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Dreyzehntes Kapitel.


In der Veste saßen Biörn, Gabriele und Folko von Montfaucon um den runden Steintisch her, von wo man seit der edlen Gäste Ankunft die Harnische, ehemahls des Hausherrn stumme Genossen, weggehoben hatte, um sie in der nahen Kammer auf einen Haufen zusammen zu legen.

Heute, während der Sturm so unbändig an den Fenstern und Pforten rasselte, war es, als bewegten sich auch die alten Harnische im Nebengemache, und Gabriele fuhr einige Mahle davor erschrocken in die Höhe, und heftete die schönen Augen starr auf die kleine Eisenthür, fürchtend, es müsse nun alsbald ein gepanzerter Spuk daraus hervor treten, sich mit dem gewaltigen Helme durch die niedrige Wölbung vorbückend.

Ritter Biörn lächelte wild dazu, und sagte, als habe er ihre Gedanken errathen: »o, der kommt nun da nicht mehr heraus, dem habe ich es endlich vertrieben.«

Seine Gäste starrten ihn zweifelnd an, und da begann er mit furchtbarer Gleichgültigkeit – es war, als erwecke der Sturm alles Ingrimmige seines Herzens – folgende Kunde:

»Ich bin auch einmahl ein glücklicher Mensch gewesen, habe lächeln könne, wie ihr, und mich still auf Morgen freuen können, wie ihr; dazumahl nähmlich, als der häuchlerische Kapellan noch nicht meiner schönen Hausfrau klugen Geist verwirrt hatte mit seinen Frömmeleyen, davor sie endlich in das Kloster ging, und mich allein ließ mit unserm wilden Kinde. Das war eben nicht schön von der schönen Verena. – Nun sehet, in ihrer blühenden, heiteren Jugend, noch ehe ich sie kannte, da warben viele Ritter um sie, unter ihnen Herr Weigand der Schlanke, und dem schien sich die holde Jungfrau vor allen am meisten im leisen Wohlgefallen entgegen zu neigen. Ihre Ältern wußten wohl, daß Weigand ihnen an Macht und Adel fast gleich stehe; auch schwang sein beginnender Waffenruhm sich herrlich und tadelsfrey empor, so daß Verena und er beynahe schon für Brautleute galten.«

»Da hat es sich eines Tages begeben, daß die Beyden im Baumgarten lustwandeln, und außerhalb treibt so eben ein Hirt seine Schafe das Gebirge hinauf. Nun sieht das Fräulein dabey ein Lämmchen, schneeweiß, und auf das anmuthigste und fröhlichste hüpfend, so daß sie Lust dazu bekommt. Weigand, alsbald über das Gitter fliegend, eilet dem Hirten nach, und biethet ihm zwey goldene Armspangen für das Thierchen. Aber der Hirt will es nicht missen, hört nur kaum auf den Ritter, und treibt immer ruhig seines Weges Berg an, Weigand neben ihm her. Da reißt diesem endlich die Geduld. Er droht, und der Hirt, stark und stolz, wie alle seines Gleichen in unsern Nordlanden, droht wieder. Plötzlich schmettert ihm Weigands Klingenschlag über den Kopf. Er hat wohl nur flach fallen sollen, aber wer zügelt ein kollerisches Roß und ein gezücktes Schwert? – Gespaltenen Hauptes taumelt der blutende Hirt in die Abgründe hinunter; ängstlich schreyet seine Herde auf den Bergen. Nur das Lämmchen rennt in seiner Angst nach dem Baumgarten hin, schmiegt sich durch die Gitterstäbe des Gartens, und liegt, wie um Hülfe bittend, vom Blute seines Herrn roth gesprenkelt, zu Verena’s Füßen. Sie nahm es in ihre Arme, und ließ seit dieser Stunde Weigand den Schlanken nicht mehr vor ihr Antlitz kommen.«

»Nun pflegte sie des Lämmchens immerdar, und hatte sonst keine Freude an irgend etwas in der Welt, und ward bleich und himmelangerichtet, wie die Lilien sind. Sie soll schon damahls in ein Kloster gewollt haben, aber ich kam ihrem Vater in einer blutigen Fehde zu Hülfe gezogen, und hieb ihn aus den Feinden heraus. Das stellte der alte Mann ihr vor, und sie gab mir leise lächelnd ihre wunderschöne Hand.«

»Da litt den armen Weigand das Gefühl seines Jammers nicht mehr im Lande. Hinaus trieb es ihn als Pilgersmann nach der Asien-Welt, wo unsere Vorfahren hergekommen sind, und er soll daselbst wunderbare Dinge in Tapferkeit und Demuth vollbracht haben. Fürwahr, mein Herz erweichte sich seltsam, so oft ich zu jener Zeit von ihm sprechen hörte.«

»Nach Jahren kehrte er zurück, und wollte eine Kirche und ein Kloster aufrichten, auf den westlichen Bergen dort, von wo man die Mauern meiner Burg deutlich herüber leuchten sieht. Man sagt, er sey Willens gewesen, sich selbst darin zum Priester weihen zu lassen, aber es kam anders.«

»Es waren damahls einige Seeräuberschiffe aus den Mittagsmeeren herauf gesegelt und, von dem Klosterbaue vernehmend, glaubte ihr Hauptmann, bey dem Burgherrn und bey den Meistern der Arbeit vieles Gold zu finden, oder doch, im Falle er sie überfiele und wegschleppte, ein großes Lösegeld von ihnen zu erpressen. Er mußte wohl den Nordlands-Muth und die Nordlands-Arme noch eben nicht kennen, bald aber gelangte er dazu.«

»In jener Bucht am schwarzen Felsen gelandet, schlich er sich durch Umwege nach der Baustelle hinauf, umzingelte sie, und meinte, nun wäre die Hauptsache gethan. Hei, aber wie schlugen Weigand und seine Baugesellen mit Schwertern, Hämmern und Beilen drein. Die Heiden rannten flüchtig nach ihren Schiffen, Weigand rächend hinterdrein.«

»Da kam er an unserer Burg vorüber, und eben, als er Verenen auf dem Altan erblickte, und, zuerst nach manchem Jahre, sie den flammenden Sieger freundlich grüßte, flog ein Heidendolch, in der Angst rückwärts geschleudert, gegen sein unbehelmtes Haupt, und blutend und bewußtlos sank er zu Boden.«

»Wir vertrieben die Heiden vollends. Dann ließ ich den wunden Ritter herein tragen in die Burg, und meine bleiche Verena erglühete, wie Lilien es im Morgenlichte thun, und Weigand schlug lächelnd vor ihrer Nähe die Augen auf. Er wollte in kein anderes Gemach hinein, als in das kleine hier neben an, wo jetzt die Harnische liegen; ›das komme ihm vor,‹ sagte er, ›wie die kleine Zelle, die er nun bald in seinem stillen Kloster büßend zu bewohnen hoffe.‹ – Alles geschahe nach seinem Wunsche, meine schöne Verena pflegte sein, und er schien Anfangs auf dem geradesten Wege zur Besserung, aber sein Kopf blieb schwach und bey dem leichtesten Anlasse verwirrt, sein Gang mehr ein Fallen, als ein Wandeln, seine Farbe todtenbleich. Wir konnten ihn nicht entlassen. Da kam er denn aus der kleinen Thür dort, wenn wir des Abends beysammen saßen, immer in den Saal herein gewankt; und mir ward es oftmahls weh und zornig im Herzen, wenn die holden Augen Verena’s ihm so mild und süß entgegen strahlten, und ein Roth wie Abendschein über ihre Lilienwangen flog. Aber ich trug es, ich hätte es getragen, bis an unser aller Ende. – Wehe, da ging Verena in ein Kloster!« –

Er fiel zusammen auf seine gefallenen Hände, daß der Steintisch davor zu dröhnen schien, und blieb eine Zeit lang, wie ein Todter, still. Als er sich wieder empor richtete, flammte er furchtbar zornige Blicke durch den Saal hin, und sagte endlich zu Folko:

»Deine beliebten Hamburger, Herr Gotthard Lenz und Herr Rudlieb, sein Sohn, die haben auch mit Schuld daran. Ha, wer heißt sie hier stranden, so nahe an meiner Burg!«

Folko warf einen durchdringenden Blick auf ihn, und war im Begriffe, eine furchtbare Frage ergehen zu lassen, aber ein anderer Blick auf die zitternde Gabriele hieß ihn verstummen, wenigstens für jetzt, und Ritter Biörn fuhr in seiner Erzählung folgender Maßen fort:

»Verena war bey ihren Nonnen, ich allein, und wild hatte mich mein Jammer den ganzen Tag umher getrieben durch Forst, Waldstrom und Gebirge. Da komme ich in der Dämmerung auf meine verödete Burg zurück, und kaum, daß ich hier den Saal betrete, so knarret die kleine Thür und Weigand schleicht mir entgegen, – der hatte alles verschlafen – und fragte: ›wo bleibt denn Verena?‹ – Da werde ich wie toll, und heule und grinse ihm zu: ›die ist toll geworden, und ich auch, und du auch, und wir sind nun alle toll!‹ – Heiliger Gott, da sprang seine Kopfwunde auf und strömte dunkle Fluthen über sein Gesicht, – ach, welch ein anderes Roth, als da ihm Verena im Burgthore entgegen kam! – und er rasete, und rannte hinaus in die Wildniß, und streift seit dem dort herum, als ein wahnwitziger Pilger.« – Er schwieg, und Gabriele schwieg, und Folko schwieg, alle drey kalt und bleich, wie die Todtenbilder. Endlich setzte der furchtbare Erzähler leise und ganz erschöpft hinzu: »er hat mich seit dieser Zeit hier noch ein Mahl besucht, aber durch die kleine Thür kommt er doch nicht mehr. Nicht wahr, ich habe mir Ruhe und Ordnung auf meiner Burg verschafft?«


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