftliche Sache mit ihm zu machen, schickte Frauen und Kinder der Sicherheit wegen zu den Narrhaganset's, und war, wo er nur erschien, immer von bewaffneten Kriegern umgeben.
Da beide Parteien sich in einem solchen Zustande des Argwohns und der Aufreizung gegenüberstanden, reichte der kleinste Funke hin, die Flamme zu entzünden. Die Indianer, welche Waffen in ihren Händen hatten, wurden gewaltthätig, und begingen mehrere kleine Räubereien. Auf einem ihrer Streifzüge feuerte ein Ansiedler auf einen Krieger, und tödtete ihn. Dieß war das Signal zu offenen Feindseligkeiten; die Indianer eilten, den Tod ihres Cameraden zu rächen, und der Ruf zum Kriege erscholl in der ganzen Plymouth-Colonie.
In den ersten Chroniken dieser dunkelen, trüben Zeiten stoßen wir auf manche Andeutungen des krankhaften Zustandes der öffentlichen Stimmung. Das Düstere der religiösen Denk- und Anschauungsweise, und die Verlassenheit ihrer Lage, zwischen spurlosen Wäldern und inmitten von wilden Stämmen, hatten die Colonisten zu abergläubischen Begriffen hingeführt, und ihre Einbildungskraft mit den furchtbaren Schreckensbildern der Hexerei und Geisterseherei erfüllt. Sie waren auch dem Glauben an Vorbedeutungen sehr ergeben. Den Händeln mit Philipp und seinen Indianern ging, wie man berichtet, eine Menge jener furchtbaren Anzeichen voraus, welche die Vorläufer großer, öffentlicher Unglücksfälle sind. Die vollkommene Gestalt eines indianischen Bogens ließ sich ganz deutlich in Neu-Plymouth in der Luft sehen, was die Einwohner als eine wunderbare Erscheinung betrachteten. In Hadley, in Northampton und anderen Städten in der Gegend, hörte man den Knall einer großen Kanone, wobei die Erde bebte und die ganze Gegend wiederhallte.Siehe des ehrwürdigen Increase Mather's Geschichte. – Anm. des Verf. Andere wurden an einem stillen, sonnigen Morgen durch Flinten- und Musketenschüsse erschreckt; Kugeln schienen bei ihnen vorüberzupfeifen und der Lärm von Trommeln in der Luft zu ertönen und sich nach Westen zu ziehen; Andere glaubten das Galoppiren von Pferden über ihren Köpfen zu hören; und einige Mißgeburten, welche um diese Zeit zur Welt kamen, erfüllten die abergläubischen Leute in einigen Städten mit traurigen Ahnungen. Viele von diesen wunderbaren Gesichtern und Tönen mögen natürlichen Erscheinungen beigemessen werden: zum Beispiel dem Nordlichte, welches unter dieser Breite sehr hell ist, den Meteoren, welche in der Luft zerplatzen, dem zufälligen Rauschen des Sturmwindes in den Wipfeln der Waldbäume, dem Krachen gefallener Bäume oder abgerissener Felsstücke und anderen ungewöhnlichen Tönen und Widerklängen, welche zuweilen in der tiefen Stille einsamer Waldgegenden so sonderbar an das Ohr schlagen. Diese mögen einige Leute von trüber Einbildungskraft aufgeregt haben, mögen durch die Liebe zum Wunderbaren vergrößert und mit der Begierde aufgefaßt worden sein, womit wir Alles verschlingen, was immer furchtbar und geheimnißvoll ist. Die allgemeine Verbreitung dieser abergläubischen Ideen und der ernste Bericht, den einer von den gelehrten Leuten der damaligen Zeit davon gab, bezeichnen den Geist der Zeit sehr charakteristisch.
Die Art des Kampfes, welcher folgte, war so, wie sie nur zu oft die Kriegsführung zwischen gebildeten Leuten und Wilden bezeichnet. Von Seiten der Weißen ward er mit überlegener Erfahrung und Glück geführt; aber mit Vergießung vieles Blutes und mit Verachtung der natürlichen Rechte ihrer Gegner; von Seiten der Indianer ward er mit der Verzweiflung von Leuten geführt, welche den Tod nicht scheuen, und von dem Frieden nichts als Demüthigung, Abhängigkeit und Untergang zu erwarten haben.
Die Begebenheiten des Krieges wurden uns durch einen würdigen Geistlichen jener Zeit überliefert, der mit Schauder und Unwillen jede Feindseligkeit der Indianer, wie sehr sie auch zu rechtfertigen sein mag, erzählt, während er die blutigsten Greuelthaten der Weißen mit Beifall erwähnt. Philipp wird als ein Mörder und Verräther erniedrigend dargestellt, ohne zu erwägen, daß er ein geborner Fürst war, welcher an der Spitze seiner Unterthanen tapfer focht, um die seiner Familie angethanen Unbilden zu rächen, die wankende Macht seines Stammes zu befestigen, und sein Geburtsland von der Unterdrückung eingedrungener Fremdlinge zu befreien.
Der Plan zu einem ausgedehnten und gleichzeitigen Aufstande war, wenn ein solcher wirklich entworfen worden, eines großen Gemüthes würdig, und dürfte, wenn man ihn nicht frühzeitig entdeckt hätte, in seinen Folgen überwältigend gewesen sein. Der Krieg, welcher jetzt ausbrach, war nur ein vereinzelter Kampf, eine bloße Reihe von Waffenthaten und unzusammenhängenden Unternehmungen. Dennoch geht das kriegerische Genie und die unternehmende Verwegenheit Philipp's daraus hervor; und wo immer wir, in den vorurtheilsvollen und leidenschaftlichen Berichten, welche davon gegeben worden sind, auf einzelne Thatsachen stoßen, finden wir, daß er ein kräftiges Gemüth, einen großen Reichthum von Hülfsmitteln, eine Verachtung gegen Leiden und Beschwerden, und eine unbesiegbare Entschlossenheit entwickelte, welche unser Mitgefühl und unsern Beifall ansprechen.
Vertrieben von seinen Besitzungen in Mount-Hope, warf er sich in die Tiefen jener großen, spurlosen Waldungen, welche an die Niederlassungen grenzten und beinahe allen Wesen, ausgenommen den wilden Thieren, oder einem Indianer, unzugänglich waren. Hier zog er seine Streitkräfte zusammen, wie der Sturm, der die ganze Masse seines Unheils in den Schooß der Gewitterwolke zusammenhäuft, und pflegte nun plötzlich zu einer Zeit und an einer Stelle, wo man es am wenigsten erwartete, hervorzubrechen und Verwüstung und Schrecken über die Dörfer zu verbreiten. Es ließen sich hier und da Anzeichen dieser bevorstehenden Verheerungen vernehmen, welche die Gemüther der Colonisten mit Furcht und Besorgniß erfüllten. Der Knall einer Flinte ward vielleicht auf der einsamen Holzgegend gehört, wo, wie man wußte, kein Weißer zu finden war; das Vieh, welches in der Waldung umhergewandert war, kam zuweilen verwundet zurück, oder man sah einen oder zwei Indianer an dem Rande des Waldes lauschen, und plötzlich verschwinden; wie man zuweilen den Blitz still an dem Saume der Wolken zucken sieht, welche das Gewitter nährt.
Obgleich Philipp zuweilen von den Ansiedlern verfolgt und sogar umzingelt wurde, so entwischte er doch immer, wie durch ein Wunder, aus ihren Netzen, stürzte sich in die Wildniß und war weder zu erfragen, noch aufzufinden, bis er wieder an einem ganz entfernten Punkte zum Vorschein kam, und die Gegend verwüstete. Unter seinen sichern Bollwerken waren die großen Lachen oder Moräste, welche sich in einigen Theilen von Neu-England ausbreiten, aus einzelnen Schollen von tiefem, schwarzem Moder bestehend, zwischen Gebüsch, Dornsträuchen, wucherndem Unkraut, zersplitterten und modernden Stämmen niedergefallener Bäume, die von traurigem Schierling beschattet sind, zerstreut. Der unsichere Boden und die verwickelten Pfade dieser rauhen Wildnisse machten sie für Weiße beinahe unzugänglich, obgleich der Indianer, mit der Behendigkeit eines Hirsches, durch diese Labyrinthe schlüpfen konnte. In eine derselben, den großen Morast von Pocasset Neck, ward Philipp einst, mit einem Haufen seiner Begleiter, getrieben. Die Engländer wagten es nicht, ihn zu verfolgen, indem sie sich fürchteten, in diese dunkelen, schauerlichen Gegenden einzudringen, wo sie in den Sümpfen und morastigen Gruben umkommen, oder von den lauernden Feinden niedergeschossen werden konnten. Sie besetzten also den Eingang des Sumpfes, und fingen an, ein Fort aufzuführen, in der Absicht, den Feind auszuhungern; allein Philipp und seine Krieger setzten mitten in der Nacht auf einem Flosse über den Meeresarm, ließen die Weiber und Kinder zurück, entwischten nach Westen, zündeten die Flamme des Krieges unter den Stämmen von Massachusetts und in den Bezirken von Nipmuck an, und bedrohten die Colonie von Connecticut.
Auf diese Weise wurde Philipp ein Gegenstand des allgemeinen Schreckens. Das Geheimniß, in welches er sich einhüllte, vergrößerte seine wahre Furchtbarkeit. Er war ein Uebel, das im Finstern schlich, dessen Kommen Niemand voraussehen und gegen das Niemand auf seiner Hut sein konnte. Die ganze Gegend war voll von Gerüchten und Besorgnissen. Philipp schien beinahe die Gabe des Ueberallseins zu besitzen; denn wo auf der weit ausgedehnten Grenze ein Einfall aus dem Walde her geschah, da sollte Philipp auch der Führer gewesen sein. So waren auch manche abergläubische Begriffe über ihn im Umlauf. Er sollte schwarze Künste treiben, und eine alte indianische Hexe oder Prophetin bei sich haben, die er befragte, und die ihm mit ihren Zaubermitteln und Beschwörungen beistände. Aehnliches war in der That häufig der Fall bei den indianischen Häuptlingen; entweder wegen ihrer eigenen Leichtgläubigkeit, oder um auf ihre Begleiter zu wirken; und der Einfluß des Propheten und des Träumers auf den Aberglauben der Indianer hat sich in neueren Beispielen in den Kriegen mit den Indianern vollkommen bewährt.Der Verfasser spielt hier auf den großen Einfluß an, den der sogenannte Prophet Francis, ein Shawanee-Indianer von Ohio, in dem letzten Kriege zwischen England und Amerika hatte. Er war bei den Wilden-Stämmen, welche die Partei der Engländer ergriffen hatten, und that den Amerikanern vielen Schaden dadurch, daß er seine Landsleute fortwährend gegen sie aufreizte, bis er in einem Gefecht bei Greenville getödtet wurde, – Anm. des Verf.
Zu der Zeit, wo es Philipp gelang, aus Pocasset zu entwischen, war seine Lage sehr bedenklich. Seine Streitkräfte waren durch häufige Gefechte sehr geschmolzen, und er hatte beinahe alle Hülfsquellen verloren. In dieser Zeit der Noth fand er einen treuen Freund an Canonchet, dem Haupt-Sachem aller Narrhagansett's. Er war der Sohn und Erbe von Miantonimo, des großen Sachem's, der, wie bereits erwähnt, nach einer ehrenvollen Freisprechung von der Anschuldigung, eine Verschwörung angezettelt zu haben, auf die treulosen Eingebungen der Ansiedler, heimlich umgebracht worden war. »Er hatte,« sagt der alte Erzähler: »all den Stolz und die Unverschämtheit seines Vaters, so wie dessen Bosheit gegen die Engländer, geerbt.« Er war allerdings der Erbe der an ihm verübten Beleidigungen und Ungerechtigkeiten, und der gesetzmäßige Rächer seines Mordes. Obgleich er sich enthalten hatte, einen thätigen Antheil an diesem hoffnungslosen Kriege zu nehmen, empfing er doch Philipp und die Trümmer seiner Streitkräfte mit offenen Armen, und gewährte ihnen den großmüthigsten Schutz und Beistand. Dies zog ihm plötzlich den Haß der Engländer zu; und man beschloß, einen entscheidenden Schlag zu thun, welcher beiden Sachem's den gemeinschaftlichen Untergang bereiten sollte. Man zog zu diesem Ende bedeutende Streitkräfte aus Massachusetts, Plymouth und Connecticut zusammen, und schickte diese in der Tiefe des Winters in das Gebiet der Narrhagansett's, wo man über die zugefrorenen und von Laub entblößten Sümpfe leicht hinwegkommen konnte, und wo diese den Indianern nicht mehr finstere, undurchdringliche Schlupfwinkel darboten.
Canonchet, welcher den Angriff voraussah, hatte den größten Theil seiner Vorräthe, so wie die Alten, Kranken, Weiber und Kinder aus seinem Stamme, nach einem starken Fort geschickt, wo er und Philipp gleicherweise den Kern ihrer Streitkräfte zusammengezogen hatten. Diese Festung, welche die Indianer für unüberwindlich hielten, lag auf einem Hügel oder einer Art von Insel von fünf bis sechs Morgen Flächeninhalt, mitten in einem Moraste; sie war mit einer Umsicht und Geschicklichkeit angelegt, welche Alles weit übertraf, was man gewöhnlich bei indianischen Festungswerken sieht, und von dem kriegerischen Genie dieser zwei Häuptlinge einen Beweis gab.
Von einem übergegangenen Indianer geführt, drangen die Engländer durch den Decemberschnee bis zu diesem Bollwerk vor, und fielen über die überraschte Besatzung her. Das Gefecht war wild und ohne Ordnung. Die Angreifer wurden bei dem ersten Anlauf zurückgeschlagen und mehrere ihrer bravsten Offiziere, als sie, mit dem Degen in der Faust, die Festung stürmten, niedergeschossen. Der Angriff wurde mit besserm Erfolge wiederholt. Man gewann festen Fuß. Die Indianer wurden von einem Posten zum andern getrieben. Sie machten jeden Zollbreit des Bodens streitig, indem sie mit der Kraft der Verzweiflung fochten. Die meisten ihrer ältern Krieger wurden in Stücke gehauen; und Philipp und Canonchet zogen sich, nach einem langen, blutigen Kampfe, mit einer Handvoll übriggebliebener Krieger aus dem Fort, und flüchteten in das Dickicht der umliegenden Wälder.
Die Sieger steckten die Wigwams und das Fort in Brand; das Ganze war bald Eine Flamme, und viele von den alten Männern, den Frauen und Kindern kamen bei dem Brande um. Diese letzte grausame Handlung erschütterte selbst den Stoicismus des Wilden. Die benachbarten Wälder ertönten vom wilden Schreien der Wuth und Verzweiflung, welches die flüchtigen Krieger ausstießen, als sie die Zerstörung ihrer Wohnungen sahen, und das herzzerreißende Geschrei ihrer Weiber und Kinder hörten. »Das Verbrennen der Wigwams,« sagt ein gleichzeitiger Geschichtschreiber, »das Gekreisch und Geschrei der Weiber und Kinder, und das Geheul der Krieger, bildeten einen höchst furchtbaren, erschütternden Auftritt, so daß einige von den Soldaten dadurch sehr gerührt wurden.« Derselbe Schriftsteller fügt behutsam hinzu: »man habe damals große Zweifel darüber gehabt, und sich nachher ernstlich erkundigt, ob das Lebendig-Verbrennen der Feinde auch mit der Menschlichkeit und den wohlwollenden Lehren des Evangeliums verträglich sei.«Siehe Handschrift des ehrw. Herrn W. Ruggles. – Anm. des Verf.
Das Schicksal des wackern und großmüthigen Canonchet ist einer besondern Erwähnung werth; der letzte Auftritt seines Lebens ist eines der edelsten Beispiele indianischer Großsinnigkeit, die man kennt.
Durch diese entscheidende Niederlage seiner Macht und seiner Hülfsquellen beraubt, seinem Bundesgenossen aber und der unglücklichen Sache treu, der er sich angenommen hatte, verwarf er alle Friedensanerbietungen, welche man ihm unter der Bedingung machte, daß er Philipp und dessen Begleiter verrathe, und erklärte fest: »daß er die Sache bis auf den letzten Mann ausfechten wolle, ehe er ein Knecht der Engländer würde.« Da seine Wohnung zerstört, sein Land durch die Einfälle der Eroberer verheert und verwüstet lag, so sah er sich genöthigt, nach den Ufern des Connecticut zu wandern, wo er einen Sammelplatz für die ganze Masse der westlichen Indianer bildete, und mehrere englische Niederlassungen verwüstete.
Zeitig im Frühling ging er, nur mit dreizehn auserwählten Leuten, auf eine gewagte Unternehmung aus, um nach Seaconck, in der Nähe von Mount-Hope, vorzudringen und sich Saatkorn zum Unterhalt seiner Truppen zu verschaffen. Dieser kleine Haufe von Abenteurern war sicher durch das Land der Pequod's gekommen, und erreichte den Mittelpunkt von Narrhaganset, wo er in einigen Wigwams an dem Flusse Pautucket ausruhte, als man auf einmal meldete, der Feind sei in der Nähe. – Da Canonchet zu dieser Zeit nur sieben Mann bei sich hatte, sandte er zwei derselben nach dem Gipfel eines benachbarten Hügels, um Kunde von dem Feinde zu bringen.
Durch die Erscheinung eines Haufens von Engländern und Indianern, die reißend vordrangen, in Schrecken versetzt, flohen sie in athemloser Angst an ihrem Häuptling vorüber, ohne sich aufzuhalten, und ihm von der Gefahr Kunde zu geben. Canonchet schickte abermals einen Kundschafter aus, der dasselbe that. Er sandte darauf noch zwei ab, von denen einer, voll Verwirrung und Schrecken zurückeilend, ihm sagte, daß das ganze britische Heer da sei. Canonchet sah, daß ihm keine Wahl übrig blieb, als augenblickliche Flucht. Er suchte um den Hügel herum zu entkommen, ward aber bemerkt, und von den feindlichen Indianern und einigen der behendesten unter den Engländern heiß verfolgt. Als er fand, daß der schnellfüßigste von seinen Verfolgern ihm dicht auf dem Fuße war, warf er erst seinen Mantel, dann sein mit silbernen Tressen besetztes Gewand und seinen Gürtel von Peag ab, woran seine Feinde erkannten, daß er Canonchet sei, und den Eifer verdoppelten, womit sie ihn verfolgten.
Endlich, als er sich durch den Fluß arbeitete, glitt sein Fuß auf einem Steine ab, und er fiel so tief, daß das Wasser seine Flinte benetzte. Dieser Unglücksfall erfüllte ihn mit einer solchen Verzweiflung, daß, wie er nachher gestand: »sein Herz und seine Eingeweide sich in ihm umwandten, und er, wie ein dürrer Zweig, aller seiner Kraft beraubt wurde.«
In so hohem Grade war er entkräftet, daß er, als ein Pequod-Indianer ihn in einer kleinen Entfernung von dem Flusse ergriff, keinen Widerstand leistete, obgleich er ein Mann von großer körperlicher Kraft und Kühnheit des Herzens war. Als er sich aber gefangen sah, erwachte der ganze Stolz seines Geistes in ihm, und wir finden von diesem Augenblicke an in den Anecdoten, welche seine Feinde von ihm erzählen, nichts als wiederholte Blitze von erhabenem, fürstlichen Heldenmuth. Wie ihn einer von den Engländern, der sich ihm zuerst näherte, und der noch nicht sein zweiundzwanzigstes Jahr erreicht hatte, befragen wollte, erwiederte der stolzherzige Krieger, indem er mit tiefer Verachtung auf sein Jugendantlitz blickte: »Ihr seid ein Kind – Ihr könnet noch nichts von Kriegsangelegenheiten verstehen – laßt Euren Bruder oder Euren Häuptling kommen – ihm werde ich antworten.«
Obgleich man ihm wiederholt das Leben unter der Bedingung anbot, daß er sich mit seiner Nation den Engländern unterwerfe, wies er doch diese Anerbietungen mit Verachtung zurück, und weigerte sich, Vorschläge dieser Art dem großen Haufen seiner Unterthanen melden zu lassen, indem er sagte, er wisse im Voraus, daß keiner von ihnen sich dazu bequemen würde. Als man ihm seinen Treubruch gegen die Weißen, seine Aeußerung, daß er nicht einen Wampanoag, nicht einmal ein Stückchen von dem abgeschnittenen Nagel eines Wampanoag ausliefern würde, und seine Drohung vorhielt, daß er die Engländer in ihren Häusern verbrennen wolle, verschmähte er es, sich zu rechtfertigen, und antwortete stolz, daß andere eben so sehr, als er, zum Kriege geneigt gewesen wären, und daß er davon nichts mehr zu hören wünsche.
Ein so edler, unerschütterlicher Geist, eine so echte Treue für seine Sache und seinen Freund, würde das Gefühl eines jeden edelmüthigen braven Mannes gerührt haben; aber Canonchet war ein Indianer; ein Wesen, gegen welches der Krieg keine Schonung, die Menschlichkeit kein Gesetz, die Religion kein Mitleid kannte – er ward verurtheilt, zu sterben. Die letzten Worte, welche man von ihm aufbewahrt hat, waren seiner Seelengröße würdig. Als das Todesurtheil über ihn ausgesprochen wurde, bemerkte er, »daß er damit ganz zufrieden sei, denn er würde sterben, bevor sein Herz weich geworden, oder er irgend etwas gesagt habe, das seiner unwürdig sei.« – Seine Feinde gewährten ihm den Tod eines Soldaten, denn er wurde in Stoningham von drei jungen Sachem's seines Ranges erschossen.
Die Niederlage in der Festung der Narrhaganset's und der Tod Canonchet's gaben dem Schicksale des Königs Philipp den Todesstreich. Er machte einen vergeblichen Versuch, eine Kriegsmacht zusammenzubringen, indem er die Mohawk's aufreizte, zu den Waffen zu greifen; allein ob er gleich die natürlichen Talente eines Staatsmannes besaß, so wurden seine Künste doch durch die überwiegenden Kunstgriffe seiner aufgeklärten Feinde vereitelt, und die Furcht vor ihrer kriegerischen Geschicklichkeit fing an, die Entschlossenheit der benachbarten Stämme niederzudrücken. Der unglückliche Häuptling sah seine Streitkräfte täglich sich vermindern, und seine Reihen um sich her schnell schmelzen. Einige wurden von den Weißen abwendig gemacht; Andere fielen als Opfer des Hungers, der Anstrengungen und der häufigen Angriffe, welche sie unaufhörlich beunruhigten. Der ganze Vorrath seiner Lebensmittel wurde ihm genommen; seine erwähltesten Freunde wurden vor seinen Augen weggerafft; sein Oheim wurde neben ihm erschossen; seine Schwester in die Gefangenschaft geführt; und auf einer seiner schnellen Fluchten war er genöthigt, sein geliebtes Weib und seinen einzigen Sohn der Gnade des Feindes zu überlassen.
»Obgleich sein Untergang,« sagt der Geschichtschreiber, »dergestalt allmählich herbeigeführt war, so ward sein Elend dadurch nicht abgekürzt, sondern vergrößert; denn er wußte aus Erfahrung und fühlte, was es heiße, seine Kinder in der Gefangenschaft zu wissen, seine Freunde verloren zu haben, seine Unterthanen gemordet, alle seine verwandtschaftlichen Bande zerrissen, und sich alles äußern Trostes beraubt zu sehen, ehe ihm sein eigenes Leben genommen ward.«
Das Maß seines Unglücks recht voll zu machen, fingen seine eigenen Begleiter an, Verschwörungen gegen sein Leben anzuzetteln, um dadurch, daß sie ihn aufopferten, sich eine entehrende Sicherheit zu erkaufen. Durch Verrätherei wurde ein Theil seiner treuen Anhänger, die Unterthanen der Wetamoe, einer indianischen Fürstin aus Pocasset, und einer nahen Verwandten und Bundesgenossin Philipp's, in die Hände des Feindes geliefert. Wetamoe befand sich zu dieser Zeit unter ihnen, und suchte ihre Flucht dadurch zu bewerkstelligen, daß sie durch einen benachbarten Fluß setzte; sei es aber, daß das Schwimmen ihre Kräfte erschöpfte, oder Kälte und Hunger sie aufgerieben hatten, man fand sie todt und nackt nahe am Ufer liegen. Die Verfolgung erreichte indessen nicht einmal an ihrem Grabe ihr Ziel.
Selbst der Tod, diese Zuflucht der Unglücklichen, wo der Schlechte gewöhnlich seine Bedrückungen endet, war kein Schutz für diese verfolgte Frau, deren großes Verbrechen die innige Treue gegen ihren Verwandten und ihren Freund war. Ihre Leiche war der Gegenstand unmännlicher, feiger Rache; der Kopf ward von dem Rumpfe getrennt, auf eine Stange gesteckt, und so in Taunton vor den Augen ihrer gefangenen Unterthanen ausgestellt. Diese erkannten sogleich die Züge ihrer unglücklichen Königin, und wurden von diesem barbarischen Schauspiel so ergriffen, daß sie, wie uns berichtet wird, »in das furchtbarste und teuflischste Klagegeschrei« ausbrachen.
Obgleich Philipp das Zusammentreffen der Bedrängnisse und Unglücksfälle, welche ihm von allen Seiten bestürmten, mit Festigkeit ertragen hatte; schien doch die Verrätherei seiner Begleiter sein Herz zu verwunden, und ihn zur Verzweiflung zu bringen. Man sagt, daß er seitdem nie wieder fröhlich geworden, noch habe er in einem seiner Pläne je wieder Glück gehabt.
Die Quelle seiner Hoffnungen war versiegt – die Gluth seines unternehmenden Geistes war erloschen – er blickte rund um sich und überall war Gefahr und Dunkelheit; es gab kein Auge, das ihn bemitleidet, keinen Arm, der ihm Hülfe gebracht hätte. Mit einem kleinen Haufen von Begleitern, welche ihm in seiner verzweiflungsvollen Lage noch treu blieben, wanderte der unglückliche Philipp zurück in die Umgebungen von Mount-Hope, dem alten Wohnort seiner Väter. Hier schlich er, wie ein Gespenst, auf dem Schauplatze seiner früheren Macht und seines Glücks umher, der Heimath, der Familie und der Freunde nun beraubt. Man kann kein treueres Gemälde seiner hülflosen, erbarmungswürdigen Lage sehen, als das, welches die einfache Feder des Geschichtschreibers uns liefert, der, ohne es zu wollen, die Gefühle des Lesers für den unglücklichen Krieger, den er herabsetzt, in Anspruch nimmt. »Philipp,« sagt er, »wurde wie ein wildes Thier, nachdem er von den Engländern in den Wäldern mehr als hundert Meilen rückwärts und vorwärts gejagt worden war, endlich in seine eigene Höhle auf Mount-Hope zurückgetrieben, wo er sich mit einigen wenigen seiner besten Freunde, in einen Morast verbarg, der zum Gefängniß für ihn wurde, worin er eingeschlossen blieb, bis die Todesboten kamen, um nach göttlichem Rathe die Rache gegen ihn zu vollziehen.«
Selbst in diesem letzten Zufluchtsorte des Unglücks und der Verzweiflung sammelt sich um sein Andenken noch eine düstere Größe. Wir sehen ihn vor uns, wie er still über sein Unglück brütend, unter seinen von Sorgen verzehrten Begleitern sitzt, und durch das Wilde und Furchtbare seines Schlupfwinkels eine gewisse wilde Größe erreicht. Geschlagen, aber nicht entmuthigt – zu Boden getreten, aber nicht gedemüthigt – schien er, unter dem Druck des Unglücks, nur noch stolzer zu werden, und eine wilde Freude darin zu fühlen, die letzten Hefen des Verderbens zu leeren. Kleine Gemüther werden durch das Mißgeschick gezähmt und gedemüthigt; große Geister erheben sich über dasselbe. Schon der Gedanke der Unterwerfung erregte Philipp's Wuth, und er schlug einen seiner Begleiter, der einen Friedensvorschlag machte, auf der Stelle todt. Der Bruder des Getödteten entfloh, und verrieth aus Rache den Zufluchtsort seines Häuptlings.
Ein Haufen weißer Männer und Indianer wurde augenblicklich nach dem Morast abgeschickt, wo Philipp, von Wuth und Verzweiflung verzehrt, verborgen lag. Ehe er noch ihre Ankunft gewahren konnte, hatten sie begonnen, ihn zu umgeben. In kurzer Zeit sah er fünf seiner treuesten Begleiter todt zu seinen Füßen hingestreckt; aller Widerstand war vergeblich; er stürzte aus seinem Lager hervor und machte einen tollkühnen Versuch, zu entfliehen, ward aber von einem übergegangenen Indianer seines eigenen Stammes durch das Herz geschossen.
Dieß ist die einfache Geschichte des wackern, aber unglücklichen Königs Philipp; der, so lange er lebte, verfolgt, nach seinem Tode verläumdet und beschimpft wurde. Wenn wir indessen selbst die vorurtheilsvollen Erzählungen, welche seine Feinde uns geliefert haben, betrachten, so finden wir darin hinreichende Spuren eines liebenswürdigen, erhabenen Charakters, um das Mitgefühl für sein Schicksal und Ehrfurcht für sein Andenken zu erwecken. Wir finden, daß er inmitten bedrängender Sorgen und wilder Leidenschaften, welche der Krieg erzeugt, gegen die sanfteren Gefühle der Gattenliebe und der väterlichen Zärtlichkeit, so wie gegen die edeln Empfindungen der Freundschaft, nicht gleichgültig war. Der Gefangenschaft seines geliebten Weibes und seines einzigen Sohnes wird mit Freuden als etwas gedacht, das ihm brennenden Schmerz verursacht habe; der Tod eines jeden nähern Freundes wird triumphirend als eine neue Wunde für sein zartes Gefühl erwähnt; aber der Verrath und Abfall mancher seiner Begleiter, auf deren Anhänglichkeit er sein Vertrauen gesetzt hatte, soll sein Herz zerrissen und ihn aller ferneren Seelenruhe beraubt haben.
Er war ein Patriot, der an seinem vaterländischen Boden hing – ein Fürst, der gegen seine Unterthanen treu, und über die ihnen zugefügten Unbilden erbittert war – ein Krieger, kühn in der Schlacht, standhaft im Unglück, abgehärtet gegen Mühseligkeiten, Hunger und jede Art körperlicher Leiden, und bereit, für die Sache, welche er verfocht, sein Leben hinzugeben. Stolzen Herzens, und mit einer unbezwinglichen Liebe zur natürlichen Freiheit, zog er es vor, diese unter den Thieren des Waldes, oder in den elenden, öden Schlupfwinkeln von Lachen und Morästen zu genießen, ehe er seinen stolzen Geist unter das Joch beugte, und abhängig und verachtet in der Behaglichkeit und dem Wohlleben der Niederlassungen lebte. Mit heldenmüthigen Eigenschaften und kühner Tapferkeit begabt, welche einem Krieger aus der gebildeten Welt Ehre, und ihn zum Gegenstand der Dichtung und Geschichte gemacht haben würden, lebte er als ein Wanderer und Flüchtling in seinem Geburtslande, und ging, wie eine einsame Barke, in der Dunkelheit und im Sturme unter – ohne ein bemitleidendes Auge, das seinen Fall beweint, oder eine Freundeshand, welche seinen letzten Kampf aufgezeichnet hätte.