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»Mancherlei Besprechungen, Senatssitzungen, Berichte an Tiberius, Festlichkeiten und Kulthandlungen hielten mich in fast ununterbrochener Reihe noch mehrere Tage in Rom zurück. Jeden Tag sandte ich eine Botschaft an Fulvia und vertröstete sie oder richtiger mich selber auf den folgenden Tag.
Als ich mich endlich freimachen konnte und mein Wagen schon vor der Tür hielt, wurde ich noch von einem Senator aufgehalten, der mich – wie er sagte – in einer so dringenden Angelegenheit aufsuchte, daß ich ihn trotz aller Ungeduld nicht gut abweisen konnte.
Von einem berüchtigten Angeber waren ihm die Beweise für den Ehebruch seiner Frau vorgelegt worden. Der Angeber erbot sich, das Geheimnis zu wahren, verlangte aber dafür eine beträchtliche Summe, die der verarmte Senator nicht imstande war zu zahlen. In seiner Not kam er nun mit der Bitte zu mir, ihm in dieser heiklen Sache auszuhelfen.
Diese Bitte mußte ich ihm rundweg abschlagen. Er wisse ebenso gut wie ich, daß die lex Julia es ihm zur Bürgerpflicht mache, innerhalb sechzig Tagen seine Frau zu verklagen oder zu verstoßen. Von dieser Weigerung enttäuscht und erbittert, sagte mir der Senator, daß er sich gerade an mich gewendet habe, nicht nur meines Reichtums wegen, der es mir leicht mache, ihm zu helfen, sondern weil wir uns beide in demselben Boote befänden; denn das Verhältnis meiner Gattin zu Varro sei ja schon Stadtgespräch. Er wußte von jenem Gedichte, in dem Varro meine Fulvia unter einem angenommenen Namen besang, und das jetzt, wie er versicherte, in vielen Abschriften die Runde machte; aber auch noch ein neues Gedicht sei ihm gestern gezeigt worden, in dem der Poet sehr witzig über den Gatten spöttelte, der ihm das Tor verschlösse, während er doch eine offene Hintertür zur Geliebten habe ...
Meine Dankesgefühle für diese Aufschlüsse müssen sich recht deutlich in meinem Gesicht gespiegelt haben; denn als ich ihn anblickte, verabschiedete er sich ebenso wortlos wie eilig.
Ich warf mich in den Wagen. Ein wilder Sturm wütete in meinem Innern; ich vermochte kaum einen Gedanken festzuhalten außer dem einen: hinaus nach der Villa! Meine Freude auf das Wiedersehen war vergällt, meine Sehnsucht nicht vermindert. Nichts hatte meinen Glauben an die Treue Fulvias erschüttert. Was war denn geschehen, was ich nicht schon wußte? Ein frecher Dichterling hatte ein freches Spottgedicht geschrieben und geprahlt, er sei der Geliebte meiner Frau; er hatte ferner von der Hintertür gesprochen, die ihm zu ihr offen stünde. Was lag denn daran? Man wußte ja, wie diese Leute ihre licentia poetica auffassen. Aber daß mein guter Name und vor allem der Name meiner Frau in den Straßenschmutz gezogen, dem Schmunzeln, Kichern und Gelächter preisgegeben wurde – dieser Gedanke machte mich fast wahnsinnig. Nun, ihm würde ich das Handwerk schon legen, er sollte bald erfahren, mit wem er's zu tun habe. Zuerst aber Fulvia sehen! Ich wollte ihr nichts von diesem neuen Schimpf sagen, noch von dem Bekanntwerden des alten. Ich suchte keine Aussprache mit ihr. Eines treuen, innigen Blickes ihrer klaren Augen bedurfte ich, um alle Spukgestalten gänzlich zu vertreiben. Jener Kuß an der Bank brannte mir noch auf den Lippen. Würde sie mir wieder einen solchen zum Willkommen geben? Sie hatte mich am Fuße des Kapitols gesehen, obwohl sich unsere Augen nicht begegnet waren. Würde sie mir sagen, ich hätte würdig ausgesehen, als ich an der Spitze der Senatoren die Treppe hinabstieg, und sie sei auf ihren Mann stolz gewesen? Ein Blick, ein Kuß, ein Wort war ja alles was ich brauchte!
Ich stürzte in das Haus, durcheilte die Räume; Fulvia war nirgends zu sehen. Eines der Mädchen sagte mir, meine Frau sei im Garten. Ich dachte an die Aussichtsbank – wie schön, sie gerade dort zu treffen!
Die Strahlen der untergehenden Sonne erfüllten den Pappelgang und blendeten mich. Plötzlich fühlte ich mich festgehalten. Phöbe, die ich fast überrannt hatte, ergriff meine Toga. Mit zitternder Stimme beteuerte sie, meine Frau sei nicht an der Bank, nicht im Garten, sie sei schon ins Haus gegangen. Ich sah, daß sie log. Große Angst und Erregung sprachen aus ihren Zügen. Eine furchtbare Ahnung bemächtigte sich meiner. Ich stieß sie zur Seite und stürzte weiter.
Nun sah ich eine Gestalt am Ende des Baumganges. Mit der Hand das Auge beschattend, blieb ich stehen. Es war Fulvia. Sie war nicht allein. Die andere Gestalt war die eines Mannes.
Ich trete zur Seite und schleiche vorsichtig heran.
Die Gestalten sind nicht mehr zu unterscheiden – eine einzige Gruppe. Ihr weißer Arm umschlingt einen schwarzen Krauskopf, der dunkelblaue Streifen einer Rittertoga schlängelt sich über das golddurchwirkte Pergamon-Gewand, das ich ihr zum Feste geschenkt hatte – kein Zweifel, es war keine Dirne aus dem Haushalt, es war die Herrin des Hauses selbst.
Plötzlich reißt er sich aus ihren Armen und schwingt sich über die Mauer.
Ich stürze vor – Blut vor den Augen.
Fulvia wendet sich um – erblickt mich nur wenige schritte von sich entfernt, schreit laut auf – – – Dein Schwert, Marcus, dein Schwert!
Haue sie mir ab, diese mörderischen Hände. Von ihrem furchtbaren Griff lag sie erwürgt, als ich wieder zu Sinnen kam!«