Edmond de Goncourt
Die Dirne Elisa
Edmond de Goncourt

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LVIII.

Mehrere Monate später stand Elisa in dem gleichen Saal wieder vor den Schranken derselben Richter und hüllte sich wieder in ihr trotziges, verstocktes, unerschütterliches Schweigen.

Der Direktor sagte mit seiner klingenden Stimme, aus der der verhaltene Zorn seinen heimatlichen Akzent stärker als gewöhnlich heraushören ließ:

»Immer dieselbe – und schlimmer als je und von Woche zu Woche ärger vom Teufel besessen – oh, ich weiß, meine Liebe, ich werde Sie nie zum Sprechen bringen! – Aber, bevor ich die großen Disziplinarstrafen gegen Sie in Anwendung bringe, möchte ich doch versuchen, ob Sie auf jeden anderen Zuspruch ebenso verstockt bleiben werden.«

Nach diesen Worten wandte sich die Oberin mit strengem Ton an Elisa:

»Sie haben gehört, was der Herr Direktor gesagt hat. Sie würden sich des schlimmsten und strafbarsten Ungehorsams schuldig machen, wenn Sie nicht augenblicklich durch einige reumütige Worte Ihre Fehler bedauern und den festen Vorsatz aussprechen würden, sich in Hinkunft zu bessern –«

Hier hielt die Oberin inne, denn sie merkte, welch geringen Eindruck ihre Bußpredigt auf die Gefangene machte.

Während die Oberin sprach, strich sich der Inspektor, dessen Gesicht den Perlmutterglanz eines Herings hatte, was seine holländische Abkunft verriet und ihn als einen friedvollen Sohn seines Vaterlandes erkennen ließ – ein paarmal mit beiden Händen über sein struppiges, rotes Haar. Und als nun die Oberin schwieg, rief unser Holländer mit seiner rauhen, aber sympathischen Stimme der Frau, die da vor den Schranken des Gerichts stand, zu:

»Schau, mein Kind, jetzt hast du deinen Dickschädel genug gezeigt – früher warst du doch ein ganz braves Ding – die Verwaltung hat alles von dir haben können. – Was ist dir denn heute grad in den Kopf gefahren? – Teufel auch, du weißt doch ganz gut, daß man hier nicht aus reinem Vergnügen straft! – Schau, Elisa, heut wollen wir einmal vernünftig miteinander reden – und du mußt uns sagen, warum du nicht mehr parieren willst.«

»Ich will ja, aber ich kann nicht!« rief Elisa mit verzweifelter, herzzerreißender Stimme, und ihr ganzer Körper wurde von einem seltsamen Zittern erfaßt, sobald diese freundschaftlichen, familiären Worte an ihr Ohr gedrungen waren und man sie mit ihrem Namen angesprochen hatte.

»Ach, Herr Inspektor, glauben Sie mir, ich will ja, aber kann nicht!«

Und immer wieder stammelte Elisa klagend:

»Ich will ja, aber ich kann nicht.«

Und dann brach sie in Tränen aus, und ihre trostlose Litanei wurde durch das Schluchzen eines Weinkrampfes erstickt.

»He, Sie da unten – sind Sie bald fertig?« rief der Direktor, dem der Besuch eines englischen Kriminalisten, der eine Broschüre gegen das System Auburus vorbereitete, die Laune verdorben hatte. – »Was erzählen Sie uns da – man kann alles, was man will – spielen wir nicht länger Komödie, wenn ich bitten darf – genug geheult. Wir werden sehen, ob ein wenig Abgeschiedenheit« – der Direktor sprach nie das Wort Einzelarrest aus – »Ihnen die verlorene Willenskraft zurückgeben wird.«

»Die Nächste, Nummer 9007.«


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