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Sintram war noch nicht heimgekehrt, als man sich in starrer Betäubung zur Ruhe begab. Es dachte auch eben niemand an ihn, so sehr kämpfte jedes Herz mit seltsamen Ahndungen und ungewissen Sorgen. Selbst Ritter Folko’s von Montfaucon Heldenbrust flog streitend empor.
Draußen saß der alte Rolf noch immer weinend im Walde, both sein weißes Haupt dem Ungewitter achtlos dar, und wartete auf seinen Herrn. Aber der ging auf viel andern Wegen. Erst als der Morgen hell herauf war, trat er von der entgegenstehenden Seite in die Burg.
Gabriele hatte die Nacht über süß geschlummert. Es war, als hauchten ihr Engel mit goldenen Fittigen die wilden Geschichten des vorigen Abends abwärts, die hellen Blumengestalten und Seenspiegel und grünenden Hügelgewinde ihrer Heimath aber heran. Sie lächelte hold und athmete still, während draußen der magische Sturm heulend über die Wälder flog und Streit hielt mit dem geängsteten Meere.
Aber freylich, als sie am andern Morgen erwachte, und noch immer die Fenster klirrten, noch immer die Wolken wie aufgelöset in Rauch und Dampf den Himmel verbargen, da hätte sie weinen mögen in Angst und Wehmuth, vorzüglich, da Folko schon aus den Gemächern fort gegangen war, und zwar, wie ihre Frauen ihr bey dem Ankleiden erzählten, in voller Kampfesrüstung. Zugleich vernahm sie auf den hallenden Sälen draußen den Tritt von Schwergewaffneten, und erfuhr auf Befragen, Ritter Montfaucon habe sein ganzes reisiges Gefolge aufgebothen, der Herrinn zum Schutze bereit zu seyn.
Von den schwellenden Hermelin-Pelzen umhüllt, war sie in ihrer Furcht beynahe anzusehen, wie eine zarte Blume, aus dem Schnee herauf blühend, vor Winterstürmen schwankend. Da trat herein Ritter Folko von Montfaucon, in aller seiner leuchtenden Harnischpracht, den goldenen Helm mit den hochwallenden Federn friedlich unter dem Arme, und grüßte mit heiterem Ernste. Sein Wink entfernte Gabrielens Frauen; man hörte, wie draußen die Gewaffneten ruhig aus einander gingen.
»Dame,« sagte er, und führte die durch seine Gegenwart schon Getröstete einem Ruhebette zu, neben ihr Platz nehmend, »Dame, wollet euerem Ritter verzeihen, wenn er euch für Augenblicke einer ängstlichen Besorgniß überließ, aber die Ehre rief und das strenge Recht. Nun ist alles geordnet und zwar gütlich und mild; vergesset jeglicher Angst, und was euch gestört haben kann, legt zu den Dingen, die nicht mehr sind.«
»Aber ihr und Biörn?« fragte Gabriele.
»Auf mein ritterliches Ehrenwort,« sagte Folko, »da ist alles gut.«
Er begann darauf, von gleichgültig heiteren Gegenständen zu kosen, mit seiner gewohnten Anmuth und Feinheit, aber Gabriele lehnte sich tiefgerührt an ihn, und sagte:
»O Folko, o mein Held, o du meines Lebens Blüthe, mein Schutz und mein liebstes Heil auf Erden, laß mich alles wissen, wenn du darfst. Wo aber irgend ein gegebenes Wort dich bindet, ist es ein Anderes. Du weißt, daß ich aus dem Stamme der Portamour bin, und von meinem Ritter nichts verlangen werde, das auch nur die Ahndung eines Hauches auf sein makelloses Wappenschild werfen dürfte.«
Folko sahe einen Augenblick ernst vor sich hin, dann freundlich lächelnd in seiner Dame Angesicht, sprechend: »es ist nicht das, Gabriele; aber wirst du es tragen können, was ich dir verkünden soll? Wirst du nicht zusammen sinken davor, wie eine schlanke Tanne vor der Last des Schnees?«
Sie richtete sich etwas stolz empor, und sprach: »ich habe dich schon vorhin an meiner Väter Nahmen erinnert. Laß mich nun hinzufügen, daß ich die Ehefrau des Freyherrn von Montfaucon bin?«
»So sey es denn;« erwiderte Folko, sich ernsthaft neigend. »Und was einmahl herauf muß an das Licht der Sonne, wohin es seinem finsteren Wesen nach nicht gehört,tritt es am wenigsten schrecklich hin durch plötzlichen Blitz. Wisse denn, Gabriele: der böse Ritter, welcher meine Freunde Gotthold und Rudlieb erschlagen wollte, ist niemand anders, als unser Gastfreund und Vetter, Biörn Gluthauge.«
Gabriele fuhr einen Augenblick zusammen, und deckte ihre Augen mit den schönen Händen fest zu. Dann sahe sie staunend umher, und sagte: »ich habe falsch gehört, obgleich schon gestern eine solche Ahndung mich traf. Oder sprachet ihr nicht vorhin, zwischen euch und Biörn sey alles geordnet, und zwar gütlich und mild? Zwischen dem tapferen Freyherrn und solchem Manne nach solchem Frevel?« –
»Ihr hörtet recht,« entgegnete Folko, und blickte mit innigen Wohlgefallen auf die zarte, ritterlich stolze Herrinn. »Heute mit der ersten Dämmerung schritt ich zu ihm hinab, und berief ihn zum Kampfe auf Tod und Leben in das nahe Waldthal hinaus, falls er derjenige sey, dessen Burg dem Gotthard und Rudlieb habe zum Opferherd werden sollen. Er stand bereits völlig gerüstet da, sagte bloß: ›der bin ich;‹ und schritt mir nach in den Forst. Wie wir aber allein waren auf dem Kampfplatze, schleuderte er seinen Schild von sich, einen schwindlichen Klippenhang hinab, dann flog sein Schlachtschwert desselben Weges, dann sprengte er mit zwey riesenkräftigen Griffen sein Panzerhemd, und sprach: ›nun zugestoßen, mein Herr Richter; denn ein schwerer Sünder bin ich, und fechten wider euch darf ich nicht.‹ – Wie durfte ich ihn treffen? – Da ward es eine seltsame Sühne zwischen uns. Er ist halb, wie mein Vasall, und doch entließ ich ihn wieder feyerlich in meiner Freunde und meinem Nahmen aller Schuld. Er war zerknirscht, doch keine Thräne kam in sein Auge, und kein freundliches Wort aus seinem Munde. Ihn drückt nur eben das strenge Recht, das mich mit dieser Gewalt beliehen hat, und Biörn ist mein Hintersasse in dessen Lehen. Ich weiß nicht, Dame, ob ihr uns auf diese Weise beysammen schauen möget, sonst suche ich eine andere Burg zum Aufenthalte für uns; es gibt wohl deren keine in Norwegen, die uns nicht in Freuden und Ehren aufnähme, und dieser wilde Herbstessturm mag vielleicht unsere Seefahrt noch lange hinaus stellen. Nur, das meine ich: schieden wir jetzt und auf diese Weise, dem wilden Manne bräche das Herz.«
»Wo mein hoher Herr verweilt, da verweile auch ich freudig in seinem Schutze;« entgegnete Gabriele, und fühlte die Größe ihres Helden wieder einmahl recht entzückend durch ihr Herz leuchten.