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Die Zisterzienser in der Mark

Der Morgen graut und lacht der Nacht entgegen,
Im Osten leuchtet schon des Lichtes Segen;
Die Finsternis entflieht.
Bruder Lorenzo (»Romeo und Julia«)

Die beiden Ereignisse, die über das Wendentum an Havel und Spree entschieden, waren die Erstürmung Brennabors am 11. Juni 1157 und unmittelbar darauf, wenn der halb sagenhaften Überlieferung Glauben zu schenken ist, die »Havelschlacht gegenüber dem Schildhorn«, in der Jaczko, der Neffe Pribislaws, und seine noch einmal zusammengeraffte Wendenmacht entscheidend geschlagen wurde.

Schon zweihundert Jahre früher, unter den ersten Sachsenkaisern, waren die Deutschen bis ebenfalls an die östliche Havel vorgedrungen, und schon damals waren, in ihren ersten Anfängen wenigstens, der Havelberger und Brandenburger Dom gegründet worden, aber Leichtsinn, Unklugheit, Grausamkeit von seiten der Sieger hatten zunächst zu Auflehnung der Besiegten und endlich zu völliger Abschüttelung des Jochs geführt. Das alte Wendentum war auf 150 Jahre hin wieder glänzend aufgeblüht. Jetzt, nach der Niederwerfung Jaczkos, war es zum zweiten Mal unterlegen, und es galt nunmehr, die Mittel und Wege ausfindig zu machen, um einer abermaligen Auflehnung vorzubeugen. Albrecht der Bär, von dem es im Volksliede heißt:

Heinrich de Leuw und Albrecht de Bar,
Darto Frederik mit den roden Haar,
Dat waren dree Heeren,
De kunden de Welt verkehren –

dieser Albrecht der Bär war just dazu angetan, diese Mittel ausfindig zu machen und das früher durch Unklugheit Gescheiterte durch Mut und Ausdauer endgültig siegreich hinauszuführen. Es ist bekannt, daß er, nach Plan und System, die Kolonisierung des Landes begann; zu den Kirchen und Burgen aber, die schon einmal die Bekehrung und Beherrschung des Landes versucht hatten, gesellte er, als ein Neues, Drittes, die Vereinigung von Burg und Kirche – die Klöster. Mönche wurden ins Land gerufen, vor allem die Zisterzienser, ein Orden, der eben damals auf seinem europäischen Siegeszuge bis an die Saale und Unstrut vorgedrungen war.

Da diesem überallhin pionierenden Orden die Aufgabe zufiel, auch namentlich für die Kultur und geistige Eroberung der Mark von hervorragender Bedeutung zu werden, so mag es gestattet sein, bei seiner Entstehungs- und Entwickelungsgeschichte einen Augenblick zu verweilen und das Fortschreiten desselben auf seinen großen Etappen von West nach Ost zu begleiten.

Die ersten Klöster, die zumal in Süd- und Westeuropa ins Leben gerufen wurden, waren Benediktinerklöster, das heißt Klöster, in denen die Regeln des heiligen Benedikt: Gehorsam, Armut, Keuschheit, die Fundamentalsätze alles Klosterlebens, Geltung hatten. Die Benediktiner übten diese Tugenden jahrhundertelang, aber jene Epoche, die den Kreuzzügen unmittelbar vorausging, war eine Epoche des kirchlichen, mindestens des klösterlichen Verfalls, ganz in ähnlicher Weise, wie derselbe fünf Jahrhunderte später zum zweiten Mal in die Geschichte eintrat, und »sittliche Reform«, worauf zunächst die Reformation gerichtet war, war eine Parole, die, wie vielfach während des Lebens der Kirche, so auch um die Zeit der ersten Kreuzzüge gehört wurde.

Dies Ringen nach Reform, nach Wiederherstellung jener Klosterheiligung, wie sie die ersten Klöster gekannt hatten, gab Veranlassung zur Gründung eines neuen Ordens. Dieser neue Orden war der der Zisterzienser. Sein nächster Zweck war nicht Abzweigung vom Benediktinertum, aus dem er hervorging, sondern Wiederherstellung desselben in seiner Ursprünglichkeit und Lauterkeit. Aber es scheint das Los solcher und ähnlicher Bestrebungen – vielleicht nach jenem Naturgesetz, welches die volle Wiederherstellung von etwas Verschwundenem unmöglich macht –, jedesmal zu einer Neuschöpfung zu führen. Zu einer Neuschöpfung, die anfänglich, in aufrichtiger Demut, sich selbst nicht als eine Neuschöpfung betrachtet sehen will und doch, sich selbst zum Trotz, mit jedem Tage mehr eine solche wird.

So gingen, gegen den Willen des Gründers, die Zisterzienser aus den Benediktinern hervor.

Verfolgen wir, nach diesen allgemeinen Bemerkungen, die Entwickelung des neuen Ordens aus dem alten auch an den Trägern dieser Entwickelung, an den Personen.

Robert (später der heilige Robert), Abt des Benediktinerklosters zu Molesme an der Grenze von Champagne und Burgund, gab, um der eingerissenen Verderbtheit willen, die er in seinem eigenen Kloster wahrnahm, das Kloster Molesme auf und zog sich in das unwirtliche, nur mit Dornen und Gestrüpp bewachsene, durch ein Flüßchen kümmerlich bewässerte Tal von Cîteaux (Cistercium) in der Nähe von Dijon zurück, um daselbst mit zwanzig anderen Mönchen, die ihm gefolgt waren, getreu nach der ursprünglichen Vorschrift des heiligen Benedikt zu leben. Seine Trennung war eine rein äußerliche und lokale, er hatte sich von seinem Kloster getrennt, nicht von der ursprünglichen Kloster regel, ja, er kehrte nach einjähriger Abwesenheit in Cîteaux, auf Befehl des Papstes, in das Kloster Molesme zurück. Aber unwissentlich war ein neuer Keim gepflanzt, und der bescheidene Versuch, der, wie schon vorstehend angedeutet, eine alte Schöpfung nur neu gestalten sollte, schuf nicht in, sondern neben dem Alten ein Neues. In dem Tale von Cisterz ging ein neues Klosterleben auf. Die Träger dieses neuen Lebens aber waren nicht Benediktiner mehr, sie waren Zisterzienser.

Bald zeigte sich die erfolgte Trennung auch in der äußeren Erscheinung, bald auch in den Zwecken und Zielen des Ordens, in der Art, wie er seine Aufgabe faßte. Was die Tracht angeht, so änderte bereits der heilige Alberich, der zweite Abt von Cîteaux, die Kleidung seiner Mönche, und das Kleid, das vorher schwarz gewesen war, wurde weiß mit einem schwarzen Gürtel und schwarzem Skapulier. Nach der schönen Sage des Ordens war seine, des Alberich, schwarze Kleidung unter der Berührung der Heiligen Jungfrau weiß geworden. Dies weiße Kleid der Zisterzienser war ihr besonderer Stolz, und unter den zahlreichen Legenden dieses Ordens bezogen sich viele auf die besondere Gunst, in der, bei Gott und Menschen, das »weiße Kleid« stand. Im Jahre 1215 starb ein Zisterziensermönch zu Cher in Frankreich und wurde ohne sein Chorkleid begraben. Er kam zurück, um sein Kleid zu holen, weil der heilige Benedikt ihm nicht anders den Himmel aufschließen wollte. Der Prior gab es ihm, und er hatte nun Ruhe und kam nicht wieder.

Wichtiger aber als diese äußeren Abzeichen war die Wandlung, die der neue Zweig der Benediktiner innerlich erfuhr. Er wurde eine Spezialität, er wurde der Orden der Kolonisation.

Nie hat ein Orden einen rascheren und gewaltigeren Siegeszug über die Welt gehalten. Aus dem Mutterkloster Cisterz, gegründet 1098, waren nach fünfzehn Jahren schon vier mächtige Töchterklöster: La Ferté, Pontigny, Morimad und Clairvaux, hervorgegangen, den Töchtern folgten wieder Töchter und Enkeltöchter, und eh ein halbes Jahrhundert um war, war nicht nur ein Netz von Zisterzienserklöstern über das ganze christliche Europa ausgebreitet, sondern auch tief in heidnische Lande hinein waren die Mönche von Cisterz mit dem Kreuz in der Linken, mit Axt und Spaten in der Rechten, lehrend und Acker bauend, bildend und heiligend vorgedrungen. Es war ein in jenen raschen Proportionen sich mehrendes Anwachsen, wie man es auf alten Stammbäumen veranschaulicht sieht, wo, von Generation zu Generation, aus jedem einzelnen Neuzweig wieder zahllos andere neue Zweige sprießen, anwachsend zu Multiplikationen, die der bekannten Verdoppelung der Schachbrettfelder entsprechen. Fünfzig Jahre nach der Gründung des Ordens gab es 500, hundert Jahre nach der Gründung bereits 2000 Zisterzienserklöster, und Kaspar Jogelinus, ein Deutscher, hat uns allein die Beschreibung von 791 Zisterzienserklöstern hinterlassen. Von diesen 791 Klöstern waren 209 in Frankreich, 126 in England, Schottland und Irland und 109 in Deutschland.

Die Frage drängt sich auf, was diesem Orden zu so rapidem Wachstum verhalf und ihm, zwei Jahrhunderte lang, in allen Ländern und an allen Höfen ein alles überstrahlendes Ansehen lieh. Es waren wohl drei Ursachen, die zusammenwirkten: die gehobene Stimmung der ganzen christlichen Welt während der Epoche der ersten Kreuzzüge, die wunderbare, mit unwiderstehlicher Gewalt ausgerüstete Erscheinung des heiligen Bernhard, der, aus dem Orden heraus, bald nach Entstehung desselben erwuchs und ihn dann durchleuchtete, und endlich drittens die besondere, schon in aller Kürze angedeutete kolonisatorische Eigenart dieses Ordens, die ihn, in einer Zeit, in der geistig und physisch überall auszureden und urbar zu machen war, als ein besonders geeignetes Werkzeug sowohl in der Hand der Kirche wie auch des weltlichen Fürstentums erscheinen ließ.

1115 existierten nur fünf Zisterzienserklöster, 1119 bereits vierzehn, aber sämtlich noch innerhalb Frankreichs und auf verhältnismäßig engem Gebiet. Zwanzig Jahre später sehen wir den Orden, in immer rascherem Wachsen, von der Loire an den Rhein, vom Rhein an die Weser und endlich von der Weser bis an und über die Elbe vorgedrungen.

1180 erschienen seine ersten Mönche in der Mark.

An wenigen Orten mochten die Vorzüge dieses Ordens deutlicher hervortreten als in der Mark, weil sie nirgends ein besseres Gebiet für ihre Tätigkeit fanden. Wo die Unkultur zu Hause war, hatten die Kulturbringer ihr natürlichstes Feld. Rechnen wir die Nonnenklöster desselben Ordens mit ein, die, wenigstens was die Bekehrung, Lehre und Unterweisung angeht, die gleichen Ziele wie die Mönchsklöster verfolgten, so haben wir über zwanzig Zisterzienserklöster in der Mark und Lausitz zu verzeichnen, von denen die große Mehrzahl vor Ablauf eines Jahrhunderts entstand. Weder die Prämonstratenser und Kartäuser gleichzeitig mit ihnen noch auch später die die Städte suchenden Dominikaner und Franziskaner sind ihnen an Ansehn und rascher Verbreitung gleichgekommen.

Dem Zeitpunkt ihrer Entstehung nach folgen diese märkisch-lausitzischen Zisterzienserklöster wie folgt aufeinander:

Zinna, Mönchskloster, in der Nähe von Jüterbog, 1171.

Lehnin, Mönchskloster, in der Nähe von Brandenburg, 1180.

Dobrilugk, Mönchskloster, in der Lausitz, 1180-1190.

Neuzelle, Mönchskloster, in der Lausitz, 1230.

Marienfließ oder Stepenitz, Nonnenkloster, in der Prignitz, 1230.

Dransee, Mönchskloster, in der Prignitz, 1233.

Paradies, Mönchskloster, im Posenschen (früher Neumark), 1234.

Marienthal, Nonnenkloster, in der Lausitz, 1234.

Zehdenick, Nonnenkloster, in der Uckermark, 1249.

Friedland, Nonnenkloster, im Ober-Barnim, um 1250.

Mariensee, Mönchskloster, auf der Insel Pehlitz im Parsteiner See, zwischen Oderberg und Angermünde (Uckermark), 1258.

Marienstern, Nonnenkloster, in der Lausitz, 1264.

Chorin, Mönchskloster, in der Uckermark, 1273.

Marienwalde, Mönchskloster, in der Neumark, 1286.

Heiligengrabe, Nonnenkloster, in der Prignitz, 1289.

Zehden, Nonnenkloster, in der Neumark, 1290.

Bernstein, Nonnenkloster, in der Neumark, 1290.

Reetz, Nonnenkloster, in der Neumark, 1294.

Himmelpfort, Mönchskloster, in der Uckermark, 1299.

Himmelstädt, Mönchskloster, in der Neumark, 1300.

Seehausen, Nonnenkloster, in der Uckermark, 1300.

Das wichtigste unter den hier aufgezählten märkisch-lausitzischen Klöstern war wohl das Kloster Lehnin. Es wurde das Mutterkloster für diese Gegenden, aus dem Neuzelle, Paradies, Mariensee, Chorin und Himmelpfort hervorgingen.

Alle diese Klöster, mit wenigen Ausnahmen, wurden in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts unter Joachim II. säkularisiert. Viele sind seitdem, namentlich während des Dreißigjährigen Krieges, bis auf die Fundamente oder eine stehengebliebene Giebelwand zerstört worden, andere existieren noch, aber sie dienen der Kultur dieser Lande nur noch insoweit, als sie, oft in ziemlich prosaischer Weise, der Agrikultur dienstbar gemacht worden sind. Die Abtwohnungen sind zu Amtshäusern, die Refektorien zu Maischräumen und Brennereien geworden. Es ist allen diesen Klöstern ergangen wie ihrer großen, gemeinschaftlichen Mater, dem Kloster zu Cîteaux, selber. Den Verfall, den Niedergang, den hierzulande die Reformation still und allmählich einleitete, schuf dort die Französische Revolution auf einen Schlag. »Auf den Trümmern der Abtei« – so erzählt der Abbé Ratisbonne, der eine »Geschichte des heiligen Bernhard« geschrieben hat und Cîteaux um 1839 besuchte – »erhob sich in dem genannten Jahre eine Runkelrübenzuckerfabrik, die selber wieder in Trümmer zerfallen war, und ein elender Schauspielsaal stand an der Stelle der Mönchsbibliothek, vielleicht an der Stelle der Kirche. Die Zelle des heiligen Bernhard, die vor ohngefähr zwanzig Jahren noch existierte, hatte inzwischen einem Schmelzofen Platz gemacht. Nur noch der Schutt der Zelle war vorhanden. Aus den bloßen Trümmermassen des Klosters waren drei Dörfer erbaut worden.«

In dieser kurzen Schilderung des Verfalls des Mutterklosters ist zugleich die Geschichte von über hundert Töchterklöstern erzählt. Auch die Geschichte der unsrigen.

Die Klöster selber sind hin. Viele von denen, die hierlands in alten Klostermauern wohnen, wissen kaum, daß es Klostermauern sind, sicherlich nicht, daß es Zisterzienser waren, die vor ihnen die Stätte innehatten. Und hörten sie je das Wort, so wissen sie nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren es die Pioniere, die hundert und tausend andern Kolonisten, die nach ihnen kamen, die Wege bahnten. Das Gedächtnis an sie und an das Schöne, Gute, Dauerbare, das sie geschaffen, ist geschwunden; uns aber mag es geziemen, darauf hinzuweisen, daß noch an vielen hundert Orten ihre Taten und Wohltaten zu uns sprechen. Überall, wo in den Teltow- und Barnim-Dörfern, in der Uckermark und im Ruppinschen alte Feldsteinkirchen aufragen mit kurzem Turm und kleinen niedrigen Fenstern, überall, wo die Ostwand einen chorartigen Ausbau, ein sauber gearbeitetes Sakristeihäuschen, oder das Dach infolge späteren Anbaues eine rechtwinklige Biegung, einen Knick zeigt, überall da mögen wir sicher sein – hier waren Zisterzienser, hier haben Zisterzienser gebaut und der Kultur und dem Christentum die erste Stätte bereitet.


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