Anastasius Grün
Der letzte Ritter
Anastasius Grün

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Max und Flandern.

1483–1485

 
Das Erwachen.

              Der Königleue schlummert auf einem Grabe stumm,
Die Mäuse halten Fastnacht und hüpfen lustig herum.
Ei, wag' dich nicht zu nahe, du luftiges Gezücht!
Entfliehe, denn es schlafen die Löwen lange nicht.

Selbst Leu'n sind schwach im Schlummer, drum, Löw', erwache bald!
Schon schnaubt der grimme Eber aus dem Ardennerwald,Wilhelm Graf von Arenberg oder von der Mark mit dem Spitznamen der Eber aus dem Ardennerwald.
Der sich auf deine Blumen, in deine Saaten warf,
Und wetzt an deinen Palmen die blut'gen Hauer scharf.

Wach' auf! – hat Rolands GlockeEs hängt in dem hohen Thurme zu Gent, Bellfort genannt, eine 11.000 Pfund schwere Glocke, welche die Einwohner den Roland nennen; an dem Rande herum hat sie folgende Inschrift:

Roland, Roland, als ick kleppe, dann ist Brand,
Als ick luye, dann ist Oorloghe in Vlaenderland.
Fugger, Ehrenspiegel.
dich nicht vom Schlaf geschreckt?
Hei, wie zu Gent sie dröhnet und Brügg' und Lüttich weckt!
Das deutet Brand! die Flamme des Aufruhrs ist erwacht;
Sieh, wie der Franzos die Funken zur hellen Lohe facht!Frankreich unterstützte anfangs insgeheim, später öffentlich die aufrührerischen Flanderer.

Wach' auf, o Max, und schreite ins blutige Gericht!
Und wecken Flanderns Rebellen und Frankreichs Meuchler dich nicht,
So krach' es dir in die Ohren mit greller Posaunenkraft;
Wach' auf, dein Sohn ist gefangen, dein Sohn ist in enger Haft!Maximilians Sohn, Philipp, wurde von den Gentern in sicherer Verwahrung gehalten, die ihn zwar als ihren künftigen Herrscher ansahen, doch seinen Vater nicht als Vormund anerkennen wollten, sondern vielmehr sich selbst zur Vormundschaft berechtigt glaubten.

Erwacht ist der Leu; ein Satz nur, sein Ziel hat er erreicht!
Wie ihm die Mähne lodert, wie rings das Leben erbleicht!
Ei, du gewalt'ger Eber, der Löwe packt doch gut
Und düngt jetzt seine Saaten mit deinem schwarzen Blut.

Ei, Gent, die Mörser donnern doch lauter als dein Roland,
Gelt, Franzmann, hast beim Heizen die Finger dir verbrannt?
Gelt, meuterisches Flandern, der Aar holt doch sein Kind,
Zum sichern Felsenhorste trägt er's durch Sturm und Wind!

 
Max vor Dendermonde.

            Wie freundlich winkt dem Wandrer die Festung Dendermond',
Wenn sie die blanken Zinnen im Abendgolde sonnt!
Dir, Max, winkt sie nicht freundlich, dir sperren Meuter das Thor
Und pflanzen ihre Fahnen auf Mauer und Thurm empor.

Der Abt von Dendermonde mit seinen Mönchen saß
Beim kargen Klostermahle und leerte Glas auf Glas:
»Surgamus jetzt, Brüder in Christo! laßt uns nie müßig stehn,
Stets thätig in der Pflicht sein, drum laßt uns spazieren gehn!«

Zu Dendermond' die Aebtissin, das Aug' von Thränen naß,
Sankt Abelards Legende mit ihren Nonnen las:
»Schön ist der Abend, laßt uns chorsingen heut im Frei'n,
Da heulen doch keine Doggen in heil'ge Psalme drein.«

Die Nonnen und die Mönche, mit Rosenkranz und Brevier,
Die wallen hinaus zum Stadtthor, ins grünende Revier.
Die Nonnen singen: »O Christe, du Bräut'gam süß und traut!«
Die Mönche seufzen: »Maria, o komm', du süße Braut!«

Und als sie kamen selbander in einen grünen Wald,Zur historischen Beglaubigung dieses Waldspazierganges verweise ich an Dr. Joseph Grünbecks Lebensbeschreibung Kaiser Maximilians I. (Tübingen 1721), namentlich an das Kapitel: »Von seiner suptielen Ueberfallung der vesten Stadt Tarmundt« (S. 64).
Da rauscht es in den Zweigen, da brüllt es donnernd: halt!
Es brechen gewappnete Krieger durchs struppige Gesträuch,
Den Mönchen klappern die Zähne, die Nonnen werden bleich.

Und muthig durch das Dickicht wühlt sich ein schnaubend Roß,
Der Reiter, hoch und edel, hält mitten im Kriegertroß:
»Ei, Gottwillkommen!« rief er, »habt weiten Weg gehabt.
Gott grüß' euch, Frau Aebtissin, willkommen schön, Herr Abt.

Euch grüßet Max von Oestreich; – bin jetzt war selbst im Feld;
Doch räum' ich gern zur Herberg' heut' Nacht euch Zelt an Zelt.
Zwar halt' ich karge Tafel, für Durst und Hunger genug,
Doch dampft noch manche Schüssel und blinkt manch voller Krug.

Mir geht's nicht grad' zum Besten, drum möcht ich mich zerstreun,
Doch lust'ge Mummereien vor Allem mich erfreun;
Jetzt kommt mir just so 'n Schwank ein, drum hab' ich mir gedacht:
Ihr leiht uns Kapuz' und Kutten und Schleier für heut Nacht.«

Den Mönchen wackeln die Bärte, die Nonnen werden roth,
Und leis im Chore lispelt's: »Herr, hilf uns aus der Noth!«
Doch Max spricht zu den Kriegern: »Ihr Treuen auf und theilt
Euch in Kapuz' und Schleier; dann rasch in die Stadt geeilt!

Es fahr' in des Abtes Kutte mein Barbanson hinein,
Mein lust'ger Rath, Freund Kunze, du sollst Aebtissin sein.
Es ist ein närr'scher Feldzug, drum gibt's zu thun für dich;
Will's Gott, so seht ihr balde in Dendermond' auch mich!«

Schon stehn in Kutt' und Schleier jetzt Mönch' und Nonnen gereiht.
Wie läßt so stattlich Kunzen das falt'ge Nonnenkleid!
Und als die schöne Aebtissin den Schleier ihm umgehängt,
Da dacht' er sich so Manches, was so ein Narr sich denkt.

Zu Dendermond' auf dem Walle, da steht ein Mann zur Wacht,
Der lehnt am Speere, singend hinaus in die Vollmondnacht:
»Ein Affe und ein Pfaffe, der Reim paßt gut und fein,
Es liebt ja Pfaff' und Affe die Dirnen und den Wein.«

»»Ho, ho, verbrenn' dir der Donner den ungewaschnen Schlund!
Ist das dein Nachtgebetlein? – Schließ' auf, du Lästermund!««
So rief der neue Abbas vor Dendermonde's Thor,
Und ungeduldig brummten die Nonnen rings im Chor.

»Verzeihung! ah, Herr Abbas! – Doch seltsam, traun, ist das:
Heut flucht der Abt wie 'n Mörder, die Aebtissin spricht Baß.«
Der Wächtersmann, kopfschüttelnd, der lispelt still die Worte;
Die eh'rnen Angeln knarren, und offen steht die Pforte.

»Ei, willst dein Sperrgeld, Bursche? du singst gar schön und rein,
Drum will ich ein Liedlein dich lehren, es klingt zwar eben nicht fein,
Doch ist's ein frommes Liedlein, bringt flugs dich ins Himmelreich.«
So rief die Frau Aebtissin und schwang das Schwert zum Streich.

Hei, wie die Schwerter sausen, wie's durch die Straßen eilt!
Wie Sturmgeläut' und Feldruf wild durcheinander heult!
Nie führten Nonnen, wie heute, so derben kräft'gen Streich,
Nie warben so viele Seelen die Mönche dem Himmelreich!

Vor'm Thor dröhnt die Drommete, es scharrt wie Rossehuf,
Es schmettern und wirbeln die Trommeln. Ha, Max, das ist dein Ruf!
Willkommen in Dendermonde! Laß hoch dein Banner wehn
Und siegverkündend hernieder in alle Lande sehn!

Am Morgen ruft der Sieger zu sich der Meutrer Haupt:
»Willkomm'! hätt' euch zu sehen so bald noch nicht geglaubt!
Merkt euch's: wir kamen als Priester, als Rächer nicht, herein,
Und Amt des Priesters ist ja versöhnen und verzeihn!«

 
Guter Ausgang.

        Was schmettert die Trompete? Das ist der Fritz von Horn:
»Mein Fürst, ich habe gebändigt des grimmen Ebers Zorn.«
Wer naht mit fliegenden Fahnen? Von Nassau Herr Engelbrecht:
»Mein Fürst, die Banner nahm ich dem Franzmann im Gefecht.«

Was deutet der Ruf der Glocken, der von den Thürmen klingt?
Stadt Gent auf sammt'nem Kissen die goldnen Schlüssel bringt.
O Max, was glüht dein Antlitz, was zittert dein starker Arm?
Dein Sohn hängt dir nun wieder an Mund und Busen warm!

Glück auf! Wie reich vom Auge der Freudenquell ihm springt!
Wie er das Knäblein küsset, wie froh er's herzt und schwingt!
»Ei, Bube, sag', was glänzt dir am Haupte wie Heiligenglanz?
Sind's deines Vaters Thränen? ist es dein Perlenkranz?«

»Ein Narre darf nicht weinen!« denkt Kunz im Hintergrund;
Doch eine salz'ge Thräne rinnt ihm dabei in den Mund.
»Singt einst von unsern Thaten ein Sänger sein Gedicht,
Fehlt's doch dem Gauch an Thränen und Rührung mind'stens nicht.«


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