Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band V
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Der Falke und das Rebhuhn

»Eines Tages begab ich mich in einen Weinberg, um von seinen Trauben zu fressen. Während ich mich dort aufhielt, sah ich mit einem Male einen Falken, der gerade auf ein Rebhuhn stieß. Doch entkam ihm das Rebhuhn wieder und schlüpfte in sein Nest, wo es sich vor ihm verbarg. Da folgte ihm der Falke und rief ihm zu: »Du Thor, ich sah dich hungrig auf der Steppe und pickte dir aus Erbarmen etwas Korn auf. Nur um es dir zu fressen zu geben packte ich dich, du aber flohst vor mir, so daß ich keinen andern Grund für dein Fliehen weiß als daß du mich kränken willst. Komm' heraus, nimm die Körner, die ich dir gebracht habe und laß sie dir wohlbekommen.« Als das Rebhuhn diese Worte vom Falken vernahm, glaubte es ihm und kam zu ihm heraus, der Falke aber schlug seine Fänge in seinen Leib und packte es. Da sagte das Rebhuhn zu ihm: »Ist dies das, von dem du mir sagtest, du hättest es mir aus der Steppe gebracht, und von dem du zu mir sprachst: Laß es dir wohlbekommen? Du hast mich belogen, und Gott lasse mein Fleisch in deinem Magen zu einem tödlichen Gift werden!«

Und so geschah's; nachdem der Falke das Rebhuhn gefressen hatte, fielen ihm die Federn aus, seine Kraft verfiel, und er starb alsbald. –

»Wisse, Wolf, wer seinem Nächsten eine Grube gräbt, fällt selbst zuerst hinein, und du übtest zuerst gegen mich Verrat.« Da sagte der Wolf zum Fuchs: »Laß diese Worte und diese Gleichnisse und gedenke nicht mehr meiner früheren Missethaten gegen dich, sei zufrieden mit meiner jetzigen schlimmen Lage, wo ich in einem Schlund stecke, in dem mich auch ein Feind bemitleiden würde, geschweige denn ein Freund; schau' nach einem Mittel aus mich zu befreien und hilf mir dabei. Sollte es dir aber beschwerlich fallen, so bedenk', daß der wahre Freund die größte Mühe übernimmt und sich selber opfert, um ihn zu befreien. Heißt es doch auch, daß ein fürsorglicher Freund besser ist als ein leiblicher Bruder. Hast du mir zur Freiheit verholfen, so will ich dir Mittel zum Schutz für die Not beschaffen und dir die feinsten Listen und Schliche beibringen, die dir die reichsten Weinberge erschließen und die Früchte von den Bäumen herunterholen. Sei daher guten Mutes und kühlen Auges.« Der Fuchs entgegnete ihm jedoch lachend: »Wie schön ist das Wort der Weisen über einen so großen Dummkopf, wie du es bist!« Da fragte der Wolf: »Und was sagten denn die Weisen?« Der Fuchs antwortete: »Die Weisen haben gesagt: In einem groben Leib wohnt auch eine grobe Seele, die weit vom Verstand und nahe der Thorheit ist. Was du da sagst, du falscher Thor, daß der Freund sich für die Errettung des Freundes schwerer Mühe unterzieht, ist wohl wahr, sag' mir doch aber bei deiner Thorheit und deinem armen Witz, wie ich bei deiner Verräterei dein wahrer Freund sein soll? Ich bin dein schadenfroher Feind, und dieses Wort ist herber als eine Pfeilwunde, wenn du es verstehen kannst. Und wenn du weiter sagtest, du wolltest mir Mittel zum Schutz für die Not beschaffen und mir Listen und Schliche beibringen, die mir die reichsten Weinberge erschließen und die Früchte von den Bäumen herunterholen, wie kommt es denn, du treuloser Verräter, daß du keine List für dich weißt, die dich aus dem Verderben errettet? Kannst du dir selber nicht einmal nützen, wie soll ich dann erst deinen guten Rat annehmen! Weißt du ein Mittel, nun wohl, so rette dich damit aus diesem Loch, in dem du, ich bitte zu Gott darum, noch lange stecken mögest. Sieh zu, du Thor, ob du eine List weißt, und rette dich durch dieselbe vor dem Tod, bevor du deine Lehren an andere verschwendest. Du bist wie jener Kranke, zu dem ein anderer Kranker kam, der an derselben Krankheit litt und ihn heilen wollte. Wie er ihn nun fragte: Soll ich dich von deiner Krankheit heilen? fragte ihn der Kranke: Warum hast du denn nicht mit dir selber angefangen? Da verließ er ihn und ging seines Weges. Ebenso machst du's, o Wolf; bleib' nur in deinem Loch stecken und ertrag' in Geduld dein Geschick.«

Wie nun der Wolf die Worte des Fuchses vernahm, weinte er, da er sah, daß er nichts Gutes von ihm zu erhoffen hatte, über sich selber und sprach: »Ich bin unvorsichtig gewesen; so Gott mich aber aus dieser Trübsal errettet, will ich meine Hoffart gegen Schwächere bereuen, will mich in WolleDie übliche Tracht der Heiligen. kleiden, und auf die Berge steigen, um Gott, den Erhabenen, dort aus Furcht vor seiner Strafe zu preisen. Ich will mich von all dem andern wilden Getier absondern und will die Glaubensstreiter und Armen speisen.« Dann hob er an zu weinen und wehklagen, so daß das Herz des Fuchses gerührt ward, und er bei seinen demütigen und reuigen Worten Mitleid empfand. Vor Freude springend, trat er an den Rand der Grube heran, dann setzte er sich auf seine Hinterbeine und ließ seinen Schwanz in die Grube hinunterhängen; der Wolf aber erhob sich nun, streckte seine Pfote nach dem Schweif des Fuchses aus und zog ihn so stark, daß der Fuchs zu ihm in die Grube fiel. Dann sagte er zu ihm: »Du mitleidsarmer Fuchs, wie konntest du über mich Schadenfreude haben, wo du mein Freund warst und unter meiner Gewalt standest? Nun steckst du bei mir in der Grube, und die Strafe ist dir schnell über den Nacken gekommen. Haben doch die Weisen gesagt: Wenn einer seinen Bruder darum tadelt, daß er an einer Hündin saugt, so soll er ebenfalls an ihr saugen. Und wie schön lautet das Dichterwort:

Wenn das Schicksal schwer auf den Menschen lastet
Und zur Ruhe bei andern seine Brust bettet,
So sprich zu den Schadenfrohen: Auf, erwachet!
Den Schadenfrohen soll es gleich uns ergehn.

Fürwahr, Fuchs, ich muß schnell mit dir ein Ende machen, bevor du meinen Tod mit ansiehst.«

Da sprach der Fuchs bei sich: »Nun bin ich zusammen mit diesem Tyrannen in die Grube geraten und muß in dieser meiner Lage List und Falsch anwenden. Heißt es doch: die Frau schmiedet ihren Schmuck zum Fest, und das Sprichwort sagt: Dich, meine Thräne, habe ich nur für meine Not verspart. Wenn ich dieses grausame Raubtier nicht überliste, so komme ich unabänderlich um. Wie schön sagt doch der Dichter:

Leb' durch Verrat, denn du lebst in einer Zeit,
Deren Söhne Löwen in einem Forste gleichen.
Laß laufen im Bett das Wasser deiner List,
Daß die Mühle des Lebens sich drehen kann;
Und pflücke die Früchte; doch sind sie zu hoch,
So begnüg' dich mit Gras.«

Alsdann sagte er zum Wolf: »Übereile nicht meinen Tod, daß du es nachher bereust, du Tier, so herrlich an Macht, an Stärke und Tapferkeit. Wenn du mir Aufschub gewährst und erwägen willst, was ich dir zu sagen habe, so wirst du meinen Plan, den ich ersonnen habe, erfahren. Bringst du mich aber übereilt um, so nützt es dir nichts, und wir lassen hier beide unser Leben.« Da fragte ihn der Wolf: »Du falscher Verräter, womit hoffst du dich und mich zu erretten, daß du mich um eine Gnadenfrist angehst? Sag' mir deinen Plan, den du ersonnen hast.« Nun entgegnete ihm der Fuchs: »Was den Plan anlangt, den ich ersonnen habe, so ist es nicht erforderlich, daß du mich dafür belohnst. Als ich deine Versprechungen und die Beichte deiner frühern Schandthaten vernahm, und dein Bedauern, nicht früher bereut und Gutes gethan zu haben, und auch deine Gelübde hörte, nicht mehr deinen Freunden und andern schaden zu wollen und auch nicht mehr Weintrauben und die sonstigen Früchte zu fressen, sondern von nun an in Reue und Gebet zu verharren, dir die Nägel zu verschneiden, die Reißzähne abzubrechen, dich in Wolle zu kleiden und Gott, dem Erhabenen, Opfer darzubringen, wenn er dich aus deiner Not befreien würde, da faßte mich Mitleid, obwohl ich nach deinem Untergang gegiert hatte; und, als ich deine Reue hörte und die Gelübde, die du Gott gelobtest, falls er dich befreien würde, faßte mich das Verlangen, dich aus der Grube zu befreien, so daß ich meinen Schwanz zu dir hinunterhängen ließ, damit du dich daran hängtest und dich auf diese Weise errettetest; du aber gabst deine Härte und Gewaltthätigkeit nicht auf und wolltest deine Errettung und dein Heil nicht durch Sanftmut erbitten, sondern zogst mich so stark, daß ich glaubte, ich hätte meinen Geist aufgegeben, und nun mit dir zusammen im Haus des Untergangs und des Todes sitze. Nichts kann uns beide noch retten als daß du einen Plan von mir gutheißest; sind wir dann aber frei, so hast du dein Gelübde zu erfüllen, und ich will dein Freund sein.« Da fragte ihn der Wolf: »Welchen Plan soll ich denn gutheißen?« Der Fuchs antwortete: »Stell' dich aufrecht auf deine Füße, dann will ich auf deinen Kopf steigen, damit ich der Oberfläche der Erde nahe komme. Ich will dann aus der Grube herausspringen und dir etwas bringen, woran du herausklettern und dich retten kannst.« Da erwiderte ihm der Wolf: »Ich traue nicht deinen Worten, denn die Weisen haben gesagt: Wer Vertrauen schenkt, wo er hassen sollte, geht fehl, und ferner heißt es: Wer Treulosen traut, wird betrogen, wer den Versucher versucht, hat's zu bereuen, und wer nicht Unterschiede zu machen weiß zwischen den verschiedenen Lagen, so daß er jeder Lage giebt, was ihr zukommt, sondern alle Sachen über einen Kamm schert, der wird wenig Glück und viel Unglück haben. Wie schön lautet doch das Dichterwort:

Laß deine Gedanken nicht anders als schlecht sein,
Denn schlecht vom Nächsten zu denken ist die größte Klugheit.
Nichts wirft den Menschen leichter ins Verderben
Als Gutes zu thun und Gutes vom Nächsten zu denken.

Oder eines andern Wort:

Heg' immer üble Meinung vom Nächsten und rette dich so,
Wer wachsam lebt, wird selten von Unheil betroffen.
Tritt deinem Feind mit lächelndem Antlitz und offener Stirn entgegen,
Doch pflanz' in deinem Herzen ein Heer zum Kampf wider ihn auf.

Oder eines dritten Wort:

Wem du am meisten traust, der ist dein bitterster Feind,
Drum sei auf der Hut vor den Menschen und beargwöhne deinen Freund.
Von den Tagen nur Gutes zu denken ist ein Zeichen der Schwäche,
Drum denk' von ihnen schlimm und fürchte ihre Tücke.«

Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »Argwohn ist nicht zu allen Zeiten angebracht, und gut vom Nächsten zu denken ist ein Zeichen edler Naturen und führt zur Errettung aus Schrecken. Dir, o Wolf, geziemt es aber eine List zu ersinnen, wie du dich aus deinem Gefängnis erretten kannst, und Rettung würde für uns beide besser sein als der Tod. Laß daher deine bösen Gedanken und deinen Haß; denkst du gut von mir, so werde ich nur zweierlei thun können: Entweder bringe ich dir etwas, woran du herausklettern und dich befreien kannst, oder ich betrüge dich, indem ich mich selber rette und dich in der Grube lasse. Letzteres ist aber deswegen unmöglich, weil ich nicht sicher bin, daß es mir zur Strafe für meinen Verrat ebenso wie dir ergeht. Lautet doch auch ein Sprichwort: Treue ist gut, Verrat gemein. Es geziemt dir daher mir zu vertrauen, denn ich kenne wohl die Zufälle des Schicksals; und verschieb' es nicht, eine List zu unserer Rettung ausfindig zu machen, da die Sache zu ernst ist, um lange Reden zu führen.« Der Wolf entgegnete dem Fuchs auf seine Worte: »Siehe, trotzdem ich so wenig Vertrauen in deine Treue setze, so wußte ich doch, was du für Gedanken hegtest, und daß du mich befreien wolltest, nachdem du meine Reue sähest, und ich sprach bei mir: Spricht er die Wahrheit, so sühnt er sein Vergehen, ist er aber falsch, so wird Gott es ihm vergelten. Ich nehme daher deinen Vorschlag an; übst du Verrat, so wird der Verrat die Ursache deines Verderbens sein.« Nach diesen Worten stellte sich der Wolf in der Grube aufrecht hin und nahm den Fuchs auf seine Schultern, so daß er in gleicher Höhe mit der Erdoberfläche war. Dann sprang der Fuchs von den Schultern des Wolfs hinaus und sank ohnmächtig nieder, während der Wolf ihm zurief: »Mein Freund, vergiß mich nicht und säume nicht in meiner Befreiung.« Der Fuchs brach jedoch in ein schallendes Hohngelächter aus und sagte: »Du Betrogener, nur darum, daß ich meinen Scherz und Spott mit dir trieb, fiel ich in deine Hand. Als ich nämlich deine Reue hörte, packte mich die Freude so stark, daß ich mich schüttelte und tanzte, wobei mein Schwanz in die Grube zu hängen kam. Da zogst du mich daran, daß ich zu dir hineinfiel. Nun aber hat mich Gott, der Erhabene, aus deiner Hand errettet. Warum sollte ich jetzt nicht zu deinem Verderben behilflich sein, wo du zu Satans Schar gehörst? Wisse, mir träumte gestern Nacht, ich tanzte auf deiner Hochzeit. Als ich dann meinen Traum einem Traumdeuter erzählte, sagte er mir: »Du wirst in einen Schlund stürzen und wieder daraus entkommen.« Nun weiß ich, daß sich mein Traum erfüllt hat, indem daß ich in deine Hand fiel und mich wieder befreite. Du betrogener Thor, du wußtest, daß ich dein Feind war, wie konntest du also nur in deiner Beschränktheit und Thorheit verlangen, daß ich dich befreite, wo du obendrein noch meine groben Worte gehört hattest? Wie werde ich mir Mühe geben dich zu befreien, wo doch die Weisen gesagt haben: Der Tod des Missethäters verschafft den Leuten Ruhe und reinigt die Erde? Müßte ich nicht fürchten mir durch Treue gegen dich größere Schmerzen zuzuziehen als durch Verrat, so möchte ich wohl deine Befreiung zuwege zu bringen versuchen.«

Als der Wolf die Worte des Fuchses vernahm, biß er sich die Pfoten vor Reue;

Hundertundfünfzigste Nacht.

dann aber gab er dem Fuchs gute Worte, ohne dadurch etwas zu erreichen, und sagte zu ihm mit schwacher Stimme: »Ihr Volk der Füchse habt doch die süßeste Zunge und versteht den artigsten Spott zu treiben; dies ist ja nur Spott von dir, doch ist Scherz und Spott nicht zu jeder Zeit angebracht.« Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »O, du Thor, der Spott hat eine Grenze für den Spötter; glaub' doch nicht, daß Gott mich noch einmal in deine Gewalt geben wird, nachdem er mich aus deiner Hand befreit hat.« Da sagte der Wolf zu ihm: »Nach unserer frühern Brüderschaft und Freundschaft wäre es deine Pflicht mich zu befreien zu suchen, und sicherlich würde ich es dir zur Genüge lohnen, hättest du mich befreit.« Der Fuchs erwiderte jedoch: »Die Weisen haben gesagt: Nimm keinen ruchlosen Narrn zum Bruder, denn er wird dir zur Schmach und nicht zum Schmuck gereichen; nimm aber auch keinen Lügner zum Bruder an, denn er wird deine guten Thaten verhehlen und deine üblen Thaten ausposaunen. Weiter sagten die Weisen: Für alle Dinge giebt's einen Ausweg nur nicht für den Tod, alles läßt sich wieder heilen nur nicht die Verdorbenheit des innern Wesens selber, und alles läßt sich abwehren, nur nicht das Schicksal. Wenn du aber davon sprichst, du würdest mir Lohn zur Genüge für deine Befreiung geben, so wird dein Lohn wohl der gleiche sein, den eine Schlange, die vor dem Schlangenbeschwörer floh, jenem Mann, der sie errettete, zu teil werden ließ. Als nämlich jener Mann sie von Schrecken verstört erblickte, fragte er sie: »Was fehlt dir, o Schlange?« Die Schlange antwortete ihm: »Ich fliehe vor dem Schlangenbeschwörer, der mich fangen will. Würdest du mich vor ihm erretten und mich bei dir verstecken, so würde ich dir einen schönen Lohn geben und es dir aufs beste vergelten.« Da nahm er die Schlange um des Lohnes willen und aus Begierde nach der Vergeltung und steckte sie in seine Busentasche. Als aber der Schlangenbeschwörer vorübergekommen und seines Weges gegangen war, und so alle Ursache ihrer Furcht verschwunden war, und der Mann sie nun fragte: »Wo ist der Lohn? Ich habe dich vor der Ursache deiner Furcht und deiner Besorgnisse errettet?« entgegnete ihm die Schlange: »Sag' mir, in welches Glied ich dich stechen soll? Du weißt doch, daß wir diese Art Lohn niemals überschreiten.« Darauf biß sie ihn mit einem Biß tot.

Dich aber, du Dummkopf, vergleiche ich mit dieser Schlange in ihrem Verfahren gegen den Mann. Hast du nicht das Dichterwort vernommen:

Trau keinem Mann, in dessen Herz du den Zorn hast wohnen lassen,
Und glaube nimmer, daß sein Zorn wieder gewichen ist.
Siehe, die Vipern fühlen so weich sich an und sind so geschmeidig,
Und doch verbergen sie tödliches Gift.«

Da erwiderte ihm der Wolf: »O du Meister im Wort mit dem schönen Gesicht, vergiß nicht wer ich bin, und wie sich die Leute vor mir fürchten. Du weißt, daß ich Burgen überfalle und Weinberge entwurzele, thue daher, was ich dich geheißen habe und bediene mich, wie der Sklave den Herrn bedient.« Der Fuchs entgegnete ihm jedoch: »Du dummer Narr, der du eitle Dinge erstrebst, ich wundere mich fürwahr über deine Dummheit und eherne Stirn, daß du mir befehlen willst, dir aufzuwarten und dienstbar zu sein, als wäre ich dein Sklave. Aber nun sollst du sehen, wie dir der Schädel und deine falschen Fangzähne mit Steinen zertrümmert und zerbrochen werden sollen.«

Alsdann lief der Fuchs auf einen Hügel, welcher die Weinberge überragte, und schrie in einemfort über die Weinbergsleute, bis sie ihn erblickten und schnell auf ihn zu liefen, während er so lange stehen blieb, bis sie nahe an ihn und die Grube, in welcher der Wolf steckte, gekommen waren. Dann kehrte er ihnen den Rücken und trollte sich. Als nun die Weinbergsbesitzer in die Grube schauten und dort den Wolf erblickten, fielen sie mit schweren Steinen über ihn her und hörten nicht eher auf mit Steinen und Knitteln nach ihm zu werfen und ihn mit den Spitzen der Lanzen zu stechen, bis sie ihm den Garaus gemacht hatten. Hierauf kehrten sie heim, der Fuchs aber kam nun wieder zur Grube zurück und stellte sich neben die Stätte, auf welcher der Wolf sein Leben gelassen hatte. Als er ihn dort tot daliegen sah, schüttelte er den Kopf vor Freude und sprach die Verse:

»Die Zeit hat die Seele des Wolfs hinfortgerafft,
Verworfen und verdorben bleib' sie immerdar!
Du hast dich heiß bemüht, Abû Sirhân,Ein Beiname des Wolfs: Vater der Morgenausfahrt. um mein Verderben,
Doch heute hat das Unheil dich getroffen und verbrannt.
Du fielst in eine Grube, in die niemand gerät,
Ohne des Todes Sturm dort brausen zu hören.«

Alsdann lebte der Fuchs sicher und ohne Furcht, irgendwie Schaden zu nehmen, ganz allein im Weinberg. Das ist die Geschichte vom Fuchs und Wolf.

 


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