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Hemmungslose Frauen

Hörig, wenn auch in keiner Weise mit der Frau von Schönebeck vergleichbar, war die Gattin Haus, des Rechtsanwalts, der nach jahrzentelanger Zuchthausstrafe entlassen wurde und Hand an sich selbst gelegt hat.

Aus bester Karlsruher Familie stammend, fällt sie diesem renommistischen Schwärmer zum Opfer und läßt sich von ihm, dem fünf Jahre jüngeren Manne, nach der Schweiz entführen. Zu diesem extravaganten Seitensprung gab sie ihm ihr Sparkassenbuch. Als das Geld zu Ende ging, wollte sie mit dem Erwählten gemeinsam sterben und führte diesen Entschluß auch aus. Endeffekt: Hau schoß ihr eine Kugel in die Brust, doch zum eigenen Selbstmord brachte er nicht den Mut auf. Diesen Mann heiratete sie nun und führte mit ihm ein abenteuerliches Dasein in allen möglichen Weltgegenden, bis eines Tages ihre eigene Mutter an der Seite ihrer Schwester Olga von einem unbekannten Täter niedergeknallt wurde, Hau als Täter in Verdacht geriet, verhaftet und verurteilt wurde. Von Lina Hau sagte Sello, der bekannte Berliner Verteidiger:

»Ein Schicksal hat sie betroffen, wie es gleich schwer nur wenig Irdischen beschieden sein mag. Ein Sturm war über ihr Leben dahingebraust, der auch den schwächsten Funken von Gewissen in ihr hätte anfachen müssen. Sie schickt sich an, den Weg des Todes zu betreten, sollte sie ihn mit der Last einer ungeheuren Lüge auf dem Gewissen beschritten haben?«

In dem Buch »Millionen Frauen ohne Mann« von Dr. Johannes Jottka zitiert der Autor einen Brief, den Dr. Magnus Hirschfeld erhalten hat (einen von hundert solcher Schreiben, sagt der Autor). Der Brief sei auszugsweise wiedergegeben als Dokument einer Geschlechtsnot, die – allen gegenteiligen Behauptungen zum Trotz muß es immer wiederholt werden – keiner normalen libido entspringt.

Dieser Brief ist der Ausdruck einer Sexual-Hörigkeit, mit denen in unserer Zeit leider ganz gesunde Frauen kokettieren, weil es modern und, wie man annehmen darf, für die Mehrzahl der Männer interessant ist.

»Lieber Herr Doktor!

Ich komme zu Ihnen, weil ich niemand mehr weiß, der mir helfen kann. Zehn Jahre liegen hinter mir, in denen ich grenzenlos einsam war. Ich habe kein Vermögen, und darum fragten die Männer nicht nach mir. Und mein Leben war doch nur ein einziges Warten auf den Mann, der mich liebhaben würde, für den ich leben dürfte ... Und doch könnte ich manchmal die Prostituierten beneiden, die von allen verachtet werden, und denen der Mann doch sein Bestes schenkt: die ganze Glut erster Sinnlichkeit, die junge wilde Kraft der ersten Mannesjahre. (Welche Naivität in diesen sexuellen Wunschträumen! Der Verfasser). Ach, all die scheinbare Achtung und Ehrerbietung, mit denen er die Frauen unserer Kreise behandelt, gäbe ich hin für die Nacht in seinen Armen, für eine einzige Stunde jauchzender Seligkeit.

siehe Bildunterschrift

Erzieherin und Zögling
1. Nach der Züchtigung
F. Schickert

siehe Bildunterschrift

Erzieherin und Zögling
2. Der Sturz aus dem Fenster
F. Schickert

Mein Innenleben leidet unter dem ständigen Zwang. Will ich ehrlich gegen mich selbst sein, so darf ich mir nicht verhehlen, daß ich im Charakter immer häßlicher werde. Ich stoße oft auf direkte Gemeinheiten meinerseits, vor denen ich in lichten Stunden selber erschrecke, auf Dinge, die mir früher vollkommen fremd waren. Ich bin oft grenzenlos neidisch, boshaft und bekannten Frauen gegenüber, die ein Faible für mich haben und gern mit mir zusammen sein möchten, unzugänglich, oft direkt grausam. Es mag lächerlich klingen, wenn ich Ihnen sage, daß ich z. B. einem kleinen Mädchen, das mich abgöttisch liebt, nicht gönne, daß es mit mir zusammen ist (!) Dieses achtzehnjährige Mädchen ist sehr glücklich und sehr befriedigt, wenn es mit mir zusammen sein kann, und ich bin einsam und unzufrieden. Sie werden mich wohl verstehen!

Ich werde immer gemeiner und möchte doch so gern gut sein ... Ich will es Ihnen ganz offen sagen, sehr verehrter Herr Sanitätsrat, daß ich mich in letzter Zeit oft bei dem Gedanken ertappe, da dieses Vegetieren doch nutzlos ist, und ich durch die erzwungene Enthaltsamkeit körperlich und geistig ruiniert werde, mich irgend einem Manne, sei es meinem Chef oder sonst einem Menschen, der mir gerade in den Weg kommt, an den Hals zu werfen. Ich will mich einmal in normaler Weise austoben (sic) und dem Triebe nachgeben, mich einfach wegwerfen. Wenn ich so sagen kann, ist mein Schutzgeist in solchen Augenblicken, da ich der Anrede eines mir Unbekannten aus dem körperlichen Drange heraus nachgeben möchte, nur meine große Angst vor einer Empfängnis und die Ansteckungsgefahr. In Gedanken bin ich ja schon zur Dirne geworden.

siehe Bildunterschrift

»Du verstehst es ausgezeichnet, mich an meiner schwächsten Stelle zu packen!
»Le Rire« Rouveyre

Bitte verstehen Sie mich recht, in meinem Grundcharakter ist mir die Dirnennatur zuwider, und hätte ich einen Freund, der mich sexuell befriedigte (da Körper und Geist nach meiner Meinung eines sind), so wäre durch eine, ich möchte sagen, reine Hingabe auch die Lücke in meinem geistigen Leben ausgefüllt, so wäre ich diesem treu und wollte ihm Kamerad in Freud und Leid sein. Da ich kein Fischblut besitze und keine Gelegenheit zur sexuellen Befriedigung habe, wird der Trieb immer stärker in mir, und ich werde immer mehr aus der Bahn des gesunden körperlichen und geistigen Empfindens gerissen. Zum Beispiel kommt durch die Nichtentspannung der pathologische Trieb, mit Tieren zu verkehren, den ich schon seit Kindheit an mir kenne, wieder stärker zum Ausdruck ...«

Diese Briefschreiberin ist krank. Aber die Krankheit ist gefährlich, denn sie steckt Gesunde an. Und es gibt Weltverbesserer, die auch in dem »seit Kindheit« waltenden Trieb zu Tieren nichts Krankhaftes sehen werden.

Ein besonders charakteristisches Beispiel für den Liebeshunger einer hemmungslosen Frau, die allen, die sie kannten, keineswegs als Typus eines zur Hörigkeit neigenden Weibes galt, war die verstorbene Prinzessin Victoria von Preußen. Alexander Zoubkoff, ein russischer Emigrant, befand sich auf dem Wege nach Hamburg. Er wollte nach Amerika auswandern.

Mit seinen Ersparnissen gelangte er bis Bonn. Dort suchte er seinen Verwandten auf, einen gütigen Mann, den seine Geschäfte an diesem Tage gerade abhielten, sich ihm zu widmen. »Ich muß ins Schloß, zur Prinzessin Viktoria. Mache es dir inzwischen bei mir bequem. Wir wollen heute abend über dein ferneres Schicksal beraten!« Alexander war es zufrieden. Der Vetter ging ins Schloß. Dort traf er die Prinzessin und bat um Entschuldigung wegen seines verspäteten Eintreffens.

»Ich habe Besuch erhalten von einem Verwandten, einem Emigranten aus Rußland. Mein Gott, der Junge hat allerhand durchgemacht: Flucht vor den Bolschewiki ... war dann Matrose und Filmstatist. Tellerwäscher im Hotel ... und nun will er nach Amerika. Was ihm wohl dort bevorstehen wird?«

Die Prinzessin empfand Mitleid mit dem Unbekannten. Sie wollte ihn sehen und aus seinem Munde die Geschichte seines verworrenen und schicksalreichen Lebens hören.

Am nächsten Tage kam Alexander Zoubkoff ins Schloß. Er mußte sich erst noch eine Hose borgen, um überhaupt erscheinen zu können.

Die Prinzessin stand am Teetisch. Zoubkoff mußte Platz nehmen und erzählen.

Er tat es verwirrt und stockend.

Die Prinzessin hörte ihm zu. In ihren Augen lag ein dunkler Glanz. Mitleid?

Sie bat Alexander Zoubkoff, noch einige Wochen in Bonn zu bleiben und sie wieder zu besuchen.

Er beugte sich über ihre Hand ... und er vergaß, daß er eine geliehene Hose trug und ein armer Flüchtling ohne Heimat war ... Ein warmer Hauch von Güte und Geborgensein umwehte ihn ...

Er kam wieder ...

Und eines Tages ...

Alexander Zoubkoff wurde der Gatte der Prinzessin Viktoria von Preußen, der Schwester des letzten deutschen Kaisers.

Sie selbst schrieb darüber in ihren Tagebüchern:

siehe Bildunterschrift

Am Fenster
Guys

»Baron Zoubkoff und sein Vetter waren zum Essen hier. Er ist ein sehr interessanter junger Mann, schlank, dunkel und sehr gut aussehend. Er scheint sehr intelligent zu sein, und ich werde ihn weiter zu mir einladen. Morgen habe ich die beiden wieder zum Diner gebeten.

Baron Zoubkoff kam heute morgen, wir spielten Tennis zusammen. Ich hoffe, er wird mich weiterhin besuchen. Er scheint mir ein idealer Begleiter für eine Dame zu sein. Ich finde ihn sehr anziehend und glaube, daß er auch meiner Gesellschaft froh ist.

Ich wünschte, es wären mehr Menschen im Palais. Dann würde ich mich vielleicht nicht so einsam und verlassen fühlen. Ich werde den Baron entsetzlich vermissen, wenn er Bonn verläßt ...

Ich gewinne ihn immer lieber und fürchte den Tag seiner Abreise ...

Er kam zum Tee und blieb zum Diner. Wie sehr ich ihn vermißt habe, wird nie jemand erfahren! Ich habe ihn sehr lieb und weiß, daß er mich ebenfalls schätzt. Ich bin neugierig, was man über eine Heirat sagen würde ...

Sascha hat um mich angehalten. Ich bin sehr erfreut und habe natürlich angenommen. Was werden meine Verwandten zu der Heirat sagen? Aber ich will alle Hindernisse überwinden. Titel, Geld, alles andere will ich aufgeben. Aber mein Glück will ich mir bewahren. Mein Bräutigam liebt mich, und ich liebe ihn. Ich freue mich, daß sich ein neues Leben vor mir eröffnet hat.«

Eine zweiundsechzigjährige schrieb das – und ihr Erwählter: ein Mensch ohne Heimat, Mitte der Zwanzig.

Kurz war das Glück! Zwei Jahre später war sie tot – und Zoubkoff ausgewiesen, untergetaucht, verschollen!

Sadismus des Mannes könnte sich selten so ungehemmt entfalten ohne den Masochismus des Weibes. Es wird ja immer zum Opfer: Opfer von Schändern, Händlern, Rasenden, aber nie wären alle die Scheußlichkeiten des Eros möglich (die sozialen Antriebe sind nicht ausschlaggebend), nie wäre das alles möglich ohne das Entgegenkommen des Weibes.

In einem glänzenden Roman: »Juden ohne Geld« schildert Michael Gold das Leben einer jugendlichen Bande in einer East-Side-Street (in der Übersetzung von Paul Bandisch, Neuer Deutscher Verlag, Berlin):

Das Allerschlimmste in unserer Straße war die »Bande«, eine Schar junger Strolche und Tagediebe. In jeder East-Side-Straße gibt es eine solche Bande. In der Schule des Verbrechens und der Armut, die den Namen East-Side trägt, waren diese jungen Burschen die Musterschüler. Sie arbeiteten nie. Sie spielten den ganzen Tag Billard oder tranken in den Kneipen. Die einen waren kleine schäbige Zuhälter, die anderen Taschendiebe oder Bravos. Sie kämpften und zankten sich mit der ganzen Welt und auch untereinander. Stets gab es blutigen Streit.

Sie verführten junge Mädchen. Jedermann wußte davon. Sie hatten eine Wohnung in einem der Zinshäuser gemietet, das ganze Mobiliar bestand aus einem schmutzigen alten Bett. In diesen Schlupfwinkel, den sie ihr »Lager« nannten, schleppten sie ihre Opfer, arglose Mädchen.

Das war eine Art Sport. Ich habe sie Witze reißen hören, ich habe gehört, wie sie sich ihrer Streiche rühmten. Der Anführer bei diesen Späßen war Kid Lewis, ein eleganter Bengel. Er war Boxer gewesen, hatte eine plattgedrückte Nase und ein »Blumenkohl«-Ohr. Viele Mädels von der East-Side fanden ihn hübsch. Er war ein prahlerischer Kerl, ein wenig verrückt. Sie hatten ihn im Ring so schwer zusammengehauen, daß er kaputt war und nicht mehr kämpfen konnte. Sein Hauptvergnügen war jetzt, sich junge Mädels aufzugabeln.

Er lernte sie auf der Straße oder bei einem Tanzvergnügen kennen und freundete sich mit ihnen an. Dann führte er sie in das »Lager« hinauf und verständigte die anderen.

»Barlow, brauchst nichts weiter zu sagen als Barlow, zu Shorty, Track, Fat und den anderen,« befahl er mir einmal. Ich wußte nicht, was das bedeuten solle. Als ich zu den Kerls »Barlow« sagte, wurde mir aus ihren überschwenglichen Bemerkungen alles klar. Ich schämte mich. Ich wies den Nickel zurück, den mir einer von ihnen anbot, und lief davon.

siehe Bildunterschrift

Vergnügen in der Vorstadt
Otto Schof

Kid Lewis pflegte den Mädels die Kleider wegzunehmen und sie im »Lager« einzusperren. Danach marschierten die anderen Burschen einer nach dem anderen hinein. Manchmal gingen sie alle auf einmal hinein. Das war dann ein sogenannter »Aufmarsch«. Dieser Sport ist überall beliebt, wo Menschen in brutaler Armut leben.

Eines Tages ereignete sich in dem »Lager« ein tragischer Zwischenfall. Kid Lewis schleppte ein Mädel hinauf, und vierzehn Männer fielen über sie her. Man mußte einen Krankenwagen holen. Einige Wochen lang wurde Kid Lewis von der Polizei gesucht. Dann war alles wieder vergessen. Das »Lager« blühte jahrelang.

Einige Zeilen weiter findet sich in dem gleichen Roman der Satz:

»Harry der Zuhälter. Er gehörte nicht zu diesen Bestien. Zwanzig Mädels arbeiteten für ihn. Er rühmte sich voller Stolz, daß er keine von ihnen verführt hätte. Er betrachtete sich als eine Art philanthropischen Geschäftsmann. Seltsamerweise stand er mit dieser Meinung nicht allein.«

Darum auch die maßlose Verirrung des masochistisch aufgestachelten Weibes, die wirkliche Perversion, die Hingabe an den andersrassigen Mann, ja eine Vorliebe für Neger und Asiaten!

Frauen, die in einem Hörigkeitsverhältnis stehen, finden eine Befriedigung darin, dem Manne immer wieder schriftlich zu bestätigen, daß er ihr Herr ist und »mit ihnen tun könne, was ihm beliebt«. Viele Handlungen von Frauen, die wir nicht begreifen können, wurzeln in einem solchen absoluten Abhängigkeitsverhältnis zu dem Manne. Als 1930 eine noch sehr junge Gräfin M. wegen eines gemeinen Diebstahls in Berlin verurteilt wurde, billigten ihr die Richter weitgehendste Milderungsgründe zu, weil es feststand, daß sie aus einem Hörigkeitsgefühl zu einem Manne heraus gehandelt hatte, der sich allen Weiterungen durch den Freitod entzogen hatte. Es ist durchaus nicht notwendig, daß der Mann – oder die Frau – dem Partner einen bestimmten Befehl erteilt, dessen Ausführung mit seinem eigentlichen Charakter nicht zu vereinbaren ist. Es genügt, daß eine Situation geschaffen ist, die dem Hörigen die Ausführung einer kriminellen Handlung als vorteilhaft für den oder die Geliebte erscheinen läßt. Dabei spielt das Hörigkeitsverhältnis zwischen Gleichgeschlechtlichen oft eine gewaltige Rolle, manchmal eine noch größere als jenes zwischen Andersgeschlechtlichen. Der Nichtwissende macht sich kaum eine Vorstellung von der ungeheuerlichen Macht, die ein Gleichgeschlechtlicher auf seinen hörigen Partner ausübt. In der Zeitschrift »Frauenliebe« berührt eine Mitarbeiterin Karen in einem Aufsatz: »Eine Frau über Frauen« folgenden Fall:

Eine Frau ist ihrem Mann in Liebe hingegeben, und es scheint alles in schönster Ordnung. Sie hat ein Töchterchen, liebt ihren Mann, vielleicht mit etwas mehr Zurückhaltung als er sie, – da, eines Tages begegnet sie einem Mädchen, das absolut nichts bewußt Herausforderndes an sich trägt, sondern ein herzlich lieber Mensch ist, mit allerdings großen Fähigkeiten, – und von da an ist etwas in der Seele der Frau verändert. Sie ist erwacht, ihre Seele ist getroffen und lodert auf, wie sie ihrem Manne gegenüber nie gefühlt, sie ist zugleich verstört, denn der Zwiespalt ist groß, muß sie sich doch vor ihrem Manne verbergen. Eine herbeigeführte Aussprache mit dem Mädchen läßt sie nicht zur Ruhe kommen. Ihre Ehe scheint ihr sinnlos, und sie will eine Trennung herbeiführen, ohne doch auf Erwiderung ihrer Neigung bei dem Mädchen rechnen zu können. Diese hat nur ein menschlich-herzliches Verstehen, ein Warnen und Bedauern und tut nichts dazu, das Feuer bei dieser Frau zu schüren, sondern meidet jede Annäherung. Nichtsdestoweniger ist die leichte Harmonie der Ehe gestört. Sie kann die Liebe ihres Mannes von Stunde an nicht mehr erwidern, eine lähmende Sehnsucht liegt auf ihr und sich vergessend stammelt sie einmal bei seinen Küssen den Namen des Mädchens. Der Gatte fährt hoch, forscht mißtrauisch, und als sie endlich, müde und mürbe, ihm alles berichtet, hat er ein mitleidiges Achselzucken dafür. Er vermag das einfach nicht ernst zu nehmen. Ihm wird nicht klar, daß er die Seele seiner Frau nie besessen, daß er sie ungelöst und unerfüllt gelassen – ja, geht ihm das auch dunkel durch den Sinn, er überhört es, vermag er es doch nicht zu ändern, denn was er zu bieten hatte, gab er ihr. Das Schwergewicht liegt und bleibt bei ihm auf der Sexualität. Daß nun auf einmal seine Frau nicht mehr reagiert, nicht mehr für ihn fühlt, ist ihm befremdlich, aber rätselhaft. Denn ein »Mädchen« kann doch gar nicht ein rechter Nebenbuhler werden, und er baut felsenfest auf seine Mannbarkeit! – Hier liegt ein Punkt, wo Mann und Frau sich nicht mehr erreichen. Hier liegt ein dunkler Abgrund, den nur Vereinzelte zu überbrücken wissen – hier beginnen die Schatten und Nebel hoch aufzusteigen, das Sichkennen und Sichhaben trübend und ein Heer von Irrtümern und Verkennungen hereinlassend. Er war gewiß ein feiner und gemütvoller Mensch, voll Lebenserfahrung und Intelligenz. Davon zeugte ja auch die vorher bestandene Harmonie. Aber wie diesem Manne, so geht es vielen ab, mit innerem Auge die weiten unbeackerten Flächen einer Frauenseele zu erfassen, geschweige denn, zu befruchten. Es geht ihnen sogar gegen die »Mannesnatur«, sich mit seelischen Dingen abzugeben, und sie bringen die feinsten und wertvollsten Dinge auf ein realistisches, höchstens intellektuelles Niveau, von dem sie alles zu verstehen und zu wissen meinen. Ja, seht ihr Männer, um wie viel ihr euch selbst dabei bringt. Dafür werden euch erst im Alter die Augen aufgehen, wie wenig ihr das Leben gestaltet und erfüllt habt, was eure Frauen euch an Schätzen und unsichtbaren Schönheiten mitbrachten, voll Hoffnung euch ergeben. Und wem es nicht erkennend, uneingestanden einmal durch die Seele blitzt, der ist stumpf und dumpf geworden und hat somit ein Anrecht auf Frauenliebe verloren.

Krafft-Ebing meint, bewußter Masochismus beim Weibe sei selten. Aber was ist »bewußter« Masochismus? Wie erwähnt, paaren sich oft genug Masochismus und Sadismus.

siehe Bildunterschrift

Alraune

Die Aufzählung der Fälle, die Psychopathen gesammelt haben, gehört nicht in den Rahmen dieses Werkes. Sadismus und Masochismus sollten hier nur als die aufwühlenden Ursachen offener und schrankenloser Hörigkeit gekennzeichnet werden. In Schillers »Jungfrau von Orleans« ist das Verhältnis des Engländers zu seiner schönen Freundin ein höriges, wenn auch nur angedeutet. Ganz anders geht Kleist in seiner »Penthesilea« vor. Einzigartig ist die Schilderung der Szene, wie sie Achilles, den brünstig Geliebten, zu Tode hetzt, und »den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust«. – »Küßt ich ihn tot? – Nicht? – Küßt ich ihn nicht? – Zerrissen wirklich?? So war das ein Versehen! Küsse, Bisse, das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt, kann schon das eine für das andere nehmen. –«

Daß bei der sexuellen Hörigkeit der Frau hereditäre Gefühle mitsprechen, ist selbstverständlich, denn die Zeit liegt noch nicht so weit zurück (frühes Mittelalter), in der der Mann sein Weib töten durfte, und das Züchtigungsrecht des Mannes reicht bis in die neueste Zeit. Dieser Zustand, heute sinnlos übertrieben, ins Gegenteil verkehrt, entsprach dem Wesen des Weibes viel mehr, als es die mit anderen Phrasen von Gleichheit und Gleichwert irre geleitete Frau von heute zugeben will. »Wir Frauenzimmer können nur zwischen Dienen und Herrschen wählen,« sagt die Milford in »Kabale und Liebe«. »Aber die höchste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die größere Wonne versagt bleibt, Sklavinnen eines Mannes zu sein, den wir lieben.«

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Mühle der Galanterie
Apoux

Schiller läßt diese Worte sprechen, ein deutscher Dichter, der für Frauenart doch einiges Verständnis gehabt haben müßte. Diese Hörigkeit ist aber nicht Wesen einer Nationalität. Das Bonmot von der russischen Bauersfrau, die sich darüber beklagte, ihr Mann liebe sie nicht mehr, denn er prügle sie nie mehr – dieses Bonmot hat seine tiefere Bedeutung.

So berichtete Paulini in dem 1698 erschienenen »Flagellum salutis«:

»Es sind einige Nationen, namentlich die Persianer und Russen, so (bevorab die Weiber) Schläge für ein sonderbares Liebes- und Gnadenzeichen annehmen. Sonderlich sind die russischen Weiber fast nicht vergnügter und fröhlicher, als wenn sie gute Schläge von ihren Männern empfangen, wie es Johann Barclarus mit einer merkwürdigen Historie erläutert. Es kam ein Deutscher, namens Jordan, in Muscovien, und weil ihm das Land gefiel, ließ er sich häuslich daselbst nieder und nahm ein russisches Weib, so er herzlich liebte und in allem freundlich gegen sie war. Sie aber sah immer runzlig aus, warf die Augen nieder und ließ Ach und Wehe von sich hören. Der Mann wollte wissen, warum? Denn er sich ja nicht entsinnen konnte, was ihr fehlen mochte. ›Ei,‹ sprach sie, ›was wollt Ihr mich doch lieb haben, maßen Ihr dessen noch kein Zeichen habt spüren lassen.‹ Er umhälsete sie und bat, wo er sie etwa unversehend und unwissend beleidigt hätte, solches ihm zu verziehen, er wolle es ja nimmer tun. ›Mir fehlt nichts,‹ war die Antwort, ›als nach unseres Landes Manier die Geißel, das eigentliche Merkmal der Liebe.‹ Jordan merkte diese Mode und gewöhnte sich daran, da fing das Weib an, den Mann herzinniglich zu lieben. Ebensolche Geschichte erzählt auch Peter Petreus von Erlesund mit dem Zusatz, wie die Männer gleich nach der Hochzeit unter anderem unentbehrlichem Handgerät ihnen auch Peitschen zulegten.«

Die Frau neigt eben einmal zur Geschlechtshörigkeit. George Sand hat es in »Leone Leoni« meisterhaft geschildert und bewiesen, und unser »Käthchen von Heilbronn« ist ebenso wie Goethes »Käthchen« im »Egmont« dem überlegenen, angebeteten Gatten und Liebhaber hörig.


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