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Es war eine trübe Wanderung, welche der Jüngling und sein alter Pfleger nach dem Mondfelsen hielten, durch die wildverschlungenen, mit Eis und Schnee belegten Thalgründe hin, Rolf sang bisweilen Strophen aus geistlichen Liedern, wo dem reuigen Sünder Trost und Frieden verheißen wird, und Sintram blickte ihn dafür mit dankbarer Wehmuth an. Sonst sprach keiner von ihnen ein Wort.
Endlich – es ging schon gegen die Morgendämmerung – brach Sintram das leise Schweigen, indem er sagte: »wer sind denn die Beyden, die dort am gefrorenen Waldbache sitzen. Ein großer und ein kleiner Mann. Die hat wohl auch ihr eigenes wildes Herz vertrieben in die Wüste hinaus. Rolf, kennest du sie? Mir wird so grausig vor ihnen.«
»Herr,« entgegnete der Alte, »euch irret euer verstörter Sinn. Da stehet ein hoher Tannenschoß und ein kleines, verwittertes Eichenbüschlein, halb beschneyet, so daß es davon etwas wunderlich aussieht. Männer sitzen dort nicht.«
»Rolf, sieh doch hin! Sieh doch einmahl recht scharf hin. Sie regen sich ja: sie flüstern zusammen.«
»Herr, der Morgenwind bewegt die Zweige, und rauscht in den Nadeln und in den gelben Blätterleichen, und kräuselt den Schnee.«
»Rolf, nun kommen sie Beyde auf uns zu, nun stehen sie schon vor uns, ganz dicht.«
»Herr, wir sind es, die ihnen im Wandeln näher kamen, und der niedergehende Mond wirft die Schatten so groß und weit über das Thal.«
»Guten Abend!« sagte eine hohle Stimme, und Sintram erkannte den wahnsinnigen Pilger, neben welchem der bösartige Kleinmeister stand, abscheulicher aussehend, als je. – »Ihr hattet Recht, Herr Ritter!« flüsterte Rolf, wich hinter Sintram zurück, und schlug das Zeichen des Kreuzes über Brust und Haupt.
Der verwilderte Jüngling aber schritt gegen die zwey Gestalten an, und sagte: »Ihr habt immer eine wunderliche Lust bezeigt, meine Gefährten zu seyn. Was denket ihr euch dabey? Und wollet ihr nun mit auf die Steinburg? Da will ich dich, armer bleicher Pilgersmann, pflegen, und dich, entsetzlicher Meister, dich boßhaftesten Zwergen, will ich noch um einen Kopf kürzer machen, zum Lohne für den gestrigen Tag.«
»Das wäre!« lachte Kleinmeister. »Und dächtest wohl, du hättest so der ganzen Welt einen großen Dienst gethan? Doch freilich, wer weiß! Etwas möchte schon immer damit gewonnen seyn! Nur, armer Bursch, du vermagst es eben nicht.«
Der Pilger aber neigte indessen sein bleiches Haupt nachdenklich hin und her, sprechend: »ich glaube wirklich, du hättest mich gern, und ich käme auch gern, aber ich darf noch nicht. Gedulde dich nur; kommen siehest du mich noch ganz gewiß, aber spät, und erst müssen wir noch ein Mahl zusammen deinen Vater besuchen, und damit lernest du mich auch bey Nahmen kennen, armer Freund.«
»Daß du mir keinen Querstrich wieder machst!« drohete Kleinmeister zu dem Pilger hinauf; aber dieser zeigte mit seiner langen, dürren Hand gegen die aufsteigende Sonne, und sprach: »hindere einmahl die und mich, wenn du kannst!«
Da fielen die ersten Frühlichter über den Schnee, und Kleinmeister lief scheltend einen Klippenhang hinunter, der Pilger aber schritt in den verklärenden Strahlen ruhig und mit großer Feyerlichkeit den Weg zu einer nahen Bergveste hinauf. Nicht lange, so hörte man das Todtengeläute aus deren Kapelle.
»Um Gott,« flüsterte der fromme Rolf seinem Ritter zu, »um Gott, Herr Sintram, was habt ihr für Gefährten? Der Eine kann des lieben Gottes schöne Sonne nicht leiden, der Andere tritt kaum in jene Behausung ein, so klagt ihm die Todeskunde auf dem Fuße nach. Ist er wohl gar ein Mörder?«
»Das glaube ich nicht;« sprach Sintram. »Er scheint mir der Bessere von den Beyden. Nur daß er nicht zu mir kommen will, ist doch ein wunderlicher Eigensinn. Nicht wahr, ich lud ihn freundlich ein? Ich glaube, er singt gut, und da sollte er mir ein Schlafliedchen singen. Seit meine Mutter im Kloster wohnt, singt mir ja niemand Wiegenlieder mehr.«
Vor dieser linden Erinnerung fingen ihm seine Augen zu thauen an. Er wußte aber selbst nicht, was er übrigens gesprochen hatte, denn er war ganz wild und verworren im Geiste.
Sie kamen gegen den Mondfelsen, sie klommen zur Steinburg hinauf. Der Vogt, ein alter, finsterer Mann, dem jungen Ritter gerade um dessen Trübheit und düsteres, wildes Thun besonders ergeben, eilte, die Zugbrücke zu senken. Schweigend begrüßte man sich, schweigend trat Sintram ein, und die freudlosen Thore fielen krachend hinter dem künftigen Einsiedler zu.