Anastasius Grün
Der letzte Ritter
Anastasius Grün

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Max vor Wien.Matthias Corvin hatte 1485 Wien erobert. Hier starb er den 6. April 1490.

August 1490.

 
Das Wiedersehen.

              Auf eines Hügels Fläche, genannt der Wienerberg,
Steht eine graue Säule mit krausem Schnörkelwerk;
Die Spinnerin am Kreuze heißt sie seit alten Tagen,
Die heut noch sie umrauschen in alten, dumpfen Sagen.

Noch heut zu Tage fühlet der Wandrer, der hier steht,
Von süßen, heilgen Schauern sich zaubervoll umweht,
Und wie ein goldner Adler mit klingendem Gefieder
Senkt sich vom hohen Aether Begeist'rung auf ihn nieder.

Denn herrlich, unermeßlich in Pracht und Größe lag
Die alte Stadt der Kaiser mit einem Zauberschlag,
Rings grüne Höhn und Wälder, Strom, Augen, Saatengold,
Wie Gottes Segensbulle vor ihm nun aufgerollt!

Rund um das Meer von Steinen, hier sanft durchs Thal gedehnt,
Auf Bergen, grünen Flächen, an Hügel dort gelehnt,
Kapellen, Dörfer, Schlösser, zerstreut im grünen Rasen,
Wie weiße Lämmer, die seitwärts der großen Heerde grasen.

Und reges, frohes Murmeln, dumpf rasselnder Karren Klang
Und Glocken von hundert Thürmen, Gejauchz' und Jubelsang,
In tausendfält'gem Echo klingt's plötzlich auf zu dir,
Als rief ein einz'ger Hymnus: ein glücklich Volk lebt hier!

Leis' zitternd unter den Sohlen fühlst du die Erde beben,
So kräftig stampft den Boden dort unten Freund' und Leben!
In leiser Schwingung rieseln ums Haupt die Lüfte dir,
Zu deinem Herzen flüsternd: ein glücklich Volk lebt hier!

Nicht so zu Muth war's Maxen, als er auch hier einst stand
Und feuchten Auges blickte hinab auf Stadt und Land,
Mit ihm zu Fuß und Rosse ein hochgewaltig Heer,
Weit strahlend Helm und Panzer und Banner, Schild und Speer!

Wohl sieht er jetzo wieder den hohen Riesendom,
Die Mauerkoloss' und drüben den blauen Donaustrom,
Der um die Stadt der Treue die schimmernden Fluthen schmiegt,
Wie eines Magus Schlange zur Wacht vor'm Schatze liegt.

Fern sieht er jetzt auch wieder die graue Burg der Ahnen,
Wohl mocht' es, sie erschauend, ihn bessrer Zeiten mahnen,
Doch wo die Fahne Habsburgs dem Frieden einst geweht,
Das Kriegesbanner Ungarns wildflatternd nun sich bläht.

Und rings die weiten Felde, – jetzt stehn sie wüst und leer,
In vollen Saaten rollte sonst hier ein goldnes Meer;
Fand schnell noch Zeit der Schnitter, der Aehren Frucht zu schneiden?
Ha, oder ließ der Ungar sein stampfend Roß drauf weiden?

Sieh, Hügel grünt an Hügel, den blauen Strom entlang,
Sonst hängt dort Traub' an Traube, sonst hallt dort Sang und Klang:
Kein Winzer will jetzt lesen, und wenn er's heimlich thut,
Ist's still bei Nacht, denn stehlen muß er das eigne Gut.

Ringsum auf allen Hügeln stehn Kirchlein blank und weiß,
Geläut' und Lied verstummten, nur drinnen wimmert's leis;
Dank, Dank allein klang sonst hier zu lust'gem Glockenwehn,
Frei war das Volk und glücklich, es brauchte nichts zu erflehn.

Emporsteigt Jammer auf Jammer und rauchend Wolk' auf Wolke,
Als rief's hinaus: O nahe, Erlöser deinem Volke!
Und flammend klingt die Antwort aus Maxens Brust zurück:
»Bald soll Erlösung werden und Freiheit dir und Glück!

Mein Oestreich, herrlich Oestreich, wo gleicht dir noch ein Land?
Du trägst als Schild die Treue, – halt' fest den Schild von Demant!
Und Segen ist der Aether, der über'm Haupt dir rollt,
Und Silber deine Straßen, und deine Berge Gold!

Sei mir gegrüßt, mein Oestreich; doch ach, welch Wiedersehn!
In deinen Thälern Elend, und Elend auf den Höhn,
Der Dörfer Rauch dein Aether, und deine Ströme Blut,
Dein einzig Lied Verzweiflung, doch Treue dein einzig Gut!

Und du, Stadt meiner Väter, mein Wien, welche Wiedersehn!
Sieh blutgetränkte Banner von deinen Zinnen wehn!
Und ach, ich selbst, statt lächelnd des Friedens Kranz zu bringen,
Muß wild um deine Thürme den prasselnden Pechkranz schlingen.

Du littest und wirst viel leiden, doch fallen wirst du nicht,
Der Leiden Kerker wölbt sich zum Freudendom' einst licht.
O daß dich Lohn bald kränzen für Kraft und Treue mag,
Und aus der Nacht dir glänzen ein langer Frühlingstag!«

 
Die Belagerung der Hofburg.

                Dort wo die Burg der Kaiser aufragt in alter Pracht,
Dort lagert König Maxens gewalt'ge Heeresmacht;
Denn drin hat der Magyare die letzte Kraft verschanzt
Und in die gewölbten Fenster sein Donnergeschütz gepflanzt.

Hier sandten Fürsten und Schranzen einst Gnadenblicke heraus,
Und wem solch einer gegolten, der eilte froher nach Haus;
Mit wem es jetzt liebäugelt aus diesen Fenstern nieder,
Auch der kehrt flugs zur Heimat mit pochendem Herzen wieder.

Wo seid ihr, Kaiseradler, war hat euch fortgeschreckt?
Nur einer blieb, – der oben am Stephansthurme heckt;
Auch dieser wär' entflogen, wenn nicht sein Leib von Stein.
Ha, oder ahnt er Frühroth nach nächtlichem Wetterschein?

Horch, Trommeln und Trompeten! Wie Maxens Faust sich ballt!
»»Hei, drauf und dran, ihr Brüder!«« Wie's kracht und ras't und knallt!
Dicht an die Burg schlägt Feldruf und mordender Kugeln Macht;
Wenn drin ein Kaiser schliefe, jetzt wär' er wohl erwacht.

Auf Leitern klimmen aufwärts der Krieger kühnste Reihn.
Ei, meint ihr einzusteigen zu Liebchens Fensterlein?
Schon harrt das Schätzchen und windet aus Rosen purpurroth
Um euer Haupt ein Kränzlein; – wie läßt so schön das Roth!

Es kämpft an Maxens Seite ein Rittersmann, der spricht:
»Mein Fürst, ihr werdet plötzlich so bleich im Angesicht.«
»»Laß, Freund, und werd' ich blaß auch, wie könnt' es anders sein?
Von Schild und blanken Waffen ist's nur der Widerschein.

Sturm! drauf und dran, ihr Brüder!«« – Staub hüllt die Mauern ein,
Von Schwertern und Feuerschlünden blitzt rother Flammenschein;
Heim treibt ein Hirt in der Ferne die Heerde rascher fort:
Von Wien her rückt ein Gewitter, schon wetterleuchtet's dort.

Der Ritter an Maxens Seite, der sieht ihn an und spricht:
»Ihr seid so roth an den Schultern, mein Fürst, ist Blut dieß nicht?«
»»Ei guter Freund, laß roth sein; dich trügt der Augen Schein,
Es wird wohl nur ein Lappen vom Purpurmantel sein.

Ha bravo, Brüder, vorwärts!««– Wie von den bebenden Mauern,
Gleich Blüthenflocken im Lenze, die Kugeln niederschauern!
Allmächt'ger Gott, laut krachend sinkt dort das Bollwerk ein,
Und niederpoltert donnernd das rauchende Gestein!

»»Hinan! hinan!«« – Sie stürmen durch Schuttgeröll' empor,
Ha, lustig wirbeln die Trommeln, laut jauchzt der Siegeschor!
Den Todten Friede! – Jetzt stürzen vom Walle Ungarns Fahnen,
Und Habsburgs erstes Banner grüßt von der Burg der Ahnen.

Als eingestürmt die Sieger, sehn sie in weiten Hallen
Die Leichen magyar'scher Krieger, wie Hügel an Hügel sich ballen,
Die Lebenden stehn daneben, den Säbel im Arm gezückt,
Ein Seraphchor, der schützend auf theure Gräber blickt.

Max trat zu ihrem Führer und drückt ihm sanft die Hand:
»»Zieht hin, ihr edlen Streiter, in Frieden in euer Land,
Wenn Feinde gleich, doch ehr' ich solch kräftiges Geschlecht.
O kämpften einst vereint wir für ein Land und ein Recht!««

Er sprach's; da faßt ihn Fieber, Blut aus der Wunder bricht,
Er sinkt in Freundesarme mit bleichem Angesicht;
Auf einer Bahre trugen sie ihn ins stille Gemach,
Doch Preis dem Herrn! bald ward er aus schwerem Schlummer wach.

Bald stand an seinem Lager Genesung, das schöne Weib,
Küßt ihn auf Aug' und Wange und feit ihm den wunden Leib.
Da klang einst eine Zither herauf beim Abendschein,
Und duft'ge Weste trugen die Klänge zu ihm herein:

»Vor manchem Pfeile schirmet das Weib des Geliebten Herz,
Erst wenn es ausgestürmet, weint sie dem eignen Schmerz;
So winkt zu Siegesbahnen dem Heer des Helden Hand,
Erst die ersiegten Fahnen sind seiner Wunden Verband.

So gleichen Beide dem Baume, der, wenn es hagelt und stürmt,
In seinem schatt'gen Raume den bangen Wandrer schirmt;
Erst wenn die Stürme schweigen, die Lüfte wieder blau,
Dann schüttelt er von den Zweigen den eignen Thränenthau.«


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