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Vierzehntes Kapitel.

Nachdem der Gouverneur nun den wesentlicheren Teil seiner Vorbereitungen getroffen hatte, stand ihm eine mehr seelische und viel angreifendere Aufgabe bevor, und um sich auf dieselbe vorzubereiten schritt er auf das anstoßende Feld hinaus. Die Stadt hinter sich zurücklassend, ging er, seiner Gewohnheit gemäß, mit auf dem Rücken verschränkten Händen bis zum Ufer des Fjords.

Es war ein schöner Morgen. Die Beleuchtung war wunderbar, ein silberner Glanz, der das Licht anderer Tage düster und bleiern erscheinen ließ, funkelte wie sternenübersäter Schnee ringsumher. Die Fluten des Fjordes hoben und senkten sich langsam unter einem zitternden Nebel, und auf der See draußen – weit, unendlich, unabsehbar – trieb eine Anzahl Fischerböte mit ihren weißen Segeln, die am Ufer nicht bemerkbare Brise belügend, fern und ferner, als ob sie in den Himmel hineinsegeln wollte. Der Postdampfer lag in der Bucht vor Anker, für seine Rückreise nach England Dampf anlassend, und seinen schwarzen Rumpf umschaukelte, wie Seevögel den Fuß eines Lavafelsens, eine Schar weiß angestrichener Leichterfahrzeuge. Hoch oben in der Luft schrieen die Möven, und von der geschützten Seite einer kleinen Insel trieben und lockten die letzten diesjährigen Eidergänse ihre Jungen in Vorbereitung zu ihrem Flug nach weiten Landen in die See.

Es war ein grausam schöner Morgen, einer jener strahlenden Tage, wo die Natur in ihrer Gleichgültigkeit gegen den Menschen und seine Qual jeden freudigen Klang oder Anblick, der nur die tiefsten Tiefen der Erinnerung erschüttern kann, heraufzubeschwören scheint, und der Sonnenschein allein schon einem das Herz brechen möchte.

Endlich sah der stolze Mann, der mit vor Kummer und vor gescheiterter und zerstörter Hoffnung tief gebeugtem Haupte durch das eigne hügelige Feld dahinschritt, seinen Weg klar vor sich. Aus Liebe sowohl als Zorn, aus Gerechtigkeit sowohl als Pflicht mußte er sich für immer von seinem Lieblingssohne, dem Stolz seines Herzens und der Hoffnung seines Lebens, lossagen.

Sobald er ins Haus zurückkehrte, ließ er Oskar zu sich rufen. Elender und kränker als je aussehend, kam derselbe nach einigen Minuten langsam die Treppe herab und blieb wie ein seinen Urteilsspruch erwartender Gefangener gesenkten Hauptes am Ofen stehen. Der Gouverneur blickte über die Brillengläser zu seinem Sohn hinauf, und der Mut wollte ihm anfänglich fast versagen. Nach einem Augenblick jedoch begann er gestählt und fester Stimme:

»Ich habe dich rufen lassen, um dir mitzuteilen,« sagte er, »daß ich um deiner Mutter willen – ich ziehe vor, mich so auszudrücken – jene Unterschrift anerkannt habe und es auf mich nehmen will, all das von dir verschwendete Geld auszuzahlen. Um dies zu ermöglichen, bin ich gezwungen, jeden Pfennig wert an Grund und Boden, den wir besitzen, mit Hypotheken zu belasten, so daß ich außer meinem amtlichen Gehalte nichts mehr haben werde. Schlimmer als das, ich habe, um dir die Freiheit zu erkaufen, deines Bruders Erbteil mit preisgeben müssen, und ob ich das Recht dazu hatte, weiß Gott allein.«

Oskar schauderte wie vor Kälte, der Gouverneur sah es und wartete einen Augenblick, ehe er fortfuhr:

»Die Bedingung, unter der ich dieses Opfer bringe, ist die, daß du Island stehenden Fußes verlässest. Du wirst mit der »Laura«, die heute abend geht, dich einschiffen, und da deine Ehre meine Ehre ist, werde ich das Gerücht verbreiten, daß deine Gesundheit nach dem Tode deiner Frau zusammengebrochen sei, und du zur Wiederherstellung derselben fortgegangen seist.«

Der Gouverneur hielt ein zweites Mal inne, und als er von neuem begann, klang seine Stimme bedeckt und heiser.

»Ich werde dich nicht sobald zurückerwarten – ich werde dich überhaupt nicht zurückerwarten. Insofern wie du dein Bestes – oder Schlimmstes – getan hast, mein Glück zu zerstören, bitte ich dich, es als abgemacht anzusehen, daß von nun an unsere Lebenswege verschiedene Richtungen gehen, und daß ich für meinen Teil dich nicht wiederzusehen wünsche.«

Des Gouverneurs Stimme klang jetzt rauh und verschwommen, doch fuhr er mit Anstrengung fort:

»Du wirst in Zukunft für deinen Unterhalt auf dich selbst angewiesen sein, aber das sollte dir mit deinen Talenten, so wenig du sie bis jetzt auch ausgenutzt hast – nicht schwer fallen. Was hier auch sich ereignen mag, nie werde ich etwas für mich oder deine Mutter von dir erwarten. Wenn aber das Glück dich begünstigen sollte, und du je imstande sein wirst, deinem Bruder Rückzahlung zu leisten, dann möchte es die Bürde deines Gewissens und mir – obgleich ich nicht viel Mitleid für ihn übrig habe, weil er harten Herzens ist – die Erde auf meinem Grabe erleichtern.«

Der Gouverneur hielt zum letzten Male inne, räusperte sich und sagte dann in festem Tone:

»Nur noch ein Wort. Ich glaubte, daß vielleicht dein Schwiegervater etwas für dich tun würde, aber außer einem Versprechen, für das Kind zu sorgen, will er sich zu nichts herbeilassen. Deshalb, und weil ich Grund zu befürchten habe, daß seine Tochter Helga die Ursache zu dem Leid, das unser aller Glück gänzlich zerstört hat, und vielleicht der erste Anlaß zum Tode unserer teuren Thora war, bitte ich dich, mir zu versprechen – deinetwegen noch mehr als meiner selbst willen – jeden weiteren Verkehr mit ihm oder den Seinen abzubrechen – versprichst du mir das?«

»Ja, ich verspreche es.«

Hierauf folgte wieder ein kurzes, wahrnehmbares Stillschweigen, und dann sagte eine Stimme – eine fremde Stimme, eine Stimme, die wie ein Aufschrei klang:

»Das wäre alles. Und nun – lebewohl und – Gott helfe dir.«

Fast erstickt vor Bewegung und erblindet vor Tränen, wandte Oskar, um seiner Erkenntlichkeit für die gerechte Strafe Ausdruck zu geben und einzugestehen, daß er alles – alles und mehr – hundertmal mehr noch verdiene, sich um – er befand sich jedoch allein im Zimmer. Sein Vater war aus demselben entflohen.

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