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IV.
Ronald, Elisabeth und Prinz Sascha

Elisabeth hat sich rasch eingelebt auf Wolfeck. Die Kinder sind ein stets frisch sprudelnder Quell von Freude für sie, der sie beständig in froher Laune – aber auch in Atem hält.

Sie sind gut veranlagt und sehr intelligent, wenn auch arg verwildert und in bezug auf ihre Schulbildung weit hinter anderen Kindern ihres Alters zurück.

Elisabeth widmet sich ihnen ganz und hat auch ihre körperliche Pflege allein übernommen. Frühmorgens badet sie alle drei, kleidet Walter an, und um Punkt neun beginnt täglich der Unterricht, der bis zwölf dauert, wo dann eine Stunde spazierengegangen oder Sport getrieben wird.

Elisabeth hat es verstanden, den beiden Mädchen den Unterricht so abwechslungsreich und anregend zu gestalten, daß Inge und Fee voll Eifer bei der Sache sind und sich auf die Lehrstunden stets freuen. Klein Walter wird nebenbei mit Kindergartenarbeiten beschäftigt, und während die Mädchen ihre Aufgaben ausarbeiten, bemüht sich Elisabeth, ihn in die Geheimnisse des Alphabets und der Zahlen einzuweihen.

Der Hausherr ist noch verreist. Von Frau Irene sieht Elisabeth wenig. Wenn sie nicht auf dem Sofa ihres Zimmers liegt, vor sich hinträumt und Zigaretten raucht, wobei sie nicht gestört werden will, macht Frau v. Schlomm Besuche in der Nachbarschaft oder reitet aus.

Meist in Begleitung des Prinzen Sascha, der fast regelmäßig den Nachmittagstee bei ihr nimmt.

Wäre Elisabeth weniger unerfahren gewesen, diese häufigen Besuche des Russen und die langen Spazierritte zu zweit mit der schönen Hausfrau hätten ihr wohl auffallen müssen. Aber sie war viel zu rein und naiv, um sich Gedanken darüber zu machen …

Ihr erschien Frau v. Schlomm nur als ein kindisches Wesen, das sich beständig pflegte, beständig langweilte und darum gedankenlos nach jeder Zerstreuung griff, die sich ihr eben bot. Und dazu war eben Prinz Sascha das geeignetste Spielzeug. Er – der sich auch stets zu langweilen schien und so gar nichts zu tun hatte, da er seine große Domäne Ravelsperg völlig dem Intendanten überließ.

Die gewünschte Unterredung mit Frau Irene, in der Elisabeth die Richtlinien eines gemeinsamen Vorgehens und die Grundzüge des Erziehungsplanes für die Kinder mit der Mutter besprechen wollte, konnte sie erst am dritten Tag ihrer Anwesenheit auf Wolfeck erreichen.

Und dann verlief sie ebenso kurz wie kläglich.

Frau v. Schlomm hatte kein Fünkchen Mutterinstinkt in sich. Gleich nach den ersten Worten unterbricht sie Elisabeth ungeduldig.

»Liebes Fräulein Benedikt, verschonen Sie mich um Gottes willen mit derlei Dingen, für die ich weder Interesse noch Verständnis habe! Teilen Sie sich alles ein, wie Sie wollen, und sorgen Sie nur dafür, daß ich Ruhe vor den Rangen habe. Sie gehen mir stets gräßlich auf die Nerven!«

»Aber tun Ihnen denn die Kinder nicht leid, gnädige Frau, wenn sie die Mutter so ganz entbehren müssen?« wagt Elisabeth schüchtern zu bemerken.

»Leid? Wieso? Sie entbehren ja nichts, da wir gottlob in der Lage sind, es ihnen an nichts mangeln zu lassen und anderweitig für die nötige Betreuung zu sorgen.«

» Liebe läßt sich nicht …«

»Ach Gott, kommen Sie mir nur nicht mit altmodischen Sentimentalitäten! Die meisten modernen Frauen mögen keine Kinder, und ich kann mich doch nicht anders machen, als ich bin! Genug, daß ich sie geboren habe! Für mich selbst stelle ich wahrlich andere Anforderungen an das Leben – als Kinder zu erziehen …«

Die neue am Abend zuvor angelangte Kammerjungfer unterbricht die Unterredung, indem sie Se. Durchlaucht den Prinzen Kelim anmeldet.

In Frau Irenes blauen Augen leuchtet es glitzernd auf. Hastig wirft sie die Zigarette in den Aschenbecher und erhebt sich.

»Auf Wiedersehen, Fräulein Benedikt. Ich lasse Seine Durchlaucht bitten …«

Elisabeth entfernt sich mit einer stummen Verbeugung. Im Vorzimmer begegnet sie Sascha Kelim, einem eleganten Herrn in mittleren Jahren. Er ist blaß, schwarzhaarig, mit großen dunklen Augen, die halb von den Lidern bedeckt sind und ihnen so einen verschlafenen Ausdruck verleihen.

Er stammt aus der Krim, floh beim Umsturz nach Österreich und kaufte sich später in Steiermark an. Seine Erscheinung hat einen stark orientalischen Einschlag.

Elisabeth geht ohne ihn zu beachten vorüber. Er aber bleibt unwillkürlich stehen und blickt ihr nach. Für einen Augenblick heben sich die verschlafenen Augendeckel wie in staunender Betroffenheit, dann geht auch er weiter …

Ihren Erziehungsplan bespricht Elisabeth am nächsten Tag mit Ronald. Sie spielt gerade mit Walter im Park Fangball, während die Mädchen oben Aufgaben machen, als Ronald, von der Fabrik kommend, zu ihnen tritt.

Sie hat ihn seit jenem ersten denkwürdigen Abend ihrer Ankunft nicht mehr zu Gesicht bekommen, da er gerade jetzt geschäftlich so stark in Anspruch genommen ist, daß er tagsüber nicht heimkam, sondern in einem Dorfgasthof bei der Fabrik draußen zu Mittag aß, um Zeit zu sparen.

Abends aber, wenn er ermüdet heimkam, hatte Elisabeth mit den Kindern längst das Abendbrot eingenommen, diese zu Bett gebracht und saß bei ihnen im Kinderzimmer, Geschichten erzählend. Eine den Kindern bisher fremd gebliebene Seligkeit, die sie stets mit Ungeduld den Abend erwarten und im Gegensatz zu früher willig ins Bett gehen ließ.

Heute zum erstenmal ist Ronald wieder zum Mittagessen heimgekommen.

Elisabeth errötet jäh, als sie seine schlanke Gestalt – viel früher als Walter – zwischen den entlaubten Bäumen des Parkes auftauchen sieht.

Der starke Eindruck, den Ronald bei der ersten Begegnung auf sie gemacht, hatte sich zwar seitdem etwas verwischt, und Elisabeth schalt sich schon am nächsten Morgen selbst eine Törin, daß dieser fremde junge Mann ihre Gedanken überhaupt nur eine Minute lang hatte beschäftigen können … aber ganz unbefangen war sie doch nicht.

Sie beschloß jedenfalls, ihm äußerst kühl zu begegnen, und tat zunächst, als sehe sie ihn gar nicht.

Ronald aber tritt, als er sie und Walter erkennt, mit unbefangener Herzlichkeit sogleich auf sie zu.

»Guten Tag, Fräulein Benedikt! Nun – haben Sie sich schon ein wenig eingelebt auf Wolfeck?«

»O ja, ganz gut.«

»Das freut mich herzlich! Ich dachte in den letzten Tagen viel an Sie und wie Sie wohl mit Ihren Schützlingen zurechtkommen mögen? Leider ließen mir die leidigen Geschäfte keine Zeit, mich bei Ihnen danach zu erkundigen. Nun sehe ich mit Genugtuung, daß Sie gut aussehen, ein zufriedenes Gesicht machen und mindestens Walterchens Herz schon gewonnen haben … Wo sind denn die Mädel?«

»Sie machen noch Aufgaben im Schulzimmer, werden aber wohl gleich fertig sein und herabkommen.«

»Was – Sie lassen sie allein oben im Schulzimmer? Da möchte ich wetten, daß sie statt Aufgaben zu machen wieder irgendeine Tollheit treiben!«

»Ich bin überzeugt, daß Sie die Wette verlieren würden, Herr v. Schlomm! Dazu haben Inge und Feechen vielzuviel Respekt vor mir.«

»Sie machen mich sprachlos! Es ist Ihnen wirklich gelungen, sich Respekt zu verschaffen bei diesen wilden Dingern?«

»Und ob! Anders wäre doch eine Erziehung gar nicht denkbar. Sie wissen ganz genau, daß ich sie liebhabe, aber nicht mit mir spaßen lasse. Ungehorsam würde unnachsichtig Strafe nach sich ziehen, auch das wissen sie bereits.«

»Und Sie würden auch die Konsequenz haben, Strafen wirklich durchzuführen, gnädiges Fräulein?«

»Selbstverständlich! Ich würde dann einige Stunden Hausarrest diktieren oder die Schuldigen abends beim Geschichtenerzählen ausschließen, oder auch nur so tun, als hätte ich sie nicht mehr lieb.«

Ronald betrachtete das junge Mädchen kopfschüttelnd.

»Wissen Sie, daß Sie ein ganz wunderbarer Mensch sind, Fräulein Benedikt? In wenigen Tagen diese unbotmäßigen, vernachlässigten Kinder gefügig zu machen, ist ja wirklich ein Wunder! Wie haben Sie das nur angestellt?«

»Indem ich ihnen gab, was ihnen fehlte – Liebe! Liebe ist das beste Erziehungsmittel bei gut angelegten Kindern – und gut angelegt sind sie ja gottlob alle drei.«

»Das war auch immer meine Meinung. Sie haben Kinder wohl überhaupt lieb?«

»Leidenschaftlich! Es war immer mein Wunsch, mich mit Kindern befassen, gute Keime in ihnen pflegen, schlimme ausrotten und sie zu tüchtigen Menschen heranbilden zu dürfen. Nun bin ich so glücklich, daß ich es darf!«

Wieder ruht Ronalds Blick eine Weile in stummem Staunen auf ihr. Dann verfinstert sich sein Gesicht plötzlich, und er wendet sich rasch ab, um sich mit dem kleinen Walter zu beschäftigen.

Mit Befremden beobachtet Elisabeth diesen jähen Wechsel seines Gesichtsausdruckes.

Hat sie etwas Dummes gesagt? War etwas in ihren Worten gewesen, das ihn verstimmen konnte? Aber das war doch nicht gut möglich …

Da wendet er sich ihr schon wieder zu, ernst zwar noch, aber nicht mehr finster.

»Ich bin so froh, daß ein glücklicher Zufall gerade ein Wesen wie Sie zu meinen Geschwistern führte, die, wie Sie ja bald merken werden, dessen mehr bedürfen als die meisten anderen Kinder. Schon neulich abend hatte ich das Gefühl, daß Sie gerade das sind, was ich im stillen immer für sie ersehnte, und da hat mich mein bißchen Menschenkenntnis gottlob einmal nicht betrogen! Sind Sie schon länger Erzieherin?«

»Nein, es ist meine erste Stelle hier. Ich wurde erst durch meines Vaters Tod gezwungen, mich nach einer Stellung umzusehen, um Mama nicht zur Last fallen zu müssen. Und da ich für keinen bestimmten Beruf ausgebildet wurde, wählte ich eben den, der mir am nächsten lag – und für den meine Kenntnisse reichen.«

»Und beweisen darin gleich so sicheren pädagogischen Instinkt, wie andere sich oft nach jahrelangen Erfahrungen nicht aneignen können!«

»Mir scheint, das kommt ganz von selbst, wenn man sich in Kindesseelen hineindenkt und sich ihnen mit ganzem Herzen hingibt.«

»Aber das bedingt zugleich ein starkes Aufgeben der eigenen Persönlichkeit und den Verzicht auf vieles, was Ihrer Jugend von rechtswegen doch zukäme. Fällt Ihnen das denn nicht schwer?«

»Gar nicht! Es macht mich nur glücklich. Ich war immer ein wenig, was man einen ›einsamen Spatz‹ nennt, das heißt, ich machte mir nichts aus sogenannten ›Zerstreuungen‹ und fand wenig Anregung im Verkehr mit Altersgenossinnen …«

»Das kann ich mir denken,« unterbricht er sie mit seltsamer Schärfe im Ton, »wie könnten Sie unter ihnen auch Anregung und Verständnis finden, da unsere jungen Damen von heute ganz andere Dinge im Kopf haben als … Kinder!«

Ohne den Einwurf zu beachten, fährt Elisabeth unbefangen fort: »Durch diesen Mangel an gegenseitigem Verständnis fühlte ich mich dann manchmal innerlich etwas vereinsamt. Das hat nun hier auf Wolfeck aufgehört. Mit Kindern und der Natur verstand ich mich immer ausgezeichnet. Beiden kann ich mich hier mit ganzer Seele hingeben – wie sollte ich da nicht glücklich sein?«

»Aber Sie kommen doch aus Wien und sind noch so jung … vermissen Sie denn das großstädtische, abwechslungsreiche Treiben nicht in unserer ländlichen Stille?«

»Im Gegenteil, ich bin froh, ihm entronnen zu sein. Ich liebe die Stille und bin sie gewohnt von früher her. Als Papa noch lebte, wohnten wir ja auch auf dem Lande. In Oberösterreich, wo die Gegend fast so schön war wie hier … wie oft habe ich mich in Wien dahin zurückgesehnt!« schließt sie mit einem Seufzer.

Ronald starrt düster vor sich hin.

»Und andere sehnen sich krank nach den Freuden der Großstadt!« murmelt er gepreßt.

Vom Haus her kommen Inge und Eva Arm in Arm. Sie stürmen Ronald, als sie ihn erblicken, nicht wie sonst mit wildem Freudengeheul entgegen, sondern begrüßen ihn ganz gesittet, berichten Elisabeth, daß sie ihre Aufgaben beendet haben, und fragen, ob sie nun mit ihr und Walter Ball spielen dürfen.

Elisabeth nickt freundlich.

»Gewiß. Aber spielt vorläufig allein mit Walterchen. Ich möchte …« Sie sieht Ronald bittend an. Er erwacht aus dem düstern Dahinbrüten, in das er abermals verfallen ist, und wendet sich ihr hastig zu, während die Mädchen sich ohne Widerrede entfernen und mit Walter zu spielen beginnen.

»Sie haben einen Wunsch, gnädiges Fräulein?«

»Ja – vielmehr eine Bitte. Ich habe wohl bemerkt, daß auch Ihnen das Wohl Ihrer Geschwister am Herzen liegt –«

»Außerordentlich sogar! Auch ich liebe Kinder sehr, und diese ganz besonders, fast als wären sie meine eigenen … wünschen Sie etwas für sie?«

»Für sie – aber auch für mich. Sehen Sie, Herr v. Schlomm, ich bin Anfängerin und bin gar nicht so sicher, ob meine Erziehungspläne auch die richtigen sind. Ich hatte das Gefühl, daß auch die Eltern ein Wort mitzureden hätten und ich mich mindestens mit der Mutter über die Hauptgrundsätze einigen müßte. Als ich dies aber gestern bei Frau v. Schlomm versuchte …«

»Fanden Sie, daß dies unmöglich sei, weil meine Stiefmutter nicht das mindeste Interesse dafür hat,« unterbricht er sie bitter. »Das hätte ich Ihnen im vorhinein sagen können. Auch bei meinem Vater würden Sie keines finden. Wenn Sie sich aber mit mir darüber aussprechen wollen, können Sie meines wärmsten Interesses gewiß sein.«

»Darum wollte ich Sie bitten. Es würde mir eine große Beruhigung sein, mich wenigstens mit einem Mitglied der Familie im Einvernehmen zu wissen. Allerdings fürchte ich, Ihre kostbare Zeit mit etwas in Anspruch zu nehmen, das so ganz außerhalb Ihrer eigentlichen Tätigkeit liegt …«

»Darüber brauchen Sie sich gar keine Sorgen zu machen. Heute ist Samstag, wo wir den Betrieb früher schließen, da habe ich Zeit genug, und später, wenn es etwaige Einzelfälle zu erwägen gäbe, wird sich mittags, wenn ich zum Essen heimkomme, wohl auch immer Zeit zu derartigen Beratungen finden lassen.«

Er scheint plötzlich wieder in bester Laune und fährt in fröhlichem Ton fort: »Ich bin ja im Hause meines Vaters stets ein wenig ›Mädchen für alles‹ gewesen – wenigstens hinter den Kulissen. Ich teile das Budget ein, zahle die Leute aus, verrechne mit der Mamsell, bestimme, was zu geschehen und zu unterbleiben hat, und die Leute sind gewöhnt, mit allem zu mir zu kommen – selbst das Menü bei Festtafeln muß ich mit der Mamsell und Frau Stasi beraten helfen.«

Elisabeth blickt verwundert auf ihn, in dessen ernsten dunkelgrauen Augen es wie Humor … oder Galgenhumor? … aufblinkt.

»Und das macht Ihnen Spaß

»Spaß – nein. Aber jemand muß ja wohl da sein, der ein wenig nach dem Rechten sieht und gelegentlich Hausfrau spielt. Oder können Sie sich meine Stiefmutter als Hausfrau denken?«

Elisabeth schweigt. Nein, das kann sie wirklich nicht.

»Sehen Sie, und doch reicht die Zeit auch für all diese kleinen Nebendinge, wenn man sie nur gehörig einteilt und ausnützt. Aber nun kommen Sie, gnädiges Fräulein, wir wollen sie auch ausnützen und dort im Lindengang ein wenig auf und ab gehen, um dabei Ihre Erziehungspläne zu besprechen, bis es zu Tisch läutet.«

Als dann nach einer halben Stunde der Gong zum erstenmal ertönt und Elisabeth mit den Kindern und Ronald ins Haus eilen, um sich rasch noch ein wenig zurechtzumachen, fährt auf der Rampe an der Vorderfront ein Auto vor, dem Prinz Kelim entsteigt.

In der Diele treffen sie mit ihm zusammen.

Ronald runzelt die Stirn und will mit stummem Gruß an ihm vorüber. Der Russe aber bleibt stehen, begrüßt ihn mit wortreicher Liebenswürdigkeit und teilt mit, daß er gekommen ist, die Hausfrau verabredungsgemäß zu einer Fahrt nach dem nahen Städtchen Lobstein abzuholen, wo man mit Bekannten zusammentreffen und speisen will.

»Nach Tisch wollen wir dann auf dem See eislaufen … Aber darf ich Sie bitten, Herr v. Schlomm, mich der Dame vorzustellen?« unterbricht er sich hastig, da Elisabeth ihren Weg mit den Kindern eilig fortsetzen will.

Ronald tut es notgedrungen.

»Seine Durchlaucht, Prinz Kelim, der Besitzer von Ravelsperg – Fräulein Benedikt, die Erzieherin meiner Geschwister.«

Und es fliegt wie Genugtuung über sein Gesicht, als Elisabeth nur flüchtig den blonden Kopf neigt und, ohne dem Prinzen die Hand zu reichen, rasch sagt: »Die Herren müssen mich nun aber entschuldigen. Es hat bereits einmal zu Tisch geläutet, und ich muß den Kindern vor dem Essen noch die Hände waschen.«

Damit nickt sie ein zweites Mal und ist schon an der Treppe, die sie rasch emporsteigt.

Verblüfft und enttäuscht starrt ihr der Russe nach. Schon gestern hat Elisabeths Erscheinung, besonders aber ihr reiches seidiges Blondhaar, über dem ein seltener gleißender Schimmer liegt, sein Kennerauge entzückt, und er hat die Gelegenheit, mit ihr bekannt zu werden, freudig ergriffen.

Nun ist er so kurz abgefertigt worden …

Ronald kann ein Lächeln nur schwer unterdrücken angesichts seines nicht sehr geistreichen Gesichts.

Das Erscheinen Frau Irenes, die sehr schick in einem hermelinverbrämten Astrachanmantel und gleicher Kappe die Treppe herabgeschwebt kommt und Sascha Kelim mit tadellos geschminkten Lippen holdselig zulächelt, bringt den Russen wieder in die Wirklichkeit zurück.

Man begrüßt einander. Dann wendet sich Kelim an Ronald.

»Sie kommen doch auch mit, Herr v. Schlomm? Da, wie ich glaube, ja auch Baronin Werndl mit Baronesse Edine mit von der Partie sind …«

»Bedaure – erstens mangelt es mir wirklich an der nötigen Zeit für stundenlange Vergnügungen mitten unter Tag, und zweitens bin ich auch gar nicht verständigt worden von dem geplanten Ausflug nach Lobstein.«

»Verzeih,« sagt Frau Irene, »es war mir wirklich nicht möglich, dich davon zu verständigen. Wir besprachen die Sache erst gestern, und seitdem habe ich dich ja noch gar nicht zu Gesicht bekommen. Edine aber nahm wohl an …«

»Du brauchst nichts zu entschuldigen, Mama, ich hätte mich keinesfalls beteiligen können, aus Zeitmangel. Samstags gibt es so viel Abrechnungen und andere Dinge zu erledigen, daß mir wirklich keine Zeit für Schlittschuhlaufen bliebe.«


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