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Um noch ein weiteres Beispiel für die ungeheuerliche Bindung zu geben, die Liebe nach sich zieht – auch reine Erotik, um mich anders auszudrücken –, sei an das Drama von Meyerling erinnert, ein allen sichtbares Denkmal der ewig sich gleichbleibenden und widerkehrenden Ausdrucksform der sexuellen Benebelung des Weibes und des Mannes. Kronprinz Rudolf liebte die kleine Mary, er hatte aber dem Kaiser Franz sein Ehrenwort gegeben, mit ihr zu brechen. Er konnte sein Wort nicht halten und ermordete sie und sich. Dies sind ihre Abschiedsbriefe:
»Liebe Mutter!
Verzeihe mir, was ich getan habe. Ich konnte der Liebe nicht widerstehen. In Übereinstimmung mit ihm will ich neben ihm auf dem Friedhof von Alland begraben sein. Ich bin glücklicher im Tode als im Leben.
Liebe Schwester!
Wir gehen beide selig ins ungewisse Jenseits. Denke hie und da an mich. Sei glücklich und heirate nur aus Liebe. Ich konnte es nicht tun, und da ich der Liebe nicht widerstehen konnte, so gehe ich mit ihm. Weine nicht um mich. Ich gehe friedlich in den Tod. Lege alle Jahre am 13. Januar und am Jahrestag eine Gardenie auf mein Grab. Leb wohl!
Mary.
Liebe Freundin!
Ich sterbe mit Rudolf. Wir lieben uns innig. Verzeih uns und lebe wohl.
Mary.«
Wenn die moderne Forschung, teilweise befangen von der Sucht nach Tagesruhm und Einordnung in die Schlagwortkultur einer von Unsicherheit auf allen Gebieten aufgewühlten Zeit – wenn diese Wissenschaftler sich dem Triumphzug der Frau anschließen, so mehren sie nur die Verantwortungslosigkeit eines Teiles der Literatur, der Presse, des öffentlichen Lebens. Die Warner sind nicht dümmer, weil sie gestern redeten und heute nicht mehr zu Worte kommen. Medizin und Philosophie sind sich schon seit Jahrzehnten einig darin gewesen, daß die Frau, die sich ihrem natürlichen Hörigkeitsverhältnis entzieht, einer Katastrophe entgegengeht. Denn die Frau ist ein reiner Gefühls- und Instinktmensch. Ihr hilft über Irrwege nicht der kühl wählende Verstand des Mannes hinweg. Hat sie gegen ihren Instinkt gesündigt, sündigt sie gegen ihr Gefühl. Und mit der Erkenntnis wird der Zusammenbruch kommen.
Dr. P.I. Möbius sagt einmal über die Physiologie des Weibes – (er sagt eigentlich »Schwachsinn«):
Einen Zwischenzustand zwischen dem reinen Instinktiven und dem klar Bewußten nennen wir Gefühl. Aus Gefühl handeln, aus Gefühl etwas für wahr halten, heißt, es halb instinktiv tun. Der Instinkt hat große Vorzüge, er ist zuverlässig und macht keine Sorgen. Das Gefühl nimmt zur Hälfte an diesen Vorzügen teil. Der Instinkt nun macht, daß die moderne Frau in Wahrheit nicht »befreit« ist. Als Illustration eine Verhandlung vor dem Berliner Scheidungsrichter (ich entnehme sie der »Welt am Abend«):
Der elegant gekleidete Kläger, der da vor dem Scheidungsrichter steht, ist Chemiker. Über zwei Jahre hat er damit vertrödelt, ein »Enthaarungsmittel« für Damen auszutüfteln. An seinem eigenen Kopf hat er es ausprobiert, oder wovon sollte der sonst noch ziemlich jugendlich Aussehende wohl sonst seine große Glatze haben? Das Wundermittel kaufte natürlich niemand.
Seine kleine Frau hat in den Jahren seiner Erfindertätigkeit tapfer mit ihm durchgehalten. Sie hat – vielleicht als einzige – an ihn geglaubt und Not und Elend ertragen. Mit grauem, vergrämten Gesicht, ärmlich gekleidet, steht sie da und wischt die unaufhörlich quellenden Tränen ab.
Sie hat den Ehegatten sehr geliebt – liebt ihn anscheinend noch. In den beiden vergangenen Notjahren hat sie den Mann und ihre beiden Kinder über Wasser gehalten, indem sie sich mit einem pensionierten Major anfreundete.
Der Herr Chemiker hat unterdeß das Glück gehabt, eine gutbezahlte Stellung in der Radio-Industrie zu bekommen – was sollte er jetzt noch mit der unscheinbaren Frau, die mit ihren 29 Jahren heute wie 40 aussieht?
Ihm ist es einerlei, daß sie für ihn und ihre Kinder ihren Körper derartig zerstört hat – er hat plötzlich mit dem guten Gehalt auch seine »Moralität« neu entdeckt! Nun klagt er auf Scheidung. Grund: Fortgesetzter Ehebruch der Gattin.
Sie bestreitet nichts. »Ich habe es ja nur für ihn und die Kinder getan,« wiederholt sie immer wieder und weint.
»War Ihnen das außereheliche Verhältnis Ihrer Ehefrau bekannt?« fragt der Richter.
Der Mann wirft sich in die Brust. Dann mit Pathos: »Gott behüte – nein!«
»Aber sie brachte doch offenbar Geld mit ins Haus. Fiel Ihnen das nicht auf?«
»Ich glaubte ihr, daß sie eine Aufwaschstelle angenommen hätte,« behauptet der Elegante. Die Frau schüttelt verzweifelt den Kopf. Jeder – außer dem Richter natürlich! – weiß: das lügt der Mann!
Doch das Gericht scheidet die Ehe und erklärt die Frau zum »schuldigen Teil«. »Meine Kinder ...« wimmert sie.
Aber einer Person mit so »unmoralischem Lebenswandel« kann man doch keine Kinder anvertrauen ...? Zur Erziehung auch noch?! Die werden dem Vater zugesprochen, der ja »jetzt glücklicherweise in der Lage ist, für eine sorgfältige Erziehung Sorge zu tragen«. –
Ein anderes Beispiel für die Hörigkeit der Frau – (wie nahe wohnt im Weibe die Dirne neben der Heiligen!):
Die hübsche, aber vergrämte Schustersfrau Elise F., dreißigjährig, steht wegen fortgesetzten Diebstahls vor dem Richter. Was hat sie getan? Sie ist bei wenig bemittelten Familien ihrer Gegend herumgegangen und hat sie gefragt, ob sie nicht Stiefel zu besohlen oder zu flicken hätten. Ihr Mann habe gerade freie Zeit, sie brauchten also nicht gleich zu zahlen, sondern könnten sich gelegentlich mal erkenntlich zeigen.
Es war nicht eine Hausfrau, die das Angebot nicht freudig annahm. Aber revanchiert hat sich keine, obschon Kohlen-, Grünkram-, Kartoffelhändler und Bäcker darunter waren. Ueberall aber, wo Frau Elise gewesen war, fehlte etwas: hier ein Rock, dort ein Wolltuch, ein Schirm oder eine Brosche. Das sprach sich in der Gegend herum – und eines Tages erwischte man sie, als sie wieder eine Gratisbesohlung anbot, als sie ein paar Löffel in ihrer Tasche verschwinden ließ.
Heute steht sie vor Gericht. Der kranke und gebrochene Mann sitzt unter den Zeugen. Und sie sagt aus: »Mein Mann ist nervenkrank, und wenn er keine Arbeit hat, verschlimmert sich sein Zustand. Der Arzt sagt, ihm kann nur Arbeit helfen. Da habe ich ihm denn Arbeit vorgetäuscht. Aber ich mußte doch Geld mitbringen, wenn ich die Schuhe abgeliefert hatte. So kam ich dazu. Die Sachen habe ich verkauft, und meinem Mann ging es besser.«
»Sie hätten sich doch sagen müssen, daß das mal herauskommen mußte.«
Die Angeklagte nickt und sagt schluchzend:
»Gewiß! Ich hätte lieber auf die Strasse gehen sollen – aber ich konnte nicht.«
»Es gibt doch noch andere Wege,« sagt der Vorsitzende.
Und sie erwiderte:
»Kennen Sie welche?«
Der Verteidiger weist nach, daß niemand geschädigt worden ist, da die gestohlenen Gegenstände nicht mehr wert gewesen waren, als die Reparaturen.
Das Gericht verurteilt Frau F. zu drei Monaten Gefängnis und gibt ihr Bewährungsfrist. (Dr. A. L. in der B. Z. am Mittag.)