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»Wisse, o König, ein Fuchs und ein Wolf hatten seit geraumer Zeit gemeinschaftlich in derselben Höhle gehaust; da jedoch der Wolf den Fuchs tyrannisierte, begab es sich einmal, daß der Fuchs dem Wolf den Rat gab, sich freundlich zu benehmen und die Mißhandlungen zu unterlassen, indem er zu ihm sagte: »Wenn du in deinem Hochmut beharrst, so ist es leicht möglich, daß Gott dem Menschen Macht über dich giebt, denn derselbe ist voll List, Verschlagenheit und Falsch; er fängt die Vögel in der Luft und die Fische im Meer, er bricht die Berge ab und versetzt sie, und vermag dies alles durch seine Schlauheit. Übe daher Billigkeit und laß die Bosheit und Gewaltthätigkeit, denn das wird dir besser bekommen.« Der Wolf kehrte sich jedoch nicht an seine Worte sondern gab ihm eine grobe Antwort und sagte zu ihm: »Du hast überhaupt gar kein Recht über wichtige und große Sachen zu reden;« dann gab er dem Fuchs einen Backenstreich, daß er bewußtlos zusammenbrach. Als derselbe nun wieder zu sich kam, lächelte er dem Wolf freundlich ins Gesicht, entschuldigte sich bei ihm für seine unziemlichen Worte und bat ihn um Verzeihung, worauf der Wolf seine Abbitte annahm und ihn zu plagen aufhörte; doch sagte er zu ihm: »Sprich nicht über Dinge, die dich nichts angehen, daß du nicht Dinge zu hören bekommst, die dir nicht gefallen.«
Hundertundneunundvierzigste Nacht.
Und der Fuchs antwortete: »Ich höre und gehorche. Fern liegt es mir, dein Mißfallen zu erregen. Hat doch der Weise gesagt: Kläre keinen auf über das, wonach du nicht gefragt bist, antworte nicht, wenn du nicht aufgefordert bist, laß das, was dich nicht angeht, kümmere dich nur um deine Sachen und verschwende deinen Rat nicht an die Bösen, die ihn dir doch nur mit Bösem lohnen.«
Als der Wolf die Worte des Fuchses vernahm, lächelte er ihm ins Gesicht, doch plante er ihm ein Arg, indem er bei sich sprach: »Ich muß mich bemühen diesen Fuchs zu verderben.« Der Fuchs hingegen ließ sich geduldig vom Wolf mißhandeln, indem er bei sich sprach: »Übermut und Beschimpfung führen zum Fall und stürzen in Drangsal. Heißt es doch: Übermut kommt zu Schaden, und Thorheit führt zur Reue, wer aber fürchtet, geht heil aus. Gerechtigkeit gehört zu den Kennzeichen der Edeln, und gute Sitten sind der edelste Gewinn. Verstellung ist daher gegen diesen Tyrannen am Platze, denn gewiß kommt er zu Fall.« Hierauf sagte der Fuchs zum Wolf: »Siehe, der Herr verzeiht seinem Diener und nimmt ihn wieder zu Gnaden an, wenn er gesündigt hat, und ich bin ein schwacher Diener, welcher sich dadurch, daß er dir Rat erteilen wollte, vergangen hat. Wüßtest du, wie mich dein Schlag schmerzte, du würdest auch wissen, daß ihn selbst ein Elefant nicht hätte ausstehen und ertragen können. Doch beklage ich mich nicht über diesen schmerzhaften Schlag um der Freude willen, die mir aus ihm entsproßte; denn, wenn er mich auch heftig traf, so war sein Ergebnis doch Freude. Sagt doch der Weise: Der Schlag des Lehrers thut zuerst sehr weh, hernach aber ist er süßer als geklärter Honig.« Der Wolf entgegnete ihm hierauf: »Ich verzeihe dir deine Sünde und vergebe dir deinen Fehltritt, doch nimm dich vor meiner Stärke in acht, und bekenne dich hinfort als meinen Sklaven, seitdem du meine Strenge gegen meinen Widersacher erfahren hast.« Da warf sich der Fuchs vor ihm nieder und rief: »Gott lasse dich lange leben, und du fahre weiter fort deine Widersacher zu bändigen!« Und auch weiterhin ließ der Fuchs nicht nach sich vor dem Wolf zu fürchten und ihm den Hof zu machen.
Eines Tages begab es sich nun, daß der Fuchs zu einem Weinberg ging, in dessen Mauer er ein Loch sah. Mißtrauisch sprach er bei sich: »Sicherlich hat dieses Loch einen Grund, und es heißt: Wer eine Grube in der Erde sieht und sie nicht meidet und vorsichtig herantritt, der stürzt sich blind in Gefahren und setzt sich dem Verderben aus. Ist es doch bekannt, daß manche Leute die Figur eines Fuchses im Weinberg aufstellen und ihr Weintrauben auf Platten vorsetzen, damit der Fuchs, der dieses sieht, herankommt, und ins Verderben stürzt. Ich vermute, daß dieses Loch eine Falle ist, und es heißt: Vorsicht ist die halbe Geschicklichkeit. Die Vorsicht erfordert aber, daß ich dieses Loch untersuche, und nachschaue, ob ich vielleicht bei ihm etwas finde, was einem den Untergang bereitet; mich soll die Gier nicht ins Verderben stürzen.« Darauf trat der Fuchs ans Loch, schritt vorsichtig um dasselbe herum und sah es sich an, und siehe, da war's eine mächtige Grube, welche der Herr des Weinbergs gegraben hatte, um das wilde Getier zu fangen, das ihm den Weinberg verdarb, und die er mit einer leichten Decke zugedeckt hatte. Als der Fuchs dies sah, zog er sich zurück und rief: »Gelobt sei Gott, daß ich mich vor dem Loch in acht nahm! Hoffentlich wird mein Feind, der Wolf, der mir das Leben verbittert, hineinfallen, so daß mir der Weinberg allein gehört, und ich sicher in ihm leben kann.« Dann schüttelte er den Kopf, lachte laut, und trällerte sich ein lustiges Liedchen. Hierauf trabte er eilig zum Wolf und sagte zu ihm: »Siehe, Gott hat dir den Weg zum Weinberg leicht und mühelos gemacht. Du hast Glück, und so wünsche ich dir guten Appetit zu der Beute und dem reichen Futter, das dir Gott so bequem erschlossen hat.« Da fragte der Wolf den Fuchs: »Was beweist mir deine Worte?« Der Fuchs antwortete: »Ich kam zum Weinberg und fand seinen Besitzer verstorben; da trat ich in den Garten ein und sah die Früchte an den Bäumen schimmern.« Als der Wolf dies vernahm, zweifelte er nicht, daß der Fuchs die Wahrheit gesprochen hatte, und machte sich gierig und von Lüsternheit bethört sofort zum Loch auf, während der Fuchs zurückblieb und sich wie ein Toter niederwarf, indem er den Vers sprach:
»Begehrst du von Leilā ein Stelldichein?
Die Brunst, bedenk' es, kostet Männern den Hals.«
Wie nun der Wolf zum Mauerloch gekommen war, sagte der Fuchs zu ihm: »Geh' hinein in den Weinberg, du bist der Last überhoben die Gartenmauer einzureißen, und nur von Gott hängt es noch ab, die Wohlthat vollkommen zu machen.« Da machte der Wolf einige Schritte weiter, um in den Weinberg zu gelangen, wie er aber mitten auf der Decke war, fiel er ins Loch hinein, während sich der Fuchs vor Lust und Freude nur so schüttelte und, ledig aller Sorge und Kümmernis, die Verse trällerte:
»Nun hat die Zeit sich meiner Leiden erbarmt
Und Mitleid gezeigt mit all meiner langen Qual;
Sie gab mir alles, wonach mein Begehren stand,
Und machte mich frei von allem, davor mir gebangt.
All ihre früheren Sünden will ich verzeihn,
Vergeben selbst, daß sie den Scheitel mir grau gemacht.
Der Wolf sitzt gefangen und kann seinem Tod nicht entgehn,
Und der Weinberg ist mein, und ich hab' ihn allein,
Und kein Dummkopf teilt sich die Früchte mit mir.«
Darauf blickte er in die Grube und weinte mit dem Wolf, als er ihn dort vor Reue und Kummer weinen sah. Da hob der Wolf den Kopf zum Fuchs empor und fragte ihn: »Weinst du aus Mitleid mit mir, o Vater der Burg?«Vater der kleinen Burg wird der Fuchs nach seinem Bau benannt. Der Fuchs antwortete: »Nein, bei dem der dich in diese Grube gestürzt hat! Ich weine vielmehr darüber, daß du so lange gelebt hast, und bin betrübt darüber, daß du nicht schon früher in dieses Loch gefallen bist. Wärest du früher hineingefallen, ehe wir noch miteinander bekannt wurden, hätte ich in Ruhe und Muße leben können, doch bliebst du bis zu deinem versiegelten Termin und deiner bestimmten Stunde verschont.« Nun sagte der Wolf zum Fuchs: »Du Bösewicht, geh' zu meiner Mutter und erzähl' ihr, wie es mir ergangen ist, ob sie vielleicht eine List zu meiner Befreiung ausfindig machen kann.« Der Fuchs erwiderte ihm jedoch: »Deine übermäßige Lüsternheit und Gier haben dich ins Verderben gestürzt, dieweil du in eine Grube gestürzt bist, aus welcher es kein Entrinnen giebt. Weißt du nicht, du thörichter Wolf, daß das Sprichwort sagt: »Wer sich um die Folgen nicht sorgt, ist vor Gefahren nicht sicher?« Da sagte der Wolf zum Fuchs: »O Vater der Burg, du zeigtest mir nur Liebe, thatest, als ob du nach meiner Freundschaft verlangtest, und fürchtetest dich vor meiner gewaltigen Stärke; trag' mir doch nicht so erbittert das Böse nach, das ich dir zufügte, und bedenk', wer Macht hat und verzeiht, der erhält seinen Lohn von Gott. Sagt doch auch der Dichter:
Streu Gutes aus, wär' auch das Saatfeld schlecht,
Wohin es fällt, es trägt dem Sämann Frucht.
Mag auch das Gute lang im Boden ruhn,
Die Ernte heimst doch nur der Sämann ein.«
Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »Du thörichtes Raubtier und dümmstes Wild der Fluren, hast du etwa deinen Hochmut, deine Hoffart und deinen Stolz vergessen, wo du nie das Recht der Kameradschaft achtetest und dich nicht durch das Dichterwort beraten lassen wolltest:
Sei kein Tyrann, auch wenn die Macht dir ward,
Denn Rache lauert rings um den Tyrannen.
Schläft auch dein Aug', so wacht doch der Bedrückte,
Und Gott, der nimmer schläft, hört seinen Fluch.«
Nun bat der Wolf: »Ach, Vater der Burg, rechne mir doch nicht meine vergangenen Sünden an; von den Edeln erwartet man Vergebung, und gute Thaten sind der beste Schatz. Wie schön lautet das Dichterwort:
Thu' Gutes schnell, wenn du's vermagst,
Nicht immer kannst du Gutes thun.«
In solcher Weise ließ der Wolf nicht nach sich vor dem Fuchs zu demütigen und zu ihm zu sagen: »Vielleicht vermagst du etwas zu meiner Errettung zu thun,« doch der Fuchs entgegnete ihm: »Du listiger, verschlagener und treuloser Wolf, verlange nicht von mir befreit zu werden, denn dies ist der Lohn für dein ruchloses Thun und die gerechte Vergeltung.« Dann lachte er übers ganze Maul und sprach die beiden Verse:
»Laß all deine Listen, umsonst ist dein Mühn.
Du säetest Verderben, nun ernte die Saat.«
Da bat der Wolf von neuem: »O sanftmütiges Tier, ich traue dir etwas besseres zu als daß du mich in dieser Grube stecken lassen willst.« Dann sprach er mit Thränen im Auge die beiden Verse:
»O du, der mehr als einmal mir wohlgethan,
Und dessen Gaben alle Berechnung übersteigen,
Nimmer zuvor noch traf mich der Zeiten Wechsel,
Ohne daß du mir hilfreich die Hand gereicht hättest.«
Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »Du thörichter Feind, wie bist du so erniedrigt und unterwürfig, so demütig und klein nach all deiner Verachtung und deinem Stolz, deiner Tyrannei und Hoffart geworden! Aus Furcht vor deiner Gewaltthätigkeit gesellte ich mich zu dir und that dir schön, ohne auf Güte von dir zu rechnen, jetzt aber haben dich Schrecknisse befallen, und die Rache hat dich getroffen.« Nun bat der Wolf wiederum: »O du Weiser, sprich nicht mit Feindeszunge und schau' nicht mit Feindesaug' darein, halte den Bund der Freundschaft, bevor die Zeit der Rettung verstreicht; mach' dich auf und besorge mir einen Strick, binde das eine Ende desselben an einen Baum und laß das andere Ende zu mir herunter, daß ich mich daran hänge und mich aus der Grube zu retten versuche, du sollst auch alle Schätze, die unter meiner Hand sind, erhalten.« Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »Nun hast du lange genug umsonst Reden geführt; hoffe doch nicht von mir befreit zu werden, denke vielmehr an deine verflossenen Bosheiten gegen mich und an all die Verräterei und Arglist, die du wider mich ersannest. Bedenke, wie bald du gesteinigt wirst, und wie bald deine Seele von der Welt scheiden und sie verlassen und aus ihr fortziehen muß. Dann wartet Vernichtung deiner und eine schlimme Wohnung.« Da bat der Wolf: »Ach, Vater der Burg, sei doch wieder bereit zur Freundschaft und gieb diesen Haß auf; bedenk' doch, wer eine Seele aus dem Verderben errettet, hat sie am Leben erhalten, und wer nur eine Seele am Leben erhält, der hat gewissermaßen die ganze Menschheit am Leben erhalten.Sure 5, 35 Folge nicht dem Bösen, denn die Weisen verabscheuen es, und kein Böses ist offenbarer als dies hier, daß ich in der Grube sitze und des Todes Drangsalen hinunterschlucke und das Verderben vor Augen habe, während du mich aus der Not erretten kannst.« »Du hartherziger Barbar,« entgegnete der Fuchs, »ich vergleiche dich, was deine schönen Worte und deine ruchlose Gesinnung anlangt, mit dem Falken in der Geschichte mit dem Rebhuhn.« Da fragte der Wolf: »Wie ist die Geschichte vom Falken und dem Rebhuhn?« Und der Fuchs erzählte: