Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An Jordan

Lager bei Kuttenberg, 15. Juni 1742.

Fredericus Jordano Heil! Nun endlich ist der Friede da, der Friede, nach dem Sie so geseufzt haben, um den so viel Blut geflossen ist und an dem ganz Europa zu verzweifeln begann. Was man von mir sagen wird, weiß ich nicht. Ich mache mich allerdings auf ein paar satirische Geißelhiebe und auf die landläufigen Redensarten und Gemeinplätze gefaßt, die die Toren und Ignoranten, kurz alle, die nicht denken, immerfort einander nachschwatzen. Aber ich frage wenig nach dem blöden Gerede der Welt und appelliere an alle Lehrer des Rechts und der politischen Moral, ob ich nach denkbar treuester Erfüllung meiner Verpflichtungen noch fernerhin gebunden bin, wenn ich bei meinen Verbündeten sehe, daß überhaupt nichts oder nur Verkehrtes geschieht, und außerdem befürchten muß, beim ersten Mißerfolg von meinem stärksten und mächtigsten Verbündeten in einem Scheinfrieden preisgegeben zu werden. Ich frage: hat in einem Falle, wo ich den Untergang meiner Armee, die Erschöpfung meines Schatzes, den Verlust meiner Eroberungen, die Entvölkerung des Staates, das Unglück meines Volkes, kurz, all das Mißgeschick voraussehe, dem uns das launische Kriegsglück und die Doppelzüngigkeit der Staatsmänner aussetzen, – hat in einem solchen Falle der Herrscher nicht das Recht, sich durch einen weisen Rückzug vor sicherem Schiffbruch oder offenbarer Gefahr zu retten?

Verlangen Sie Ruhm von uns? Meine Truppen haben genug erworben. Verlangen Sie Vorteile? Die Eroberungen geben Zeugnis davon. Wünschen Sie, daß unsere Truppen kriegstüchtig werden? Ich berufe mich auf das unwiderlegliche Zeugnis meiner Feinde. Kurz, nichts kommt meinem Heer an Tapferkeit, Kraft, Geduld in der Arbeit und in alledem gleich, was Truppen unbesieglich macht.

Findet man schon einen Spieler verständig, der das Spiel aufgibt, wenn er ein Septleva gewonnen hat, wieviel mehr muß man dann das Verhalten eines Kriegsmannes billigen, der sich nach einer glänzenden Reihe von Erfolgen vor den Launen des Schicksals in Sicherheit bringt!

Nicht Sie werden den Stab über mich brechen, wohl aber die Stoiker, die bei ihrer Herzenshärte und Hirnverbranntheit zu starrer Moral neigen. Diesen entgegne ich, daß sie gut daran tun, ihre Grundsätze zu befolgen, daß sich aber das Fabelland für so strenge Tugendübung mehr eignet als der von uns bewohnte Erdball, und daß alles in allem ein Privatmann ganz andere Gründe hat, seine Ehrenhaftigkeit zu bewahren, als ein Herrscher. Bei dem Privatmann handelt es sich nur um seinen persönlichen Vorteil, den er beständig dem Gesamtwohl opfern muß. So wird die strenge Beobachtung der Moral für ihn zur Pflicht, nach der Regel: »Es ist besser, ein Mensch sterbe für das Volk, denn daß das ganze Volk verderbe.« Für den Herrscher handelt es sich um den Vorteil eines großen Volkes; dafür zu sorgen, ist seine Pflicht. Zu dem Zweck muß er sich selbst opfern – um wieviel mehr also seine Verpflichtungen, wenn sie in Widerstreit mit der Wohlfahrt seines Volkes geraten.

Das hatte ich Ihnen zu sagen, und Sie können bei Gelegenheit, in Gesellschaft und im Gespräch, davon Gebrauch machen, aber lassen Sie nichts davon merken, daß der Friede geschlossen ist.

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