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Drittes Kapitel.

Der Schnee war fort und der fahle Boden leuchtete grün und golden im Gewand und Schmuck des Frühlings, als die Reisenden nach Island zurückkehrten. Kapitän Zimsen hatte am frühen Morgen beim Umfahren der inneren Bucht des Fjordes, als die kleine Hauptstadt beim Frühstückkochen war, ihrer Heimkehr zu Ehren eine Kanone abgefeuert, und alle Leute liefen, in dem Glauben, daß das Kriegsschiff von Kopenhagen angekommen sei, vergnügt vor die Türe; die Freude erhöhte sich jedoch noch, als die »Laura« ihre Anker auswarf, und die kleinen Boote, die ihr entgegengefahren waren, mit der Nachricht zurückkamen, daß die Hochzeitsreisenden wieder da seien.

Die halbe Stadt lief auf die Landungsbrücke hinunter, um die Reisenden zu bewillkommnen, der Gouverneur in seiner Galauniform, der Faktor in seinem besten Sammet-Käppchen, seine beste deutsche Pfeife rauchend, der Kreisrichter, der Rektor und der Bischof mitten dazwischen.

Des Faktors großes, weißes Boot war sofort abgeschickt worden, um die drei an Land zu bringen, und während es zurückkam, hörte das Gewundere, wie sie nach ihrer langen Reise wohl aussehen würden, nicht auf. Oskar, der am Bug stand, war sonnenverbrannt, und ein blonder kleiner Schnurrbart mit nach oben gedrehten Spitzen, den er sich hatte stehen lassen, ließ ihn etwas älter erscheinen. Irgend jemand bemerkte, daß er eine Weste neumodischsten Schnittes und über dem Arm einen italienischen Mantel trage. Helga, die in der Mitte des Bootes stand, war eine Idee voller geworden und hatte einen neuen französischen Hut auf. Ein Kodak war um ihre Schultern geschlungen, und sie sah sich die Leute auf der Landungsbrücke durch ein elfenbeinernes Fernglas an. Und Thora, die in demselben Kostüm, in dem sie abgereist war, und mit Magnus' weißem Bärenfell über den Knieen im Stern des Bootes saß, schien ein wenig magerer als früher, ihr Gesicht aber, obgleich ihre leuchtenden Augen voll Tränen standen, erhellte ein strahlendes Lächeln.

Als das Boot anlegte, gab es eine kräftige und derbe Begrüßung. Viel Gelächter! Viele Neckereien! Viel Hände Schütteln und auf den Rücken Klopfen! Nachdem der Gouverneur und der Faktor Thora geküßt hatten, mußten sie sich die Wangen trocknen; Helga aber strahlte wie das Tageslicht, und Oskar hatte ein beglückendes Wort für jeden einzelnen. Er schüttelte allen rund umher die Hände und begrüßte sogar die Fischer und Bootsmänner mit Namen. »Der vergißt keinen alten Freund, wie?« sagte ein alter barfüßiger Geselle. »Auf den ist Verlaß!« sagte ein anderer in Lumpen Gekleideter.

Dann zogen sie scharenweise dem Gouvernementsgebäude zu, wo Anna mit Schürze und Hufa am Eingangsportal ihrer wartete. Thora vergoß Freudentränen bei ihrem Anblick und mußte nach ihrem Schlafzimmer gebracht werden. Und als Tante Margret mit ihren eingeölten Löckchen erschien und Oskar sie küssen wollte, wehrte sie ihm mit einem neckischen Backenstreich ab und sagte: »Erst muß ich sehen, was du mit meinem Kinde gemacht hast« und rannte stracks treppauf.

Helga ging ebenfalls hinauf, um ihren Hut abzulegen, und inzwischen zogen der Gouverneur und der Faktor Oskar ins Wohnzimmer, wo der Bischof, der Kreisrichter und der Rektor sich zu ihnen gesellten. Marie brachte Kaffee und Schokolade herein, und die alten Männer stopften sich ihre Pfeifen und bestürmten Oskar mit Fragen. Der Gouverneur erkundigte sich nach der englischen Politik, der Faktor nach den Zollverhältnissen, der Bischof nach dem Vatikan und der Rektor nach den Ausgrabungen im Forum von Rom.

Oskar beantwortete sie alle mit einer nach positivem Wissen klingenden und witzigen Eindruck hervorrufenden Schneidigkeit und Sicherheit und leitete, von dem schwerfälligen Gebiet der Tatsachen abschwenkend, auf den schlüpfrigen Pfad der Dichtung hinüber, indem er sie mit interessanten Reiseberichten und mit der Wiedergabe aller komischen Ereignisse, die ihnen in Wirklichkeit oder nur in der Einbildung zugestoßen waren, zu unterhalten begann. Seine sämtlichen Geschichten fanden Anklang, keine Rakete versagte ihm, und die alten Herren lachten Tränen. »Was für ein Junge!« »Der spielt mit allen fünf Fingern zugleich.« Seine ausgelassene Laune beeinflußte sie wie Sonnenschein nach Regentagen, wie der Windhauch nach stiller See, wie das erste Schaukeln des Bootes nach dem ersten Ruderschlag. Er war ganz derselbe sorglose, unzuverlässige, liebenswürdige Tunichtgut von früher, und erst lange darauf erinnerte man sich, daß aus seiner Fröhlichkeit ein hohler Klang, aus seiner Freude eine falsche Note geklungen hatte.

Dann kam Helga ins Wohnzimmer herunter, und die Männer begrüßten sie mit einem Freudenruf.

»Wie voll sie geworden ist!« sagte der Gouverneur.

»Sie hat sicher auf ihrer Reise zugenommen,« sagte der Faktor.

»Nicht wahr?« sagte Oskar. »Das war gerade was ihr fehlte – alles was ihr fehlte!«

»Unsinn! laßt uns von etwas Ernsthaftem sprechen,« sagte Helga.

Darauf kam Thora mit Anna und Tante Margret, die sie wie die Bienen geschäftig umschwärmten. Sie hatte ihr Reisekleid gegen ihr altes isländisches Kostüm vertauscht, alter Erinnerungen wegen, und nun, da man sie ohne Schleier sah, war es unzweifelhaft, daß sie magerer geworden war, und ihr Gesicht einen langgezogenen Ausdruck und einen fieberhaften Fleck auf der Mitte ihrer Wangen trug. Ein verschämtes Lächeln durchleuchtete jedoch ihre Züge, und ihre Dankbarkeit kannte keine Grenzen.

»Anna hat uns so wunderschöne Zimmer gegeben, Oskar, das große, von dem aus man die ganze Landstraße übersieht, und das lange dahinter, wenn ich auch um alles in der Welt nicht einsehen kann, was wir mit zwei Stuben anfangen sollen.«

»O, beruhige dich darüber, Schatz – wir mögen nach und nach schon Benutzung für sie finden,« sagte Anna mit einem bedeutungsvollen Kopfnicken, und dann stieg Thora die Röte wie eine Notflagge ins Gesicht, und die Männer begannen zu lächeln.

Anna lächelte ebenfalls und machte dem Gouverneur Zeichen und flüsterte ihm hinter ihrer vorgehaltenen Hand etwas zu. »Steht es so?« »Ja, wirklich, ich habe sie oben gefragt und es ist, wie ich es mir gedacht habe.« Dann kam die Reihe zu kichern und dem Faktor zuzuflüstern an den Gouverneur: »Nein ist es wirklich wahr?« »Ja, Anna sagt es.« Und so ging es weiter, bis alle über sie lachten, worauf der Faktor sagte:

»So, Oskar, du hast uns nun alles über London und Paris und Rom erzählt, aber keine Silbe über den Platz, wo man ohne zu arbeiten, Geld verdient.«

»Monte Carlo? Hab' ich das nicht?« sagte Oskar.

»O, nun ja – ein wunderschöner Ort! Tatsächlich ein wahres Paradies.«

»Eine wahre Hölle, wenn nur die Hälfte von dem, was man darüber hört, wahr ist,« sagte der Gouverneur.

»Ja – ja, das ist ebenfalls richtig,« sagte Oskar.

»Ich hörte einmal von einem Menschen erzählen, der während einer einzigen Nacht zehn Pfund gewonnen hat, was sagt ihr dazu?« sagte der Faktor.

»Du meine Güte!« rief Tante Margret.

»Was nützt eine ganze Kiste voll Gold, wenn der Teufel den Schlüssel dazu in Händen hält?« sagte der Gouverneur.

Dann fing Helga, die auf dem Stuhl am Instrument gesessen hatte, leise zu spielen an, und Oskar wandte sich zu ihr herum.

»Ah, Addio Napoli! Wir müssen dir ein paar neapolitanische Lieder vorsingen, Vater.«

Dieser Vorschlag wurde mit allgemeinem Beifall begrüßt und während der nächsten halben Stunde spielten und sangen Helga und Oskar die heiteren kleinen Lieder, mit denen Neapel die italienische Luft erfüllt. Und als der Faktor noch einmal auf den Mann, der zehn Pfund in einer einzigen Nacht gewann, zurückzukommen drohte, stimmte Helga die Tarantella an, und Oskar tanzte dazu.

Endlich sagte der Gouverneur: »Alles hat ein Ende, ausgenommen die Zeit. Es ist spät, und Thora sieht müde aus, deshalb werde ich alle, die nicht ins Haus gehören, jetzt hinauswerfen.«

»Das ist ganz in der Ordnung,« sagte Tante Margret, »und ich werde Helga mit mir in ihr eigenes Quartier nehmen.«

»Ich werde Helga nach Hause bringen,« sagte Oskar, und mit fernerem Händeschütteln und guten Wünschen fing die Versammlung an aufzubrechen.

»Schließlich bist du, denke ich mir, doch wohl ganz froh wieder zu Hause zu sein, Thora,« sagte der Bischof.

»Sehr, sehr froh,« erwiderte Thora.

»Ha, ha! Es ist nicht leicht, ein an Heimweh krankes Pony zum Tanzen zu bringen,« lachte der Rektor. »Und du, Helga?«

»Ich bin durchaus nicht froh, Rektor; wer könnte sich freuen alle jene Schönheiten gegen diese Wildernis zu vertauschen?«

Dies wirkte für einen Moment niederschlagend auf alle, und in der Absicht Helga zu Hilfe zu kommen, sagte Oskar:

»Es hat etwas für sich, was Helga sagt, jedenfalls –«

»Also auch du, Oskar –«

»Nein, Rektor, nein – das heißt – nun ja, ich freue mich, daß ich zurück bin und ich werde mich freuen wieder fortzugehen.«

Und darauf waren alle wieder ebenso glücklich wie vorher.

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