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Er ist todt, er ist an den Schrecken der entsetzlichen Sturmesnacht gestorben! so sagten um diese Zeit einige Kriegsmänner Biörns, die seit dem Morgen des vorigen Tages noch nicht zur Besinnung gekommen waren, und welchen sie in der großen Halle ein Lager von Wolfs- und Bärenfellen bereitet hatten, mitten unter den zum Theile umgestürzten Harnischen. Einer der Knappen seufzete leise: »ach Gott, erbarme du dich dieser armen, wilden Seele!«
Da blies der Wächter vor dem Thurme, und ein Reisiger trat staunend in das Gemach.
»Es ziehet ein Ritter heran,« sprach er, »ein wundersamer Ritter. Ich möchte ihn für Herrn Sintram halten, aber eine helle, helle Morgenwolke wehet immer dicht vor ihm her, und bestrahlt ihn mit so frischen Lichtern, das man denken sollte, es fielen lauter rothe Blumen auf ihn herab. Über dieß trägt sein Pferd ein röthlichtes Laubgeflecht hoch auf dem Haupte, wie ich es nie an unseres todten Herrn Sohn gewohnt gewesen bin.«
»Gerade ein solches,« entgegnete ein Anderer, »habe ich ihm gestern geflochten. Es gefiel ihm erst nicht, nachher aber ließ er es doch.«
»Warum thatst du denn das?«
»Es war, als sänge mir einer fort und fort in das Ohr:
Der Sieg, der Sieg,
Der schönste Sieg,
Der Ritter, der reitet zum Siege!
Und da streckte sich gerade ein Zacken unseres ältesten Eichbaumes über mich hin, und hatte noch zwischen dem Schnee fast alle seine rothen und gelben Blätter bewahrt. Ich aber that nach dem, was mir gesungen ward, und streifte welche davon herab, und flocht dem edlen Schlachtgaule einen Siegesstrauß. Zugleich sprang auch Skovmaerke, – ihr wißt, das gute Thier hatte immer eine wunderliche Scheu vor Herrn Biörn, und war deßhalb mit dem Rosse in den Stall gegangen, – der sprang recht schmeichelnd und froh an mir herauf, als wolle er mir für meine Arbeit danken, und solche edle Thiere verstehen sich auf schöne Vorbedeutungen gut.«
Man hörte Sintrams Spornenklang über die Quaderstufen heran kommen, und Skovmaerkes fröhliches Gebell.
Auf einmahl richtete sich die vermeinte Leiche des alten Biörn auf, sahe mit rollenden, weit empor gerissenen Augen rings umher, und fragte die entsetzten Reisigen mit hohler Stimme
»Wer kommt da, ihr Leute? Wer kommt da? Ich weiß, es ist mein Sohn. Aber wer mit ihm kommt, – die Antwort trägt das Schwert der Entscheidung im Munde. Sehet nur, lieben Leute, Gotthard und Rudlieb haben für mich gebethet; aber kommt Kleinmeister mit, da bin ich dennoch verloren!«
»Du bist nicht verloren, lieber Vater!« tönte Sintrams freundliche Stimme durch die sanft geöffnete Thür, und der morgenröthliche Wolkenschimmer wehete mit ihm herein.
Biörn faltete seine Hände, blickte dankbar zum Himmel empor, und sagte lächelnd: »ja, ja, Gottlob, es ist der rechte Gefährte! Es ist der schöne, freundliche Tod!«
Und dann winkte er seinen Sohn herbey, sprechend: »komm her, du mein Erretter, komm, du Gesegneter des Herrn, auf daß ich dir verkünde, was mit mir vorgegangen ist.«
Wie sich nun Sintram dicht an das Lager seines Vaters setzte, fiel allen, die im Zimmer waren, eine merkwürdig abstechende Veränderung auf. Der alte Biörn nähmlich, sonst glühend wie an Augen, so auch im ganzen Angesichte, hatte jetzt eine ganz bleiche Farbe, fast wie ein weißer Stein, da hingegen der ehemahls todtenblasse Sintram wie ein Jüngling leuchtete mit rosig hellen Wangen. Das kam, weil ihn die Morgenwolke noch immer überstrahlte, deren Anwesenheit im Gemache sich zwar mehr ahnden, als schauen ließ, aber doch ein jedes Herz mit leisen Schauern durchfunkelte.
»Siehe, mein Sohn,« hob der Greis leise und freundlich an, »ich habe wohl sehr lange in einem Todtenschlummer gelegen, und nichts von dem gewußt, was außer mir vorging, aber innerlich, ach innerlich, da habe ich nur allzu viel gewußt! Ich dachte, die Seele sollte mir vergehen vor ewiger Angst, und doch fühlte ich es dann auch wieder noch viel entsetzlicher: meine Seele sey ewig, wie diese Angst. – Liebes Kind, deine jetzt so morgenröthlichen Wangen beginnen dennoch zu erblassen bey meinen Reden. Ich halte inne Aber laß dir etwas Schöneres erzählen: fern, fern hinüber sahe ich eine hohe, helle Kirche, da knieten Gotthard Lenz und Rudlieb Lenz und betheten für mich. Der Gotthard war nun schon sehr, sehr alt geworden, und sahe fast aus, wie unsere Berge voll Schnee, aber in den schönen Stunden, wo sie von der Abendsonne angestrahlt sind. Und der Rudlieb war auch schon ein älternder Mann, jedoch sehr frisch und sehr kräftig, und so frisch und kräftig riefen die Beyden auch für mich, ihren Feind, um Hülfe zu Gott. Da hörte ich, daß eine Stimme, wie eines Engels sagte, das Beste thut sein Sohn. Der muß kämpfen in dieser Nacht mit dem Tode und dem, der abgefallen ist. Sein Sieg ist Sieg, sein Untergang ist Untergang für den Alten und für ihn! – Darüber wachte ich auf, und wußte, nun käme es darauf an, wen du mit dir brächtest. Du hast gesiegt. O Preis nächst Gott sey dir!«
»Gotthard Lenz und Rudlieb Lenz haben auch viel geholfen,« entgegnete Sintram, »ach, und lieber Vater, des Kapellans zu Drontheim feuriges Gebeth! Ich fühlte wohl im Ringen mit Verlockung und Entsetzen, wie der Himmelsathem frommer Männer mich anwehete und mir half.«
»Das will ich dir gern glauben, mein herrlicher Sohn, und alles, was du mir sagst;« entgegnete der Greis, und in demselben Augenblicke trat auch der Kapellan herein, Freude und Friede lächelnd streckte ihm Biörn die Hände entgegen.
Da war es von allen ein schönes Umfangen in Einigkeit und Seligkeit. – »Sehet doch, sprach der alte Biörn, wie springt nun auch der gute Skovmaerke so freundlich zu mir herauf, und will mich liebkosen! Nicht lange noch ist es her, da heulte er immer ängstlich, wenn er mich sahe.« – »Lieber Herr,« sagte der Kapellan, »in dem guten Thiere wohnet auch ein Gottesgeist, wenn freylich nur träumerisch und unbewußt.«
Nach und nach ward es immer stiller in der Halle. Die letzte Stunde des alten Ritters nahete heran, aber er blieb hell und froh dabey. Der Kapellan und Sintram betheten an seinem Lager. Die Reisigen knieten andächtig umher. Zuletzt sagte der Sterbende: »ist das Verena’s Bethglocke im Kloster?« und Sintram nickte ihm vertraulich zu, aber seine innig heißen Thränen fielen auf des Vaters todtbleiche Wangen. Da brach es wie ein Strahl aus des Alten Augen, da zog das Morgenwölkchen dicht über ihn hin, und Strahl und Morgenwölkchen und Leben waren von der Leiche verschwunden.