Theodor Fontane
Kriegsgefangen
Theodor Fontane

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3. Die Zitadelle.

Inzwischen wurde gemeldet, daß der »Fournisseur« eingetroffen sei, eine behäbige Person mit rotblondem Bart und Klapphut, etwas Engländer, etwas Hecker-Struve und ganz Fournisseur. Unter seinem Beistand sollte eine Wohnung für mich gesucht werden, und zwar auf der »Zitadelle«. Wir schritten zu dritt dieser zu, passierten ein Glacis, dann ein paar Brücken und Tore und standen nunmehr auf einem Triangelhof, dessen drei Seiten von ebenso vielen kasernenartigen Gebäuden umstellt waren. Zwei davon waren bereits mit Gefangenen belegt; die dritte Seite, die die Offiziersquartiere enthielt, war noch frei.

Wir traten in diese dritte Seite ein. »Ich muß nun schon ein übriges für Sie tun,« sagte der Kommandant; »wie könnten Sie Ihre Tage besser verbringen als angesichts des ewigen Meeres!« Damit wurde ein Zimmer aufgeschlossen, das die prosaische Inschrift trug: »No. 7: Lieutenant«, das aber allerdings durch seine großen Fenster hindurch einen entzückenden Blick auf das Meer gestattete. Ich schwankte einen Augenblick; dann hatte ich meine Wahl getroffen und erwiderte ihm lachend, daß ich nicht gern zum zweiten Male als Opfer des Romantizismus fallen möchte, Aussicht sei viel, aber Komfort sei mehr. »Nehmen wir ein anderes.« Damit traten wir in einen Nebenraum, der den Eindruck machte, als müsse die Herdplatte hier noch warm sein, als sei das »Camp« an dieser Stelle vor wenigen Stunden erst abgebrochen. Vielleicht war es so. Aber es konnte mich auch hier nicht halten, denn die Fensterscheiben waren bis zu beträchtlicher Höhe mit lauter aus rotem Papier geschnittenen Teufelchen beklebt, die sich untereinander neckten, Gesichter schnitten und unanständige Geberden ausführten. Beneidenswerter, der hier in einer Art Mischgattung von Höllenbreughels und Struwelpeter sich verewigt hatte! Meine Nerven wären diesem Anblick nicht gewachsen gewesen, und so schieden wir denn auch von diesem Raume. Ein drittes Zimmer: »No. 9: Capitaine« entsprach endlich meinen Wünschen; der Kommandant empfahl sich, und der Fournisseur fing an, seine Notizen zu machen. Eine Stunde später wurde ein Karren abgeladen; Matratzen, Decken, Gardinen erschienen in buntem Durcheinander, sogar eine endlose gelbe Fahne mit einer Grecqueborte, die den Anspruch erhob (er blieb unerfüllt), als Betthimmel installiert zu werden.

Beinahe gleichzeitig war aus der benachbarten Kantine ein alter, dort beschäftigter Invalid bei mir eingetreten, um seine vorläufigen Dienste anzubieten. Ich bat ihn, mir Holz und Kognak zu bringen, um meinem Frösteln, denn es regnete und stürmte wieder, auf doppeltem Wege beikommen zu können. Der Alte lächelte. Ich hätte nichts fordern können, das ihm lieber gewesen wäre. Eine Viertelstunde später – ich war inzwischen allein geblieben und lief auf und ab, um mich zu erwärmen – erschien er mit einer unglaublichen Menge Holz und einer Quartflasche Eau de vie. Ich kann wohl sagen, daß ich erschrak. Das Ganze, in seiner Massenhaftigkeit, hatte etwas, wie wenn sich ein Karaibenfest vorbereiten solle. Auf viel was Besseres lief es auch wirklich nicht hinaus. Das Holz waren gespaltene Eichenrippen eines gestrandeten Schiffes, in dem noch die großen rostigen Nägel steckten, rostig vom Seewasser und langen Liegen im Regen. Der Alte packte einen wahren Scheiterhaufen aus, schob einige Strohwische drunter und verschwand mit der Versicherung, »daß es gleich brennen würde«. Es brannte auch, aber wie! Große Massen Rauch schlugen in das Zimmer hinein; ich begann zu blasen und zu pusten, opferte eine ganze Schachtel Streichhölzer, alles umsonst, es blieb ein Schwelfeuer; die Augen fingen an zu tränen, und ich nahm endlich den Wasserkrug, um dieser Herrlichkeit ein Ende zu machen. Mir blieb nichts als der Kognak. Ich stürzte ein viertes Glas voll hinunter. Furchtbar. Wer aber will dies blinde Vertrauen tadeln?

Nach einer Stunde kam der Alte. Er sah listig genug aus; wenigstens schien es mir so. Ich lehnte entrüstet jeden Konversationsversuch ab, stellte die grünglasige dicke Bouteille auf den Scheiterhaufen, der eigentlich nie gebrannt hatte, und forderte ihn auf, persönlich und sachlich zu verschwinden.

Das war es, was er gewollt hatte. Er nickte, packte alles auf seinen Arm, steckte die Flasche in seinen weitabstehenden Westenflügel und empfahl sich unter den landesüblichen Höflichkeitsformen.

Ich höre noch sein »Bon soir, Monsieur.«

 


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