Anastasius Grün
Der letzte Ritter
Anastasius Grün

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Max in Augsburg.

1518.

 
Einzug.

                  Es hat das Herz des Menschen ganz eigne Länderkarten!
Die Stelle, wo ihm Liebes begegnet auf seinen Fahrten,
Bezeichnet ihm schon ferne ein heitrer, heller Stern,
Wie ihn gesehn die Weisen einst ob der Krippe des Herrn.

Wie bist du, Stern, so funkelnd ob Augsburg mir zu schaun,
Wie Treu' im Blick der Männer, wie Huld im Aug' der Fraun,
Wehmüthig Leuchten sendend den Tagen, die verglommen,
Ein süß Verheißen streuend auf Tage, die noch kommen!

Max sprach's zum Kreis der Treuen, die mit ihm fröhlich ritten,
Das Lechfeld lag vor ihnen, die liebe Stadt inmitten.
»Was blinkt dort durchs Gehölze, als ob's ein Lager wäre?
Wohl gar der Egypterherzog mit seinem Zigeunerheere?«

Herr Kunze darauf erwidert: »Wenn recht mein Auge sah,
Wohl lagert Herzog Amors Zigeunervölklein da;
Doch scheint's nicht fest im Wandern, die Füßchen sind schon wund,
Was Wunder? Fahrende Fräulein ja lagern dort im Grund!

O seht das seltne Lager! Die Lanzen sind Nadelspitzen,
Als Schilder, gehängt an Bäume, rings Spiegel und Spiegelchen blitzen,
Viel Pfeile in braunen, blauen und schwarzen Köchern der Augen,
Als grob und leicht Geschütze die Zungen und Züngelchen taugen!

Und hat das Herz des Menschen ganz eigne Länderkarten,
Mußt' ihnen zum Kometen dein heller Stern entarten
Als des Profoßen Ruthe, im Zorn ob Augsburg lohend,
Unsüßen Abschieds mahnend und böse Rückkehr drohend!«

Da faßt der Fräulein eines des Kaisers Zügel leise:
»Gestatt' in deinem Schutze, Herr, uns die Heimatreise,
Heimführe die Töchter wieder dem weisen Magistrat,
Die Schwestern seiner Söhne, die Kinder der Vaterstadt!«

Da klammerten sich die Mägdlein an Bügel ihm und Zaum,
An Mähn' und Schweif des Rosses und an des Mantels Saum.
Der Kaiser läßt's geschehen, er denkt nur still bei sich:
Euch wird mein Purpur schützen, mein graues Haar schützt mich!

So ritt der Zug von dannen. Herr Kunz ritt hinterdrein
Und trieb ein buntes Denken, zu laut fast mocht es sein:
»O Max, du seltner Jäger! Sieh, was sich für Vöglein fingen,
Dir, lustig zappelnd und flatternd, in Garn und Roßhaarschlingen!

O Max, du seltner Gärtner! Schmückst du zum Rosenturnei
Des Zelters Schweif und Mähnen mit Blumen bunterlei?
O Max, du seltner Kaiser! Welch Prachtgewand ist dein!
Das wird ein Balgen der Pagen nur um die Schleppe sein!«

Am Thor stehn Volk und Rathsherrn. Seltsam Gefühl beflog
Sie All', nun mit den Mägdlein einher der Kaiser zog:
Es wallt um sie, wie schirmend, sein Mantel faltig, weit,
Wie All' uns hält umschlungen die Allbarmherzigkeit.

 
Max und Dürer.Als Maximilian zu Augsburg seinen letzten Reichstag hielt, befand sich auch Dürer daselbst, malte den Kaiser und nahm die Zeichnung zu dem trefflichen Bildniß, das er nach dem Tode seines Wohlthäters herausgab. Unmittelbar vorher vollendete er für den schon Erkrankenden die herrliche Darstellung des Todes der ersten Gemahlin desselben, Maria von Burgund, in Gegenwart ihres gebeugt dastehenden Gemahls, ihres Sohnes Philipp und der vertrautesten Freunde des Kaisers. Das Ganze ist symbolisch so gefaßt, daß es wie in den Darstellungen des Todes der Jungfrau Maria, zugleich den Eingang des Sterbenden zur Seligkeit anzeigt. In einer Glorie erscheint nämlich der Heiland mit den Worten des hohen Liedes: Surge propera, amica mea, veni de Libano, veni, coronaberis! S. Prof. Tölkens »Gedächtnißrede bei der Säcularfeier Albrecht Dürers 1828« im Berliner Kunstblatt. April 1828.

           Fürst, Troßbub, Ritter, Gauner durchwimmeln Augsburgs Gassen,
Im Saal die Rathsherrn zankend und zankend Volk auf den Straßen,
Hier doppelt volle Schenken, doch Armut rings im Land!
Wie mögt ihr solches heißen? Reichstag war's deutsch genannt.

Max sah vom Fenster düster aufs tolle Gewühl im Frei'n,
Da trat in schlichtem Wammse ein Mann gar schüchtern ein;
»Gott grüß' dich, Meister Dürer!« rief Max so freudig schnell,
»Wie kommt die Kunst zum Reichstag, nach Babel mein Apell?«

»Nur eine Gnade wollt' ich, o Herr, von euch erflehn,«
Erwidert drauf der Meister, »laßt freundlich es geschehn!
Ach, gerne malt' ich einmal noch euer Konterfei;
Hell strahlend wie sein Urbild, doch auch so wahr und treu.«

Der Kaiser faßt wehmüthig des Künstlers Hand und spricht:
Bei mir will's Abend werden; drum, eh' die Nacht anbricht,
Willst du die Landschaft zeichnen, vom Spätlicht karg verklärt!
Gelt, Freund, so magst du meinen? Wohlan, gern sei's gewährt.«

Der Maler nimmt den Pinsel, Leinwand und Farbenschrein:
»Noch bitt' ich Eins, mein Kaiser, seht nicht so finster drein.«
Starr auf die graue Leinwand ist Maxens Blick gebannt:
»Ich denk' an Staub und Asche, auch grau wie diese Wand.«

Der Maler zeichnet weiter, Mund, Wange, Nas' und Blick,
Der Kaiser sinkt vor Lachen jetzt in den Stuhl zurück:
»Ho, ho, da droht sie wieder, als ob sie der Spiegel wies,
Die ungeheure Nase, die sich so oft schon stieß!«

Und Farb' auf Farb' entlodert, wie Frühlingsblüthenglanz,
Und Leben, Frühlingsleben, durchschwillt den Farbenkranz,
Aufblüht die Farb', umkosend als Lächeln hier den Mund,
Als Ernst gar finster thronend dort auf dem Stirnenrund.

»Seht da den ganzen Menschen, dieß alte treue Haus,
Schmerz sieht zum einen Fenster wehmüth'gen Blicks heraus,
Die Freude steht am andern und nickt und lächelt mild,
Nur hängt an diesem Hause die Kron' als Aushängschild!

Leb' wohl nun, Bruder Albrecht! Ja, Bruder nenn' ich dich,
Ein König heiß' ich, König bist du so gut als ich;
Ein Stückchen Gold mein Zepter, mein Reich ein Stück grün Land,
Dein Zepter Stift und Kohle, dein Reich die Leinewand.

Die Heere bunter Farben sind Unterthanen dir,
Wohl treuer dir ergeben, traun, als die meinen mir!
Und Leben ist das Endziel, dem unsre Kraft geweiht,
Und Beider Müh' und Arbeit gilt der Unsterblichkeit.

Und doch, ist's einst gelungen, und glauben wir's vollbracht,
Wonach wir treu gerungen Tags über und bei Nacht,
Kommt, unser Werk besehend, manch nüchterner Gesell
Und mein: das Bild sei leidlich, der Thron steh' schief zur Stell'.

Behüt' dich Gott, mein Albrecht! Kehrst du nach Nürnberg heim,
So grüß' mir den Hans Sachse, den Mann mit Pfriem' und Reim;
Macht er ein Liedlein wieder, so sei's ein Leichenlied,
Bald hört er, daß ein König, der lieb euch war, verschied.«

So sprach der Fürst. Ins Auge schaut er dem schlichten Mann
Und sieht ihn milden Blickes wohl lang und schweigend an,
Blickt dann aufs eigne Bildniß, geschmückt mit Kron' und Gold,
Und lächelt still, wie Einer, der lieber weinen wollt'.

 
Abschied.

     Max wollt' aus Augsburg reiten. Doch ist's bestellt nicht gut,
Wenn auf die Fahrt dem Reiter Spornstiefel fehlt und Hut,
Die stahlen ihm Augsburgs Frauen, daß er noch bleiben sollt';
Er löst mit einem Tänzlein sie aus dem Gefängniß hold.

Max ritt aus Augsburgs Thoren. Doch ist's bestellt unlieb,
Wenn aus der Stadt du rittest, dein Herz doch drinnen blieb!
So zog er traurig die Straße durchs weite Lechfeld fort
Bis zu der grauen Säule, Rennsäule heißt sie dort.

Da hielt er an die Zügel und wandte rasch sein Pferd,
Zur Stadt noch einmal blickend, die ihm vor Allen werth:
»Mein treues, schönes Augsburg, da liegst du im Morgenlicht!
Die Trauer meiner Seele ahnst du, die Heitre, nicht.

Du ahnst nicht, daß ich segnend zu dir noch niederblicke,
Und kannst ihn nicht erwidern, den Gruß, den ich dir schicke,
Gleichwie das Kind im Schlummer wohl nimmermehr es ahnt,
Daß erst an seinem Bette der Vater segnend stand.«

Und feierlich dann schlug er dreimal das Kreuz vor sich:
»Lebwohl und Gottes Segen, mein Augsburg, über dich!
Er lohne deine Liebe und deinen treuen Sinn!
Er schütze deine Mauern und all' die Frommen drin!

Wir sehn uns nimmer wieder, so leb' denn ewig wohl!
Viel Treue harren meiner im schönen Land Tyrol!
Drum traure nicht, mein Auge, erhell' dich, Angesicht:
Von Freunden gehn zu Freunden ist, traun, so übel nicht!

So möcht' ich einst auch wandeln ins stille Geisterreich
Und, heitern Muthes scheidend, ihr Vielgeliebten von euch,
Zum Kreis der Lieben wallen, der dort, mein harrend, spricht:
Von Freunden gehn zu Freunden ist ja so übel nicht!«


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