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Als Klementine an jenem Sonntag, für welchen sie Franz Kern, den Abteilungschef des Warenhauses Groß & Komp., eingeladen hatte, sie mit seinem jüngeren Bruder Karl, einem im nächsten Dorfe angestellten Lehrer, auf Wellhof zu besuchen, von der Klosterneuburger Messe nach Hause kam, fand sie Ernst so verstört, daß zum ersten Male eine wirklich große Angst um ihn sie ergriff.
Die beiden aßen fast nichts, und die Baronesse versuchte es umsonst, den Bruder seinen düsteren Gedanken zu entreißen. Nach dem schrecklichen Ende seines Vetters gab er sich jetzt ernsten Zweifeln darüber hin, ob er bezüglich des Wechsels denn auch wirklich richtig gehandelt habe. Jedenfalls beklagte er es als ein Unglück, daß er nicht hatte helfen können, daß darüber ein Menschenleben zu Grunde gegangen war und vielleicht auch noch ein zweites zu Grunde gehen würde. Der arme Baron brauchte heute nicht erst zum Fenster hinauszuschauen, wo ihm die verwüsteten Fluren von seinem Ruin erzählten, er brauchte nur an Robert und dessen unglückliche Mutter zu denken, um selber tief unglücklich zu sein.
»Ist es dir unangenehm, daß die beiden Kern kommen werden?« erkundigte sich seine Schwester ängstlich, weil sie ihn nicht aus seinem Brüten herauszureißen vermochte.
Er reichte ihr die Hand über den Tisch hin. »Nein, Klemi,« sagte er. »Ich danke dir sogar für diese Einladung. Karl ist mir ja ein lieber Vertrauter, und auch sein Bruder ist mir sehr sympathisch. Mit den beiden wird uns dieser trübe Tag wenigstens ein bißchen kürzer werden.«
Ihre Augen richteten sich auf das hellglänzende Landschaftsbild hinaus. Diesseits und jenseits der Donau dehnten sich Wiesen und Felder, und zwischen diesen flossen die noch stark angeschwollenen Wassermassen des Stromes dahin, der unter dem tiefblauen Himmel heute ausnahmsweise tatsächlich zur »blauen« Donau geworden war.
Und jetzt blitzen sie auf, diese schönen dunkelblauen Augen, und über das schon lange Zeit her so blasse Gesicht der Baronesse fliegt helles Rot. Ihre Hand zuckt in der ihres Bruders.
Da schaut er ihr ins Gesicht. »Was ist dir?« fragt er erstaunt.
Sie antwortet ihm nicht; noch immer sind ihre Augen auf das offene Fenster gerichtet, das die Landschaft auf weithin übersehen läßt.
Auf der Straße, welche zu dem reizenden kleinen Greifenstein führt, kommt ein Reiter daher, ein Offizier.
Auch der Baron hat ihn jetzt erkannt. Er seufzt schwer auf und schaut mitleidig aus seine Schwester.
Ihr Blick begegnet dem seinen. Es ist alle Freude aus ihren Augen, alle Röte aus ihren Wangen schon wieder geschwunden. Sich rasch erhebend sagt sie fast rauh: »Ich weiß ja, daß es dumm ist, aber – aber ich kann mir nicht helfen. Ich werde es ihm heute sagen, daß er nicht wieder kommen soll.«
Auch der Baron hat sich erhoben. Rasch ist er auf seine Schwester zugetreten und hat sie an seine Brust gezogen. »Meine Klemi, wenn ich dir doch helfen könnte! Ich möchte dich ja so gern glücklich sehen. Aber ich kann dich nicht einmal vor den alltäglichen Sorgen der Armut bewahren, so ohnmächtig bin ich. Wie sollte ich das Glück deines Herzens bewahren können?«
Klemi versucht wieder zu lächeln. »Ich weiß, daß du mich lieb hast,« sagt sie leise, »und das ist schon sehr viel. Wir müssen es halt miteinander tragen, daß wir gar so arm sind und nicht zum Glück kommen können.«
»Meine arme Schwester!« murmelt er und drückt zärtlich seine Lippen auf ihr Haar.
»Weißt du,« fährt Klementine fort, »ich muß heute mit Eugen unbedingt reden. Er ist ja blind. Er will blind sein! Aber ich muß ihm die Augen öffnen, es muß zu Ende kommen zwischen ihm und mir, denn ich wüßte nicht, auf welche Art ich die Frau eines armen Offiziers werden könnte.«
Sie kann nicht weiterreden. Ein Tränenstrom, ein mächtig hervorbrechender Tränenstrom redet deutlicher noch, als Worte es könnten, von dem Jammer ihres Herzens.
Der Baron preßt die Zähne aufeinander. »Klemi, fasse dich!« bittet er. »Soll Eugen dich so in Tränen finden?«
»Recht hast du,« erwidert sie, sich die Augen trocknend. »Empfange ihn allein. Ich komme später zu euch.«
Rasch geht sie aus dem luftigen, großen Speisezimmer.
Jetzt wird unten Hufschlag hörbar. Ernst tritt an das Fenster und grüßt hinunter.
Ein paar Minuten später tritt Eugen Braun, ein hübscher, eleganter Offizier von etwa dreißig Jahren, lebhaft in des Barons Arbeitszimmer.
Die beiden Herren reichen einander die Hände.
»Daß du in dieser Gluthitze herüberkommst, ist wirklich schön von dir,« begrüßt der Baron den Eintretenden. »Du mußt ja zwei Stunden unterwegs gewesen sein.«
»Ich komme nicht aus Tulln. Ich komme von meinem Onkel. War da zum Frühstück geladen. Es ist heute sein siebzigster Geburtstag. So etwas feiert man schon, wenn man sonst keinen Verkehr hat, mit seinem geliebten Neffen.«
»Nun – er hat dich ja doch wirklich gern.«
»Mäßig, meine ich. Er ist doch nie zufrieden mit mir. Ich schmeichle ihm zu wenig, und das scheint er zu verlangen, aber von mir erlebt er es nicht. Erbgeschlichen wird nicht. Den Hof machen und seine Originalitäten bewundern, das überlasse ich anderen, und das ärgert ihn, was ich erst heute wieder fühlen mußte.«
Die Herren hatten sich in einer gemütlichen Rauchecke niedergelassen, und Ernst bot dem Verlobten seiner Schwester ein Kistchen Zigarren. Es waren sehr billige Zigarren, aber die Aschenschale, welche er daneben hinstellte, war aus schwerem Silber und von ganz selten schöner Arbeit, und der Tisch, auf dem sie stand, war ebenfalls ein Prachtstück wie all die anderen hellen Möbel, die mit ihren Säulchen und Einlagen aus Ebenholz und ihrer reichen Zier aus köstlich getriebenem Metall der besten Periode des jetzt wieder so modern gewordenen Biedermeierstiles angehörten.
»Entschuldige – aber du weißt, es trägt keine anderen,« sagte ein bißchen trübe der Baron, als er dem Offizier die Zigarren anbot.
»Geh, laß deswegen den Kopf nicht hängen,« entgegnete Braun. »Die Zeiten werden ja auch wieder besser werden.«
»Ich glaub's nicht. Hast du meine Weingärten gesehen?«
»Ja. Sie sehen zum Erbarmen aus.«
»Und meine Felder?«
»Auch. Ich verstehe zwar nichts von der Landwirtschaft, aber daß du heuer kein Millionär werden wirst, das sehe auch ich.«
»Nun also!«
»Mußt du denn deshalb gar so verzagt sein?«
»Ja, das muß ich, und ich muß dir auch etwas sagen.«
»Schon gut. – Aber wo ist denn Klemi? Darf ich sie nicht erst begrüßen? Kann sie denn nicht dabei sein, wenn wir miteinander reden?«
»Sie wird später allein mit dir sprechen.«
»Worauf ich mich riesig freue, was du mir aber im Tone einer Leichenrede verkündest.«
»Mir ist's eben sehr traurig zu Mute.«
»Nimmst du das Pech da draußen so schwer oder – richtig, der Lassot hat sich vergiftet; Klemi schrieb mir, daß es eines Wechsels wegen war, den du nicht eingelöst hast. Du wirst dich aber doch deshalb nicht grämen?«
»Auch deshalb.«
»Na, jetzt hör aber auf! Soviel ich weiß, war sein freiwilliger Hingang so ziemlich das einzige Anständige, was Lassot sich jemals geleistet hat.«
»Er ist tot. Ich mochte seine schlechten Streiche lieber vergessen.«
»Mir scheint, du hast sie schon vergessen, sonst würdest du diesem Menschen doch keinen Gedanken mehr nachsenden.«
»Wenn ich auch dies zuwege brächte, würde doch schon der Gedanke an seine Mutter mich quälen.«
»Was ist's denn mit der?«
»Sie ist wegen hochgradiger Nervosität im Krankenhause.«
»War sie denn nicht schon immer verrückt?«
»Wohl nur in Bezug auf Robert.«
»Ganz gleich, was mit ihr geschehen wird, du selbst hast ganz sicher an ihrem Unglück keine Schuld. Du hast mir doch soeben angedeutet, daß du selber arg in der Klemme bist, du hast also einfach den Unsinn, einen falschen Wechsel einzulösen, gar nicht ausführen können.«
»Das stimmt.«
»Nun also! Warum läßt du dir denn diese Sache ganz unnötig über den Kopf wachsen?«
»Höre, Eugen, du hast eine wunderbare Art, das Leben anzusehen. Ich muß dir sagen, daß wir vollständig ruiniert sind.«
»Ernst!«
»Und unser Unglück ist leider auch das deinige, falls du, was ich zugleich hoffe und fürchte, Klemi wirklich liebst.«
Der Offizier war jetzt sehr ernst und sehr blaß geworden. Weit vorgebeugt saß er da und starrte den Baron an. »Übertreibst du nicht etwa?« forschte er voll Unruhe.
Ernst schüttelte den Kopf. »Ich werde schon demnächst Wellhof meinen Gläubigern überlassen müssen.«
»Und es soll keine Rettung möglich sein?«
»Ich weiß keine.«
»Daß auch ich da so ganz müßig zusehen muß!«
»Ich kann mir's denken, daß du uns gern helfen möchtest.«
Der Oberleutnant war rasch aufgestanden. Er ging erregt im Zimmer umher. »Heute reut es mich zum ersten Male –«
»Was denn?«
»Daß ich Onkel Konrads Schwächen gegenüber immer nur den Nachsichtigen gespielt habe, denn einzig darum ist er so unnachsichtig gegen mich. Wenn ich ihn bei jeder Gelegenheit bewundert hätte, wie er's verlangt, hätte ich über ihn und seinen Reichtum sicherlich eine gewisse Macht und könnte euch beistehen, und er verziehe mir sowohl die Liebe zu meinem Stande wie auch die Liebe zu deiner Schwester.«
»Von der er noch immer nichts wissen will?«
»Mehr als je ist er dagegen. Man hat ihm allerlei über deine Lage zugesteckt und –«
»Und der alte Herr hat von seinem Standpunkte aus recht, wenn er nichts dazu beitragen will, daß du eine verarmte Adelige heiraten kannst. Er will ja überhaupt keine ›Baroneß‹ in die Familie bekommen, und das ist auch ein Standpunkt. Bürgerliche Gediegenheit und adeliges Herabgekommensein taugen nicht zusammen.«
Braun sah ganz verwundert auf ihn nieder. »Daß du so reden kannst!« sagte er.
»Nun, wenn ich auch verbittert bin, ungerecht bin ich noch nicht geworden. Aber – mir scheint, Klemi kommt. Mach ihr die paar Stunden, die ihr noch habt, nicht noch schwerer, als sie ohnehin sein werden.«
Braun sah scharf in des Barons blasses Gesicht. »Denkt sie vielleicht daran, mir den Abschied zu geben?«
Ernst nickte.
Da lachte der Oberleutnant laut auf.
»Was bleibt euch denn übrig, als euch zu trennen?« meinte der Baron.
»Und sie könnte sich wirklich von mir trennen?«
»Die Not zwingt sie dazu. – Still, da ist sie!«
Die beiden Herren schauten möglichst unbefangen darein. Als Klementine das Zimmer betrat, ging Braun ihr rasch entgegen.
Er schloß sie, was er bisher noch niemals getan hatte, ungestüm vor ihrem Bruder in die Arme und küßte sie herzlich.
Befangen und ernst wehrte sie ihn ab. »Eugen, ich bitte dich, komm mit nur in den Garten. Ich habe mit dir zu reden.« Und sich zu ihrem Bruder wendend fuhr sie fort: »Die beiden Kern kommen schon. Ich lasse unten aufdecken. Karl bringt seine Violine mit, ich glaube freilich nicht, daß ich euch werde begleiten können.«
»O ja, Schatz, du wirst schon begleiten können,« fiel Braun ihr in die Rede. »Warum denn auch nicht? Unsere Unterredung wird bald beendet sein, und dann kommen wir zu den Herren. Ich setze ohne weiteres voraus, daß auch für mich gedeckt wird. Der Wellhofer Rahm ist nämlich der beste auf zehn Kilometer in der Runde, und für Kaffee mit Rahm schwärme ich nun einmal.«
»Wie heiter du bist!« sagte melancholisch die Baroneß.
»Gott sei Dank, daß ich nicht so schwerfällig bin, wie ihr es seid!« entgegnete er, und ihr mit lustiger Förmlichkeit den Arm bietend sagte er: »So, mein gnädigstes Fräulein, jetzt führe ich Sie in den Garten und wenn Sie geredet haben werden, dann werde auch ich Ihnen etwas sagen. – Habe die Ehre!«
Der letzte Ausruf galt dem Baron, der ihnen unwillkürlich lächelnd nachschaute. –
Im großen parkähnlichen Garten von Wellhof gab es viele Plätzchen, an welchen es selbst in der größten Hitze noch angenehm war. Zu einem dieser Plätzchen führte Klementine ihren Bräutigam. Es war da eine bequeme Sitzgelegenheit unter einer uralten breitästigen Linde angebracht, und man konnte von hier aus weit über das Land hinsehen. Es war der Platz, an dem sie sich vor noch nicht einem Jahre mit Eugen verlobt hatte.
Schwer aufatmend ließ sich Klementine auf einem der Rohrstühle nieder. Braun schob sich einen anderen so zurecht, daß er ihr gegenübersaß.
»So, Schatz, jetzt rede!« sagte er.
Da begann sie mutig: »Ich will es kurz machen –«
»Schön!« fiel er ihr ins Wort. »Es scheint, daß du mir etwas Unangenehmes sagen willst.«
»Es wird dir wohl noch mehr als nur unangenehm sein, weiß ich doch, daß du mich liebst.«
»Dazu brauchst du nicht übermäßig scharfsichtig zu sein.«
»O, Eugen, du bist noch immer lustig.«
»Und hoffe, es zu bleiben. Aber jetzt, Herzl, rede!«
»Ich wollte dir sagen, daß es besser wäre, daß es einfach notwendig geworden ist, daß wir uns trennen.«
Er schaute ihr tief und gar nicht erschrocken in die Augen und bat gemütlich: »Jetzt setze mir auseinander, warum das so unumgänglich notwendig geworden ist. Liebst du mich vielleicht nicht mehr?«
»Eugen!« So weich, so innig redet und blickt nur die Liebe.
Braun hätte seine Braut am liebsten an sich gerissen, aber er bezwang sich und sagte ganz ruhig: »Also, wenn es das nicht ist, was kann denn sonst zwischen uns treten?«
»Du weißt es vielleicht nicht, daß wir ganz, ganz arm geworden sind, daß Ernst nicht einmal die drängendsten Schulden zurückzahlen kann, und daß seine Gläubiger sich – vielleicht dauert es kein Jahr mehr – in Wellhof teilen werden. Wie können wir an eine Heirat denken, da ich nicht nur keine Kaution habe, sondern buchstäblich bald überhaupt nichts mehr besitzen werde als mein bißchen Wissen und Können und den festen Willen zu ernster Arbeit. Ich werde Lehrerin werden müssen, um meine Existenz zu fristen. Vor ein paar Tagen wußte ich noch nicht, wie so ganz schlecht es mit uns steht. Endlich aber ist Ernst völlig aufrichtig mit mir gewesen, und so weiß ich, was mir und ihm bevorsteht: die vollkommene Armut; denn nun gibt es keine Aussicht mehr, daß Ernst sich doch noch emporarbeiten könnte. Ich gebe dir also dein Wort zurück. Ich muß es dir einfach zurückgeben, denn ich wäre ehrlos, wenn ich die Fessel bliebe, die dich unfrei macht, die dich nicht emporkommen läßt. Nicht wahr, du glaubst es mir, daß ich, als ich mich dir Verlobte, nicht wußte, wie schlimm es schon damals mit uns stand, und daß Ernst dich nur deshalb nicht sogleich aufklärte, weil er damals noch mit Recht annehmen konnte, er werde sein Mißgeschick überwinden? So, Eugen, jetzt habe ich dir nichts mehr zu sagen, und hier – hier hast du deinen Ring zurück.«
Sie hatte, seinen Blick vermeidend, fast ruhig geredet. Aber sie war erbarmenswürdig bleich dabei, und als sie jetzt den Verlobungsring vom Finger streifen wollte, schwammen ihre Augen in Tränen und zitterten ihre Hände.
»Behalte ihn noch ein bißchen,« sagte Braun und legte seine schlanke Hand auf die ihre. »Eines noch will ich klar von dir ausgesprochen haben.«
»Frage. Ich meine aber, ich habe dir schon alles ehrlich gesagt.«
Sie wischte sich dabei mit ihrer freien Hand die Tränen aus den Augen. Sie ahnte nicht, wie reizend ihr hübsches Gesicht war, während ihre Augen auf dem seinen ruhten.
Wieder mußte er den Drang, sie an sich zu reißen, niederzwingen. Nur herzlich, gar nicht leidenschaftlich klang seine Stimme, als er fragte: »Du fürchtest dich also sehr vor der Armut?«
»Nicht meinetwegen, nur weil sie mich von dir trennt.«
»Du könntest dich jedoch in bescheidene Verhältnisse finden?«
»Weißt du es denn wirklich nicht, daß ich den Mangel schon kennen gelernt habe?«
»Aber noch nicht die wirkliche Not, denn diese hat dein Bruder bis heute von dir ferngehalten. Wenn du dich aber erst einmal ganz einschränken müßtest, wenn du zum Beispiel so ganz einfach leben müßtest wie Frau Kern –«
»Die ist ja glücklich, denn die zwei haben sich ja so lieb!«
»Na, dann ist also alles in Ordnung.«
»Eugen!«
»Und du wirst, freilich erst etwa in einem halben Jahre, meine Frau.«
»Eugen, du vergißt –«
»Daß ein Offizier die Kaution braucht, daß wir zwei sie nicht erlegen können, und daß auch mein Onkel sie nicht erlegen wird, denn er will von einer adeligen Nichte nichts wissen. – O nein, Schatz, das vergesse ich nicht! Aber an anderes denke ich. Ich muß ja nicht Offizier bleiben.«
»O ja, du mußt Offizier bleiben,« entgegnete Klementine, aus deren Gesicht wieder alles Blut wich, »du liebst ja deinen Beruf über alles.«
»Über alles, Klemi, liebe ich ihn nicht. Ehe ich dich aufgebe, eher entsage ich meinem Stande. Nur sogleich kann ich das nicht tun. Das Werk, das ich zu schreiben begonnen habe, muß ich vollenden, das bin ich meinem Ehrgeiz und noch weit mehr meinem militärischen Pflichtgefühl schuldig. Man erwartet das Buch, und ich kann es nur als Offizier vollenden. Inzwischen aber kann ich die Fühlhörner nach einer anderen Stellung ausstrecken. Irgend etwas, das uns beide ernährt, werde ich schon finden, und dann, Klemi – Oder willst du wirklich nicht mit nur tapfer in ein bescheidenes Leben hinuntersteigen? Überlege es dir gut, ehe du mir zum zweiten Male dein Wort gibst, meine Frau zu werden. Andere werden um dich freien, denn du bist schön und von vornehmer Herkunft und – des Grafen Plein bist du sicher, der nimmt dich, wie du gehst und stehst. Willst du aber mein bleiben, dann wirst du eine sehr bescheidene, kleine Frau Braun bleiben. Also, Klemi, überlege und denke dabei an Plein!«
Aber Klemi hatte schon überlegt oder brauchte nicht zu überlegen, denn sie streckte ihm aufschluchzend die Arme entgegen.
Nun umschloß er sie innig und küßte sie heiß auf den selig lächelnden Mund.
»Bleibst also doch mein!« jubelte er, und trotz seines tiefinnerlichen Frohgefühls lief eine Träne über seine Wange.
Langsam, ganz langsam gingen sie dem Hause zu. Sie sahen feierlich und sehr glücklich aus.
Klementine hatte im kühlen Gartensaal decken lassen, und als die beiden Verlobten jetzt den Raum betraten, erhoben sich die Brüder Kern zur Begrüßung, die sehr herzlich ausfiel.
Ernst, der schon seine Violine im Arme hielt, trat zu Braun. »Ihr seht ja ganz merkwürdig ruhig aus,« sagte er leise.
»Findest du?« entgegnete humorvoll der Oberleutnant. »Nun, ich will dir nur sagen, du bist nach wie vor mein künftiger Schwager und wirst diese Würde bald in Wahrheit antreten.«
Der Baron schüttelte den Kopf. »Habt ihr vielleicht einen Schatz im Garten gefunden?«
»Nein, nur eine Gewißheit.«
»Die ist?«
»Daß wir nicht voneinander lassen. Ich trete ins Zivil über, das ist der Schlüssel zur Lösung der ganzen Frage.«
»Hast du dir das auch überlegt?«
»Ja, Alter – mit dem Herzen wie mit dem Verstand.«