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Tausend und eine Nacht. Band V
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Hundertunddreiundfünfzigste Nacht.

Alī, der Sohn des Bekkâr, und Schems en-Nahâr.Die Sonne des Tages.

»Glückseliger König, in alter Zeit lebte einmal unter dem Chalifate Hārûn er-Raschids ein Kaufmann, welcher einen Sohn, Namens Abul-Hasan Alī, Sohn des Tâhir, hatte. Derselbe war reich an Geld und Gut, schön von Gestalt und bei allen, die ihn sahen, beliebt; auch ging er ohne Erlaubnis im Chalifenpalast aus und ein, und alle die Beischläferinnen und Sklavinnen des Chalifen liebten ihn; zudem war er des Königs Tafelgenoß und hatte ihm Lieder vorzutragen und lustige Schwänke zu erzählen. Im übrigen aber kaufte und verkaufte er im Bazar der Kaufleute, und es pflegte neben seinem Laden ein junger Mann Namens Alī, der Sohn des Bekkâr, ein Perser aus königlichem Geblüt, zu sitzen.Um sich zu unterhalten. Dieser junge Mann war von hübscher Statur, eleganter Erscheinung und tadelloser Figur, mit rosigen Wangen, zusammengewachsenen Augenbrauen, süß in seiner Rede und mit lachendem Mund, ein Freund von Frohsinn und Heiterkeit.

So traf es sich denn, daß die beiden wieder einmal dasaßen und plauderten und lachten, als mit einem Male zehn Sklavinnen gleich Monden herankamen, von denen jede überaus schön und anmutig war und im schönsten Wuchs und Ebenmaß prangte; unter ihnen aber ritt ein Mädchen auf einem Maultier mit goldgesticktem Sattel und goldenem Steigbügel. Sie selber trug einen zarten Schleier und einen seidenen goldgestickten Gürtel, wie der Dichter von ihr sagt:

Seidenweich ist ihre Haut und ihre Rede sanft,
Sie schwätzt nicht zuviel und spricht auch nicht zu wenig.
Ihre Augen – Gott sprach: Werdet! – da wurden sie
Und berauschten die Herzen wie feuriger Wein.
O Liebe, mehre in jeder Nacht meine Glut,
Und du, o Trost der Liebenden, dein Tag sei erst das Gericht!Der Trost der Liebenden ist als das Ende der Liebe zu verstehen.

Als die Sklavinnen zu Abul-Hasans Laden gekommen waren, stieg das Mädchen von ihrem Maultier ab und setzte sich neben den Laden; dann begrüßte sie Abul-Hasan und dieser erwiderte ihr den Salâm. Sobald aber Alī, der Sohn des Bekkâr, sie erblickt hatte, hatte sie auch schon seinen Verstand gefangen genommen. Er wollte sich erheben, doch da sagte sie zu ihm: »Bleib' auf deinem Platz sitzen; warum wolltest du fortgehen, wenn wir hier sind? das wäre nicht das rechte.« Alī erwiderte ihr darauf: »Bei Gott, meine Herrin, ich fliehe vor dem, was ich geschaut habe. Wie schön sagt doch der Dichter:

Sie ist die Sonne am Firmament,
Drum tröste dein Herz mit geziemendem Trost;
Nie klimmst du zu ihrer Hochburg hinauf,
Und nimmer auch steigt sie zu dir herab.«

Als sie diese Worte vernahm, lächelte sie und fragte Abul-Hasan: »Wie heißt dieser junge Mann, und von wannen ist er?« Abul-Hasan antwortete: »Er ist ein Fremdling, ist der Sohn des Königs von Persien und heißt Alī, der Sohn des Bekkâr; Fremdlinge aber soll man ehren.« Da sagte sie zu ihm: »Wenn meine Sklavin zu dir kommt, so bringe ihn zu mir,« und Abul-Hasan antwortete: »Auf den Kopf.« Darauf erhob sie sich und ging ihres Weges, während Alī, der Sohn des Bekkâr, völlig seine Sprache verloren hatte.

Nach einer Weile kam die Sklavin zu Abul-Hasan und sagte zu ihm: »Meine Herrin verlangt nach dir und deinem Freund.« Da erhob sich Abul-Hasan und nahm Alī, den Sohn des Bekkâr, mit sich, und beide begaben sich zum Palast Hārûn er-Raschîds. wo sie die Sklavin in ein Privatgemach führte und aufforderte sich zu setzen. Gleich darauf wurden die Speisetische vor sie gestellt, und sie aßen und wuschen sich die Hände. Darauf setzte sie ihnen Wein vor, und sie tranken. Alsdann befahl sie ihnen aufzustehen, und sie standen auf und folgten ihr nun in ein anderes von vier Säulen getragenes Privatgemach, das sehr reich eingerichtet und aufs schönste geschmückt war, als wäre es ein Schloß in den Gärten des Paradieses, so daß sie vor Staunen über all die Kostbarkeiten, die sie erblickten, außer sich gerieten.

Während sie sich noch mit der Besichtigung dieser merkwürdigen Dinge unterhielten, kamen plötzlich zehn Sklavinnen in wunderbar schwebendem Gang gleich Monden auf sie zu, die Blicke bezaubernd und die Gedanken verwirrend, und reihten sich gleich paradiesischen Huris auf. Nach ihnen kamen zehn andere Sklavinnen mit Lauten und andern Musikinstrumenten in der Hand, begrüßten sie und begannen die Lauten zu schlagen und Lieder zu singen, so süß, daß eine jede von ihnen eine Verführung für Gottes Diener war. Nach ihnen kamen noch zehn andere Mädchen, gleich ihnen hochbusig und von gleichem Alter, mit schwarzen Augen und roten Wangen, mit zusammengewachsenen Brauen und träumerischen Augen, eine Verführung für Gottes Diener, und eine Wonne zu schauen, in allerlei bunte, sinnbestrickend schöne Seidengewänder gekleidet. Nachdem sie sich an die Thür gestellt hatten, kamen noch einmal zehn Sklavinnen, die noch schöner als sie waren, in prächtigster Kleidung herein und stellten sich gleichfalls an die Thür. Endlich traten dann noch zwanzig Sklavinnen durch die Thür, unter denen sich ein Mädchen, Namens Schems en-Nahâr, befand gleich dem Mond zwischen den Sternen, das ganz von ihrem reichen Haar umwallt war und blaue Hosen und einen seidenen goldgestickten Schleier trug, während ein reich mit Juwelen besetzter Gürtel ihre Taille schmückte. Sich stolz beim Gehen wiegend, kam sie zum Sofa herangeschritten und setzte sich darauf. Alī, der Sohn des Bekkâr, aber sprach, sobald er sie erblickte, die beiden Verse:

»Siehe, das ist sie, die meiner Krankheit Beginn ist,
Die all mein unendliches Weh und das lange Sehnen verschuldet.
In ihrer Gegenwart schau ich, wie meine Seele zerschmilzt,
Da die Sehnsucht mich quält und mein Leib sich verzehrt.«

Hierauf sagte er zu Abul-Hasan: »Wenn du Gutes an mir hättest thun wollen, so hättest du mir von alledem gesagt, bevor wir hierher kamen, daß ich meine Seele damit hätte vertraut machen können und sie mit Geduld für all ihre Martern gewappnet hätte.« Als er dann weinte und stöhnte und sein Leid klagte, sagte Abul-Hasan zu ihm: »Mein Bruder, ich hatte nur Gutes mit dir im Sinn, denn ich schwieg hierüber aus Besorgnis, du möchtest von so heftiger Leidenschaft gepackt werden, daß du behindert werden könntest mit ihr zusammen zu kommen, und deine Vereinigung mit ihr dadurch unmöglich gemacht würde. Nun aber sei guten Mutes und kühlen Auges, denn sie bringt dir dein Glück und kommt zu einer Begegnung mit dir.« Da fragte ihn Alī, der Sohn des Bekkâr: »Wie heißt dieses Mädchen?« und Abul-Hasan antwortete ihm: »Sie heißt Schems en-Nahâr und ist eine Beischläferin des Fürsten der Gläubigen Hārûn er-Raschîd; dieser Ort aber ist das Chalifenschloß.«

Schems en-Nahâr hatte inzwischen vom Sofa die Reize Alīs, des Sohnes des Bekkâr, betrachtet, und nun betrachtete er gleichfalls ihre Schönheit, und beider Herzen wurden von Liebe zu einander ergriffen. Alsdann befahl sie den Sklavinnen sich allesamt an ihren bestimmten Platz auf ein Sofa zu setzen, und nachdem sich jede von ihnen einem Fenster gegenüber niedergelassen hatte, ein Lied vorzutragen. Infolgedessen langte eine von ihnen zur Laute und sang:

Die Botschaft künde zum zweitenmal
Und laut vernimm die Antwort darauf!
O König der Schönen, ich stehe hier
Und klage zu dir meines Herzens Stand.
Mein Gebieter, mein teures, mein eigenes Herz,
O du mein Leben, so kostbar und wert,
Einen Kuß doch gewähr' mir als gütig Geschenk,
Und wenn als Geschenk nicht, so gieb ihn auf Borg.
Ich geb' ihn dir wieder – Gott hüte dich!
Wie du ihn mir gabst, ganz unversehrt;
Und heischest du mehr, als du gabst, wohlan,
Nimm alles, was deine Seele beglückt.
Du kleidetest mich in der Krankheit Gewand,
Doch das Kleid der Gesundheit sei ewig dein Schmuck!

Als sie ihr Lied beendet hatte, sagte Alī, der Sohn des Bekkâr, entzückt zu ihr: »Singe mir noch ein ähnliches Lied.« Da rührte sie die Saiten und trug folgende Verse vor:

Durch die lange Trennung, Geliebter, lehrtest du meine Lider lange weinen;
O meines Auges Glück und Begehr und höchstes Ziel und mein Glauben,
Hab' Erbarmen mit ihr, deren Auge versank in den Thränen der Liebeverstörten, Vergrämten.

Als sie ihren Gesang beendet hatte, forderte Schems en-Nahâr noch zwei andere Mädchen auf etwas vorzutragen; dann bat Alī, der Sohn des Bekkâr, das Mädchen, das neben ihm saß, ebenfalls etwas zu singen und seufzte und zerfloß in Thränen, als sie ihren Gesang beendet hatte. Wie nun Schems en-Nahâr sah, daß er weinte, stöhnte und klagte, entbrannte sie gleichfalls in Liebesglut und Sehnsucht, und Weh und wilde Leidenschaft verzehrten sie, so daß sie sich von ihrem Sofa erhob und nach der Thür des Alkovens schritt. Da erhob sich Alī, der Sohn des Bekkâr, ebenfalls, und schritt ihr entgegen, und nun umarmten sie sich und sanken in der Thür in Ohnmacht, worauf die Mädchen auf sie zu liefen, sie aufhoben und in den Alkoven trugen, wo sie sie mit Rosenwasser besprengten.

Als sie wieder zu sich kamen und Abul-Hasan, der sich neben dem Sofa versteckt hatte, nicht fanden, rief das Mädchen: »Wo ist Abul-Hasan?« Infolgedessen kam er wieder hinter dem Sofa zum Vorschein, und sie begrüßte ihn und sagte: »Ich bitte zu Gott, daß er mich in stand setzt dir zu lohnen, du Gütiger.« Dann wendete sie sich zu Alī, dem Sohn des Bekkâr, und sagte zu ihm: »Mein Herr, nicht nur deine Liebe hat den höchsten Grad erreicht, sondern auch die meinige, und nichts anderes bleibt uns übrig als zu ertragen, was uns betroffen hat.« Da entgegnete ihr Alī, der Sohn des Bekkâr: »Bei Gott, meine Herrin, meine Vereinigung mit dir wird mich nicht glücklich machen, die Flamme in mir aber kann nicht verlöscht werden, und die Liebe, die mein Herz in Besitz genommen hat, kann nicht eher aufhören als mein Odem verweht.« Darauf begann er zu weinen, und seine Thränen liefen ihm wie Regenströme über die Wangen, so daß Schems en-Nahâr beim Anblick seiner Thränen ebenfalls weinen mußte. Abul-Hasan aber sagte nun: »Bei Gott, ich muß mich über eure Sache verwundern, und mich verwirrt euer Zustand, denn euer Benehmen ist wunderbar und euer Fall merkwürdig. Ihr weint hier, wo ihr doch bei einander seid; wie mag es erst mit euch stehen, wenn ihr voneinander getrennt seid? Fürwahr, dies ist keine Zeit zum Trauern und Weinen, sondern fröhlich und vergnügt zu sein.« Da gab Schems en-Nahâr einer Sklavin ein Zeichen, welche sich darauf erhob und mit einigen Dienerinnen wiederkehrte, die einen Speisetisch mit silbernen Schüsseln trugen, in denen verschiedene Gerichte waren. Nachdem sie denselben ihnen vorgesetzt hatten, speiste Schems en-Nahâr und stopfte Alī, dem Sohn des Bekkâr, Bissen in den Mund, bis beide satt waren. Dann wurde der Tisch wieder fortgetragen, und man brachte ihnen, nachdem sie sich die Hände gewaschen hatten, die Räuchergefäße mit verschiedenem Aloeholz und Fläschchen mit Rosenwasser, und sie beräucherten und parfümierten sich. Hierauf wurden ihnen Gefäße aus graviertem Gold mit allerlei Getränken, frischen und getrockneten Früchten vorgesetzt, wie sie das Herz begehrt und das Auge entzücken, und zum Schluß brachte man ihnen ein Gefäß aus Karneol voll Wein. Nun wählte Schems en-Nahâr zehn Dienerinnen aus, die sie neben sie stellte, und zehn Sängerinnen, während sie die übrigen in ihre Gemächer zurückschickte. Dann befahl sie einigen der anwesenden Mädchen die Laute zu schlagen, und eine von ihnen sang zu ihrem Spiel die Verse:

Mein Leben für den, der den Gruß mir lachend erwidert,
Der mir von neuem nach allem Verzweifeln die Lust zur seligen Vereinigung weckt.
Wahrlich, nun decken die Hände der Sehnsucht mein Innerstes auf
Und zeigen den Tadlern, was tief ich im Herzen trug.
Meines Auges Thränen trennen mich von dem Geliebten,
Als liebten die Thränen den Teuern wie ich.

Als die Sängerin ihr Lied beendet hatte, erhob sich Schems en-Nahâr, füllte den Becher und trank ihn aus; dann füllte sie ihn von neuem, reichte ihn Alī, dem Sohn des Bekkâr,

Hundertundvierundfünfzigste Nacht.

und befahl einem andern Mädchen zu singen, welche darauf folgende beiden Verse vortrug:

Meine rinnenden Thränen gleichen meinem Wein,
Und, was im Becher funkelt, vergießt auch mein Auge.
Bei Gott, ich weiß nicht, ob meine Lider den Wein vergießen,
Oder ob ich von meinen Thränen trank.

Als sie ihren Gesang beendet hatte, trank Alī, der Sohn des Bekkâr, den Becher aus und gab ihn Schems en-Nahâr zurück, welche ihn von neuem füllte und Abul-Hasan überreichte. Nachdem derselbe ihn getrunken hatte, nahm sie die Laute und sagte: »Zu meinem Becher soll kein anderer singen als ich.« Dann spannte sie die Saiten und trug folgende Verse vor:

In überreichen Strömen fließen die Thränen über ihre Wangen,
Liebesweh läßt sie rinnen, und das Feuer der Liebe flammt in ihrer Brust.
Sie weint, wenn der Geliebte nahe ist, aus Furcht geschieden zu werden,
So daß ihre Thränen fließen, ob er nahe oder fern weilt.

Und ferner das Dichterwort:

Wir wollen uns opfern für dich, du Trinkgenoß, den Schönheit gekleidet hat,
Von dem leuchtenden Scheitel an bis hinab zum Schenkel.
Aus deinen Händen geht die Sonne auf, aus deinem Mund die Plejaden,
Und der strahlende Vollmond erhebt sich aus deiner Krause.Der Becher wird mit der Sonne, die Zähne mit den Plejaden und das Haupt mit dem Mond verglichen.
Siehe, deine Becher, die meinen Verstand verdunkelten,
Sie kreisen aus deinen dunkeln Pupillen.
Ist es nicht wunderbar, daß du ein Vollmond bist,
Wenn du voll bleibst und nur, die dich lieben, vergehn?
Bist du ein Gott, daß du tötest und wieder lebendig machst,
Indem du nach Belieben empfängst und dich versagst?
Erschaffen hat Gott nach deinem Bilde die Schönheit
Und den Duft des Zephyrs nach deinem Wesen.
Du bist nicht ein Geschöpf dieser irdischen Welt,
Ein Engel bist du, von deinem Schöpfer gesandt.

Als Alī, der Sohn des Bekkâr, Abul-Hasan und die Anwesenden Schems en-Nahârs Lied vernahmen, wären sie vor Entzücken fast in die Höhe geflogen. Dann tändelten sie und lachten, als mit einem Male eine Sklavin vor Furcht zitternd ankam und sagte: »Meine Herrin, der Fürst der Gläubigen ist soeben gekommen und ist schon vor der Thür, und bei ihm sind Afîf, Mesrûr und noch andere.« Bei diesen Worten der Sklavin wären sie vor Furcht beinahe umgekommen, Schems en-Nahâr aber lachte und sagte: »Fürchtet euch nicht.« Darauf befahl sie der Sklavin: »Bring' ihnen Antwort, während wir inzwischen diesen Raum verlassen,« und gebot den andern die Thür des Alkovens zu verriegeln und die Vorhänge vor den Thüren herabzulassen, während sie darin blieben. Alsdann verriegelte sie die Saalthür und ging in den Garten, wo sie sich auf ihr Polster setzte und einer Sklavin befahl ihr die Füße zu kneten,Sie will hierdurch glauben machen, daß sie eben aus dem Schlaf erwacht sei den andern aber sich in ihre Gemächer zurückzuziehen gebot. Schließlich befahl sie noch der Sklavin die Thür aufzulassen, daß der Chalife eintreten könnte, und so trat denn Mesrûr mit seinen Begleitern herein, ihrer zwanzig an der Zahl, mit den Schwertern in der Hand, und boten Schems en-Nahâr den Salâm. Schems en-Nahâr aber fragte sie: »Weshalb seid ihr zu mir gekommen?« worauf sie ihr erwiderten: »Der Fürst der Gläubigen entbietet dir den Salâm; er verzehrt sich vor Sehnsucht nach deinem Anblick und läßt dir vermelden, daß er heute übergroße Freude und unerwartet hohes Glück gehabt hat und nun seine Freude in dieser Stunde durch deine Gesellschaft besiegeln will. Willst du zu ihm, oder soll er zu dir kommen?« Da erhob sie sich, küßte die Erde und sprach: »Ich höre und gehorche dem Befehle des Fürsten der Gläubigen.« Darauf befahl sie die Wirtschafterinnen und Sklavinnen zu rufen und teilte ihnen, als sie erschienen waren, mit, daß sie dem Befehle des Chalifen nachkommen wolle.

Obwohl nun alles aufs beste hergerichtet war, sagte sie doch zu den Eunuchen: »Gehet zum Fürsten der Gläubigen, und teilet ihm mit, daß ich ihn nach kurzer Frist erwarte, sobald ich ihm einen Platz mit Teppichen und andern Sachen zurecht gemacht habe.« Während sich nun die Eunuchen eiligst zum Fürsten der Gläubigen begaben, erhob sich Schems en-Nahâr und begab sich zu ihrem Geliebten Alī, dem Sohn des Bekkâr; sie preßte ihn an ihre Brust und nahm Abschied von ihm, während er laut weinend sagte: »Ach, meine Herrin, laß mich diesen Abschied recht auskosten, vielleicht verhilft er mir dazu, daß ich aus Liebe sterbe und meinen Geist aufgebe; doch will ich zu Gott beten, daß er mir Geduld für die Prüfung gewährt, welche die Liebe über mich gebracht hat.« Da entgegnete ihm Schems en-Nahâr: »Bei Gott, umkommen werde ich nur, denn du wirst auf den Bazar gehen und dich an irgend wem trösten, du wirst sicher sein und deine Sehnsucht bleibt verborgen, ich aber werde sicherlich ins Unglück geraten, zumal da ich mich mit dem Chalifen zu einer Zusammenkunft verabredet habe. Denn sehr leicht kann ich um meiner Sehnsucht, meiner Liebe und Verliebtheit willen und wegen der Trauer über die Trennung von dir in große Gefahr geraten. Mit welcher Zunge soll ich singen, mit welchem Herzen bei dem Chalifen weilen, mit welchen Worten soll ich den Fürsten der Gläubigen unterhalten und mit welchem Blick soll ich auf einen Platz schauen, wo du nicht weilst? Wie kann ich an einer Gesellschaft teilnehmen, in der du nicht bist, und mit was für einem Geschmack soll ich Wein trinken, wo du nicht zugegen bist?« Abul-Hasan antwortete ihr: »Laß dich nicht niederschlagen, hab' nur Geduld, sei in der Unterhaltung des Fürsten der Gläubigen heute Nacht nicht zerstreut und vernachlässige ihn nicht.« Während sie sich noch in dieser Weise unterhielten, kam eine Sklavin und sagte: »Meine Herrin, die Pagen des Fürsten der Gläubigen kommen.« Da erhob sie sich und sagte zur Sklavin: »Nimm Abul-Hasan und seinen Freund und geh' mit ihnen zum obern Balkon, der auf den Garten geht, hinauf. Laß sie dort, bis es finster wird, und ersinne dann eine List, wie du sie hinausschaffst.« Die Sklavin gehorchte, führte beide zum Balkon hinauf und ging, nachdem sie die Thür hinter ihnen verriegelt hatte, ihres Weges, während sie auf den Garten hinausschauten. Mit einem Male erschien der Chalife; gegen hundert Eunuchen schritten vor ihm mit den Schwertern in der Hand, und zwanzig Mädchen in kostbarster Kleidung umgaben ihn, von denen eine jede eine mit Rubinen und Edelsteinen besetzte Krone trug und in der Hand eine brennende Kerze hielt, während der Chalife, von allen Seiten von ihnen umgeben, zwischen ihnen hin- und herwiegenden Ganges schritt, Mesrûr, Afîf und Wafîf zu beiden Seiten ihm voran. Da erhob sich Schems en-Nahâr samt allen Sklavinnen, die bei ihr waren, und nahmen sie an der Thür des Gartens in Empfang, indem sie ihnen, nachdem sie die Erde vor ihnen geküßt hatten, ihnen vorausschritten, bis sich der Chalife auf sein Polster gesetzt hatte. Nun stellten sich alle die Sklavinnen und die Eunuchen, die sich im Garten befanden, rings um den Chalifen auf, während die Kerzen brannten und die Musikinstrumente spielten, bis er ihnen fortzugehen und sich auf ihre Polster zu setzen befahl, worauf sich Schems en-Nahâr auf ein Polster an seine Seite setzte und mit ihm plauderte. Alles dieses geschah vor den Augen und Ohren Abul-Hasans und Alīs, des Sohnes des Bekkâr, ohne daß der Chalife die beiden sah. Hierauf scherzte der Chalife mit Schems en-Nahâr und befahl den Pavillon zu öffnen. Da öffneten sie die Thür und die Fenster und zündeten die Kerzen an, so daß der Raum zur Nachtzeit wie der helle Tag erstrahlte, und die Eunuchen schafften das Trinkgeschirr dort hinein. Abul-Hasan aber sagte: »Solch Geschirr, solche Getränke und Kostbarkeiten habe ich noch nicht gesehen noch habe ich je von dergleichen Edelsteinen gehört; es ist mir als wäre ich im Traum, mein Verstand ist verwirrt und mein Herz pocht.« Was aber Alī, den Sohn des Bekkâr, anlangt, so hatte derselbe nach dem Abschied von Schems en-Nahâr lange Zeit auf dem Boden von heißem Liebesweh niedergestreckt gelegen und hatte dann, als er wieder zu sich gekommen war, diesem einzigartigen Schauspiel zugeschaut. Nun sagte er zu Abul-Hasan: »Mein Bruder, ich fürchte, daß uns der Chalife sieht oder von unserer Anwesenheit erfährt. Am meisten aber bin ich um dich besorgt, denn was mich anlangt, so weiß ich, daß ich dem Tode verfallen bin, da meines Endes Ursache allein meine Liebe und Sehnsucht und meine rasende Leidenschaft ist. Doch wollen wir zu Gott auf Befreiung aus dieser Prüfung hoffen.«

Hierauf sahen Abul-Hasan und Alī, der Sohn des Bekkâr, wieder vom Balkon aus dem Treiben des Chalifen zu, bis alles zum Mahl für den Chalifen hergerichtet war. Alsdann wendete sich der Chalife zu einer der Sklavinnen und sagte zu ihr: »Gharâm,Sehnsucht. laß uns doch etwas von deinem entzückenden Gesang hören.« Da sang die Sklavin in entzückender Melodie die Verse:

Der Beduinin Leid, die fern von ihrer Sippe weilt,
Und die sich in Sehnsucht verzehrt nach dem Bân des Hidschâs und seinem Lorbeer:
So groß wohl wird's, daß sie beim Zusammentreffen mit einer Karawane,
An ihrer Sehnsucht Glut ihr Mahl bereiten und aus ihren Thränen sich Wasser schöpfen könnte;
Doch ist's nicht größer als das Leid, das ich um meinen Geliebten erdulde,
Der da glaubt, daß meine Liebe zu ihm eine Sünde ist.

Als Schems en-Nahâr jedoch dieses Lied vernahm, sank sie von ihrem Polster ohnmächtig zu Boden und verlor die Besinnung. Da sprangen die Sklavinnen heran und hoben sie auf, Alī, der Sohn des Bekkâr, aber sank, sobald er dieses vom Balkon aus gesehen hatte, gleichfalls in Ohnmacht, so daß Abul-Hasan sprach: »Fürwahr, das Schicksal hat die Sehnsucht zwischen ihnen ganz gleich verteilt.« Während sie aber noch mit einander redeten, kam plötzlich die Sklavin, die sie zum Balkon hinaufgeführt hatte, zu ihnen und rief: »Abul-Hasan steh' auf mit deinem Gefährten und komm herunter, denn die Welt ist uns eng geworden, und ich fürchte, daß die Geschichte bekannt wird. Erhebet euch sofort oder wir sind des Todes.« Da sagte Abul-Hasan: »Wie kann dieser junge Mann aufstehen und mit mir kommen, wo er keine Kraft dazu besitzt?« Nun spritzte ihm die Sklavin Rosenwasser ins Gesicht, bis er wieder zu sich kam, und dann luden Abul-Hasan und die Sklavin ihn auf und stiegen vom Balkon herunter. Nachdem sie eine kurze Strecke weit geschritten waren, öffnete die Sklavin eine kleine eiserne Thür und geleitete Abul-Hasan und Alī, den Sohn des Bekkâr, zu einer Steinbank hinaus, dann klatschte sie in die Hände, und gleich darauf kam ein Boot mit einem Ruderknecht, welchem sie, nachdem sie die beiden hatte einsteigen lassen, befahl: »Rudere sie zum andern Ufer hinüber.« Als sie aber in das Fahrzeug gestiegen waren und sich vom Garten trennten, schaute Alī, der Sohn des Bekkâr, zum Pavillon und zum Garten hinüber und nahm von ihnen mit diesen beiden Versen Abschied:

»Ausstreck' ich zum Abschied eine schwache Hand,
Und die andre leg' ich auf den brennenden Fleck unterm Herzen.
Ach, nimmer sei dies das Ende unseres Glücks,
Und nimmer dies meine letzte Wegzehrung!«

Hierauf befahl das Mädchen dem Schiffer: »Beeile dich mit ihnen,« und der Schiffer ruderte flott drauf los, während die Sklavin sie begleitete.

Hundertundfünfundfünfzigste Nacht.

Als sie das andere Ufer erreicht hatten, sagte das Mädchen zu ihnen: »Ich hätte mich gern von euch nicht getrennt, doch kann ich euch nur bis hierher geleiten;« alsdann nahm sie Abschied von ihnen und kehrte zurück, während Alī, der Sohn des Bekkâr, vor Abul-Hasan niedergestreckt lag und nicht aufzustehen vermochte. Da sagte Abul-Hasan zu ihm: »Dieser Ort ist nicht sicher, und wir haben hier wegen der Räuber und Strolche für unser Leben zu fürchten.«

Infolgedessen erhob sich Alī, der Sohn des Bekkâr, und versuchte einige Schritte zu machen, doch war er nicht imstande zu gehen. Da nun Abul-Hasan auf diesem Ufer einige Freunde hatte, begab er sich zu einem, dem er vertrauen und auf den er sich verlassen konnte, und pochte an seine Thür, worauf derselbe eilig herauskam. Als er die beiden erblickte, hieß er sie willkommen und geleitete sie in seine Wohnung, wo er sie Platz nehmen ließ und sich mit ihnen unterhielt. Auf seine Frage, wo sie gewesen wären, erwiderte Abul-Hasan: »Wir waren so spät ausgegangen, weil mir zu Ohren gekommen war, daß ein Mann, mit dem ich Geldgeschäfte habe, mit meinem Gelde durchbrennen wollte. Ich ging deshalb in der Nacht zu ihm und nahm mir zur Gesellschaft meinen Freund hier, Alī, den Sohn des Bekkâr, mit. Wir fanden ihn jedoch nicht, da er sich vor uns versteckt hielt, und so kehrten wir wieder ohne Geld um. Da es uns aber unangenehm war, jetzt zur Nachtzeit heimzukehren und wir nirgends Unterkunft als bei dir zu finden wußten, kamen wir zu dir im Vertrauen auf deine bekannte Gefälligkeit.« Als der Mann diese Erzählung vernommen hatte, hieß er sie von neuem willkommen und nahm sie aufs beste auf; und sie verbrachten den Rest der Nacht bei ihm.

Am andern Morgen verließen sie ihn und begaben sich wieder zur Stadt. Als sie hier an Abul-Hasans Haus vorüberkamen, lud dieser seinen Gefährten Alī, den Sohn des Bekkâr, zu sich ein und führte ihn in sein Haus, wo sie sich noch einmal für kurze Zeit aufs Bett legten. Hernach als sie sich erholt hatten, befahl Abul-Hasan seinen Dienern das Haus prächtig auszustatten und sprach bei sich, als sie es gethan hatten: »Ich muß diesem Jüngling Gesellschaft leisten und ihn in seinem Kummer trösten, denn ich weiß, wie es mit ihm steht.« Alī, der Sohn des Bekkâr, aber hatte beim Erwachen nach Wasser gerufen und war, als man es ihm gebracht hatte, aufgestanden, hatte die Waschung vollzogen und die vorgeschriebenen Gebete, die er den Tag und die Nacht zuvor vergessen hatte, gebetet und suchte sich nun durch Unterhaltung zu trösten. Als Abul-Hasan dieses sah, ging er auf ihn zu und sprach zu ihm: »Mein Herr Alī, das beste für dich ist, du bleibst die Nacht über bei mir, daß sich deine Brust ausdehnen kann und du die Schmerzen der Sehnsucht vergissest und dich bei uns zerstreust.« Alī, der Sohn des Bekkâr, antwortete ihm darauf: »Mein Bruder, thu' was dir gut scheint: ich kann doch auf keinen Fall aus dem Leid, das mich betroffen hat, entkommen. Thue daher, was du willst.« Da erhob sich Abul-Hasan, rief seine Burschen und gab ihnen den Auftrag seine Freunde zu holen und Sänger und Musikanten herbeizuschaffen. Als dieselben gekommen waren, verbrachten sie den Rest des Tages bis zum Abend schmausend, zechend und guter Dinge. Hierauf wurden die Kerzen angezündet, die Becher kreisten unter ihnen, und, wie sie sich nun alle wohl fühlten, nahm eine Sängerin die Laute und sang:

Getroffen hat mich die Zeit mit eines Blickes Geschoß,
Und der Pfeil hat mich gefällt, und ich bin von dem Liebsten geschieden
Das Schicksal hat sich wider mich empört, und meine Geduld versagt,
Doch ich ahnte zuvor, daß es also kommen würde.

Bei diesem Liede der Sängerin stürzte Alī, der Sohn des Bekkâr, ohnmächtig zu Boden und blieb in seiner Ohnmacht bis zum Anbruch der Morgenröte liegen, so daß Abul-Hasan ihn schon aufgab. Als er dann bei Tagesanbruch wieder zu sich kam, verlangte er nach Hause zu gehen, und Abul-Hasan redete ihm aus Furcht vor dem Ausgang seiner Sache nicht ab, sondern befahl seinen Burschen ein Maultier zu bringen und ihn daraufzusetzen; dann begleitete er ihn zu seiner Wohnung und pries Gott, als er ihn dorthin gebracht hatte, über seine Errettung aus diesem Schlund und suchte ihn zu trösten, während er sich in seiner heftigen Sehnsucht nicht zu fassen vermochte. Hierauf verabschiedete sich Abul-Hasan von ihm,

Hundertundsechsundfünfzigste Nacht.

und Alī, der Sohn des Bekkâr, sagte zu ihm: »Mein Bruder, laß mich nicht ohne Nachricht.« Abul-Hasan erwiderte: »Ich höre und gehorche;« dann erhob er sich, begab sich zu seinem Laden, öffnete ihn und wartete auf Nachricht von dem Mädchen, doch brachte ihm niemand irgend eine Botschaft. Nachdem er die Nacht dann wieder in seiner Wohnung verbracht hatte, machte er sich am andern Morgen zur Wohnung Alīs, des Sohnes des Bekkâr, auf, den er auf seinem Lager liegend fand, von seinen Freunden und den Ärzten umgeben, von denen ein jeder ihm etwas anderes verschrieb und den Puls fühlte. Wie nun Abul-Hasan eintrat und er ihn sah, lächelte er, während Abul-Hasan ihn begrüßte, sich nach seinem Befinden erkundigte und sich zu ihm setzte, bis die Leute fortgegangen waren. Dann fragte er ihn: »Was soll dies?« Und Alī, der Sohn des Bekkâr, erwiderte ihm: »Es ist ruchbar geworden, daß ich krank bin, und meine Freunde haben das Gerücht gehört, ich aber bin nicht kräftig genug um aufzustehen und auszugehen, so daß ich den, der da sagt, ich sei krank, Lügen strafen kann; so blieb ich denn zu Hause liegen, wie du siehst, und meine Freunde kamen mich zu besuchen; doch, mein Bruder, hast du das Mädchen gesehen oder hast du von ihr Nachricht bekommen?« Abul-Hasan erwiderte: »Seit dem Tage, daß sie uns am Ufer des Tigris verließ, ist sie nicht mehr zu mir gekommen. Hüte dich aber, mein Bruder, daß du in Schimpf und Schande kommst und gieb das Weinen auf.« Da entgegnete Alī, der Sohn des Bekkâr: »Ach, mein Bruder, ich kann mich nicht fassen, mich hat ein Unglück heimgesucht, vor dem ich mich sicher hielt, und keine größere Ruhe finde ich jetzt als den Tod.« Abul-Hasan entgegnete ihm: »Fasse dich nur in Geduld, vielleicht giebt Gott dir Genesung.« Alsdann verließ er ihn und begab sich wieder in seinen Laden. Er hatte ihn noch nicht lange geöffnet und sich gesetzt, als die Sklavin zu ihm kam und ihn begrüßte. Nachdem er ihr den Salâm erwidert hatte, blickte er sie an und fand, daß ihr Herz pochte, und daß Spuren von Kummer an ihr sichtbar waren. Da sagte er zu ihr: »Willkommen, wie geht es Schems en-Nahâr?« Die Sklavin erwiderte: »Du sollst erfahren, wie es ihr geht, doch wie steht's mit Alī, dem Sohn des Bekkâr?« Nun erzählte ihr Abul-Hasan alles, was sich zugetragen hatte, und, als sie es vernommen hatte, seufzte sie, klagte und verwunderte sich darüber. Dann sagte sie: »Der Zustand meiner Herrin ist noch seltsamer. Als ihr fortgegangen waret, und ich pochenden Herzens und kaum an euer Entkommen glaubend zurückgekehrt war, fand ich meine Herrin in dem Pavillon ausgestreckt daliegen, ohne ein Wort zu sprechen oder einem Antwort zu geben, während der Fürst der Gläubigen ihr zu Häupten saß und keinen fand, der ihm dieses hätte erklären können und ohne zu wissen, was ihr fehlte. Bis Mitternacht lag sie in ihrer Ohnmacht, dann kam sie wieder zu sich, und nun fragte sie der Fürst der Gläubigen: »Was ist dir zugestoßen, Schems en-Nahâr, und was hat dich heute Nacht betroffen?« Als Schems en-Nahâr die Worte des Chalifen vernahm, küßte sie ihm die Füße und sagte zu ihm: »O Fürst der Gläubigen, Gott lasse mich dein Opfer sein! Ich hatte mir den Magen verdorben und verspürte ein Feuer in mir, so daß ich vor Schmerzen in Ohnmacht sank und nicht weiß, was mit mir vorgefallen ist.« Wie nun der Chalife sie fragte: »Was hast du am Tage gegessen?« antwortete sie: »Ich aß etwas zum Frühstück, was ich noch nie zuvor gegessen hatte.« Darauf stellte sie sich, als ob sie wieder zu Kräften gekommen wäre und verlangte etwas zu trinken; nachdem sie sich daran gestärkt hatte, bat sie den Chalifen die Lustbarkeiten wieder aufzunehmen, und der Chalife setzte sich wieder in den Pavillon. Als ich dann zu ihr kam, fragte sie mich nach euch, und ich erzählte ihr, was ich mit euch gethan hatte, und teilte ihr auch die Verse mit, die Alī, der Sohn des Bekkâr, beim Abschied gesprochen hatte. Sie schwieg darauf, der Fürst der Gläubigen aber setzte sich und befahl der Sängerin wieder etwas vorzutragen. Da sang sie die beiden Verse:

Fern von euch behagt mir nichts vom Leben,
Ach, wüßt' ich doch, wie es euch, fern von mir, ergeht!
Blutige Thränen müßten meine Augen weinen,
Vergösset ihr Thränen über die Trennung von mir.

Als sie jedoch die Verse vernahm, sank sie wieder in Ohnmacht.

Hundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

Da faßte ich sie bei der Hand und sprengte ihr Rosenwasser ins Gesicht, worauf sie wieder zu sich kam. Dann sagte ich zu ihr: »Ach, meine Herrin, stelle doch nicht dich selbst und alle, die dein Schloß beherbergt, bloß; bei dem Leben deines Geliebten, fasse dich!« Sie aber entgegnete mir: »Giebt es noch etwas schlimmeres als den Tod? Ich verlange danach, da ich in ihm allein Ruhe finde.« Während wir diese Worte miteinander wechselten, sang ein anderes Mädchen die Worte des Dichters:

Sie sagen, ergebenem Harren folgt Ruhe vielleicht;
Doch ich sage: Wie kann ich mich fügen, seitdem er fern weilt?
Denn einen festen Bund schloß er mit mir
Zu zerreißen die Seile der Geduld bei unsrer Abschiedsumarmung.

Da sank sie, sobald die Sängerin ihr Lied beendet hatte, zum drittenmal in Ohnmacht. Der Chalife, der sie anschaute, kam schnell zu ihr und befahl nun den Wein fortzuschaffen und hieß alle Sklavinnen in ihre Gemächer gehen. Er selber aber blieb die Nacht über bis zum Morgen bei ihr, ließ die Ärzte rufen und befahl ihnen sie zu pflegen, ohne zu wissen, daß sie aus Liebe und Sehnsucht krank geworden war. Ich selber blieb so lange bei ihr, bis ich glaubte, sie hätte sich wieder erholt, und dies ist der Grund, der mich zu euch zu gehen verhinderte. Als sie mir dann befahl zu euch zu gehen, um Nachricht von Alī, dem Sohn des Bekkâr, einzuholen und dann wieder zu ihr zurückzukehren, ließ ich eine Anzahl ihrer vertrautesten Sklavinnen bei ihr.«

Als Abul-Hasan ihren Bericht vernahm, verwunderte er sich und sagte zu ihr: »Bei Gott, ich habe dir alles von Alī, dem Sohn des Bekkâr, erzählt; kehre darum zu deiner Herrin zurück, grüße sie, ermahne sie zur Geduld und sprich zu ihr: Verbirg dein Geheimnis. Teile ihr auch mit, daß ich um ihre Sache weiß, und daß es ein schwierig Ding sei, das wohl bedacht sein will.« Hierauf verabschiedete sich die Sklavin von ihm unter Danksagungen und kehrte wieder zu ihrer Herrin zurück, während Abul-Hasan bis zum Abend in seinem Laden blieb. Dann aber erhob er sich, legte ein Schloß vor seinen Laden und begab sich zur Wohnung Alīs, des Sohnes des Bekkâr. Auf sein Pochen kam einer der Burschen Alīs heraus und ließ ihn eintreten. Bei seinem Eintreten lächelte Alī, der Sohn des Bekkâr, da er in seinem Kommen ein gutes Zeichen sah, und sagte zu ihm: »Ach, Abul-Hasan, du machtest mich durch dein heutiges Ausbleiben einsam, da meine Seele an dir mein ganzes Leben lang hängt.« Abul-Hasan erwiderte ihm: »Laß diese Worte; könnte ich dein Lösegeld sein, ich kaufte dich mit meinem Leben los. Heute kam eine Sklavin von Schems en-Nahâr und teilte mir mit, daß sie nur dadurch am Kommen verhindert gewesen wäre, daß der Chalife bei ihrer Herrin gesessen hätte; auch erzählte sie mir, wie es mit ihrer Herrin stünde.« Als er ihm nun alles, was er von der Sklavin vernommen hatte, erzählt hatte, klagte Alī, der Sohn des Bekkâr, auf das ergreifendste und weinte. Dann wendete er sich zu Abul-Hasan und sagte zu ihm: »Um Gott, steh' mir bei in meinem Leid und sag' mir, was ich anfangen soll. Ich bitte dich, sei so gut und bleibe die Nacht über bei mir, daß ich Gesellschaft habe.« Abul-Hasan willigte ein und versprach ihm die Nacht bei ihm zu bleiben, und so verplauderten sie denn die Nacht. Dann aber weinte Alī, der Sohn des Bekkâr, gab seinen Thränen freien Lauf und stürzte mit einem lauten Schrei ohnmächtig zusammen, so daß Abul-Hasan glaubte, er hätte den Geist aufgegeben. Seine Ohnmacht wich erst von ihm, als es Tag ward, worauf er sich wieder mit Abul-Hasan unterhielt. Abul-Hasan aber blieb bis zur Frühstückszeit bei ihm; erst dann verließ er ihn und begab sich wieder zu seinem Laden. Kaum hatte er denselben geöffnet, da kam auch schon die Sklavin und stand vor ihm. Als er sie erblickte, winkte sie ihm den Gruß zu, worauf er ihr den Salâm erwiderte; dann bestellte sie ihm den Salâm ihrer Herrin und fragte ihn: »Wie steht's mit Alī, dem Sohn des Bekkâr?« Abul-Hasan antwortete ihr: »Ach, Sklavin, frag' mich nicht nach seinem Befinden und nach der heißen Sehnsucht, die ihn quält, denn er schläft weder des Nachts noch ruht er am Tage; das Wachen hat ihn schon ganz verzehrt und die Angst überwältigt, so daß er sich in einem Zustande befindet, der keinen Freund erfreuen kann.« Da sagte sie zu ihm: »Meine Herrin läßt dich und ihn grüßen und hat eine Karte an ihn geschrieben. Es geht ihr viel schlimmer als ihm und sie sagte zu mir, als sie mir die Karte gab: »Komm' nicht ohne Antwort zurück und thue, wie ich dich geheißen habe.« Ich habe das Schreiben bei mir, willst du darum nicht mit mir zu Alī, dem Sohn des Bekkâr, gehen, damit wir von ihm die Antwort darauf erhalten?« Abul-Hasan antwortete ihr: »Ich höre und gehorche;« darauf legte er das Schloß vor seinen Laden und nahm das Mädchen mit sich, doch schlug er mit ihr einen andern Weg ein, als er gekommen war, und wanderte mit ihr unverdrossen, bis sie zur Wohnung Alīs, des Sohnes des Bekkâr, gelangten, wo er das Mädchen an der Thür stehen ließ, während er selber eintrat.

Hundertundachtundfünfzigste Nacht.

Als Alī, der Sohn des Bekkâr, ihn erblickte, freute er sich über sein Erscheinen; Abul-Hasan aber sagte zu ihm: »Der Grund meines Kommens ist der, daß N. N. seine Sklavin mit einem Blatt zu dir geschickt hat, in welchem er dir seinen Gruß bestellt und sich entschuldigt, bisher an einem Besuche verhindert gewesen zu sein. Die Sklavin steht vor der Thür, möchtest du ihr daher nicht Erlaubnis erteilen einzutreten?« Alī entgegnete darauf: »Führt sie herein,« während Abul-Hasan ihm ein Zeichen gab, daß es die Sklavin Schems en-Nahârs sei, so daß er bei ihrem Anblick vor Freuden erbebte, und sie durch ein Zeichen fragte: »Wie geht's dem Herrn? Gott gebe ihm Genesung und Gesundheit!« Die Sklavin antwortete ihm: »Es geht ihm gut;« dann holte sie das Blatt hervor und überreichte es ihm, und er nahm es, küßte es, las es und gab es dann Abul-Hasan, welcher nach einer Reihe von Versen folgendes geschrieben fand: »Des Ferneren, so schreibe ich dir einen Brief ohne Finger und rede zu dir ohne Zunge. Um meinen ganzen Zustand zu schildern, so hab' ich ein Auge, von dem die Schlaflosigkeit nicht weicht, und ein Herz, das der Kummer nicht flieht. Mir ist es, als ob ich zuvor weder Gesundheit noch Freude gekannt hätte, als ob ich nie ein schönes Gesicht gesehen oder ein glückliches Leben verbracht hätte, und es kommt mir vor, als wäre ich aus Liebe, aus den Schmerzen der Sehnsucht und aus Gram erschaffen. Krankheit quält mich unablässig, die Sehnsucht verdoppelt sich und mein Verlangen wächst. Ich bete daher zu Gott, daß er uns baldigst wieder vereint, damit meines Herzens Kummer zerstreut wird; und ich bitte dich, sende mir einige Worte von dir, daß ich mich an ihnen erfreuen kann, und füge du dich in geziemender Geduld, bis Gott Trost giebt; Frieden sei auf dir!«

Als er den Brief von Anfang bis zu Ende gelesen hatte, sagte Alī, der Sohn des Bekkâr mit schwacher Stimme zu ihm: »Mit was für einer Hand soll ich schreiben und mit was für einer Zunge soll ich klagen und jammern?« Dann richtete er sich mühsam auf, nahm ein Papier zur Hand und schrieb folgendermaßen: »Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers. Dein Brief ist angelangt meine Herrin, und hat einer Seele Ruhe gegeben, welche durch ihre Leidenschaft und Sehnsucht ermüdet ist, und hat ein von Siechtum und Krankheit verwundetes Herz wieder hergestellt; dein Sklave hat alle die huldvollen Worte deines Schreibens verstanden, und ich bin in einem Zustande, wie ihn der Dichter in den Versen beschreibt:

Das Herz ist zusammengeschrumpft und der Kummer hat sich weit ausgedehnt,
Das Auge ist ohne Schlaf und der Leib ist ermattet.
Die Geduld ist gewichen und die Trennung dauert ewig,
Der Verstand ist gestört und das Herz geraubt.

Wisse, daß die Klage das Feuer meiner Heimsuchung nicht auslöscht, doch besänftigt es den Sehnsuchtskranken, den die Trennung vernichtet hat, und ich will mich trösten mit der Erwähnung des Wortes »Vereinigung«. Ach, wie schön sagt der Dichter:

Gäb' es in der Liebe keinen Zorn und kein Wohlgefallen,
Wo blieben dann die Süßigkeiten der Botschaften und Briefe?«

Als Abul-Hasan diesen Brief las, erregten die Worte sein Gemüt, und der Inhalt verwundete ihn aufs schmerzlichste. Dann gab er den Brief der Sklavin, und Alī, der Sohn des Bekâr, sagte zu ihr, nachdem sie den Brief an sich genommen hatte: »Bestelle deiner Herrin meinen Salâm und erzähl' ihr von meiner Leidenschaft und Sehnsucht, und wie die Liebe meinen Leib und mein Gebein ganz und gar durchdrungen hat. Teile ihr mit, daß ich einer Seele bedarf, die mich aus dem Meer des Untergangs errettet und mich aus dieser Drangsal erlöst.« Darauf weinte er so bitterlich, daß die Sklavin ebenfalls zu Thränen gerührt wurde. Dann verabschiedete sie sich von ihm und verließ ihn zugleich mit Abul-Hasan, welcher sich, nachdem er sich von der Sklavin verabschiedet hatte, wieder zu seinem Laden begab.

Hundertundneunundfünfzigste Nacht.

Dort setzte er sich mit beklommenem Herzen und beengter Brust und ratlos über seine Lage nieder und hing den ganzen Tag und die folgende Nacht über seinen Gedanken nach. Am andern Morgen aber begab er sich wieder zu Alī, dem Sohn des Bekâr, und saß bei ihm, bis die Leute fortgegangen waren. Als er sich dann nach seinem Befinden erkundigte, begann Alī über seine Sehnsucht, seine Leidenschaft und rasende Liebesglut zu klagen und sprach das Dichterwort:

»Schon vor mir hat man der Sehnsucht Schmerzen geklagt,
Und Lebende und Verstorbene sind durch die Trennung erschreckt;
Doch ein Leid, das wie meines die Rippen preßt,
Hab' ich nimmer gehört und geschaut.«

Abul-Hasan erwiderte ihm darauf: »Ich habe weder gesehen noch gehört, daß jemand wie du unter der Liebe gelitten hätte. Was soll dieses leidenschaftliche Verlangen, diese Schwäche und Unruhe, wo deine Liebe doch erwidert wird? Wie stünde es erst, wenn deine Liebe mit Abneigung und Treulosigkeit zu kämpfen hätte, und wenn dein Geheimnis aufgedeckt wäre?« Da hörte Alī, der Sohn des Bekkâr, so erzählt Abul-Hasan, auf meine Worte und bedankte sich bei mir für dieselben. Nun hatte ich aber einen Freund, der diese ganze Geschichte, die mich und Alī, den Sohn des Bekkâr, betraf, kannte und auch wußte, daß wir beide Verbündete waren, ohne daß sonst irgend ein anderer von unserm Geheimnis etwas wußte. Derselbe besuchte mich häufiger, um sich nach dem Befinden Alīs, des Sohnes des Bekkâr, zu erkundigen, und bald hierauf kam er wieder einmal zu mir und erkundigte sich nach Schems en-Nahâr. Da sagte ich zu ihm: »Sie hat ihn zu sich eingeladen, und mehr als bereits zwischen ihnen vorgefallen ist, kann nicht geschehen. Dies war das letzte, ich aber habe nun für mich etwas ausgedacht, das ich dir unterbreiten möchte.« Als ihn sein Freund fragte, was es wäre, sagte Abul-Hasan: »Wisse, ich bin dafür bekannt, daß ich viele Geschäfte mit Männern und Frauen habe, und ich fürchte, daß ich, wenn die Sache der beiden ruchbar wird, hierdurch mein Leben und mein Gut verliere, und daß obendrein meine Familie ins Verderben gestürzt wird. Ich habe daher beschlossen all mein Gut zusammenzuschaffen, mich fertig zu machen und nach der Stadt Basra zu ziehen, wo ich bleiben will, bis ich schaue, was aus beiden geworden ist, damit niemand von mir etwas weiß. Denn die Liebe hat völlig von ihnen Besitz genommen, und es gehen Briefe zwischen ihnen hin und her, wobei eine Sklavin die Mittelsperson spielt, die zwar jetzt noch ihr Geheimnis hütet, doch leicht von Angst überwältigt ihr Geheimnis jemanden mitteilen kann, daß so ihre Sache ruchbar wird, und dies nicht nur ihr Verderben, sondern auch meinen Untergang herbeiführt, da ich keine Entschuldigung vor den Leuten habe.« Da entgegnete ihm sein Freund: »Du hast mir da eine gefährliche Sache mitgeteilt, vor der sich der Verständige und Erfahrene fürchtet. Gott schütze dich vor dem Unheil, das du fürchtest und besorgst, und errette dich vor dem Ende, vor dem du bangst! Dein Plan ist der rechte.«

Abul-Hasan begab sich nun in seine Wohnung und erledigte seine Geschäfte. Dann machte er sich zur Reise nach der Stadt Basra fertig, und ehe noch drei Tage verstrichen waren, hatte er auch schon seine Geschäfte erledigt und sich auf den Weg nach Basra gemacht, so daß sein Freund ihn nicht mehr antraf, als er nach drei Tagen ihn zu besuchen kam. Wie er sich nun bei den Nachbarn nach Abul-Hasan erkundigte, sagten ihm dieselben: »Er ist seit drei Tagen nach Basra verreist, wo er mit den Kaufleuten Geschäfte hat; er reiste dorthin, um seine Forderungen von den Gläubigern einzukassieren, und wird bald wieder hier sein.« Da wurde der Mann bestürzt und sprach in seiner Ratlosigkeit bei sich: »Ach, daß ich mich doch nicht von Abul-Hasan getrennt hätte!« Dann aber ersann er sich ein Mittel, wie er Alī, den Sohn des Bekkâr, besuchen könnte, und machte sich zu seiner Wohnung auf, wo er zu einem seiner Diener sagte: »Bitte deinen Herrn um Erlaubnis für mich eintreten und ihn begrüßen zu dürfen.« Der Diener ging darauf ins Haus, teilte es seinem Herrn mit und kehrte dann zu ihm mit der Erlaubnis einzutreten zurück. Da trat er ein und traf Alī, den Sohn des Bekkâr, auf seinem Kissen liegend an, der ihm den Salâm erwiderte und ihn willkommen hieß. Nachdem sich der Mann bei ihm entschuldigt hatte, daß er so lange Zeit ausgeblieben war, sagte er zu ihm: »Mein Herr, Abul-Hasan und ich sind Freunde, und ich pflegte ihm meine Geheimnisse anzuvertrauen und nicht eine Stunde ohne ihn zu leben. Als ich jetzt aber drei Tage lang eines Geschäftes halber mit einer Anzahl meiner Freunde abwesend war und ihn bei der Rückkehr besuchte, fand ich seinen Laden verschlossen und erhielt von seinen Nachbarn auf meine Frage die Auskunft, daß er nach Basra verreist wäre. Da ich nun weiß, daß er keinen zuverlässigeren Freund als dich hat, so beschwöre ich dich bei Gott, teile mir mit, was du von ihm weißt.«

Als Alī, der Sohn des Bekkâr, diese Worte von ihm vernahm, verfärbte er sich und sagte erschrocken: »Ich höre erst jetzt von seiner Abreise und bin schwer betroffen, wenn die Sache sich so verhält, wie du es sagst.« Dann vergoß er Thränen und sprach die beiden Verse:

»Ich weinte über Freuden, die vergangen waren,
Als meine Freunde noch bei mir weilten;
Nun aber hat mein Schicksal uns getrennt,
Und so muß ich auch über meine Freunde weinen.«

Hierauf ließ Alī, der Sohn des Bekkâr, seinen Kopf eine Weile nachdenklich hängen; dann erhob er ihn wieder und befahl einem seiner Diener: »Geh' zur Wohnung Abul-Hasans und erkundige dich, ob er zu Hause oder verreist ist. Sagen sie zu dir: »Er ist verreist,« so frag', wohin er gereist ist.« Der Bursche ging fort und brachte seinem Herrn nach kurzer Zeit den Bescheid, daß ihm die Leute Abul-Hasans auf seine Frage gesagt hätten, er sei nach Basra verreist, doch hätte er eine Sklavin an der Thür gefunden, die ihn sogleich erkannt hätte, obwohl er sie nicht erkannte, und ihn gefragt hätte, ob er Alīs, des Sohnes des Bekkâr, Bursche sei. Als er es bejaht hätte, hätte sie zu ihm gesagt, sie hätte eine Botschaft an seinen Herrn von jemand, der ihm am teuersten wäre; alsdann hätte sie ihn begleitet und stünde nun vor der Thür. Da sagte Alī, der Sohn des Bekkâr: »Führ' sie herein.« Der Bursche ging nun wieder zu ihr heraus und holte sie herein; der Mann aber, der bei Alī, dem Sohn des Bekkâr, war, blickte sie an und fand, daß sie fein aussah. Nun trat die Sklavin an Alī, den Sohn des Bekkâr heran, begrüßte ihn

Hundertundsechzigste Nacht.

und sprach mit ihm leise, wobei er ihr schwor, daß er das nicht gesagt hätte. Darauf verabschiedete sie sich von ihm und ging fort.

Es war aber der Mann, der Freund Abul-Hasans, ein Juwelier, und, als die Sklavin fortgegangen war, nahm er eine Gelegenheit zum Sprechen wahr und sagte zu Alī, dem Sohn des Bekkâr: »Es ist kein Zweifel, daß der ChalifenpalastD. h. die Frauen im Palast. etwas von dir zu fordern hat, oder daß du mit ihm Geschäfte betreibst.« Als ihn Alī fragte, wer ihm dies mitgeteilt hätte, sagte er: »Ich weiß es durch dieses Mädchen, das Schems en-Nahârs Sklavin ist. Vor einiger Zeit kam sie zu mir und überbrachte mir ein Billet, in welchem sie schrieb, daß sie ein Juwelenhalsband haben möchte, und ich schickte ihr darauf ein kostbares Halsband.«

Als Alī, der Sohn des Bekkâr, diese Worte von ihm vernahm, zitterte er, so daß der Juwelier für sein Leben fürchtete; sobald er aber seine Fassung wieder erlangt hatte, sagte er zum Juwelier: »Mein Bruder, ich beschwöre dich bei Gott, woher kennst du sie?« Der Juwelier antwortete ihm jedoch: »Dränge mich nicht so mit deiner Frage.« Doch Alī, der Sohn des Bekkâr, erklärte: »Ich lasse dich nicht los, ehe du mir die Wahrheit gesagt hast.« Da sagte der Juwelier zu ihm: »Ich will es dir sagen, vorausgesetzt, daß du keinen Argwohn gegen mich fassest noch dich irgendwie bedrückt fühlst. Ich will kein Geheimnis vor dir haben und will dir die volle Wahrheit sagen, doch mußt du mir ebenfalls die volle Wahrheit über deinen Zustand und die Ursache deiner Erkrankung mitteilen.« Darauf erzählte ihm Alī seine Geschichte, und sagte: »Bei Gott, mein Bruder, ich habe nur aus Furcht, daß die Leute den Schleier anderer lüften könnten, meine Sache verheimlicht.« Da sagte der Juwelier zu ihm: »Und ich verlangte nur in meiner großen Liebe zu dir, in meinem Eifer für dich und in der Besorgnis für dein von den Schmerzen der Trennung zerquältes Herz mit dir zusammen zu kommen, daß ich dir während der Abwesenheit meines Freundes, Abul-Hasan an seiner Stelle Trost zusprechen könnte. Sei guten Mutes und kühlen Auges.«

Alī, der Sohn des Bekkâr, dankte ihm für seine Worte und sprach die beiden Verse:

»Wollte ich sagen: Ich schick' mich in Geduld in die Trennung von ihr,
So straften meine Thränen und mein lautes Jammern mich Lügen.
Wie aber kann ich meine Thränen verbergen,
Die ob der Trennung von meiner Geliebten auf die Schüsseln meiner Wangen laufen?«

Hierauf klagte Alī, der Sohn des Bekkâr, wieder lange Zeit und sagte dann zum Juwelier: »Weißt du, was die Sklavin leise zu mir gesagt hat?« Der Juwelier antwortete: »Nein, bei Gott, mein Herr.« Da sagte Alī: »Sie sagte, ich hätte Abul-Hasan dazu angestiftet nach Basra zu verreisen und hätte das nur ausgeheckt, um den Botschaften und Stelldicheinen aus dem Wege zu gehen. Obwohl ich ihr die Unwahrheit hiervon beteuerte, wollte sie es doch nicht glauben und kehrte zu ihrer Herrin mit ihrer übeln Meinung von mir zurück, da sie Abul-Hasan zugethan war.« Der Juwelier entgegnete ihm hierauf: »Mein Bruder, ich schloß dies aus dem Benehmen der Sklavin, doch, so Gott, der Erhabene, es will, werde ich dir zu deinem Wunsch verhelfen.« Da fragte ihn Alī, der Sohn des Bekkâr: »Was willst du mit ihr anstellen, wo sie wie ein Wild der Wüste flieht?« Doch der Juwelier erwiderte: »Ich muß mir die größte Mühe geben dir zu helfen und all meinen Scharfsinn aufbieten zu ihr zu gelangen, ohne den Schleier aufzudecken oder irgend einen Schaden zu verursachen.« Darauf bat er um Erlaubnis fortzugehen, und Alī, der Sohn des Bekkâr, sagte zu ihm: »Mein Bruder, hüte ja mein Geheimnis.« Dann schaute er ihn an und weinte, während der Juwelier sich von ihm verabschiedete und fortging,

Hunderteinundsechzigste Nacht.

ohne zu wissen, wie er Alī, dem Sohn des Bekkâr, beistehen sollte. Wie er nun seines Weges in Gedanken hierüber dahinschritt, sah er ein Blatt Papier auf der Straße liegen, und, als er es aufhob und nach seiner Aufschrift sah, las er darauf die Worte: »Von der geringsten Liebenden an den geehrtesten Geliebten.« Da öffnete er das Blatt und fand folgende Verse darauf geschrieben:

Der Bote kam und brachte mir die Einladung zu einem Stelldichein mit dir,
Doch ich hielt dies immer und immer für einen Wahn.
Drum freute ich mich nicht, sondern meine Trauer wuchs,
Da ich glaubte, mein Bote hätte dich nicht verstanden.

Des Ferneren, so wisse, mein Herr, daß mir der Grund, weshalb unser Briefwechsel aufgehört hat, unbekannt ist. Bist du grausam, so will ich dir's mit Treue vergelten, und wenn die Liebe von dir gewichen ist, so will ich die Liebe doch auch während der Zeit der Trennung bewahren und will mich nach dem Wort des Dichters dir gegenüber verhalten, das da lautet:

Sei hochmütig, ich ertrag's; sei hart, ich erduld's; sei stolz, ich will verächtlich sein;
Kehre den Rücken, und ich will dir nahen; Sprich, ich will hören; und gebiet', ich will gehorchen.

Als er den Brief gelesen hatte kam mit einem Male die Sklavin an, sich nach rechts und links wendend, und sagte zu ihm, als sie das Blatt in seiner Hand sah: »Ach, mein Herr, ich habe das Blatt verloren;« doch ging er weiter, ohne ihr eine Antwort darauf zu geben. Da folgte ihm das Mädchen, bis er zu seiner Wohnung gekommen war, und trat nach ihm ein und sagte: »Mein Herr, gieb mir das Blatt wieder, da es mir entfallen ist.« Auf diese ihre Worte wendete er sich zu ihr um und sagte zu ihr: »Sklavin, befürchte nichts und sei nicht bekümmert; erzähle mir vielmehr die Geschichte der Wahrheit gemäß, denn ich weiß Geheimnisse wohl zu hüten und beschwöre dich bei einem Eid, verbirg nichts von der Geschichte deiner Herrin vor mir. Vielleicht steht Gott mir bei ihre Wünsche zu erfüllen und schwierige Dinge durch meine Hand leicht zu machen.«

Als das Mädchen seine Worte vernommen hatte, sagte es: »Mein Herr, ein Geheimnis, das du bewahrst, ist nicht verloren, und eine Sache, welche du auszuführen dich bemühst, muß gelingen. Wisse, mein Herz neigt sich dir zu, und ich will dir alles der Wahrheit gemäß berichten, damit du mir den Brief zurückgiebst.« Darauf erzählte sie ihm die ganze Geschichte und setzte hinzu: »Gott ist Zeuge für meine Worte.« Der Juwelier aber entgegnete ihr: »Du hast die Wahrheit gesprochen, denn ich kannte die Geschichte von Anfang an.« Darauf erzählte er ihr die Geschichte Alīs, des Sohnes des Bekkâr, und teilte ihr mit, wie er sein Geheimnis erfahren hätte, indem er ihr alles von Anfang bis zu Ende berichtete. Als sie seine Erzählung vernommen hatte, freute sie sich, und beide kamen nun überein, daß sie den Brief nehmen und ihn Alī, dem Sohn des Bekkâr, überreichen sollte; dann sollte sie zurückkehren und ihm über alles Vorgefallene Bericht erstatten. Hierauf gab er ihr den Brief wieder, und sie nahm ihn und versiegelte ihn, wie er gewesen war, indem sie dabei sagte: »Meine Herrin Schems en-Nahâr gab ihn mir versiegelt, und wenn er ihn gelesen und mir die Antwort darauf gegeben hat, so bringe ich sie dir.« Darauf nahm das Mädchen von ihm Abschied und begab sich zu Alī, dem Sohn des Bekkâr, den sie wartend antraf. Sie gab ihm den Brief, und er las ihn und schrieb ihr ebenfalls einen Brief und gab ihn ihr, worauf sie ihn nahm und mit ihm zum Juwelier der Verabredung gemäß zurückkehrte. Der Juwelier aber erbrach das Siegel und las den Brief, der also lautete:

Der Bote, der unsere Briefe heimlich besorgte,
Er hat sich treulos erwiesen, da er zornig ward.
So suchet denn für mich einen getreuen Boten aus,
Der aufrichtig ist und nicht lügt.

»Des Ferneren, so bin ich weder grausam gewesen, noch habe ich die Treue gebrochen, bin weder bundbrüchig geworden, noch ist meine Liebe geschwunden. Meine Betrübnis hat nicht aufgehört, und nichts als Verderben hat mich nach unserer Trennung betroffen. Ich wußte auch nichts von dem, was ihr erwähntet, und ich liebe nichts anderes als was ihr liebt. Bei Ihm, der jedes Geheimnis kennt und jedes verborgene Gespräch, ich verlange nach nichts sehnlicher als nach der Vereinigung mit dem Gegenstand meiner Liebe, und mein Geschäft ist einzig meiner Sehnsucht Verheimlichung, wiewohl ich dadurch von Krankheit verzehrt werde. Das ist meines Zustandes Klarlegung, und Frieden sei auf dir!«

Als der Juwelier dieses Schreiben gelesen und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hatte, weinte er bitterlich. Dann sagte das Mädchen zu ihm: »Geh' von hier nicht eher fort, als bis ich wieder zu dir zurückgekehrt bin. Er hat mich zwar fälschlich beschuldigt, doch vergebe ich ihm und ich will dich jetzt mit meiner Herrin Schems en-Nahâr, die ich auf ihrem Lager liegend und auf Antwort wartend verließ, durch irgend ein Mittel zusammenbringen.« Hierauf verließ ihn die Sklavin, während der Juwelier die Nacht aufgeregt verbrachte.

Als er am nächsten Morgen das Frühgebet verrichtet hatte und nun auf ihr Erscheinen wartend dasaß, kam sie plötzlich an und trat fröhlich bei ihm ein, worauf er sie fragte: »Was giebt's neues, Sklavin?« Da antwortete sie ihm: »Als ich mich von dir zu meiner Herrin begeben und ihr den Brief Alīs, des Sohnes des Bekkâr, überreicht, und sie ihn gelesen hatte, wurde sie bestürzt; doch da sagte ich zu ihr: Meine Herrin, fürchte nicht, daß Abul-Hasans Abwesenheit eurer Sache schaden kann, denn ich habe einen Ersatz für ihn gefunden, einen Mann, der besser als er ist und auch von höherm Rang, und der Geheimnisse zu bewahren weiß. Dann erzählte ich ihr, wie du mit Abul-Hasan stehst, wie du mit ihm und Alī, dem Sohn des Bekkâr, befreundet bist, wie der Brief mir aus der Hand fiel, und du ihn fandest, und was wir beide untereinander ausgemacht haben.« Während sich der Juwelier hierüber aufs äußerste verwunderte, setzte sie noch hinzu: »Sie wünscht deine Worte zu hören, daß sie sich über den Bund, der zwischen euch besteht, vergewissert; entschließe dich daher sofort mit mir zu ihr zu gehen.« Als der Juwelier die Worte der Sklavin vernahm und erwog, daß ein Besuch bei ihr ein gewagtes und sehr gefährliches Unternehmen wäre, in das man sich nicht einlassen und tollkühn stürzen dürfte, sagte er zu ihr: »Meine Schwester, ich bin nur aus dem geringen Volk und nicht wie Abul-Hasan ein Mann von hohem Rang und wohlbekanntem Ruf, der im Chalifenpalast aus- und eingeht, weil man dort nach seinen Waren verlangt. Was mich anlangt, so zitterte ich vor Abul-Hasan, wenn er mit mir redete. Wünscht deine Herrin also eine Unterredung mit mir, so muß dieselbe wo anders als im Chalifenpalast und fern von der Wohnung des Fürsten der Gläubigen stattfinden; denn mein Herz willigt nicht in deine Worte ein.« In solcher Weise weigerte er sich mit ihr zu gehen, während sie sich für seine Sicherheit verbürgte und zu ihm sagte: »Fürchte dich nicht und sei unbesorgt.« Als sie jedoch hierbei bemerkte, daß seine Füße zitterten und seine Hände flogen, sagte sie zu ihm: »Wenn es dir zu schwer fällt zum Chalifenschloß zu gehen, und du nicht mit mir zu kommen vermagst, so will ich sie zu überreden suchen, daß sie zu dir kommt; verlasse deine Wohnung also nicht eher, als bis ich zu dir zurückgekehrt bin.« Darauf ging das Mädchen fort; aber schon nach kurzer Zeit kehrte sie zu dem Juwelier zurück und sagte zu ihm: »Gieb acht, daß weder eine Sklavin noch ein Diener anwesend ist.« Als er ihr darauf antwortete: »Ich habe nur eine alte schwarze Sklavin zu meiner Bedienung hier,« stand sie auf, verriegelte die Thüren zwischen der Sklavin des Juweliers und ihm und schickte seine Diener aus dem Hause. Dann ging sie selber hinaus und kehrte, von einem Mädchen gefolgt, wieder ins Haus des Juweliers zurück, wobei das andere Mädchen das ganze Haus mit Wohlgeruch erfüllte. Als der Juwelier sie erblickte, erhob er sich vor ihr, legte ihr ein Kissen zurecht und setzte sich vor sie. Nachdem sie eine Weile still dagesessen hatte, bis sie sich erholt hatte, entschleierte sie ihr Gesicht, und dem Juwelier schien es, als wäre die Sonne in seiner Wohnung aufgegangen. Dann fragte sie ihre Sklavin: »Ist dies der Mann, von dem du zu mir sprachst?« Als die Sklavin es bejahte, wendete sie sich zu dem Juwelier und fragte ihn: »Wie geht es dir?« Der Juwelier antwortete: »Gut,« und wünschte ihr Gottes Segen. Alsdann sagte sie zu ihm: »Du hast uns bewogen zu dir zu kommen und dir unser Geheimnis mitzuteilen,« und erkundigte sich nach seiner Frau und seinen Kindern, und er erzählte ihr alles von ihnen und sagte zu ihr: »Ich besitze außer diesem Hause noch ein anderes, das ich für Zusammenkünfte mit meinen Freunden und Brüdern bestimmt habe, und worin sich weiter nichts befindet, als was ich deiner Sklavin bereits mitgeteilt habe.« Darauf fragte sie ihn, wie er den Anfang ihrer Geschichte erfahren habe, und er erzählte ihr alles, wonach sie fragte, von Anfang bis zu Ende. Da seufzte sie über die Trennung von Abul-Hasan und sagte: »O du, wisse, daß aller Menschen Seelen von gleichen Trieben beseelt sind, und daß ein Mensch des andern bedarf. Kein Werk wird ohne Worte vollendet, kein Wunsch ohne Arbeit und keine Ruhe ohne Ermüdung erreicht,


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