Washington Irving
Gottfried Crayon's Skizzenbuch
Washington Irving

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Englische Schriftsteller über Amerika.

Mich dünkt, ich seh in meinem Geiste ein edles und mächtiges Volk, das sich wie ein starker Mann nach dem Schlafe erhebt und seine unbesiegbaren Locken schüttelt: mich dünkt, ich sehe es, wie einen Adler, der sein mächtiges Jugendgefieder wechselt, und seine geblendeten Augen an dem vollen Mittags-Sonnenstrahle wieder anzündet.
Milton, über die Preßfreiheit.

Mit dem Gefühle tiefen Kummers sehe ich, daß die schriftstellerische Erbitterung zwischen England und Amerika täglich zunimmt. Die vereinigten Staaten haben in der letzten Zeit große Neugier erregt, und die Londner Pressen haben eine Menge Beschreibungen von Reisen durch die Republik zu Tage gefördert; allein diese scheinen eher Irrthümer, als eine wahre Kenntniß des Landes verbreiten zu wollen; und dieß ist ihnen so gut geglückt, daß, des beständigen Verkehrs zwischen den beiden Völkern ungeachtet, es kein Volk gibt, in dessen Betreff die große Masse des englischen Publikums weniger genau unterrichtet wäre, oder mehr Vorurtheile hegte.

Die englischen Reisenden sind die besten und die schlechtesten in der Welt. Wo keine Rücksichten des Stolzes oder des Vortheils dazwischen kommen, kann es ihnen Niemand an tiefen, philosophischen Ansichten von der bürgerlichen Gesellschaft, oder an treuen und anschaulichen Beschreibungen äußerer Gegenstände gleichthun – sobald aber entweder der Vortheil oder der Ruf ihres Vaterlandes mit dem eines andern Staates in Streit kommt, gehen sie zu dem Entgegengesetzten über, und verläugnen ihre gewohnte Rechtlichkeit und Billigkeit, indem sie sich grillenhaften Bemerkungen, einem unfreundlichen Hange zum Lächerlichmachen, überlassen.

Daher sind ihre Reisebeschreibungen um so treuer und genauer, je entlegener das beschriebene Land ist. Ich würde der Beschreibung eines Engländers von den Ländern jenseit der Wasserfälle des Nil, von unbekannten Inseln im gelben Meer, vom Innern Indiens, oder von jeder andern Gegend, die andere Reisende mit dem Blendwerke ihrer Einbildungskraft ausschmücken würden, unbedingten Glauben beimessen; aber ich würde seine Nachrichten über seine nächsten Nachbarn und die Nationen, mit denen er am häufigsten in Berührung steht, mit Vorsicht aufnehmen; wie geneigt ich auch sein möchte, seiner Rechtlichkeit zu vertrauen, so mißtraue ich seinen Vorurtheilen.

Es ist auch das besondere Schicksal unseres Landes gewesen, von der schlechtesten Gattung englischer Reisenden besucht zu werden. Während Leute von philosophischem Geiste und Bildung von England ausgeschickt wurden, bis zu den Polen hinaufzugehen, in die Wüste einzudringen, und die Sitten und Gebräuche wilder Völker kennen zu lernen, mit denen es keinen dauernden Verkehr für seine Vergnügungen oder für seinen Gewinn haben kann; sind der banqueroute Kaufmann, der planmachende Abenteurer, der wandernde Handwerker, der Reisende von Manchester und Birmingham, seine Orakel über Amerika gewesen. Aus solchen Quellen begnügt es sich, seine Kunde über ein Land zu ziehen, das sich in einem eigenthümlichen Zustande geistiger und physischer Entwickelung befindet; ein Land, in welchem einer der größten politischen Versuche in der Geschichte der Welt jetzt angestellt wird, und welches für den Staatsmann und den Philosophen einen Gegenstand des tiefsten und wichtigsten Studiums darbietet.

Daß solche Leute befangene Nachrichten von Amerika geben, darüber darf man sich nicht wundern. Die Gegenstände, welche es der Erwägung darbietet, sind zu ausgedehnt und zu erhaben für ihre Fassungskräfte. Der Nationalcharakter befindet sich noch in einem Zustande der Gährung; er mag seinen Schaum und Bodensatz haben, allein seine Bestandtheile sind rein und gesund; er hat schon Beweise von kräftigen und tüchtigen Eigenschaften gegeben, und das Ganze verspricht, wenn es sich gesetzt haben wird, etwas wesentlich Treffliches zu werden. Aber die Ursachen, welche dazu beitragen, ihm Stärke zu geben und es zu veredlen, und die täglichen Anzeichen von seinen bewunderungswürdigen Eigenthümlichkeiten, sind bei diesen stockblinden Beobachtern verloren, welche nur die kleinen Schroffheiten bemerken, die bei seiner jetzigen Lage natürlich sind. Sie sind nicht im Stande, anders als oberflächlich von den Gegenständen zu urtheilen, welche mit ihrem Privatvortheil und ihrer Persönlichkeit in Berührung kommen. Sie vermissen einige von den Bequemlichkeiten und kleinlichen Behaglichkeiten, welche man in einem alten, hoch gebildeten, übervolkreichen Gesellschaftszustande findet, wo die Stände der nützlichen Arbeiter über[be]setzt sind, und Viele ein mühseliges und sclavisches Leben nur dadurch fristen, daß sie auf die Launen des Luxus und der Verwöhnung sinnen. Diese kleineren Behaglichkeiten sind indeß allgewichtig in den Augen beschränkter Geister, welche entweder nicht einsehen, oder es nicht eingestehen wollen, daß sie bei uns durch große und allgemein verbreitete Segnungen mehr denn aufgewogen werden.

Vielleicht haben sie sich auch in ihren unüberlegten Erwartungen eines plötzlichen Gewinns getäuscht. Sie haben sich Amerika als ein Eldorado gedacht, wo Gold und Silber in Ueberfluß vorhanden sind, wo die Eingebornen nicht viel Verstand haben, und wo sie auf eine unvermuthete, aber leichte Weise gewaltig und plötzlich reich werden zu können glaubten. Eben diese Geistesschwäche, welche alberne Erwartungen nährt, bringt, wenn sie sich getäuscht sieht, Verdruß hervor. Solche Leute werden erbittert gegen das Land, wenn sie finden, daß, hier wie sonst überall, der Mensch säen muß, ehe er ernten kann; daß er, durch Thätigkeit und Talent, Reichthum erwerben muß, und daß er mit den gewöhnlichen Hindernissen der Natur und dem Scharfsinn eines gescheuten und unternehmenden Volks zu kämpfen hat.

Vielleicht sind diese Leute, aus einer irrigen oder übel angebrachten Gastfreiheit, oder vermöge der, meinen Landsleuten eigenthümlichen Bereitwilligkeit, Fremde zu ermuntern und zu unterstützen, mit ungewohnter Achtung in Amerika behandelt worden; und ihr ganzes Leben lang nur gewohnt, sich als auf einer niedern Stufe der Gesellschaft stehend zu betrachten, und in dem knechtischen Gefühle der Untergeordnetheit erzogen, werden sie unverschämt, sobald die gewöhnliche Höflichkeit gegen sie beobachtet wird: sie messen der Demuth Anderer ihre eigene Erhebung zu, und schätzen eine Gesellschaft gering, worin es keine künstliche Unterscheidungen gibt, und wo durch keinen Zufall Leute, wie sie sind, Wichtigkeit erhalten können.

Man sollte indessen annehmen, daß Nachrichten, welche aus solchen Quellen über einen Gegenstand fließen, über den man so gern die Wahrheit erfahren möchte, von den Beurtheilern schriftstellerischer Erzeugnisse mit Vorsicht aufgenommen werden müßten; daß man die Beweggründe dieser Leute, ihre Wahrhaftigkeit, die Gelegenheiten, welche sich ihnen darboten, Untersuchungen anzustellen und Beobachtungen zu machen, und ihre Befähigung zu einem richtigen Urtheile, streng untersuchen würde, ehe man ihre Aussagen gegen ein verwandtes Volk, in einem so ausgedehnten Umfange, als gültig zuließ. Gerade das Entgegengesetzte ist indessen der Fall, und dieß bietet einen sprechenden Beweis menschlichen Widerspruchs. Nichts kann die Wachsamkeit übertreffen, womit englische Kritiker die Glaubwürdigkeit eines Reisenden prüfen, welcher eine Beschreibung irgend eines etwas entfernten und verhältnißmäßig unwichtigen Landes herausgibt. Wie mühsam vergleichen sie nicht die Messungen einer Pyramide, oder die Beschreibungen einer Trümmer, und wie streng tadeln sie nicht jede Ungenauigkeit in diesen Beiträgen zur Kenntniß bloß merkwürdiger Dinge, während sie mit Begierde und blindem Glauben die handgreiflichen Entstellungen ungebildeter und unbekannter Schriftsteller in Betreff eines Landes hinnehmen, zu welchem ihr eigenes in den wichtigsten und zartesten Beziehungen steht. Ja, sie machen diese apocryphischen Blätter zu authentischen Büchern, und besprechen sie mit einem Eifer und einer Geschicklichkeit, welche einer bessern Sache würdig wären.

Ich will jedoch bei diesem widrigen und abgedroschenen Gegenstande nicht länger verweilen: auch würde ich ihn gar nicht berührt haben, wäre es nicht wegen meiner Landsleute geschehen, die dem Anscheine nach über Gebühr Antheil daran genommen, und wegen gewisser nachtheiligen Wirkungen, welche sie, wie ich fürchtete, auf das National-Gefühl hervorbringen könnten. Sie können uns keinen wesentlichen Schaden bringen. Wir legen einen zu großen Werth auf diese Angriffe. Das Gewebe von Entstellungen, mit welchem man uns zu umstricken trachtet, gleicht den Spinnweben, mit welchen die Glieder eines jungen Riesen umstrickt werden. Unser Vaterland wächst immer über sie hinaus. Eine Unwahrheit nach der andern fällt von selbst zusammen. Wir brauchen nur weiter fort zu leben, und jeder Tag unsers Lebens erzeugt einen ganzen Band von Widerlegungen. Alle Schriftsteller von England vereinigt, wenn wir nur einen Augenblick annehmen könnten, daß ihr erhabener Sinn sich zu einer so unwürdigen Vereinigung erniedrigen dürfte, würden unsre schnell emporwachsende Bedeutsamkeit und das beispiellose Gedeihen nicht verhüllen können. Sie könnten es nicht verhehlen, daß diese Erscheinungen nicht allein physischen und örtlichen, sondern auch moralischen Ursachen zugeschrieben werden müssen – namentlich der politischen Freiheit, der allgemeinen Verbreitung von Kenntnissen, dem Uebergewichte gesunder moralischer und religiöser Grundsätze, welche dem Charakter eines Volks Kraft und anhaltenden Nachdruck geben, und welche, in der That, die anerkannten und wunderbaren Stützen ihrer eigenen National-Macht und ihres Ruhmes gewesen sind.

Warum sind wir aber so ungemein empfindlich gegen alle Verläumdungen Englands? Warum lassen wir uns die Schmach so sehr zu Herzen gehen, welche es sich bestrebt hat auf uns zu häufen? In der Meinung von England allein ist nicht alle Ehre begründet, hat nicht aller Ruhm seinen Sitz. Die weite Welt ist die Schiedsrichterin über den Ruhm eines Volkes; mit ihren tausend Augen beobachten sie die Thaten eines Volkes, und auf ihrem Gesammt-Zeugniß beruhet National-Ruhm oder National-Schande.

Für uns ist es daher verhältnißmäßig von nur geringer Wichtigkeit, ob England uns Gerechtigkeit widerfahren läßt, oder nicht; weit bedeutsamer ist es vielleicht für dieses Land selbst. Es gießt in die Brust eines jugendlichen Volkes Zorn und Erbitterung, die mit seinem Wachsthum wachsen, und mit seiner Stärke stärker werden. Wenn es in Amerika, wie einige seiner Schriftsteller es zu überzeugen bemüht sind, später einen eifersüchtigen Nebenbuhler und einen riesenhaften Feind finden sollte, so mag es denselben Schriftstellern danken, daß sie diese Nebenbuhlerschaft geweckt und die Feindseligkeit gereizt haben. Jedermann kennt den allumgreifenden Einfluß der Literatur in der jetzigen Zeit und wie sehr die Meinungen und Leidenschaften der Menschen von ihr geleitet werden. Die bloßen Kämpfe mit dem Schwerte sind vorübergehend; die Wunden, welche es schlägt, sind nur in dem Fleisch, und es ist der Stolz des Edeln, sie zu vergeben und zu vergessen; allein die Verläumdungen der Feder dringen in das Herz; sie eitern am längsten in den edelsten Geistern; sie bleiben dem Gemüthe immer gegenwärtig, und machen es krankhaft empfindlich gegen die leiseste unangenehme Berührung. Nur selten bringt eine öffentliche Handlung Feindseligkeiten zwischen zwei Völkern hervor; am gewöhnlichsten ist eine frühere Eifersucht und böser Wille vorhanden; eine vorgängige Neigung, Anstoß zu nehmen. Verfolgt dies Alles bis zu seiner Quelle, und wie oft werdet ihr finden, daß es in den unseligen Ergießungen besoldeter Schriftsteller gegründet ist, die, sicher in ihren Cabinetten und um schmachvollen Brodes willen, das Gift bereiten und verbreiten, welches in den Großmüthigen und Wackern wirken soll.

Ich lege nicht zu viel Gewicht auf diesen Punkt; denn er bezieht sich ausdrücklich auf unsern besondern Fall. Auf keine Nation wirkt die Presse so unbeschränkt, wie auf das amerikanische Volk, denn die allgemeine Erziehung der ärmsten Klassen macht jeden Einzelnen zum Leser. Es wird in England nichts in Bezug auf unser Land herausgegeben, das nicht in jedem Theile desselben in Umlauf käme. Jede Verläumdung, die aus einer englischen Feder fließt, jede unwürdige Spottrede, die einem englischen Staatsmann entschlüpfte, hilft das Wohlwollen dämpfen und die Masse heimlichen Grolls vermehren. Da nun England wirklich die Haupt-Quelle besitzt, aus welcher die Literatur der Sprache fließt, wie ganz steht es in seiner Macht, und wie gewiß ist es seine Pflicht, sie zu der Dolmetscherin freundlicher und großartiger Gefühle zu machen – zu einem Strome, auf welchem beide Völker einander begegnen, und aus dem sie in Frieden und Freundschaft schöpfen! Sollte es indessen darauf bestehen, ihn in bitteres Wasser zu verwandeln, so dürfte wohl eine Zeit kommen, wo es seine Thorheit bereuen möchte. Die gegenwärtige Freundschaft Amerika's mag ihm vielleicht von geringer Bedeutsamkeit sein; allein das spätere Schicksal dieses Landes ist wohl nicht zweifelhaft; über dem von England hängen manche Wolken der Ungewißheit. Sollten also die trüben Tage eintreten, sollte das Unglück hereinbrechen, von dem selbst die stolzesten Reiche nicht verschont geblieben sind, so mag es mit Bedauern auf seine Verblendung zurückblicken, die es verleitete, ein Volk so von seiner Seite zu stoßen, das es an seinen Busen hätte drücken sollen, und so die einzige Aussicht auf wahre Freundschaft zu zerstören, welche es über die Grenzen seiner eigenen Besitzungen hinaus finden konnte.

Es ist die allgemeine Ansicht in England, daß die Bewohner der Vereinigten Staaten gegen das Mutterland feindselig gesinnt seien. Es ist dies einer von den Irrthümern, welche von hinterlistigen Schriftstellern absichtlich verbreitet worden sind. Es herrscht ohne Zweifel eine bedeutende politische Feindseligkeit, und eine allgemeine Empfindlichkeit über die Unfreisinnigkeit, welche sich die englische Presse gegen Amerika zu Schulden kommen läßt; aber im Ganzen genommen, ist doch das Volk sehr für England eingenommen. In der That, diese Vorliebe stieg während einer Zeit in einigen Gegenden der vereinten Staaten zu einem thörigen Grade von Vergötterung. Der bloße Name »Engländer« war ein Freibrief auf das Vertrauen und die Gastfreundschaft jeder Familie, und lieh nur zu oft Werthlosen und Undankbaren eine vorübergehende Beliebtheit. In dem ganzen Lande war eine Art von Begeisterung mit dem Gedanken an England verknüpft. Wir blickten dahin mit einem geheiligten Gefühle der Zärtlichkeit und Verehrung, als zu dem Lande unsrer Voreltern – dem erhabenen Aufbewahrungsorte der Denkmäler und Alterthümer unseres Geschlechts – dem Geburtsorte und Grabdenkmale der Weisen und Helden unserer väterlichen Geschichte. Nach unserem eigenen Lande gab es keines, in dessen Ruhme wir uns mehr erfreuten – keines, dessen gute Meinung wir sehnlicher für uns zu haben wünschten – keines, gegen das unsere Herzen mit solchem Pulsschlage warmer Verwandtschaft sich ausdehnten. Selbst während des letzten Krieges war es, so oft nur die geringste Gelegenheit sich darbot, wo freundliche Gefühle sich zeigen konnten, für die großartigen Gemüther unseres Landes ein Hochgenuß, zu zeigen, daß sie, mitten unter Feindseligkeiten, doch die Funken künftiger Freundschaft noch glimmend zu erhalten suchten.

Soll dieß Alles nun zu Ende sein? Soll dieses goldene Band verwandter Gefühle, unter Völkern so selten, auf ewig zerrissen sein? – Vielleicht ist es noch das beste – es mag ein Blendwerk zerstören, welches uns in einer geistigen Sclaverei erhalten haben dürfte, das gelegentlich mit unserem wahren Vortheil in Berührung gekommen sein, und die Ausbildung des wahren Nationalstolzes verhindert haben möchte. Allein es ist hart, das Band der Verwandtschaft aufgeben zu müssen – und es gibt Gefühle, welche uns theurer sind, als unser Vortheil – welche unserm Herzen näher liegen, als der Stolz – welche uns noch einen Blick des Bedauerns zurückwerfen lassen, wenn wir weiter und weiter von dem väterlichen Dache wandern, und welche die Härte des Vaters beklagen werden, der die Liebe des Kindes zurückstieß. Kurzsichtig und unüberlegt jedoch, wie das Benehmen Englands bei diesem System der Verläumdung sein mag, würde eine Vergeltung von unserer Seite doch gleich übel angebracht sein. Ich spreche nicht von einer entschlossenen und durchgreifenden Ehrenrettung unseres Vaterlandes, noch von der schärfsten Züchtigung der Verläumder desselben, – sondern ich beziehe mich auf eine Neigung, mit gleichem Maaße zurück zu messen; Spott mit Spott zu vergelten, und ebenfalls Abneigung zu erregen; was unter unseren Schriftstellern weit um sich zu greifen scheint. Laßt uns gegen eine solche Stimmung vorzüglich auf unserer Hut sein, denn sie würde das Uebel verschlimmern, statt dem Unrecht abzuhelfen. Nichts ist so leicht und einladend, als Beleidigung und Spott zurückzugeben; allein es ist ein gemeiner und unnützer Streit. Es ist die Zuflucht eines krankhaften Gemüths, das eher zur Erbitterung geneigt, als von einem lebendigen Unwillen entflammt ist. Wenn England willens ist zuzugeben, daß kleinliche Handelseifersucht, oder die rachsüchtige Erboßtheit der Politik, die Reinheit ihrer Presse beflecken, oder die Quelle der öffentlichen Meinung vergiften, so wollen wir uns wenigstens hüten, diesem Beispiele zu folgen. England mag es seinem Vortheil angemessen halten, Irrthümer zu verbreiten und Abneigung zu erzeugen, in der Absicht, die Auswanderung zu verhindern; wir haben keiner Absicht der Art zu fröhnen. Auch haben wir keinen Geist der Volks-Eifersucht, den wir befriedigen müßten, denn bis jetzt sind wir, bei allen Streitigkeiten mit England, immer der überlegene und gewinnende Theil gewesen. Es kann also bei uns kein Ziel zu erreichen geben, als die Befriedigung der Rache – ein bloßer Geist der Wiedervergeltung; und selbst dieser ist ohnmächtig. Was wir entgegnen, wird in England niemals wieder bekannt; es erreicht daher seinen Zweck nicht; es nährt dagegen nur den zänkischen und mürrischen Geist unter unseren Schriftstellern; verbittert den lieblichen Erguß unserer jugendlichen Literatur, und säet Dornen und Disteln zwischen ihre Blüthen. Was noch schlimmer ist, diese Erwiderungen kommen in unserem eigenen Lande in Umlauf, und erregen, in so fern sie Eindruck machen, starke Nationalvorurtheile. Dies letzte ist das Uebel, das wir besonders entfernen müssen. Da wir gänzlich von der öffentlichen Meinung geleitet werden, so muß auch die äußerste Sorgfalt angewendet werden, die Reinheit der öffentlichen Stimmung zu erhalten. Kenntniß ist Macht, und Wahrheit ist Kenntniß; wer immer daher wissentlich ein Vorurtheil verbreitet, der untergräbt muthwillig die Grundlage der Stärke seines Vaterlandes.

Die Glieder eines Freistaats sollen, vor allen andern, gerade und leidenschaftslos sein. Sie sind, einzeln, Theile des selbstherrschenden Geistes und höchsten Willens, und sollen deßwegen im Stande sein, alle Streitfragen, welche das Wohl des Volks betreffen, mit ruhigem und unbefangenem Urtheile ins Auge zu fassen. Nach der eigenthümlichen Beschaffenheit unserer Verhältnisse mit England, müssen wir mit dieser Macht öftere Erörterungen schwieriger und zarterer Art haben, als mit irgend einem andern Volke; Fragen, welche die schärfsten und reizbarsten Gefühle angreifen; und da, bei Ausgleichung derselben, die Maßregeln, welche wir zu nehmen haben, am Ende durch das Gefühl des Volks bestimmt werden müssen, so können wir nicht zu ängstlich aufmerksam sein, diese von allen verborgenen Leidenschaften oder vorgefaßten Meinungen zu reinigen.

Da wir einmal Fremden aus allen Theilen der Erde einen Zufluchtsort eröffnen, so sollen wir auch Alle mit Unpartheilichkeit aufnehmen. Es sollte unser Stolz sein, das Beispiel eines Volks wenigstens zu geben, das keinen Volks-Widerwillen hat, und nicht allein die öffentlichen Handlungen der Gastfreiheit, sondern auch jene seltenere und edlere Höflichkeit ausübt, welche aus der Freisinnigkeit der Meinung entspringt.

Was haben wir mit National-Vorurtheilen zu schaffen? Sie sind die eingefleischten Krankheiten alter Staaten, in rohen und unwissenden Zeiten eingesogen, als die Nationen noch wenig von einander wußten, und mit Mißtrauen und Feindseligkeit über ihre Grenzen hinausblickten. Unsere National-Existenz dagegen begann in einem erleuchteten und philosophischen Zeitalter, als die verschiedenen Theile der bewohnbaren Welt und die verschiedenen Zweige der Menschenfamilie unermüdet studirt und mit einander bekannt gemacht wurden; und wir verlieren die Rechte unserer Geburt, wenn wir die National-Vorurtheile nicht abschütteln, wie wir dieß mit den örtlichen abergläubischen Meinungen der alten Welt thun.

Aber vor allen Dingen wollen wir uns nicht von den Gefühlen des Grolles so weit irre führen lassen, daß wir unsere Augen gegen das Gewahren dessen verschließen, was in dem englischen Charakter wahrhaft treffliches und liebenswürdiges ist. Wir sind ein junges Volk, nothwendigerweise also ein nachahmendes, und müssen unsere Beispiele und Muster größtentheils von den bestehenden Völkern in Europa nehmen. Es ist kein Land unseres Studiums würdiger, als England. Der Geist seiner Verfassung hat mit dem der unsrigen die meiste Uebereinstimmung. Die Sitten des Volks – seine geistige Thätigkeit – seine Meinungsfreiheit – seine Art, über diejenigen Gegenstände zu denken, welche die theuersten Interessen und die heiligsten Freuden des Privatlebens betreffen, sind innigst mit dem amerikanischen Charakter verwandt; und in der That, sie sind an sich selbst vortrefflich, denn es ist das sittliche Gefühl des Volkes, auf welches die festen Grundlagen der Wohlfahrt Englands gebaut sind, und wie sehr auch der Oberbau abgenutzt, oder von Mißbräuchen überwachsen sein mag, es muß etwas solides in der Grundlage, etwas bewunderungswürdiges in den Bestandtheilen, und haltbares in der ganzen Zusammensetzung eines Gebäudes liegen, das so lange in den Stürmen der Welt unerschüttert da gestanden hat.

Es mag daher der Stolz unserer Schriftsteller sein, alle Gefühle der Erbitterung zu unterdrücken, und es zu verschmähen, die Unfreundlichkeit der britischen Schriftsteller auf ähnliche Weise zu vergelten, und von dem englischen Volke ohne Vorurtheil und mit entschiedener Unpartheilichkeit zu reden. Während sie die rücksichtslose Abgötterei rügen, womit einige von unseren Landsleuten Alles, was Englisch ist, bewundern und nachahmen, bloß weil es Englisch ist, mögen sie freimüthig das herausheben, was wirklich des Lobes werth ist. Wir können auf diese Weise England als ein beständiges Hülfsbuch vor uns haben, worin gesunde Schlußfolgen aus Jahrhunderten von Erfahrungen verzeichnet stehen; und während wir die Irrthümer und Thorheiten vermeiden, welche sich vielleicht in die Blätter eingeschlichen haben, können wir goldene Lehren praktischer Weisheit daraus schöpfen, um durch diese unsern National-Charakter zu stärken und zu verschönern.


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