Friedrich der Große
Briefe
Friedrich der Große

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An Voltaire

Hauptquartier Herrendorf in Schlesien, 23. Dezember 1740.

Ich erhielt zwei Briefe von Ihnen, lieber Voltaire, konnte aber nicht eher antworten. Wie der König im Schachspiel Karls XII. bin ich stets auf den Beinen. Seit vierzehn Tagen sind wir immerfort unterwegs, und bei was für Wetter!

Ich bin zu abgespannt, um Ihre reizenden Verse zu beantworten, und zu durchgefroren, um ihren Reiz voll auszukosten, aber das kommt wieder. Verlangen Sie keine Gedichte von einem, der gegenwärtig wie ein Fuhrmann auf der Landstraße liegt und manchmal bis über die Ohren im Schmutz steckt.

Wollen Sie wissen, wie mein Leben sich abspielt? Wir marschieren von 7 Uhr früh bis 4 Uhr nachmittags. Dann speise ich, arbeite, empfange langweilige Besuche, und schließlich kommt ein Wust von albernen Bagatellen. Da gilt es, Querköpfe zurechtzusetzen, Heißsporne zu zügeln, Faule anzutreiben, Ungeduldige im Zaum zu halten, Raubgierige in die Schranken des Rechts zu weisen, Schwätzer anzuhören und Stumme zu unterhalten. Kurz, man muß mit den Durstenden trinken, mit den Hungernden essen, mit den Juden zum Juden und mit den Heiden zum Heiden werden.

Das ist meine Beschäftigung! Gern würde ich sie mit einer anderen vertauschen, wenn mir das Phantom, Ruhm genannt, nicht allzu oft erschiene. Wahrhaftig, es ist großer Wahnsinn, aber man kommt schwer davon los, ist man einmal davon ergriffen.

*


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