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Ei, Possen, das ist nur zum Lachen;
Sei nur nicht ein so strenger Mann! Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen. |
»Faust« |
Der Hang nach Macht, der im absoluten Staate (außer im Dienste desselben) keine Befriedigung fand, schuf, so sagten wir, die Geheimbündelei überhaupt; der Hang nach Freiheit, der im absoluten Staate begreiflicherweise nicht besser fuhr als jener, schuf eine besondere Abzweigung, eine ideale Blüte der Geheimbündelei: den Illuminatenorden. Dieser Orden, auf seinen gedanklichen Kern angesehen, war kaum etwas anderes als ein modifizierter, vielleicht ein potenzierter Freimaurerorden, hätte also allen Anspruch darauf gehabt, neben diesem zu leben und zu wirken, auch wurd in der Tat um 1780 eine Vereinigung beider erstrebt; die besonderen Umstände aber, unter denen der neue Orden ins Leben trat, seine Rührigkeit, seine Aggression, seine Übergriffe führten rasch zu seinem Untergange, nachdem er, etwa ein Jahrzehnt lang, eine hervorragende politische Rolle gespielt und sich als ein Repräsentant jener Freiheitsströmung gezeigt hatte, die damals durch Europa ging.
Der Stifter des Ordens war Adam Weishaupt, der, 1748 zu Ingolstadt geboren, an der Universität seiner Vaterstadt studiert und 1775 ebendaselbst die Professur des Natur- und kanonischen Rechts erhalten hatte. Schon als Student – es lag eben in der Zeit – hatte ihn die Stiftung eines Ordens beschäftigt; jetzt, gereifter, entwarf er die Statuten für den Orden der »Perfektibilisten«, die dann später den mehr bezeichnenden und besser sprechbaren Namen der Illuminaten annahmen. Die Gründung des Ordens erfolgte 1776. Weishaupt selbst bezeichnete als Aufgabe desselben: »selbstdenkende Menschen aus allen Weltteilen, von allen Ständen und aus allen Religionen durch ein gegebenes höheres Interesse in ein einziges Band dauerhaft zu vereinigen und sie dahin zu leiten, aus wahrer Überzeugung und von selbst zu tun, was kein öffentlicher Zwang, seit Welt und Menschen sind, je bewirken konnte«. In einem Briefe gab er sich noch deutlicher und zuversichtlicher: »Der Endzweck des Ordens ist daß es Licht werde, und wir sind die Streiter gegen die Finsternis. In fünf Jahren sollen Sie erstaunen, was wir getan haben. Merken Sie sich's, der Endzweck des Ordens ist, frei zu sein. Wenn sich alles so fortentwickelt wie seit einiger Zeit, so gehört in kurzem unser Vaterland uns. Habe ich einmal den Grund des Baues fest gestellt, so mag geschehen, was wolle. Man wird dann, auch wenn man wollte, nicht mehr imstande sein, die Sache zugrunde zu richten.«
Die ersten Erfolge des Ordens entsprachen dieser Zuversicht; viele vornehme, gelehrte und rechtschaffene Männer traten ihm bei, darunter Knigge (1780), der alsbald eine besonders umsichtige und energische Tätigkeit zu entfalten begann. Aber diese Blüte, so rasch sie gezeitigt war, so rasch ging sie vorüber. Knigge und Weishaupt, von verschiedenen Ansichten geleitet, entzweiten sich; der erstere trat zurück, mit ihm eine Anzahl Mitglieder, und so in sich geschädigt und zerfallen, erlag der Orden dem Sturme, der jetzt von außen her ihn traf. Alles Illuminatentum wurde in Bayern, das den Hauptsitz bildete, verboten und Weishaupt 1785 seines Amtes entsetzt. Er fand bei dem Herzoge Ernst von Gotha Aufnahme; aber der Orden selbst erlag der staatlichen Obergewalt, die ihn, mit Prozessen und Strafverfügungen energisch vorgehend, wie einen Brand austrat.
Soviel über die Illuminaten. Ein kurzes Leben. Sehr wahrscheinlich, daß dieser Orden, wie so viele andere Verbindungen jener Zeit, ohne Sang und Klang und ohne ein Blatt in der Geschichte vom Schauplatz abgetreten wäre, wenn er nicht während der kurzen Dauer seiner Existenz eine Gegenströmung hervorgerufen hätte, die, berühmter werdend als der Illuminatenorden selbst, diesem alsbald einen Reflex der eigenen Berühmtheit lieh. Mit anderen Worten, das Illuminatentum wäre vielleicht vergessen, wenn nicht der geheimbündlerische Drang sofort einen feindlichen Bruder geboren hätte. Dies waren die Rosenkreuzer; ein alter Name, aber eine neue Sache.
Wir beginnen mit einem historischen Rückblick.
Die Rosenkreuzer waren eine alte alchimistische Verbrüderung, die weit in die Geschichte zurückgeht. Ihr Stifter war Frater Rosenkreuz, ein Deutscher, wie sein Name bezeugt. Daß ein solcher Mönch wirklich gelebt und mit seinen Adepten die Goldmachekunst getrieben habe, scheint unzweifelhaft; über diese einfache Tatsache hinaus aber hüllt sich alles in Nebel, und die Geschichte vom Tode und von der Wiederauffindung des alten Rosenkreuz gibt sich nicht einmal die Mühe, ihren Fabelcharakter zu verbergen. Diese Geschichte lautet wie folgt:
»Frater Rosenkreuz, nachdem er seiner Reisen durch Arabien und Afrika und seines vieljährigen Verkehrs mit den ›afrikanischen Weltweisen‹ müde geworden war, begab sich nach England und wohnte nicht weit von London, woselbst er eine unterirdische Höhle errichtete und ein Buch schrieb, worauf er ›G. L.‹ statt des Titels setzte. Sein Vetter Benedikt Rosenkreuz war gemeiniglich um ihn. Diesem befahl er, bei Ablegung eines großen Schwurs, daß er nach seinem Tode sogleich das Gewölbe zuschließen und eine bestimmte große Tafel davorsetzen sollte, worauf die Namen seiner Schüler standen; den Zugang selbst sollte er mit Erde verschütten. Alles dies geschah mit der größten Genauigkeit, so daß man von Rosenkreuz nichts weiter hörte. Über dieser Höhle stand aber ein sehr alter Akazienbaum, unter dessen Schatten Rosenkreuz öfters seinen Gedanken nachgehangen. Nach 120 Jahren fiel einem Bauern ein, diesen Baum umzuhauen und seine Wurzeln auszugraben. Er kam an Steinplatten, nahm eine nach der andern fort, und eh er sich's versah, fiel er in eine Höhle fünfzehn Fuß tief in die Erde hinein. Kaum hatte er sich von seinem Fall und Schrecken erholt, so wurde er gewahr, daß diese unterirdische Gruft erleuchtet war und ein alter, ehrwürdiger Mann vor einem Tische saß und in einem Buche las. Als er (der Bauer) sich nun einen Schritt näherte, erhob sich der Alte, der einen Stab in Händen hielt. Bei dem zweiten Schritt hob er seinen Stab in die Höhe, bei dem dritten schlug er so gewaltig auf die Lampe, daß solche zerbrach und erlosch. Der Bauer stürzte vor Schreck nieder; so fand man ihn und hörte seinen Bericht. Zugleich fand man eine Leiche, die ein Buch in Händen hielt. Dies letztere war das Buch Rosenkreuzers, das alle Weisheit, die Ausbeute seines Lebens, seiner Studien, umfaßte.«
So die Erzählung von Frater Rosenkreuz und seinem Weisheitsbuch. Dies Weisheitsbuch, auf das es ankam, gaben nun die modernen Rosenkreuzer, die wir gleich näher charakterisieren werden, als ihren Besitz aus; es sei ihnen auf rätselhafte Weise zu Händen gekommen, und um den Verdacht oder den Vorwurf der Modernität von sich abzustreifen, nannten sie sich, eben auf die vorgeblich alte Weisheit gestützt, die Rosenkreuzer alten Stils. Ihr Spruch war: »Lux in cruce et crux in luce.« Die Welt erkannte sehr bald, und sie sollte es auch erkennen, daß die sich so nennenden Rosenkreuzer mit den wirklichen Rosenkreuzern alten Stils nicht das geringste gemein hatten, und mit Fug und Recht durfte Dr. Semler, der »Vater des Rationalismus«, von Halle aus schreiben: »Seit einiger Zeit haben wir von einer jetzt fortdauernden Rosenkreuzerei so manche wichtige Nachrichten, Nachrichten, aus denen wir erkennen können, daß eine große Partei mit gewiß weit aussehenden Absichten die Magie und Alchemie nur als Maske benutzt. Ein ›Hirtenbrief‹ dieser Rosenkreuzer, der mir vorliegt, ist ein auffallender Beweis von der dreisten und entschlossenen Denkungsart dieser geheimen Partei, welche ganz merklich es auf eine öffentliche Revolution im Sinne des Rückschritts absieht... Die Historie kann es am gewissesten dartun, daß diese jüngeren Rosenkreuzer ganz andere Leute sind als die alten, die kein papistisches Mitglied unter sich duldeten.«
Im wesentlichen hatte es der alte Rationalist hier richtig getroffen. Ob Papismus und Jesuitismus dahintersteckten, war damals fraglich und ist fraglich geblieben, aber um Reaktion, um einen Kampf gegen die Neologen und Ideologen, gegen die Aufklärer und Freimaurer, gegen die Demokraten und Illuminaten handelte es sich allerdings; die alten Elemente in Staat und Kirche, ganz wie in unsern Tagen, nahmen einen organisierten Kampf gegen den Liberalismus in allen seinen Gestalten und Verzweigungen auf. Nur die Organisation war verschieden, heute öffentlich in Kammer, Lehrstuhl, Presse, damals geheim in Orden und Brüderschaften. Jede Zeit hat ihre Kampfesformen; der Kampf bleibt derselbe.
Wie recht der alte Semler hatte, darüber gaben die trotz aller Vorsicht und Geheimtuerei nach und nach in die Öffentlichkeit dringenden Schriften des modernen Rosenkreuzertums die beste Auskunft. Umkehr, Absolutismus, Orthodoxie – das war ihr Inhalt. Wir geben einige Belegstellen zunächst aus der »Original-Instruktion für die Oberen der untern Klassen«.
pag. 27:
»Der hohe Orden, der
die Sache Christi mit Macht und
Eifer betreibt, weil sie seine eigene ist, hat die Größe des Menschengeschlechtes sehr am Herzen.«
pag. 30:
»Der Zirkeldirektor soll den Brüdern tiefe Ehrfurcht gegen den Befehl Gottes einprägen, daß wir hier glauben und dort erst schauen. Er soll ihnen auch die gewisse und freudige Hoffnung machen, daß, bei zunehmendem Wachstum im Orden, ihr Glaube viele starke Stützen erhalten und sie manches ihnen jetzt noch Unbegreifliche in den Geheimnissen unserer allerheiligsten Religion mit mathematischer Gewißheit einsehen werden.«
pag. 88:
»Der Orden kettet den Himmel an die Erde und öffnet den versperrten Weg zum Paradiese wiederum. Seine höchsten Vorsteher sind, im allergenauesten Verstande, Freunde Gottes,
wahre Jünger Christi, weit über den Rest der Sterblichen erhaben, Meister über die ganze Natur, die, mit der einen Hand auf das
siegreiche Kreuz der Versöhnung gelehnt, mit der andern die lange Ordenskette festhalten.«
Soweit die Auszüge aus der » Instruktion«.
Energischer noch traten die Grundgedanken des Ordens, die man vielleicht am besten mit »Umkehr zu Strenggläubigkeit und Mystizismus« bezeichnen kann, in einem 1782 zu Berlin erschienenen Buche hervor, das den Titel führte: »Die Pflichten der Gold- und Rosenkreuzer alten Systems; von Chrysophiron«. Dies Buch wurde bloß für die Junioren des Ordens gedruckt und sehr geheimgehalten. Ein Exemplar besaß der russische Major Kutusow, der, wie man glaubt, ebendieser Verbindung halber, mehrere Jahre in Berlin lebte und daselbst starb. Dies Exemplar wurde bei der stattfindenden Auktion öffentlich versteigert und kam dadurch in fremde Hände. In der Vorrede zu diesem Buche fanden sich folgende Stellen:
pag. XIII:
»Gottes Barmherzigkeit über Deutschland hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß. Der ewige Erbarmer hat sich durch das Gebet unserer gütigen Oberen endlich erweichen lassen.
Was unsere Väter von sich stießen, das ist nach hundert Jahren ihren glücklichen Kindern, ist
uns zuteil geworden.«
pag. XXXIX:
»Gott hat sie, hat mich, hat alle Mitglieder unsres hohen Ordens vor Millionen Menschen wertgeachtet, an dem paradiesischen Segen Anteil zu nehmen, den er nach seiner grundlosen Barmherzigkeit bei dem Falle Adams nicht aus der Welt hinausnahm, sondern ihn nur verbarg, damit diejenigen unter den Menschen, welche in allen Jahrhunderten der Welt es wert würden, diesen Segen finden und genießen könnten.«
pag. XL:
»Nur der ist dieses Segens im Orden wert, der
Jesum Christum, den Schlangentreter, recht kennt, sein tinkturalisches Versöhnungsblut ganz auffasset und durch seinen starken Glauben mit ihm innigst vereinigt ist. Nur solchen
gab er Macht, nur diesen dreimal glücklichen Ordensbrüdern gab er Macht, Gottes Kinder zu heißen, die an seinen Namen glauben. Johannes 1,12.«
Und an ebendieser Stelle (pag. XL):
»Ich habe Ihnen hiermit genug gesagt und schließe mit den Worten Pauli, 1. Korinther 16, Vers 22. Wer unsern Herrn
Jesum Christum nicht liebhat, der sei verflucht oder Anathema maharam Motha. Das heißt: durch den großen Bann der göttlichen Strafgerechtigkeit ausgesetzt. Amen! Amen! Amen!«