Anastasius Grün
Der letzte Ritter
Anastasius Grün

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Adler und Lilie.

 
Aufruf.

                  Indeß wir beim Turniere und Tanze hier gedeihn,
Trinkt in Burgund der Franzmann gemächlich unsern Wein;
Wir kitzeln hier die Ohren mit Märchenlust und Singen,
Dort hat vom Büchsendonner gar Mancher das Ohrenklingen.

»Ein Narr, wer auf dem Todbett sich Hochzeitskränze flicht!
Wer riss' ihm aus den Händen das eitle Spielwerk nicht?
Es schreit um Hülf' und Retter der Feuerglocken Gedröhn,
Beim Brand des eignen Hauses schwärmt nur ein Thor: ei wie schön!

Drum auf, ihr Herrn und Edlen, wohlauf zum Schwertertanz!
Vom Haupt den welken Festkranz! Erringt euch neuen Kranz!
Auf, sammelt eure Schaaren, dann an die Marken frisch,
Dort laden wir uns wieder bei fränk'schem Wein zu Tisch!«

So tönte Maxens Rede hell durch den hohen Saal,
Rings jauchzten lautauf Beifall die Edlen allzumal,
Und horch! herauf aus dem Hofe, als stimmt' es froh mit ein,
Scholl muthig Roßgewieher in das Gejubel drein.

Da hatten Aller Augen zum Fenster sich gekehrt,
An einer Säule gebunden stand unten ein weißes Pferd.
»Ein herrlich Thier, beim Himmel! Ihr Herrn, aus wessen Stall?«
Da schüttelten die Köpfe und zuckten die Achseln All'.

»Seht nur den stolzen Nacken, das Auge muthighell,
Bunt und doch ohne Makel, wie Frühlingswolken das Fell!
Goldquasten rieseln klingend, wirr durch einander bewegt,
Wenn mit dem Hufe stampfend es kühn den Boden schlägt.

Stolz trägt die Purpurdecke, wie'n König, das edle Thier;
Doch ha ha, ein Liebesbrieflein! – seht, 's ist zum Bersten schier!
Geheftet unter dem Schweife trägt es ein weiß Paket,
Ei geh' doch Einer hinunter und seh', was drinnen steht?«

Da machte Einer unten das Blatt behutsam los,
Das in sich solche Worte und solchen Sinn verschloß:
»Wir Louis der Eilft' in Frankreich, Navarr' et cätera
Durch Gottes Gnaden König, Herzog in Burgundia.«

»»Ei, heftet unser Vetter an solchen Ort sein Mandat?
Doch fahre fort zu lesen – 's ist lustig in der That!««
So scherzet Max und lächelt, doch glimmt sein Blick voll Gluth,
So lächelt fern das Wölkchen, in dem der Brandkeil ruht.

An unsern lieben Vetter, Erzherzog von Oesterreich!
Man spricht, Ihr wollt uns besuchen, der Wunsch kömmt unserm gleich;
Drum senden wir dieß Rößlein, der Weg ist etwas weit,
Und käm't Ihr zu Fuß gegangen, es thät uns wahrlich leid.

Auch heißt's, der karge VaterMaximilians fortwährender Geldmangel und seines Vaters Friedrich Kargheit sind historisch bekannt. zollt' Euch zu erziehn nicht viel,
Drum send' ich Euch entgegen Lehrmeister im Waffenspiel,
Die edle Künst' Euch lehren, wie's solchem Ritter frommt,
Gott und der Jungfrau zu Ehren; indeß lebt wohl und kommt!«

So sprach der Habsburg Sprosse: »Laßt euch den Schwank ergötzen!
Der König weiß recht artig Maulschellen zu versetzen,
Wir sind zu Gast geladen, nun rasch zu Pferd, zu Pferd!
Und spart nicht das Lehrgeld, sind nur die Meister was werth!«

 
Das Lager.
1478.

                Fürwahr, ein friedlich Städtchen das schöne Saint Omar!
Hier junges Grün der Wiesen, dort Flüsse silberklar,
Ein Spiegelsee nicht ferne, und schwimmende Inseln drin,
Drauf schiffen läutende Heerden sanft mit den Fluthen hin.

Sankt Audomar's Abteie in blankem Marmorgewand
Sieht wie des Friedens Schutzgeist aufs segenreiche Land.
Das Wörtlein Krieg war wenig bekannt auf Omars Flur,
Und in des Klosters Chronik stand's halb verwittert nur.

Zufriedenheit und Friede schien hier zu ruhn seit lang',
Und hörte Erz man tönen, war's nur der Glocken Klang,
Und rief um Hülfe Jemand, war's höchstens ein irres Schäflein,
Und ärgerte sich Einer, war's auf der Kanzel das Pfäfflein.

Doch jetzt! Ein weites Lager vom See bis zur Abtei,
Die Glocken übertäubet der Krieger Feldgeschrei,
Die Fluthen überglänzet der Zelte weißes Linnen,
Ein Geist der Rache blicket der Dom mit seinen Zinnen!

Da seht ihr Maxens Lager, dicht Zelt am Zelte stehn,
Und drüber in den Lüften die bunten Banner wehn,
Hoch über allen flattert der deutsche Kaiseraar
Und sammelt unter die Flügel der Kriegsgenossen Schaar.

Geschwader aus allen Landen, so weit man flämisch spricht,
Auch Albions tapfre StreiteHilfstruppen, welche Eduard IV. gesandt hatte. vermißt das Auge nicht,
Und Mancher, um den am Ister ein deutsches Mädchen weint;
Verschiedne Banner und Zungen – ein Herz, ein Führer, ein Feind!

Doch, traun, ein seltsam Lager! der Schlachten Wiege nicht!
Kein mürrisch, unwirsch Antlitz, rings freundlich jedes Gesicht;
Ist's Wunderkraft de Bodens, dem Frieden sonst geweiht?
Kann sich das Herz nicht entwöhnen verfloss'ner schöner Zeit? –

Wenn die Drommete rufet, klingt's fast wie Tanzmelodei;
Und manchen Ritters Auge, deß Herz sonst froh und frei,
Beinah' wird's feucht, erblickt er am Helm den welken Strauß,
Und will er ein Kriegslied brummen, flugs wird ein Brautlied draus!

Max selber, wenn er sinnend durchs Lager einsam wallt,
Blickt seitwärts oft, als zöge mit ihm noch eine Gestalt;
Oft schwebt' ihm Red' im Munde, wenn er allein sich fand,
Und einmal rief er: Geliebte! als der Narr daneben stand.

Des Nachts, wenn er gewappnet im stillen Zelte ruht,
Und meint den Traum zu träumen von Schlachten, Brand und Blut,
Naht ein verklärtes Wesen – längst däucht es ihm bekannt –
Und neigt des Friedens Palme auf ihn mit weißer Hand.

 
Der Zweikampf.

              Allmorgens wenn das Frühroth durch Goldgewölke stob
Und glühende Purpurrosen um Berg' und Thürme wob,
Da sprengt' ein fränkischer Ritter zum deutschen Lagerfeld
Und trabt' auf stolzem Rosse ringsum von Zelt zu Zelt.

Der zog mit höhnischem Lächeln die bärt'gen Lippen schief
Und hielt vor jedem Zelte, schlug an den Schild und rief:
»Heraus, du kühner Deutscher, der mit mir wagt den Streit,
Zur Ehre seines Landes, zur Ehre seiner Maid!«

Sie ließen ihn's so treiben – das waren Deutsche nicht!
Ein jeder blieb im Zelte und that, als hört' er's nicht!
Drauf sprengte der tolle Ritter in stolzem Satz davon,
Und wie zehntausend Teufel scholl ferne noch sein Hohn.

Und wieder flammt' im Osten der lichte Purpurschein,
Und wieder brach den Landen der goldne Tag herein,
Und wieder sprengt der Franzmann zum deutschen Lager heran,
In Erzgewand gerüstet vom Fuß zum Haupt hinan.

Ein rother Helmbusch wogte kühn um sein stolzes Haupt,
Mit rothen Federn hatt' er des Rosses Stirn umlaubt,
Um seine Schultern spielte ein rothes Wappenkleid,
Des Rosses Rücken deckte manch purpurroth Geschmeid.

Und eine Schärpe trug er, so roth wie junges Blut,
Die Farbe hat er erwählet, die Farbe läßt ihm gut,
Denn von des Meeres Borden bis tief ins Franzenland
War er der große Würger von Alt und Jung genannt.

Und wieder zog er höhnisch die bärt'gen Lippen schief
Und sah aufs deutsche Lager, pocht' an den Schild und rief:
»Heran, du wackrer Deutscher, der mit mir prüft die Wehr,
Zur Ehre seiner Dame, zu seines Landes Ehr'!«

Dem Vollmond gleich, wenn plötzlich er durch Gewölk sich drängt,
Kam jetzt auf schnellem Zelter ein Rittersmann gesprengt,
Der hat sein kühnes Antlitz in Gittererz vermummt,
Ihn kennt nicht Frank' und Deutscher, und Alles rings verstummt.

Auf seinem Helme zeigt sich kein schmucker Federstrauß,
Ein goldner Stern nur neigt sich aus blanken Oehrlein heraus;
Ist's der Purpurstern der Liebe, der, ach, so schnell vergeht?
Ist's der blasse Stern der Hoffnung, der ewig leuchtend steht?

Es wogt um seine Schultern kein schmuckes Wappenkleid,
Ein rauher Eisenpanzer ist seiner Brust Geschmeid,
Nur eine Silberschärpe wallt um des Busens Wehr,
Drauf steht mit güldnen Zügen gar zierlich: Gott die Ehr'!

Als könnt' er unterliegen, so zog der Rittersmann,
Doch daß er kam zu siegen, das sahn ihm Alle an;
Es war von Gold und Wappen sein Eisenschild nicht schwer,
Doch flammt in seinem Herzen gar herrlich: Gott die Ehr'!

Schon schaart sich ringsum deutschen und fläm'schen Volkes Troß,
Schon wehen all' die Banner, – jetzt tönt ein Trompetenstoß!
Da sprengen an einander die Zwei mit Sturmesmacht,
Es klirren laut die Schilde, und Speer und Panzer kracht.

Die Speere sind zersplittert! nun blitzet Schwert an Schwert,
Jetzt glaubt der fränk'sche Würger schon seine Kraft bewährt,
Von seines Schwertes Streichen zersprang manch Eisenband,
Es barst der Helm des Gegners und taumelt in den Sand.

Sieh! nieder auf den Nacken rollt goldner Haare Strom,
Zwei klare Augen leuchten blau wie des Himmels Dom,
Drin glänzt auch eine Sonne, so blendend rein und licht,
Solch eine deutsche Sonne verträgt der Franzmann nicht.

Er stutzt und starrt geblendet, das Schwert entsank der Hand,
Als sei aus Geisterlanden ein Rächer ihm gesandt;
Des Deutschen Schwert doch wettert mit mächt'gem Stoß auf ihn,
Jetzt schwinden ihm die Sinne, er stürzt zur Erde hin.

Da jubeln all' die Deutschen, da jauchzet Mann für Mann:
»Heil deutscher Racheengel! Heil Maximilian!«
Der aber wirft von dannen die blutbefleckte Wehr,
Und sinkt in seine Kniee und betet: Gott die Ehr'!

 
Entscheidung.
7. August 1479.

                  Ein Nordland gibt's, da dämmert fahl Zwielicht mondenlang,
Für eine Nacht zu helle, für Tag zu düster und bang,
Und dennoch ist's all' Beides! So auch mit diesem Krieg,
Geschlagen beide Heere, und keines hat den Sieg.

Und wollte jeden Gefallenen man legen in einen Sarg,
Würd' im Ardennerwalde fürwahr das Holz zu karg;
Die Thränen, die da flossen, wohl geben einen See,
In seine Fluthen tauchte trostloses Liebesweh.

Seht ihr die blanken Mauern, drauf sauset Blitz auf Blitz?
Das sind Terouanne's Wälle und Maxens Donnergeschütz.
Was flirrt in blauer Ferne, wie Waffenglanz erregt?
Das sind des Ludwig Schaaren von Crevecoeur bewegt.

Es dehnt sich eine Ebne, wie ein See so weit und glatt,
Von Terouanne's Wällen bis gegen Guinegat',
Da reitet Max tiefsinnend, sein Auge schweift ringsum:
»Ein herrlich Feld zum Kampfe, weit g'nug für Schmach und Ruhm!«

Fast dünk' ein Todtengräber ich mir zu dieser Frist;
Denn vor dem Kampf der Feldherr, wenn er das Schlachtfeld mißt,
Und jener, wenn er schaufelt, sie denken alle zwei:
Muß sehn, ob Raum zur Gnüge für meine Todten sei!

Doch seht dort Frankreichs Banner sich ferne glänzend regen,
Auf, laßt zum Aufbruch blasen, und rasch dem Feind entgegen!
Was sitzen wir vor den Wällen, verpuppt in träger Schanz',
Indeß dort frohe Boten uns nahn mit dem Ehrenkranz?«

Max sinkt auf seine Kniee, das ganze Heer ihm nach,
Auf tausend Panzern goldig der Sonne Gluth sich brach,
Wie 'n Strahl des Glaubens, der aufwärts aus Menschenherzen fährt,
Wie 'n Strahl der Gnade, der nieder aus Gottes Aug' sich kehrt.

Drommetengeschmetter und Feldruf! Drauf Heer an Heeresmacht!
Zusammenprallt's, wie stürzend sich Berg an Berg zerkracht,
Der blasse Tod rief Vivat! und in den Lüften sang
Ein Chor von schwarzen Raben: Viel Müh', schön Dank, schön Dank!

Hier fliegender Kugeln Sausen, dort donnernder Mörser Gedröhn,
Hier trunkner Sieger Jubel, dort sterbender Krieger Gestöhn,
Zähnknirschen dort und Fluchen, hier brechender Lippen Gebet, –
Dort Crevecoeur: vorwärts Memmen! hier Max: steht, Brüder, steht!

Dann ward es wieder stiller, nur Schwerter hört man mähn,
Rings Staubgewölk, und Niemand kann, wen er trifft, ersehn;
Ein Windstoß nur zeigt Einem die Leichen, die er geballt,
Doch auch dem Feind des Siegers, wo dessen Herzblut wallt.

Ha, drüben wankt's und taumelt's, gelöst sind Frankreichs Reihn,
Schon ruft der Deutsche jauchzend: das Schlachtgefild ist mein!
Hui, Frankenmacht ist zerstoben, zersprengt die mächt'ge Schaar,
Und mit der gepflückten Lilie steigt auf zur Sonne der Aar!

Doch Max denkt, als er Abends durchs wüste Schlachtfeld reitet:
»Ist nicht die Schlacht ein Wetter, das tödtend vorüberschreitet?
Zwei Wolken prallen zusammen, Blitz zuckt und Donner schnaubt,
Drauf rasselt Hagel nieder, das Feld steht saatberaubt.

Sei dann gereint, verklärt auch des Aethers frisches Blau,
Erschimmre rings im Laube der junge Demantenthau,
Glänz' auch der Friedensbogen in buntem Farbenlicht,
Belebt er doch die Aehren, die sturmzerknickten nicht.«

 
Stimmen.

            Zu Gent auf dem Markte wehten erbeutete Fahnen zur Schau,
Und Siegesbogen erhöhten sich rings in stolzem Bau,
Vor dem Palast der Fürstin da hielt der Siegeszug,
Inmitten ein schmucker Krieger, der lächelnd ein Knäblein trug.

Es winken seine Blumen dem Gärtner so freundlich nicht,
Wie dem beglückten Vater des Kindes Augenlicht;
Der Jungfrau Bildniß spiegelt ein klarer Quell zurück,
Die Mutter sucht's und findet's beglückt in des Säuglings Blick.

O Max, wie schien dir so herrlich des Glückes Sonnenglanz!
Dein Kind hängt dir am Munde,Philipp I., der Schöne, geb. zu Brügge am 23. Juni 1478, gest. daselbst 1506, Gemahl Johanna's, der Erbin Ferdinands von Aragonien und Isabellens von Castilien, aus welcher Ehe Karl V. und Ferdinand I., die Ahnherren der spanischen und deutschen Linie Habsburg, entsprossen. am Haupt der Lorbeerkranz!
In deinem Arm die Geliebte, manch treuer Freund dir nah,
Wo ist ein höher Beglückter, so weit die Sonne sah!

Und Siegesfest und Jubel durchziehn das ganze Land,
Und widerhallend jauchzt es bis an der Marken Rand,
In Burgen und in Städten, in Henn'gau und Burgund,
Da sind die Lilien zertreten, da flattert der Aar zur Stund'.

Da murmelt Frankreichs Ludwig halb lächelnd in den Bart:
»Der Aar ist Zugvogel worden, doch ganz besondrer Art,
Die Schwalben und Störche kehren im Frühling wieder nach Haus;
Doch seltsam ist's, der Adler blieb bis zum Herbste aus.«

Doch Max zu Gent, der scherzet bei frohem Siegesmahl:
»Was Wunder, daß im Herbst, bei matterm Sonnenstrahl,
Nun Rosen, Nelk' und Tulpen und alle Blumen verglühn?
Drum däucht mir's auch natürlich, daß nimmer die Lilien blühn.«


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