Josef Hofmiller
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Josef Hofmiller

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Würzburg

(1933)

Das Maintal zwischen Bamberg und Mainz ist mit seinen vielen Windungen eine der anmutigsten und geistreichsten deutschen Landschaften, deren verschwiegene Reize freilich ganz nur der kennenlernt, der sie zu Fuß abwandert oder, noch besser, im Faltboot an sich vorübergleiten läßt. Furten, Brücken und Straßen schufen hier seit Urzeiten kleine und größere Städte von einzigartigem Reiz. Die steilhügeligen Hochufer der fränkischen Platte bilden die eindrucksvollen Hintergründe der Talsiedlungen. Bamberg baut sich auf von der Fußsohle bis zum hohen Dom mit einer Stufung, die beinahe die berühmte von Schwäbisch-Hall übertrifft. Schweinfurt, Marktbreit, Ochsenfurt, Kitzingen, Würzburg heißt die erste Steigerung; Gemünden, Lohr, Wertheim, Miltenberg, Aschaffenburg die mittlere; Hanau, Offenbach, Frankfurt, Mainz hinaus zum Rheingau die dritte. Würzburg aber, gleich weit entfernt von Aschaffenburg und von Bamberg, ist Mitte und Kronjuwel dieses schimmerndem Stirnreifs.

Das heutige Bayern besitzt nicht nur charaktervoll ausgeprägte Städte-Individuen, sondern auch geschichtlich und architektonisch zusammengehörige Städte-Familien. Da ist vor allem in den Stammlanden die Reihe der herzoglichen Residenzen: Regensburg, Burghausen an der Salzach, Landshut, Straubing, Neuburg an der Donau, Ingolstadt, München. Da sind die geistlichen Fürstensitze: Kempten, Freising, Eichstätt, Regensburg, Bamberg, Würzburg, Aschaffenburg. Eine deutliche Reihe und Steigerung je für sich bilden die vier katholischen Innstädte im Süden: Rosenheim, Wasserburg, Mühldorf, Passau, und die drei evangelischen Markgrafenstädte im Norden: Erlangen, Bayreuth, Ansbach. Und nun erst kommt die lange Süd-Nord-Reihe der freien Reichsstädte von Lindau über Memmingen, Kaufbeuren, Mindelheim zu dem ersten Glanzpunkt Augsburg und weiter über Donauwörth, Nördlingen, Dinkelsbühl, Rothenburg ob der Tauber zum zweiten, Nürnberg. Zu ihr bildet die Ost-West-Reihe der vier alten geistlichen Fürstensitze Bamberg, Würzburg, Aschaffenburg, Mainz die Senkrechte. Von jeder dieser Städte gilt, was Goethe 1786 auf der Fahrt nach Italien über Regensburg schreibt: »Die Gegend mußte eine Stadt herlocken.« Würzburg aber, eine Zeitlang Reichsstadt, seit Jahrhunderten zugleich geistlicher Fürstensitz wie Regensburg, ist noch einiges mehr.

Zunächst ist Würzburg von jeher neben Kitzingen der Mittelpunkt des fränkischen Weinhandels. Zu einer Zeit, die weder vom Pfalzwein noch vom Moselwein etwas weiß, nennt der Vers, der die edelsten Reben aufzählt, neben einem Rheinort zwei Mainorte:

»Zu Klingenberg am Maine, Zu Würzburg an dem Steine, Zu Bacherach am Rheine Wachsen die besten Weine.«

Noch im 18. Jahrhundert steht der Frankenwein allein ebenbürtig neben dem Rheinwein, und Würzburger Weißwein ist der tägliche Haustrunk des alten Goethe. Aber Würzburg liegt nicht nur sehr günstig inmitten der altberühmten Weindörfer: Iphofen, Sommerach, Volkach, Rödelsee, Randersacker, ihm zu Häupten steht zugleich das weithin strahlende Doppelgestirn des fränkischen Weinbaus überhaupt: die jahrhundertealte Frage, ob dem Stein oder dem Leisten die Krone gebühre, diese Frage wird je nach Jahrgang und Lage glücklicherweise immer wieder von neuem aufgeworfen und von Kennern gründlich geprüft werden müssen. Wenn der dunkle Bocksbeutel, die niedrige, stämmige, bauchige Flasche des Frankenweins, entkorkt ist, und ein Pfülben oder Escherndorfer von wackerem Wachstum und gesegnetem Jahrgang – der letzte herrliche war 1929 – golden im Glase funkelt, so duftet das Gemach nach dem verjährten Sonnenschein eines gnadenvollen Herbstes.

Aber Würzburg ist nicht nur seit fast 1200 Jahren Bischofssitz, es war auch über 800 Jahre lang eine Festung, und diesem Umstände verdankt es, als nach 1866 endlich der als drückend empfundene Reif der Befestigungswerke gelöst wird, den grünen Kranz seiner Glacis und Ringstraßen, einen schmalen Park mit vornehmen alten Bäumen, gepflegten Anlagen und reizenden Fußwegen, der sein südliches Gegenstück im Salzburger Mönchsberg hat. Salzburg, Bamberg, Würzburg – schon Alfred Lichtwark, der weitgereiste, feinsinnige Direktor der Hamburger Kunsthalle, der »wie ein Verliebter« durch schöne Städte ging, hat das Gemeinsame dieser drei geistlichen Sitze sofort erkannt: »ein Ausdruck des Willens fürstlicher Menschen, die es heute nicht geben kann. Der Bischof als Lebensprinzip seines kleinen Roms wollte das Höchste, was seine Mittel erlaubten, und er setzte es durch. Mit Bamberg und Salzburg hat Würzburg die Grundgestalt gemeinsam, den hohen Fels mit der Veste des Mittelalters, die Stadt zu seinen Füßen, die in den Zeiten der Sicherheit und Unumschränktheit des 17. und 18. Jahrhunderts ausgestaltet wurde.«

Eine vierte Stadt noch kommt einem unwillkürlich in den Sinn, wenn man, nichts suchend, sondern nur offenen Auges auf Schritt und Tritt findend, das alte Würzburg auf sich wirken läßt, nämlich der innerste Kern von Wien, der adelige erste Bezirk: hier wie dort keine weithin durchgreifenden Straßenzüge – wie etwa in Augsburg vom Dom bis Sankt Ulrich, oder in Nürnberg vom Königstor bis zur Kaiserburg –, sondern ein durch das äußere Polygon der Festung bedingtes Innen-Polygon von Straßen, im Falle Würzburg Juliuspromenade – Theaterstraße – Hofpromenade – Neubaustraße. Hier wie dort in der Mitte der Dom und, gewissermaßen die alten Straßenzüge enger aneinanderdrückend, die raumschwelgerischen gewaltigen Baumassen der Wiener Hofburg und der Würzburger Residenz. Ringsherum aber, vom Fluß ausgehend und in einer riesigen Schleife zum Fluß zurückleitend, hier wie dort der Park-Ring der aufgelassenen alten Umwallung, ein breites grünes Dreiviertelsrund, erfüllt von Luft und Licht und Sonne.

Schön und offen bietet sich die Stadt von oben, von der Höhe der Festung des gegenüberliegenden Ufers. Von hier aus sah sie Heinrich von Kleist »in der Abenddämmerung, nicht ohne inniges Vergnügen. Die Höhe senkt sich allmählich herab, und in der Tiefe liegt die Stadt, wie in der Mitte eines Amphitheaters. Von beiden Seiten hinter ihr ziehen im halben Kreise Bergketten sich heran und nähern sich freundlich, als wollten sie sich die Hände geben.« Doch nicht minder schön empfängt sie den Wanderer, der sich ihr auf der natürlichen Zufahrtsstraße von Veitshöchheim her nähert. Dann wachsen ihre vielen Türme zusammen zum geschlossenen Bilde der geistlichen Stadt. Neben dem Vierkant des Grafen-Eckart-Turms des Rathauses steht der seine durchbrochene rötliche Turmhelm der spätgotischen Marienkapelle, in der Mitte beherrschend die vier romanischen Türme des Doms, daneben die barocken Kuppelbauten von Neumünster und die mächtigen Westtürme neben der Vierungskuppel von Stift Haug, Bauwerke aus einem halben Jahrtausend einträchtig nebeneinander, von denen jedes, organisch gewachsen, ruhig seine eigentümliche Formensprache verkündet.

Man kann nicht in Würzburg herumgehen, ohne immer wieder auf zwei Namen zu stoßen, beides Namen von Fürstbischöfen. Der eine ist der Spessartsproß Julius Echter von Mespelbrunn, eine Gestalt von Renaissanceausmaßen, jeder Zoll ein Herrscher, hart und groß, der Stifter des Julius-Spitals und der Universität, der sein Bistum verwaltete mit Schwert und Stole. Der andere Name ist Schönborn: die beiden rheinischen Grafen und Fürstbischöfe Johann Philipp Franz und Friedrich Karl, die Erbauer der Würzburger Residenz, des »vollkommensten Profanbaus des 18. Jahrhunderts«, wie Dehio sie nennt, eines der herrlichsten Stücke Barockarchitektur nicht nur in deutschen Landen. Denn abermals muß man an Wien denken, will man ein Seitenstück finden, an Lukas von Hildebrandts Palais für den Prinzen Eugen, das Belvedere: der wegen des tiefen Ehrenhofs manchmal angezogene Vergleich der Würzburger Residenz mit Versailles ist ein Unrecht gegen die unvergleichlich genialere Schöpfung Balthasar Neumanns. Neben ihr verblassen selbst so großgedachte Anlagen wie Bruchsal, und nur die Leistungen allerersten Ranges halten sich, wie Belvedere und Hofburg in Wien und Schlüters Berliner Schloß. Es lag durchaus im Stil einer so monumentalen Baugesinnung, wenn zum letzten Schmuck der herrlichen langen Flucht von Sälen und Zimmern, nämlich zur Ausmalung der repräsentativen Räume der Würzburger Residenz, des kühn angelegten Treppenhauses, der üppigen Hofkirche und des grandiosen Kaisersaals, aus Italien der virtuoseste Künstler berufen wurde, den Europa damals in dieser Gattung aufwies: Gian Battista Tiepolo, dessen Würzburger Deckenkolossalgemälde die 3oojährige Geschichte der venezianischen Malerei mit berauschender Festlichkeit beschließen. Wohl bleibt die größte Sehenswürdigkeit einer Stadt immer sie selbst; ihre Straßen und öffentlichen Plätze mit ihren Baudenkmalen. Doch liegt es im Wesen eines Gemeinwesens von so ausgesprochen kirchenfürstlicher Vergangenheit, daß auch die Innenräume seiner Hauptkirchen von selbst zu stadtgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten werden, zu steinernen Ahnengalerien im großen Stil. In diesem Sinne wäre es ein Versäumnis, nicht in den aus dem 12. und 13. Jahrhundert stammenden Dom einzutreten, vor allem wegen der an den Pfeilern des Mittelschiffs befindlichen Bischofsgrabmäler, neben jenen im Dom von Mainz »die großartigste Reihe, die Deutschland besitzt«. Die zwei berühmtesten stammen von einem Bildhauer, der an der Grenzscheide von Mittelalter und Renaissance steht, und den man nirgends so kennenlernt wie in Würzburg, von Tilman Riemenschneider, der hier gewirkt hat und sogar 1520 – 1524 Bürgermeister war. Wer seine beiden Grabplatten im Dom bewundert hat, wird unwillkürlich wünschen, noch mehr von dem Meister zu sehen. In der Neumünsterkirche, deren Stirnseite aus rotem Sandstein mit der Freitreppe davor prachtvoll wirkt, stehen seine drei Frankenapostel und eine liebliche Maria mit dem Kind. Wer aber den Künstler nicht nur in seiner Vielseitigkeit, sondern auch in seiner reinen Größe ganz kennenlernen will, muß ihm bis ins Luitpold-Museum nachgehen. Dort findet er zweimal Mutter Anna selbdritt, eine feine Barbara, eine trauernde Maria, die Doppelmadonna vom Kronleuchter, vor allem aber die wundervollen nackten Gestalten von Adam und Eva, die für Würzburg etwa das bedeuten, wie die Madonna aus dem Germanischen Museum für Nürnberg, der Reiter und die Prophetin für Bamberg, Kirche und Synagoge für Straßburg. Erst wer diese Werke kennt, wird sich staunend bewußt, welch großartige Leistungen die deutsche Plastik dieser Epoche geschaffen hat. Sie allein schon würden den Besuch Würzburgs lohnen, nicht nur den des Museums. Sicher enthält dieses außerdem noch manches sehenswerte Stück, aber wenn sie fast alle mehr oder minder noch in den Rahmen einer ausgezeichneten Provinzialsammlung einzuordnen sind, so gehört der Riemenschneider-Saal hingegen der Welt der ganz großen internationalen Kunst an so gut wie der Donatello-Saal im Florentiner Bargello.

Es gibt Museen, die in ihrer Stadt wie Fremdkörper wirken; und wiederum solche, die man sich von ihr nicht wegdenken könnte. Zu den letzteren gehört das Würzburger Luitpoldmuseum. Seine Sammlungen sind der sichtbar gewordene Ausgleich zwischen der geistlichen und der bürgerlichen Stadt. Dieser Ausgleich drückt sich auch sonst aus. Dem Juliusspital steht das Bürgerspital gegenüber wie dem Stein der Leisten, und den Domherrenhöfen rein bürgerliche Bauten wie das Haus zum Falken neben der Marienkapelle, die schönste Fassade des Würzburger bürgerlichen Rokoko, oder der Sandhof, oder in der Neubaustraße das Bachmannsche Haus und der Hof zum Rebstock.

Zum geistlichen und bürgerlichen Würzburg kommt noch ein drittes: das wissenschaftliche. Würzburg gehört zu den ältesten Universitäten. Zwar hielt sich die ursprüngliche Gründung von 1402 nur elf Jahre. Aber seit der Neugründung durch Julius Echter von Mespelbrunn (1582) hat Würzburg nie aufgehört, Universitätsstadt zu sein und hat in allen Fakultäten eine glanzvolle Tradition aufzuweisen. Das gibt der Stadt zunächst den fröhlichen und bunten Einschlag der akademischen Jugend. Aber wenn wir plötzlich Straßenschilder lesen mit dem Namen Virchows oder Köllikers, so erinnern wir uns, daß sich Würzburgs medizinische Fakultät von je eines hervorragenden Rufs erfreute, und wenn wir gar »Röntgen-Ring« lesen, so kommt uns erst zum Bewußtsein, daß hier in Würzburg im Dezember 1895 eine der gewaltigsten naturwissenschaftlichen Entdeckungen aller Zeiten gemacht wurde, daß von Wilhelm Konrad Röntgens berühmtem Vortrag mit dem bescheidenen Titel »Über eine neue Art von Strahlen« – gehalten in der Sitzung der physikalisch-medizinischen Gesellschaft am 23. Januar 1896 – Wirkungen ausgingen, deren Ende überhaupt nicht abzusehen ist. Röntgens damaliger Arbeitsraum im Physikalischen Institut ist in ein Röntgen-Gedächtniszimmer umgewandelt worden. Und jetzt erinnern wir uns auch, daß es ein Würzburger war, Friedrich König, der 1810 die Schnellpresse erfand; die von ihm gegründete Fabrik steht nicht weit mainabwärts. Würzburg ist der Gegensatz jener Städte, die nur von einer glorreichen Vergangenheit zehren. Es ist lebendige Gegenwart, und auch seine künstlerische Vergangenheit empfinden wir als ein Gegenwärtiges und Lebendiges. Nicht nur die Zeugen der Jahrhunderte fügen sich in ihm einträchtig zusammen, sondern neben der Kunst stehen Wissenschaft und Technik, und aus der befestigten fürstbischöflichen Residenzstadt von einst ist ganz von selbst die fröhliche, lebensvolle Hauptstadt Unterfrankens geworden.

Würzburg ist fröhlich. Es gehört zu jenen Städten, deren bloßer Name die Vorstellung strahlender Heiterkeit erweckt und das Herz rascher schlagen läßt. Je heißer der Tag, je leuchtender die Sonne, je blauer der Himmel, je stärker die Kontraste von Licht und Schatten, desto feiner wird der farbige Eindruck. Dann empfindet man die sinnvolle Anlage des Hofgartens mit seinen breiten besonnten Wegen und verschwiegenen Schattenpfaden, mit den herrlichen Toren aus geschmiedetem Eisen, mit Springbrunnen und Terrassen, mit übermütig sich balgenden Putten als ein Kunstwerk für sich, das nur noch der einen Steigerung fähig ist in Gestalt des märchenhaft verträumten Parks von Veitshöchheim, dem eleganten Lustschlößchen der Würzburger Fürstbischöfe: er gehört so zu Würzburg wie Hellbrunn zu Salzburg, seine Kaskade mit den Standbildern, Grottenhaus und Teichinsel, Musenberg und Pegasus finden ihre Gegenstücke in Hellbrunn und Mirabell, und wieder wird uns bewußt, um wieviel südlicher Würzburg wirkt, als der Breitengrad erwarten ließe, an dem es liegt. Es wirkt fast noch südlicher als Salzburg. Eines hat die Stadt am Main vor der an der Salzach unbedingt voraus: ihre ganz prachtvolle alte Brücke, eine der schönsten in ganz Deutschland, noch schöner als die Heidelberger. Wie die zwölf barocken Heiligengestalten mit windgebauschten Gewändern, beteuernden, flehenden, betenden Armen, geneigten oder zurückgeworfenen Häuptern im flimmernden Lichte des silbernen Flusses gegen den dunklen Marienberg stehen, wie ihre Konturen in der feuchten Luft weich und flaumig werden, das ist ein Schauspiel, das man täglich neu erlebt. Nicht umsonst haben die wandernden Handwerker der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ihren hellen Augen gerade die Würzburger Mainbrücke als Wahrzeichen genommen: kein fahrender Gesell galt für voll, der nicht durch sofortige Antwort beweisen konnte, daß er auf ihr gestanden und sie gebührend gewürdigt habe.

Wenn wir von der Festung heruntersteigen oder den aussichtsreichen Treppenweg mit den Stationen vom Käppele, Balthasar Neumanns reizender Wallfahrtskirche, sollten wir noch in einer der verschwiegenen Weinstuben am Fluß zukehren oder bei einem der weinschenkenden Bäcker in den alten Gassen und die knusperigen »Meefischli« zu einem Schoppen Most uns schmecken lassen, wofern wir uns nicht einen Karpfen in jenem Blausud zu Gemüte führen, dessen fünfzehn Ingredienzien von einem begeisterten Vergil-Kenner nach andächtiger Meditation bei der zweiten Flasche Stein-Harfe in drei Hexameter gefaßt worden sind:

Pfeffer, Sellerie, Lauch, Zitrone, Zwiebel, Wacholder, Thymian, Welschnußkern, Karotten, Petersil, Nelke, Lorbeer, Essig und Salz – und vergiß mir ja den Spritz Wein nicht!

Würzburg – um dies Selbstverständliche zum Schluß auszusprechen: Würzburg ist eine anheimelnde Stadt, in der man sich merkwürdig rasch zu Hause fühlt. Es prunkt nicht nur mit den großen Sehenswürdigkeiten, die im Baedeker zwei Sterne haben, es lockt auch mit den kleinen, die es den Fremden selbst entdecken läßt, und das macht das Wandeln durch seine malerischen Gassen zu einem Genuß von seltsamem Zauber. Es hat ganz köstliche alte Höfe und Erker, aus Fachwerk, aus gelbgrauem Sandstein, zierliche Portale und Fensterumrahmungen, es hat vor allem, wiederum wie Salzburg, eine Menge lieblicher Hausmadonnen in Nischen und ovalen Rahmen, über Toren und an Ecken, mit Laternen und Ampeln davor. Man kommt aus der Entdeckerfreude nicht heraus. Die Stadt selbst ist ein lebendiges Museum, Kleines und Großes, Altes und Neues steht fein und unaufdringlich nebeneinander. Würzburg hat viele Register, wie eine Orgel, brausende und zarte, seine Skala reicht von der Größe, die überwältigt, bis zur leisen Anmut, die bezaubert. Es besitzt keine Fontana Trevi wie Rom, in die der Scheidende, um sich der Wiederkehr zu versichern, seine Kupfermünze wirft, aber es braucht sie nicht: wer einmal in Würzburg war, kommt von selbst immer wieder.


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