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Neunzehntes Kapitel.
Louis

Branntwein und Dirnen, wenn es diese zwei in Deutschland nicht gäbe, brauchte man keine Arbeitshäuser und nur die Hälfte der Gefängnisse. Die allerwenigsten Eltern kennen die Gefahr, in welcher ihre Kinder in der Fremde in dieser Hinsicht schweben, sonst kämen sie aus der Angst nicht heraus. Die fahrenden Frauenzimmer überschwemmen Deutschland mehr und mehr und vergiften seine Jugend. Wie viele junge Menschen sind denn gegen die Versuchungen der Sinnlichkeit fest gewaffnet? Gerät einer einmal in eine solche schlechte Herberge, wo diese Schlangen ihr Wesen treiben, so muß es ein Wunder sein, wenn er ihren Lockungen entgeht. Er sitzt da den Abend über und hört und sieht Dinge, die ich hier natürlich nicht mitteilen kann und die ihm anfangs die Schamröte ins Angesicht treiben. Da trinkt man ihm zu, da setzt sich die Versucherin an seine Seite oder der Hausbursch spielt den Kuppler und gar bald ist es um ihn geschehen. Vielfach läßt er in solchen Höhlen der Unzucht all seine Barschaft, und was noch ärger, seine Sittlichkeit, seine Ehre und Gesundheit! Aber nicht allein dies, dieser Umgang wirkt entnervend, auch die Arbeitslust geht da verloren. Der Bursche sieht diese Frauenzimmer jahrelang umherziehen ohne Arbeit und er kommt auf den Gedanken, das nachzuahmen, er zieht mit, im gefälschten Papiere stehen sie als Eheleute verzeichnet und wieder ist der menschlichen Gesellschaft ein nützliches Mitglied verloren.

Am traurigsten ist es, wenn seine einzige Beschäftigung darin besteht, den »Beschützer« einer solchen fahrenden Dirne (Louis) zu spielen. Auch davon weiß ich leider zu erzählen. Es giebt wohl keine kleinere Stadt in Deutschland, die so von Prostituierten überschwemmt ist, wie Ludwigshafen. Dies rührt daher, daß – wenigstens zu meiner Zeit – die Polizei ihrer Aufgabe in dieser Beziehung nicht im Geringsten gewachsen war. Aus diesem Grunde zogen denn auch die lüderlichen Frauenzimmer Mannheims mit Vorliebe über den Rhein, um von hier aus ihre Ausflüge nach allen Richtungen zu unternehmen. Auch ich hatte mir dort eine Wohnung gemiethet und trieb sechs Monate als Louis mein Wesen. Wenn es dunkel wurde, rückten wir aus, gewöhnlich in den Mannheimer Schloßgarten, wo unter dem Schutze der Nacht die Unzucht wilde Orgien feiert. Ich war mit einem Dolchmesser und einem kurzen amerikanischen Todschläger bewaffnet und zu allem bereit. Meine Aufgabe bestand darin, Wache zu halten, damit die Polizei nicht unbemerkt herbeischleiche oder aber die »Herren« – denn gewöhnlich waren es ja solche – durch Drohung und Gewalt zu zwingen, die Forderungen der Dirne zu befriedigen. Mit diesen »Herren« hatte ich selten Schwierigkeiten zu bestehen, da sie sich aus guten Gründen hüten mußten, Lärm zu schlagen. Anders verhielt es sich mit der Polizei. Mehrmals haben wir dieselben mit Erfolg angegriffen, einmal stand ich mit gezücktem Dolche einem Schutzmanne gegenüber und es hätte Mord und Todschlag gegeben, wären nicht unerwartet einige Männer aus dem nahen Schlosse auf uns zugekommen.

War irgendwo ein Fest, namentlich Schützen- oder Sängerfest oder ein Pferderennen, so fanden wir uns auch ein, denn dort gabs gute Geschäfte. Wir putzten uns da tüchtig heraus und dann spielte ich entweder den Kuppler oder den Eifersüchtigen, oder beides nacheinander. – Ich pflegte dann dem Pärchen nachzuschleichen, dasselbe zu überraschen, ich tobte, zog den Dolch und nahm schließlich dem Galanten seine Börse und Uhr mit Kette ab. Nie hat einer dem Gerichte Anzeige über sein Erlebnis gemacht, man kann sich wohl denken, aus welchem Grunde. Ich aber fuhr mit meiner Begleiterin und meiner Beute lachend und wohlgemut nach Hause. Daß wir uns zu allen Bällen zweideutiger Art in Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg einfanden, brauche ich nicht zu sagen und wie es da herzugehen pflegt, davon haben glücklicher Weise die Leser keine Ahnung.

Aber die Polizei hat davon eine Ahnung, ja sie weiß es und sieht noch vielfach durch die Finger. Ja, es kommt mir vor, als ob dieses Gesindel vom Staate als ein notwendiges Übel halb und halb geduldet werde. Und doch ist der Schaden, den diese schandbaren Zustände anrichten und die Gefahr, die sie der menschlichen Gesellschaft bereiten, weit größer, als die meisten ahnen.

Tiefer aber als zum Louis kann der Mensch nicht mehr sinken. Noch als Streuner, noch als Schwindler ernährt er sich doch selbst, als Beschützer der Dirne läßt er sich von ihrem unsittlichen Erwerbe füttern. Wer das thun kann, hat natürlich die letzte Spur von Ehrgefühl verloren. Der Louis ist das gefährlichste und verdorbenste Subjekt auf Gottes Erdboden. Wer sich einmal zu diesem Geschäft verwenden läßt, der ist reif zum Zuchthaus.


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